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Barbaren in Aubin März 29, 2013, 0:20

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Yariv Horowitz ist ein israelischer Filmemacher, der einen Film gegen die Besatzung gedreht hat. Für den Mob junger Araber, die Horowitz bewußtlos geprügelt haben, ist es egal, ob der Regisseur für oder gegen die Besatzung ist – er ist ein Feind und muß zusammengeschlagen werden. Das war bei einem Film-Festival in Aubin in Frankreich. Haaretz vermerkt, daß man nicht weiß, ob die Araber wußten, daß sie einen Israeli verprügeln. Das fällt für sie wohl in die Kategorie „teuflischer Zufall“. In der Jerusalem Post heißt es, die französischen Behörden gehen von einem rassistischen Hintergrund aus. Horowitz hat sich schnell erholt, aber findet Ihr nicht, daß die Angriffe auf israelische Kulturschaffende langsam unangenehm überhand nehmen? Ich werde wohl tatsächlich nicht um eine Blogkategorie Barbaren herumkommen.

Spät und müde März 29, 2013, 0:14

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kam Secundus nach Hause. Y. holte ihn aus Akko ab, ich kochte ihm einen ziemlich großen Pott Paprika, Reis und Fleisch, wie er es gern mag. Nicht immer erzählt er uns viel, aber heute hatte er viel auf dem Herzen. Das Lazarett in 105 ist wohl nicht ganz neu, und es war ein riesiger Aufwand, bei sehr starkem Wind die Zelte aufzustellen. Secundus sagt, zu zehnt hielten sie die Planen fest und flogen alle davon. Die Armee stellte extra einen Bautrupp an, um tiefe Löcher in den Boden zu bohren, sonst hätte man die Zelte gar  nicht verankern können. Mobile Röntgenzimmer und OPs und eine besondere Reserve-Einheit von erfahrenen Ärzten und Pflegekräften, alles wartet auf den Einsatz. Die Ärzte meinten, bei dem Wind kann man in Zelten nicht arbeiten, und sie stellten statt dessen Container auf.

Die „leichtverletzten“ Syrer, die vor Ort behandelt wurden, hatten Verletzungen, die ich nicht als leicht bezeichnen würde, sondern als schrecklich… aber im medizinischen Jargon gilt wohl alles, was nur schmerzhaft ist und verstümmelt, nicht aber lebensbedrohlich ist, als mittelschwer oder leicht. Im Vergleich zu anderen Einsätzen handelt es sich um Verletzte, die schon seit ein oder zwei Tagen mit ihren Verletzungen leben, sich zur Grenze geschleppt haben, sich in gewisser Hinsicht daran gewöhnt haben. Also nicht der Schock, die Überraschung und das Entsetzen, das die Sanis bei anderen Einsätzen sehen. Nur Verletzte, die lebensrettende OPs benötigen, wurden in Krankenhäuser transportiert, und jetzt, wo das mobile Feldhospital fertig ist, ist auch das nicht mehr nötig. Sie können an Ort und Stelle behandelt werden.

Ich habe Secundus gefragt, ob sie sich mit den Syrern verständigen konnten, und er sagte, selbstverständlich. Er hat ja schon auf der Schule Arabisch gelernt und kann es jetzt noch besser. Er sagt, es war kein Problem, mit ihnen zu sprechen. Er hat auch erzählt, daß die Soldaten untereinander diskutiert haben, wie weit unter diesen Umständen Hilfe gehen kann oder soll – immerhin sind mehrmals israelische Soldaten gezielt aus Syrien beschossen worden, und es ist nicht selbstverständlich, daß diese Mühen für Feinde gemacht werden. Aber letztendlich, sagt er, waren sich die Sanis sowieso und auch die anderen Soldaten einig, daß man helfen muß, wenn man kann.

Als Quarta fragte: aber hassen die uns denn nicht?, hat Secundus ihr erklärt, daß manche uns hassen, andere nicht, aber daß wir keinen Haß auf einzelne Menschen eines Volks fühlen, auch wenn wir mit dem Volk keinen Frieden haben oder die Regierung dieses Volks Haß gegen uns predigt. „Wenn du in Deutschland einen Iraner träfst, würdest du dich nicht mit ihm unterhalten wollen?“ „Kommt drauf an, ob er Israel haßt oder nicht,“ meinte Quarta. Secundus meinte, in lebensbedrohenden Situationen spielt Haß keine Rolle mehr, und er tut seine Arbeit, egal wen er vor sich hat.

Interessant auch, daß es zwar Kombattanten sind, die er behandelt hat, aber (höchstwahrscheinlich) eben keine ausgebildeten Soldaten. Es ist ein brutaler Krieg, ein Bürgerkrieg, ein Bruderkrieg, der sich ganz nah bei uns abspielt und der mir heute durch Secundus´ Erzählung noch näher gekommen ist. Was tun wir, wenn zivile Flüchtlinge an unsere Tore klopfen und um Einlaß bitten? Wir nehmen Flüchtlinge aus Afrika auf, können wir vor den Nachbarn die Tür abschließen? Was würden wir tun, und was würde sich auf Dauer daraus ergeben?

Einige der post-kolonialen Staatsgebilde sind in Gefahr, zu zerfallen, in die Stämme und ethno-religiösen Gruppen, die durch gerade Linien auf der Landkarte in einen Staat gezwungen wurden. Im Balkan haben wir so etwas auch schon gesehen. Wie wird es in Libyen oder Syrien in zehn Jahren, in dreißig Jahren aussehen? Keiner kann es vorhersagen. Angesichts der Unwägbarkeiten – wie viel Mut zum Risiko darf man Israel in dieser Nachbarschaft abverlangen?

Es sind kleine Geschichten und Einzelfälle, bisher, darum wundert es mich nicht, daß die internationalen Medien sich nicht dafür interessieren, was israelische Soldaten und Sanitäter an der Grenze tun. In Jordanien und der Türkei und im Libanon sind so viele Flüchtlinge gelandet, auch über sie hört man wenig. Mir kommt die Geschichte groß vor, weil mein Secundus dabei ist. Aber auch wenn die Geschichte größer wäre, weiß ich nicht, wie die normalen deutschen Medien darüber überhaupt berichten können. Manchmal kommt es mir vor, als ob sie außerhalb des Palästina-Israel-Konflikts gar kein Interesse an Palästinensern oder Israelis hätten, und auch gar kein Vokabular. Was nicht ins Schema paßt, ins Narrativ, das bemerkt man vielleicht gar nicht.

 

Konsequenzen März 28, 2013, 20:25

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Die Armee hat die Konsequenzen aus den Vorfällen an der syrischen Grenze gezogen. In den letzten Wochen haben mehrmals verletzte syrische Kämpfer am Grenzzaun um Hilfe gebeten und sind in Israel behandelt worden.

Welche Konsequenz? Wollt ihr raten? Nach allem, was ihr aus den Medien über Israel hört, was wäre eine typisch israelische Konsequenz?

Ein Feldhospital natürlich.

In light of the steady increase in the number of wounded SyriansIsrael has been treating, the IDF has set up a „military field hospital“ at army outpost 105 in the Golan Heights, AFP reported Thursday.

Israeli officials confirmed that the hospital was set up to treat injured Syrians near the border fence and avoid having to evacuate them to hospitals inside the country.

Oh, diese Unmenschen.

Noch eine Berlin-bezogene Frage März 28, 2013, 8:17

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eines Mitreisenden, die ich hiermit weitergebe. Er möchte eine Sim-Karte für seinen i-pad kaufen, sobald wir landen (Schönefeld). Hat jemand einen Tipp? Ich bin seit 25 Jahren nicht mehr in Schönefeld gewesen… und von allem, was mit i anfängt, habe ich keine Ahnung. Aber da sich Eure Tipps bisher bewährt haben, meinte er: frag doch mal in Deinem Blog, da wird doch bestimmt jemand wissen, wo man sowas kauft. Hoffen wir´s 🙂

Steine März 27, 2013, 19:31

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Das kleine Mädchen, Adele Biton, das so schwer verletzt wurde bei einem Autounfall, der durch Steinwürfe auf das Auto ihrer Mutter ausgelöst wurde, schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. An ihr Krankenbett kam auch der Rettungssanitäter, der Ersthilfe geleistet hat – ein Araber. Immer wieder erweist sich der medizinische Bereich als der menschlichste (nein, nicht Dr. Rantissi, aber sehr sehr viele andere). Wer helfen kann, hilft ohne Ansehen der Person. Vielleicht hat sein schnelles Eingreifen ihre Überlebenschancen verbessert.

Ich hoffe, daß die Kleine durchkommt. In die Eltern kann ich mich sehr gut reinversetzen, auch wenn die Umstände bei uns damals anders waren. Aber so hilflos danebenzustehen,wenn das Kind leidet und man es vielleicht verlieren könnte – das ist so ziemlich das Schlimmste, was man durchmachen kann.

Wunderschön März 27, 2013, 18:45

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In der FAZ – Bilder aus einer Glockengießerei in der Eifel, wo ich als Kind mal bei einer Klassenfahrt war, ich erinnere mich noch ganz genau. Dazu die Erläuterungen eines Glockengießers. Manche Arbeiten kann man eben nicht abkürzen, automatisieren, modernisieren. Höchstens daß der Kran die fertige Glocke aus der Grube hebt statt Menschenkraft, und daß der Ofen nicht mehr mit Kohle oder Holz beheizt wird. Aber die Arbeit tun Menschenhände.

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die sich bei der Arbeit die Hände schmutzig machen, sich körperlich anstrengen und genau wissen, was sie tun, ob es Hebammen, Fliesenleger, Bergleute, Posamentierer oder Glockengießer sind. Manchmal scheint es so, als würde alle Welt nur noch im Büro arbeiten, alle sind Manager, alle tun ihre Arbeit vor Bildschirmen.  Nein.

Die Bilder sind sehr schön, und ich kann gar nicht sagen, wie sehr mir das Läuten der Glocken fehlt. Einmal bin ich an einem Sonntag an einer Kirche in Haifa vorbeigefahren, da bin ich aus dem Bus gestiegen, um dem Läuten zuzuhören.

Verwundete Syrer März 27, 2013, 16:04

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haben auch heute den Weg an den Grenzzaun gefunden, und sind wie zuvor eingelassen und behandelt worden. Zwei Leichtverwundete wurden von Sanis an Ort und Stelle behandelt, zwei Schwerverletze liegen in Nahariya im Krankenhaus. In Zfat liegt übrigens noch immer der Schwerverletzte von der ersten Aufnahme, in Intensivpflege. (Wer dafür zahlt? Keine Ahnung. Vermutlich der rassistischste Staat der Welt, der partout boykottiert werden muß. Ob Assad oder die Rebellengruppen einen Kassenwart für solche Ausgaben haben? Wohl kaum.)

Übrigens sind die verletzten Syrer Einwohner des syrischen Teils der Golanhöhen. Die Leichtverletzten werden sich bestimmt interessiert im israelischen Teil umsehen. Hoffentlich sind sie nicht so klug wie Eli Cohen.

PS: Ich habe gerade mit Secundus telefoniert. Er hat bestätigt, daß der Bericht bei Ynet korrekt ist. Und ja, er war einer der Sanis, die die Syrer behandelt haben. Bilder wird es nicht geben, aus Sorge um die Syrer und was ihnen zustoßen könnte, wenn sie zuhause in Syrien erkannt werden.

Mein tüchtiger Secundus.

 

Ich lese soeben, daß einer der Schwerverletzten gestorben ist. Jetzt wäre doch der richtige Moment für die europäischen Medien den Fall aufzugreifen – Schlagzeile: „Israel kidnappt schwerverletzte Syrer zwecks Organraub“.

Reumütig März 25, 2013, 15:39

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Die marokkanischen Nachbarn von gegenüber halten im Garten ein wahnsinnig lautes Karaoke-Seder-Aufwärm-Fest. Das Leben in einer marokkanischen Großfamilie hat auch Schattenseiten… stellen die Töchter fest, die ja ganz gern marokkanisches Essen hätten.

Eines der Lieder als Kostprobe.

Jetzt stellt Euch das als Familien-Karaoke vor.

Vor einem Jahr März 25, 2013, 13:15

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haben wir hier über die Beduinen auf dem Sinai diskutiert. Damals waren Raketen auf Eilat der Anlaß. Ich habe damals gesagt:

Im Sinai muß aufgeräumt werden, aber wir können das nicht machen. Das müssen die Ägypter anpacken. Sonst entsteht ihnen da ein beduinischer Freistaat, der nur von Menschen-, Waffen- und Drogenschmuggel lebt, von Unterstützung des Terrorismus jenseits der Grenzen, und in dem kein Gesetz herrscht.

In Camp David haben die Ägypter den Sinai von Israel zurückbekommen. Es wäre schön, wenn sie ihn so in Ordnung halten würden, daß Ägyptens Nachbarländer ihn nicht fürchten müssen. Vielleicht sollten die USA, die den Vertrag damals vermittelt haben, die Ägypter mal sanft daran erinnern, daß das ihre Verantwortung ist.

Die Kommentare sind leider ziemlich entgleist, und ich würde sie gern nachträglich etwas souveräner umfälschen 🙂 … aber heute fiel mir dieser Wortwechsel wieder ein.

Der Sinai, der Ägypten mit Israel verbindet, ist zum Ort des Martyriums für Tausende Migranten aus Subsahara-Afrika geworden. Sie kommen aus Eritrea, Somalia und dem Sudan und hoffen auf ein besseres Leben in Israel oder Europa. Unterwegs werden sie gekidnappt, festgehalten, gefoltert. Kriminelle Beduinen erpressen Lösegeld von den Familien der Geiseln in deren Heimatländern. Nicht selten quälen sie die Afrikaner bis zum Tod. Die Regierung in Kairo ignoriert die grausamen Verbrechen.

Es ist fast unerträglich, diesen Bericht zu lesen, so grausam sind die Verbrechen, die dort begangen werden, jenseits aller Rechtsstaatlichkeit. Israel warnt davor schon länger, und Israel nimmt auch Flüchtlinge auf. Der Artikel vergißt zu erwähnen, daß in Israel inzwischen Zehntausende Flüchtlinge leben, besonders in ohnehin schon sozial schwachen und armen Gegenden.

Wenn einer von ihnen ein Verbrechen begeht (was mit erschreckender Regelmäßigkeit geschieht, besonders Vergewaltigungen haben in letzter Zeit von sich reden gemacht), dann protestieren die Anwohner dagegen, werden aber mit dem Vorwurf des Rassismus abgespeist. Richtige Vorstellungen, was der Staat Israel tun soll, um diesen Menschen wirksam zu helfen und sie nicht nur einfach abzuschieben in das Elend, aus dem sie kamen, hat keiner, die Frage ist auch, ob Israel das kann, soll, ob es nicht nur weitere Hoffnunglose auf eine Odyssee lockt, die grauenhaft enden kann.

Kurz, wir haben dieses Problem vor der Haustür. Meine beiden Söhne waren bei Einsätzen dabei, um solche Flüchtlinge an der Grenze aufzupicken und zu retten, bevor sich von ägyptischen Soldaten erschossen werden konnten, und Secundus hat die Todesschreie eines Mannes gehört, der es nicht geschafft hat.

Vielleicht nimmt es ja jetzt auch mal jemand anders zur Kenntnis. Oder fragt sich mal, wie es kommt, daß Sudanesen und Eritreer, Moslems wohlgemerkt, ausgerechnet nach Israel fliehen wollen, in diesen brutalen Apartheids- und Polizeistaat. Und ob Israel wirklich moralisch so verkommen ist, wenn es Menschen aufnimmt, und sie nicht vor Lampedusa ertrinken läßt.

Es kann jedenfalls nicht so weitergehen. Und ich sage das ohne eine Spur von Rassismus.Falls ich das noch mal unterstreichen muß.

 

 

 

Mondkalender März 25, 2013, 10:44

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Irgendwie sehr verwirrend, diese Feste. Ich erinnere mich, daß vor vielen Jahren der Karfreitag auf Purim fiel. Dieses Jahr fällt er in die Woche nach dem Sederabend (der heute ist, wir sind bei Schwiegermuttern im Kibbuz, wo seid ihr?). Dauernd bewegen sich die drei Ringe, säkulares Jahr, Kirchenjahr, jüdisches Jahr, gegeneinander. Das ist einerseits sehr interessant und faszinierend, und wäre ich mathematisch ein bißchen schlauer, dann verstünde ich es auch besser. Aber wie gesagt, es ist auch verwirrend, sich jedesmal wieder neu zu tarieren. Bei mir kommt dann noch das akademische Jahr hinzu mit seinen Semestern und vorlesungsfreien Zeiten und Semesterferien.

Meine Nachbarn bereiten sich alle auf Pessach vor. Nachbar Moshe hat im Garten ein Feuerchen gemacht, nach dem Juchzen der Enkelchen zu schließen, werden dort Mazzot gebacken. Ich habe seit heute früh um halb sechs insgesamt 23 Fenster und vier Glastüren geputzt, von innen und außen, allerdings nicht dem Frühlingsputz-Standard meiner Oma entsprechend, sondern mehr nach dem Standard „ach guck mal, da draußen wachsen ja Bäume, schön, die auch mal wieder zu sehen“. Im Haus habe ich schon in den vergangenen Tagen gehaust – im wahrsten Sinne des Wortes. Gleich fangen Tertia und ich an zu kochen – sie will eine Fischsuppe machen, ich ein Zitronenhühnchen. Der Lebensgefährte meiner Schwiegermutter setzt trotz schwerer Krankheit und allgemeiner Schwäche seinen Stolz darein, uns fürstlich zu bewirten, eigentlich ist Gegenwehr zwecklos, aber wir bringen trotzdem was mit.

Jedenfalls werde ich mir wieder mal das schöne Buch über die christliche Zeitrechnung zu Gemüte führen und danach wieder das Gefühl haben, daß ich es fix verstehe, diese ganzen Möglichkeiten, ein Jahr zu unterteilen und in die Zeitachse Pfähle einzuschlagen, nach denen gezählt wird. Als Kind fand ich den französischen Revolutionskalender so schön, wegen der ordentlich sortierten und anschaulichen Namen. Ich bin im Floreal geboren, klingt doch toll. Der 5. Germinal ist heute, wenn man dem Umrechner trauen darf. Auch 14. Nisan klingt besser als 25. März. Überhaupt sind die hebräischen Monatsnamen schön und werden gern als Vornamen verwendet – merkwürdigerweise oft für Kinder, die in ganz anderen Monaten geboren werden. Ich kenne Sivan, Elul und Adar, alles Mädchen. Oh, und auch eine Mai, die allerdings im September Geburtstag hat.

Gut, ich muß weiter putzen, irgendwie steckt das an, ich fühle förmlich die Wellen der Putz-Energie, die über das Land schwappen, an diesem herrlichen, frischen, blaugrünen Frühlingstag.

Noch immer nicht repariert März 24, 2013, 15:22

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2013-03-24 11.12.48

Die Schäden in unserer abgehängten Decke aus Rigipsplatten – die Druckwelle der Explosion in Goren ist zehn Tage her. Der Mann von der Versicherung, der die Schäden schätzen kam, meinte, wir können von Glück sagen, daß uns das Ding nicht auf den Kopf gerasselt ist (was mir allein schon wegen der dort lebenden extragroßen Spinnen sehr contre coeur ginge). Inzwischen wissen wir auch, daß der Schwerverletzte noch immer auf der Intensivstation ist, Brandverletzungen, der arme Mann, und daß nur durch ein Wunder die Arbeiter dem Tod entkommen sind – sie warteten alle draußen auf ihre Fahrgelegenheiten. Die Schicht war gerade fünf Minuten vorher beendet.

Angeblich gab es noch ein zweites Lager, viel größer. Wenn das in die Luft geflogen wäre, sähe es aber ganz anders aus bei uns. Keiner in der Gegend wußte überhaupt, daß es diese Fabrik gibt. Die Gerüchte kann man sich vorstellen.

Mal gucken, wie lange es dauern wird, bis das magische Dreieck Versicherung – Hausbesitzerin – Handwerker uns von diesem häßlichen Riß (und vielen anderen, kleineren) erlöst.

So sieht es jedenfalls an der Unfallstelle, nur wenige hundert Meter von uns entfernt, aus:

מחסן הזיקוקים (1024x768) מחסן הזיקוקים 2 (1024x768) מחסן זיקוקים (1024x768) מפעל המצברים מבפנים (1024x768)

Dauernd sehe ich dieses Auto… März 24, 2013, 15:07

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… und neulich haben wir mal ein Bild gemacht.

body parts car

 

Body parts – klar, es sind Autoteile, die da beworben werden, aber ich zucke trotzdem jedesmal ein bißchen. Es gehört auf jeden Fall in meine Sammlung.

Wenn die Geschichte stimmt… März 24, 2013, 12:02

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… was man nicht ohne weiteres voraussetzen kann, dann ist klar, warum Ben Zygier im Gefängnis saß. Und auch, warum seine Festnahme auf gar keinen Fall durchsickern sollte, weil damit die Hisbollah weitere Schlußfolgerungen ziehen konnte.

Dann hatte er also den Verrat an zwei Libanesen auf dem Gewissen. Kein Wunder, daß er damit schwer fertig wurde. Ich beneide niemanden, der in die Hände der Hisbollah fällt, als Spion Israels.

Wie gesagt, ob es stimmt oder nicht, wissen wir nicht, und auch nicht, wie es genau passiert ist, was er sonst noch an die Hisbollah verraten hat, ob er es mit Absicht und aus welchen Gründen, oder aber aus Dummheit getan hat.

Augen auf den Golan März 24, 2013, 11:06

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Gestern das bereits erwähnte Feuer auf den Jeep,  heute auf eine Patrouille zu Fuß. Diesmal hat Israel zurückgeschossen. Bei der Entscheidung zwischen ignorieren und reagieren balanciert man auf einer dünnen Linie. Wir wollen weder als ungefährliches Opfer oder Zielscheibe von Provokationen gesehen werden (kann man sich in dieser Nachbarschaft ohne Beißhemmung einfach nicht leisten), noch leichtsinnig eine Eskalation in Gang bringen. Ich muß mich darauf verlassen, daß die Menschen, die diese Entscheidungen fällen, wissen, was sie tun.

Interessant auch, ob weitere syrische Verwundete wieder aufgenommen würden, sollten sie sich in Grenznähe begeben und um Hilfe bitten. Bisher hat Israel das zweimal gemacht und die Verwundeten behandelt. Sollten sich die Zwischenfälle häufen, wird das vermutlich nicht mehr der Fall sein, allein schon aus Vorsicht.

Bisher hat es keine Verwundeten gegeben, weder bei den Syrern noch bei uns. Wenn chalila das erste Mal jemand bei einem Schußwechsel verletzt wird, wird es vermutlich kritisch.

Übrigens hat Israel eine Beschwerde bei der UNO eingereicht – korrekt, wenn auch vermutlich vollkommen nutzlos.

 

PS. Ich habe Secundus angerufen – er ist unterwegs auf die Golanhöhen, aber noch nicht angekommen. Irgendwie klingt das Wort „Golanhöhen“ ganz anders als zu Primus´ Zeiten….

Wochenanfang März 24, 2013, 9:13

Posted by Lila in Muzika israelit.
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mit Shlomo Artzi.

Text ist hier:

According to the movement of the trains
you’ll be arriving soon
According to the glasses
the sun is in my eyes

According to the amount of policemen
a bomb will explode at any moment
According to the smiles of the soldiers
the train is about to arrive.

According to the movement of the world
everything is turning
According to the clouds
the rain will be coming soon

According to the movement of the legs
we’ll soon escape from here
According to the movement of the watches
Time won’t stand still

According to what I know
it’s the train of the night
You’re coming for two days
and I am not yet calm.

According to what I know
I bought you a ring
And I offer myself – if you’re clever
you’ll tell me ‚yes‘.

Chorus:
Tell me yes, tell me no,
But tell me something here!
According to the movement of the trains
I will soon – start to run towards – the train.

According to history
There will never be eternity here
According to the newspaper sellers
there’s no peace, just promises.

According to the amount of roughnecks
soon murder will occur here
According to the bulletin boards
Maybe there’ll be a tomorrow.

According to the sages
soon Moshiach will come
According to daylight savings time,
the nights are already terribly hot.

According to the amount of aaa
soon a meeting will occur
According to the amount of kisses
we’ll never be separated.

Und wieder ein syrisches Geschoß März 24, 2013, 7:52

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auf einen Jeep in den Golanhöhen. Zufall, Irrtum, Absicht? Keiner weiß es.

Eines aber ist mir klar: die ganze Show um den Mavi-Marmara-Zwischenfall, um Entschuldigung mit oder ohne Kniefall ist nur deswegen beendet worden, weil Syrien zunehmend unberechenbarer wird, und weil Israel und die Türkei einander doch brauchen. Netanayhu hat eine weitere vorsichtig formulierte Entschuldigung abgegeben, die gar nicht viel weiter geht als das bereits vorher geäußerte Bedauern über den Verlust von Menschenleben, Erdogan hat sie akzeptiert und seinerseits kein bißchen Bedauern darüber ausgedrückt, daß eine schon länger anhaltende Kampagne seinerseits gegen Israel mit einer Pseudo-Hilfsflotte ohne Hilfsgüter, rein zu Propagandazwecken gestartet und mit gewaltbereiten Demonstranten bestückt, kulminiert ist. Netanyahu nimmt den Gesichtsverlust in Kauf, um Obama einen Gefallen zu tun und um wieder halbwegs normal mit den Türken zusammenarbeiten zu können, besonders militärisch.

Erdogan haßt Israel wie eh und je, und er hat Israel einen Gefallen damit getan, diesen Haß so unverhüllt zu zeigen, in vielen umjubelten Reden. Falls jemand die Illusion einer wirklichen Freundschaft gehegt hatte, ist diese Illusion nun dahin, und so möge es allen Illusionen gehen. Aber eine Kooperation, die die Auswirkungen einer Implosion Syriens minimieren kann, ist für alle Seiten gut. Israel ist isoliert, und auch eine minimale, kühle, mißtrauische Kooperation ist besser als gar nichts.

Wer weiß, was als nächstes aus Syrien kommt.

Hamas nimmt Salafisten fest März 23, 2013, 13:17

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wegen der auf Sderot abgefeuerten Raketen. Das ist wahrlich eine Neuigkeit. Wenn die Hamas ihrer Regierungsverantwortung nachkommt und die Abmachung einhält, nach der Israel nicht mehr beschossen wird, dann wären das gute Neuigkeiten. Ein größerer Durchbruch als so manches, was als Durchbruch gefeiert wird. Wenn die Hamas pragmatisch würde und es sich nicht nur um eine leere Geste handelt – das wäre gut für alle Seiten, nicht zuletzt für die Menschen im Gazastreifen.

Ende März März 23, 2013, 11:24

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ist es jetzt, und seit ich mich kenne, fange ich spätestens Mitte März an, an Papas Geburtstag zu denken. Besonders in den letzten Jahren, als er krank, an sein Zimmer und Bett gefesselt war, wurde es mir immer wichtiger, etwas zu finden, was ihn interessiert, ablenkt, erfreut. Nicht immer liegt man mit einem Geschenk richtig, aber ich glaube, ich kannte meinen Vater gut genug, um zu wissen, was er wirklich mag.

papa 1956

1953

Er hat im Laufe der Jahre von mir Bücher und Filme über Skandinavien, Schifffahrt, Fußball (besonders im Ruhrgebiet seiner Jugend), deutsche Geschichte und sogar Modelleisenbahnen bekommen. Themen, von denen ich nicht unbedingt was verstehe, aber dank Internet konnte ich die besten, auf meinen Vater maßgeschneiderten Geschenke sammeln. Es hat mich getröstet, wenn ich an ihn dachte und daran, wie schlecht es ihm geht, daß er vielleicht jetzt gerade einen Film sieht oder ein Buch liest, die ich ihm geschenkt habe, und damit im Geiste mit Hornblower oder Captain Cook über die Meere fahren kann, oder wieder wie als kleiner Junge seinem bewunderten Torwart von Rotweiß Oberhausen zujubeln kann, oder sich in die schönsten Modell-Lokomotiven versenken kann.

1964

Als Kinder waren wir wenig einfallsreich im Beschenken unseres Vaters, aber der 10. April war immer ein großer Tag. Für mich besonders, weil Papas Geburtstag der Auftakt war: am 21. April kam dann Omas Geburstag, und am 27. endlich meiner.

Ich kann es nicht fassen, daß er nicht mehr da ist. Das erstaunt mich fast selbst, denn ein Vater im klassischen Sinne war er schon lange nicht mehr. Er hat seine Vaterrolle mit der Scheidung aufgegeben, das war 1976, und war seitdem ein seltener Gast in unserem Leben. Verantwortung hat er nicht mehr übernommen. Einmal im Jahr wurde von uns erwartet, daß wir ihn besuchen kommen – am zweiten Weihnachtstag. Er bekam ein Geburtstagspaket von mir. An meinem Geburtstag rief er mich an. Ansonsten hörten wir nicht oft voneinander. Ob hier Krieg war, ich im Krankenhaus war oder eines der Kinder krank – er rief nie an. Er erwartete, daß wir den Kontakt aufrechterhielten, und war gekränkt, wenn wir das nicht taten.

Wenn es in meinem Leben eine Krise gab, oder auch im Leben meines Bruders – wir hätten uns nie an ihn gewandt, so wie andere sich an ihre Väter wenden. Erst nach seinem Tod fiel uns das auf. Andere Menschen besetzten in unserem Leben die Nothelfer-Ratgeber-Vorbildfunktion, die bei vielen Menschen der Vater besetzt. Bei der Beerdigung meines Stiefvaters (den er respektierte) fiel ihm das auf. Er hörte meine Grabrede und sagte hinterher ziemlich bitter zu meinem Bruder: man könnte meinen, daß das ihr Vater gewesen wäre. Und mein Bruder antwortete: das war er auch. Mit mir sprach er das nicht an, wir waren beide höflich-distanziert, das Minenfeld unserer Beziehung betraten wir nicht.

Er hat uns auch materiall gründlich enterbt, obwohl er keine anderen Kinder als uns hatte, aber außer den Familienpapieren, seinen alten Tagebüchern, einer Henlein-Uhr, die in meiner Kindheit auf seinem Nachttisch stand, und einem Spielzeug, das er als Kind geliebt hat, habe ich nichts geerbt. Eigentlich ist es aber auch genug und gar nicht so wenig. Seine zweite Frau ist nicht unsere Mutter und schuldet uns nichts. Er hätte, wenn er es denn gewollt hätte, für uns sorgen sollen, aber es war ihm wichtiger, sie versorgt zu sehen – und sie hat ihn ja auch die ganzen Jahre gepflegt und oft genug gerettet. Ich kann zwar nicht verstehen, wie man Kinder und Enkelkinder systematisch und rechtlich wasserdicht enterben kann, sie aber gleichzeitig jedes Jahr zu Weihnachten erwartet. Irgendwie paßt das nicht ganz zusammen. Oder mir kommt es so vor.

Jedoch, wie gesagt, die Vaterrolle hat er abgschlossen, als wir ihn „böswillig verlassen“ haben. Er hat den Zusammenbruch seiner Ehe nie anders gesehen und nie darüber nachgedacht, wie fair oder unfair es war, zwei Kindern unter 12 Jahren zuzumuten, sich zu entscheiden – weil es ein „sowohl als auch“ beim Stand der Feindseligkeiten nicht gab. Auch rückblickend fand er es vollkommen logisch, von uns zu erwarten, uns auf seine Seite zu schlagen, ohne Wenn und Aber. Daß die Eltern es waren, die ihre Ehe nicht mehr führen konnten, daß sie die Verantwortung trugen für die Situation und es uns leichter hätten machen sollen statt schwerer  – das weiß meine Mutter längst, aber mein Vater hat es nie so gesehen.

Für ihn war klar, daß Kinder, die ihren Vater im Stich lassen, um bei ihrer Mutter zu leben, jeden Anspruch auf väterliche Sorge verwirkt haben. Auch die Enkelkinder haben weder zur Geburt noch zum Geburtstag je etwas geschenkt bekommen, nur zu Weihnachten, wenn wir zu Besuch kamen. Wenn ein Kind wegen seines Armeediensts nicht mitkommen konnte, bekam es auch nichts geschenkt – die zweite Frau meines Vaters hat dagegen protestiert, aber mein Vater war konsequent. Wer nicht kommt, der kriegt auch nichts. Meinen Kindern geht nichts ab, es ist ihnen nicht mal aufgefallen, aber großvatertypisch ist es eigentlich nicht. Jedoch, er sah sich nicht als Opa, und meine Kinder nannten ihn auch nicht so, sondern bei seinem Namen.

1965

„Du warst ja immer auf Seiten deiner Mutter,“ hat seine zweite Frau mir einmal gesagt, als Erklärung für seine emotionale Distanz. Ich habe sie gefragt, was das für Eltern waren, die uns Kinder gezwungen haben, eine Seite zu wählen. Sie hatte das nicht bedacht und hatte seitdem mehr Verständnis für uns, glaube ich. Ich wiederum habe meinen Vater im Laufe der Jahre besser verstehen gelernt. Er war kein Typ für Kompromisse, in keinem Lebensbereich, warum also ausgerechnet in Bezug auf seine Ehe und Familie? Für ihn waren das Verträge, die wir gebrochen hatten, und damit waren seine Verpflichtungen am Ende.

Er hat damit viel verloren, denn von seinem Charakter her war er eigentlich ein Patriarch. Wir haben väterliche Liebe von unserem Stiefvater erfahren dürfen, der zuverlässig zu uns stand, und ich habe mit meinem Schwiegervater eine weitere Vaterfigur gewonnen. Im Leben meines Vaters gab es zwar jüngere Familienmitglieder, aber an die Stelle seiner Kinder trat eigentlich niemand. Er übte auch Nichten und Neffen gegenüber beißende Kritik und hielt sie auf Abstand. Keiner von ihnen erschien zur Gedenkfeier oder Bestattung.

Daß wir es trotzdem fertiggebracht haben, gegen Ende seines Lebens eine Art Einverständnis zu erlangen, rechne ich uns beiden hoch an, ihm höher als mir, denn ich bin jünger und hatte mehr Glück im Leben als er und habe mehr Liebe erfahren.

Es ist ja widersinnig, aber ich habe ihn tatsächlich mein Leben lang aus der Perspektive gesehen, die ich etwa mit fünf Jahren hatte, immer ein schlechtes Gewissen und immer in Angst vor der nächsten messerscharfen Bemerkung oder Ohrfeige. Daß ein Vater zu solchen Mitteln aus Hilflosigkeit greift, weil er Angst hat, sonst die Kontrolle über die Kinder zu verlieren, verstehe ich heute. Damals bedeutete es, daß wir um fünf Uhr, wenn der Papa von der Arbeit wiederkam, Angst hatten. Sind die Hausaufgaben gemacht, das Zimmer ordentlich, die Fingernägel nicht angeknabbert?

Andere Kinder warteten am Fenster auf ihren Papa, wenn alle Väter aus der „Kerschungsforanlage“ wiederkamen. Wir wohnten ja im Nordviertel, wo alle Väter Physiker, Chemiker oder Mathematiker waren und alle Mütter Lehrerinnen (höchstens Teilzeit natürlich). Heute tut mir das für meinen Vater leid, denn er hätte es auch gern gehabt, daß wir mit Freude auf ihn warten, aber das hat nicht geklappt, und ich glaube nicht, daß mein Vater wußte, warum nicht.

Unser Vater war eine Autorität, und das war zwar meistens höchst unbequem, jedoch manchmal kam es uns zupaß. Es gab Situationen, in denen ein hochgewachsener Mann mit funkelnden Augen, der nie um eine schlagfertige oder beißende Antwort verlegen war, ein nützlicher Verbündeter war. Auch unsere Lehrer ließen sich vom strafenden Blick unseres Vaters und von seinem Sarkasmus beeinflussen, und bei der Arbeit war er der Chef mit riesengroßem C. Er kümmerte sich um seine Untergebenen, beriet sie und sprang auch für sie in die Bresche. Er wäre gern Lehrer geworden, wie seine Mutter, und war ein guter Ausbilder und nebenbei auch Lehrer.

Er war eigentlich schon als junger Mann alt. Manchmal wurde er jung, beim Fußballspielen, im Urlaub, am Meer und auf See. Dann zeigte er uns, wie er aus Zigarettenrauch Ringe blasen kann, wie hoch er einen Ball in die Luft schießen oder fausten kann, und erklärte uns, wie ein Schiff seinen Weg findet, warum man in Epidauros ein auf der Bühne geflüstertes Wort bis in die obersten Ränge hören kann,  und warum es am Nordkap im Sommer nicht dunkel wird. Die großen Momente einer Einsicht in meinem Leben habe ich in deutlicher Erinnerung, und nicht wenige davon sind Papa-Erinnerungen.

Wenn er entspannt war, wenn er die Kontrolle mal ein bißchen losließ und uns von seinen Niederlagen erzählte, oder mit uns tobte, oder ein schallendes Gelächter ausbrach (das Primus haargenau von ihm geerbt hat – wenn ich ihn lachen höre, kriege ich jedesmal eine Gänsehaut, denn es ist unverkennbar Papas Lachen), wenn er uns abends Geschichten und Märchen erzählte und dabei richtig in Schwung geriet  – dann waren das seltene, gute Momente. Besonders im Urlaub kamen sie vor. Aber nach 1976 war er nie mehr entspannt mit uns. Er hatte das Vertrauen in uns verloren. Und er war ein Mann, der nicht leicht vertrauen konnte. Wir hatten sein Vertrauen ein für alle Mal verloren. In einem Moment der Bitterkeit nannte er uns einmal treulos. So sah er uns, und das für ihn vielleicht bitterer als für uns.

Ich habe es versäumt, vor seinem Tod eine wirkliche Versöhnung zustandezubringen, und ich glaube auch nicht, daß er daran interessiert war. Er fand es leichter, mit meinen Kindern zu kommunizieren als mit mir. Sehr selten hat er mal etwas Positives sagen können – er gehörte zu der Generation, die sich mit dem Loben schwertat. Aber über meine Kinder hat er sich öfter lobend ausgesprochen, ja, er hat mir gesagt, daß ich sie gut erzogen hätte und stolz sein könnte auf die Kinder. Das hat mich bewegt, denn ich hätte nicht erwartet, daß er es ausspricht. Er hat auch Y. sehr geschätzt und respektiert (und sich gewundert, meinem Bruder gegenüber, was so ein Mann an mir findet – er war bemerkenswert frei von väterlicher Subjektivität).

Es tröstet mich, daß mein guter, goldener Primus ihn zum Schluß noch besucht hat. Primus, der ihm ein bißchen ähnlich sieht, der ihn immer gemocht hat und der vor Krankheit und Leid und nahendem Tod keine Scheu hat, sondern ihm herzlich in die Augen gesehen hat und ihm gesagt hat, daß wir ihn lieben. Was mein Vater nicht oft im Leben gehört hat, da bin ich sicher. Primus ist meine Brücke in die letzten Tage meines Vaters, und ich bin so froh, daß er auch bei der Seebestattung dabei war.

papa

2001

Als die „Forelle“ in Sichtweite des Marine-Ehrenmals ihren Kreis um seine Urne drehte, die auf den Meeresboden sank, hatte ich das sichere Gefühl, daß mein Vater seinen Frieden gefunden hat. Das war ein stimmiger Abschluß, wie er schöner nicht hätte sein können. Mein Bruder und ich sind und waren uns sicher, daß unser Bestehen auf einer Seebestattung, wie er sie gewollt hätte, in der geliebten Ostsee, nicht weit von „seiner“ Werft, das beste Geschenk war, das wir ihm hätten machen können. Wir kannten ihn eben doch sehr gut.

2012

Aber jetzt sitze ich mit meinen Ideen für Papas Geburtstag da und keiner ist mehr da, dem ich sie schicken könnte. Meine Hände auf der Tastatur sind seine, und ich habe sein Erbgut weitergegeben, wer weiß, was davon in späteren Generationen auftauchen wird. Die Geschichte von meinem Vater und mir ist eine Geschichte der verpaßten Gelegenheiten, das wußte ich schon, als er noch lebte, und konnte es doch nicht ändern. In vieler Hinsicht lebe ich in meinem Leben weiter, was er auch gern gelebt hätte – Ehe, Familie, Meeresnähe. Andere seiner Träume lebt mein Bruder weiter – Autos, Fußball, Reisen.

Die Linien des Lebens sind verschieden,

Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen.

Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen

Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.

Die Ghetto-Arbeiter März 22, 2013, 4:16

Posted by Lila in Presseschau.
9 comments

Ich habe schon ich weiß nicht wie oft alten Menschen geholfen, die seitenlangen Formulare auszufüllen, mit denen sie sich um eine Rente bewerben. Obwohl die meisten von ihnen Deutsch verstehen und manche Formulare zweisprachig sind, finden sie sie verwirrend. Dabei höre ich dann ihre Geschichten. Es sind ausnahmslos Menschen über 80, die für die Zeit, in der sie für die deutsche Wirtschaft gearbeitet haben, und das unter schwersten, unmenschlichen Bedingungen, eine Rente beantragen. Und sie meist nicht bekommen.

Ehrlich, ich schäme mich dafür. Ich bin froh, daß es im SPon endlich mal einen Artikel darüber gibt, aber mir graut schon wieder vor den Kommentaren. Ja, ja, die raffgierigen Juden, die hätten gern, was ihnen zusteht, und warten seit vielen Jahrzehnten darauf. Die redlichen Deutschen dagegen, die warten mit der Lösung, bis der letzte Überlebende den 120. Geburtstag feiert. Dann wird bestimmt eine großzügige Lösung gefunden, in deren Genuß leider keiner mehr kommt. Eine Moralpredigt kriegt Israel dann bestimmt noch gratis mit dazu.

Irrsinn März 21, 2013, 8:50

Posted by Lila in Presseschau, Qassamticker (incl. Gradraketen).
115 comments

Manche Leute kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Nach wie vor habe ich den Eindruck, daß Obama mehr Verständnis und Empathie für die Palästinenser hat als die meisten US-Präsidenten vor ihm, auch wenn das Thema in den Hintergrund geraten ist und er inzwischen aus was weiß ich für Gründen auch mehr Verständnis für Israel hat. Es ist ja durchaus menschenmöglich, beide Seite zu verstehen, und das ist sogar ein ganz guter Ansatz.

Aber warum, warum, warum müssen dann irgendwelche Idioten im Gazastreifen Qassam-Raketen auf Sderot schießen, während Obama in Jerusalem ist? Wie genau soll das den Palästinensern helfen? Reichen die Bilder nicht, auf denen Palästinenser auf Bilder von Obama treten, spucken, mit Autos fahren und mit Hakenkreuzen besprühen? Zum Glück ist niemand verletzt worden. Aber soll das Obama und Netanyahu dazu ermutigen, weitere Räumungen in Betracht zu ziehen? Wenn aus dem geräumten Gazastreifen Raketen auf Zivilisten fliegen?

Obama war als Senator in Sderot, hat Sderot im Wahlkampf erwähnt und er hat die „eiserne Kuppel“ überhaupt erst möglich gemacht durch seine Unterstützung. Gestern hat er eine Batterie besucht (wie gestern erwähnt). Und heute zeigen ihm ein paar Verbrecher im Gazastreifen, wie nötig das war. Der reinste Irrsinn.

(Ob die deutschen Medien das aufgreifen werden? Man darf gespannt sein.)

 

PS: Die in den Kommentaren geäußerte Vermutung, daß es sich um vom Mossad abgerichtete Frettchen handelte, konnte nicht bestätigt werden. Eine Gruppe Mungos hingegen, die an das heiße mediterrane Klima besser angepaßt sind als Frettchen, wurde neulich bei einer Friedens-Demonstration gesichtet.

mungo kassams