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Schnee auf dem Carmel! (Vielleicht, morgen) Januar 30, 2008, 22:10

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen, Land und Leute.
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Wir haben Hoffnung auf Schnee! Ich glaube es zwar nicht, aber wie schön klingt es in den Ohren. „Es ist möglich, daß morgen auf dem Carmel Schnee fällt“.

Seit ich hier lebe, hab ich einmal hier Schnee erlebt – im Januar 1991, als Primus ein kleiner Kerl war und Secundus ein Neugeborenes, das ich warm, warm einpuscheln mußte. Y. erinnert sich, daß er als Kind mal Schnee erlebt hat, und mein Schwiegervater behauptet, er hat im Laufe seines Lebens mindestens viermal den Kibbuz na ja, nicht verschneit, aber ein von Schneeflocken verziert gesehen…

Die Kinder jedenfalls sind überglücklich. Es hat heute dreimal gehagelt, jedesmal ist Quarta rausgelaufen und hat Hagelkörner aufgesammelt. Wir hatten über 70 mm Niederschlag, nicht schlecht. Temperaturen knapp über Null. Ha. Winter!!!!

Zwischenbericht Januar 30, 2008, 19:33

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau.
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Eliahu, der Prophet, spricht, wir hören alle zu. Auch die Großen, sie haben schon in der Schule davon gehört.

Mein Mann knackt Sonnenblumenkerne und kommentiert. Nachdem Winograd die politischen Entscheidungen für vertretbar bis vernünftig erklärt hat, dagegen die Ausführung durch die Armee teilweise schwer kritisiert hat, höre ich ihn brummen, „dann müssen wir schleunigst Amir Peretz ins Verteidigungsministerium zurückholen…“

Winograd meint übrigens, daß die politischen Ergebnisse weniger schwer waren, als nach den militärischen Pannen zu erwarten gewesen wäre. Das wird sich Zipi Livni gern an den Jackenaufschlag heften. Insgesamt können wir uns aber nicht leisten, mit militärischen Schwächen oder Niederlagen zu leben.

Mal gucken, wie es weitergeht. Immerhin schiebt die Kommission nichts auf äußere Einflüsse, sondern nur auf interne Entscheidungsträger. Das finde ich positiv.

Jetzt ist Ruth Gavison dran, auf Englisch. Ach, und die ersten Politiker klopfen sich schon selbstzufrieden auf die Schulter. Noch mal glücklich davongekommen, würde ich sagen….

Auf Channel 10 meint Yaron London, der sonst nicht mein Fall ist, daß wir wenigstens stolz sein können, daß so ein Bericht überhaupt in Auftrag gegeben wird und wir uns der häßlichen Wahrheit aussetzen. Allerdings haben wir von allein begriffen, daß der Krieg für uns kein Erfolg war, auch wenn wir vielleicht der Hisbollah allzu kampflos das Schwenken der Siegesflagge überlassen haben. Ein Sieger war wohl auf beiden Seiten nicht auszumachen…

The battle of Winograd Januar 30, 2008, 16:03

Posted by Lila in Land und Leute, Uncategorized.
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Der Name Winograd, der ja eigentlich nur der Name des vorsitzenden Richters ist, paßt so gut. Er klingt wie ein Ortsname, und zwar einer, dessen Name ohne weiteres an eine große Schlacht denken läßt.

Heute abend wird die Winograd-Untersuchungskommission die Ergebnisse ihrer Überprüfung des Zweiten Libanonkriegs 2006 (den ich ja lieber Hisbollahkrieg nennen würde, oder Sommerkrieg) öffentlich bekanntgeben. Natürlich wird schon spekuliert, manche Leute sehen Olmert seinen Hut nehmen, andere sehen eine schwere Beschädigung des Rufs der Armee, es gibt Gerüchte und Vermutungen, aber bis in ein paar Stunden weiß keiner genau, was dabei rauskommt.

Eins ist klar: die israelische Armee widerspiegelt die Gesellschaft, und die Gesellschaft ist heutzutage nicht mehr bereit, ihre Söhne und Töchter frag- und klaglos zu opfern. Dadurch kämpft die Armee halbherziger, als es früher mal der Fall war, was besonders fatal ist, wenn man einer Truppe von Selbstmördern gegenübersteht, von denen jeder einzelne bereit ist, sein Leben in die Schanze zu schlagen.

Die kann man nicht besiegen, wenn man eine Armee hat, die das Leben liebt, und eine Gesellschaft im Rücken, die ständig ruft: „paßt auf die Kinder auf! paßt auf die Kinder auf!“ Der Begriff „ha-banim“, die Söhne oder die Jungens, ist praktisch zum Synonym für Soldaten geworden, oft werden auch die Mädchen dazugenannt. Diese Begriffsverwischung mag man beklagen – denn eine Gesellschaft, die ihre lebensnotwendige Armee mit umflorten, stolzen Augen anguckt wie auf dem Elternabend in der Grundschule, kann diese wunderbaren Kinder nicht in die Schlacht schicken und in Kauf nehmen, daß sie sterben.

Egal wie gut oder schlecht die Pläne der Armee sind oder waren, egal wie mutig und klug die Offiziere und Soldaten sind oder auch nicht, egal wie Nachschub und Versorgung und Kommunikation gehandhabt werden – es ist unsere Mentalität, die der Armee in den Arm fällt.

Natürlich aus meiner privaten Warte vollkommen zu Recht. Ich will doch meine Vier auch nicht auf einem Schlachtfeld sehen, chas-ve-chalila!, und habe endlose Diskussionen mit Primus, der partout in eine kämpfende Einheit will. Aber ich sehe auch, wie ich damit zu denen gehöre, die an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Ohne eine nicht nur militärtechnisch, sondern auch mental schlagfähige Armee, die auch Schläge einsteckt, können wir hier nicht überleben.

Gerade der zivile Geist, der daraus spricht, daß man dulce et decorum est nicht mehr für selbstverständlich oder akzeptabel hält, ist es aber, der Israel auch so stark macht. Das Dilemma ist unlösbar und auch von Richter Winograd nicht zu lösen.

Was die Armee angeht: da sage ich nicht viel zu, das ist nichts zum Bloggen. Nur meine private offene Frage noch einmal: ich habe mich schon während des Krieges gefragt und auch jetzt noch, wie viel eigentlich der dubiose Tennenbaum der Hisbollah verraten hat. Und wie viele Pläne für den Kriegsfall dadurch unbrauchbar wurden.

Dan Halutz war wohl wirklich eine Pleite, und der Entscheidungsprozeß, der ihn an die Spitze katapultiert hat, ist fragwürdig. Ein brillanter Mann und hervorragender Kampfpilot – aber vermutlich in Verein mit dem Amateur Amir Peretz nicht imstande, einen Krieg am Boden zu führen. Aber was ist mit dem Nördlichen Kommando – da saßen doch gute Offiziere der Infanterie, wieso hat es so viele Pannen gegeben? wieso war die Versorgung der Heimatfront so unzulänglich?

Wobei die Zivilisten selbst ja tadellos funktioniert haben – ein Teil hat in unbewohnbaren Bunkern ausgeharrt, andere sind in die Landesmitte gezogen und dort aufgenommen worden, und so Werte wie Nachbarschaftshilfe haben sich bewiesen. Natürlich gab es auch Hotels und Feriensiedlungen, die Profit aus der Lage schlagen wollten, aber insgesamt hat sich unsere hedonistische, materialistische, heterogene und viel gescholtene Gesellschaft bewährt.

Ich bin mal gespannt, wie die politische Landkarte morgen früh aussieht – die Armee hat ja eine ganze Reihe von Konsequenzen bereits gezogen. Ich weiß nicht, ob da noch viele Köpfe sind, die rollen könnten. Ich bin auch immer skeptisch, wenn man rein symbolisch Köpfe rollen läßt, denn ein Personalwechsel kann vertuschen, daß sich an der Sache selbst nichts geändert hat.

Der Krieg hätte eher beendet werden können, er hätte anders geführt werden können, er hätte anders beendet werden können. Was wirklich bei den Verhandlungen zum Waffenstillstand gelaufen ist, man wüßte es ja gern… Bolton hat ja neulich schon einiges angedeutet.

Y. kommt gerade rein, auf einen kurzen Besuch zuhause. Ich frage ihn, was er von Winograd erwartet. Er: „eigentlich nichts. Wir wissen auch ohne Winograd, was falsch gelaufen ist“. Es ist so schön, mit einem Mann verheiratet zu sein, der sich vom Winograd-Fieber ebensowenig anstecken läßt wie von anderen Massenphänomenen. Ich werde aber fernsehen und finde es gut, daß es hier so eine offene und auch leidenschaftliche Diskussion gibt, und das Bemühen, einmal gemachte Fehler nicht zu wiederholen.

Schöne Momente Januar 29, 2008, 15:22

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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im Mama-Dasein: draußen stürmt und hagelt es, wildes, dramatisches, hier eher seltenes Wetter. Die Kinder kommen rein, patschnaß trotz Regenschirmen, festen Schuhen und Anoraks. Sie sind aufgekratzt durch das Wetter. Sie stürzen sich aufs warme Essen, auf die trockenen Klamotten, auf die gemütliche Couch. Sie freuen sich, daß es das erbetene Lieblingsessen gibt.

Wie schön sind die Tage, an denen ich zuhause bin oder schon früh zurückkomme. Ich kann die Freuden einer stay-at-home-mum sehr gut nachempfinden. Man ist wirklich wichtig für die Menschen, die einem selbst am wichtigsten sind, und kann ihre Bedürfnisse erfüllen.

Allerdings weiß ich nicht, ob ich das auch so zu schätzen wüßte, wenn ich nicht auch Aufgaben außer Hause hätte. Ich weiß es nicht. Ich genieße jeweils den Moment. Ich hab´s schon sehr gut….

Artikel, Januar 29, 2008, 0:35

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die mir am Ende dieses schrecklichen Tages ins Auge stechen, bei meinem kurzen Blättern in der Presse.

Ulrike Putz erzählt im SPon von ihrem Besuch bei den Qassambauern im Gazastreifen. Bemerkenswert, daß sie als bekannt voraussetzt, daß diese Raketen fliegen. Die jungen Männer schlagen vor ihr heftigst das Rad und kokettieren mir der Todesgefahr, der sie sich aussetzen.

„Seid ihr bereit?“, fragt er sie. „Ab jetzt können wir jede Minute ins Paradies eingehen.“

„Ich hätte meine Frau anrufen sollen“, sagt er nach einer Weile. „Sie soll schon mal nach einem neuen Ehemann Ausschau halten.“

Die Männer reißen Witze über die Jungfrauen, die sie nach islamischem Glauben im Paradies erwarten: Galgenhumor.

Na ja, man kann verstehen, daß Putz keine Lust hatte, kritische Fragen zu stellen. Schließlich muß sie sich in dieser Situation ziemlich ausgeliefert gefühlt haben.

Einer hält der Fremden eine Pistole ins Gesicht: „Ich wollte nur mal sehen, ob du dich erschrickst.“

Zum Einkaufs-Tourismus nach Ägypten:

Ob sie da Zutaten für den Kassam-Bau besorgen würden? „Von wegen“, erwidert der Gruppenälteste lächelnd. „Die kaufen Kartoffelchips. Wir haben noch genug Rohmaterial für die nächsten Jahren.“

Dass es an Nachschub niemals mangele, dafür sorge der Schmuggel durch die Tunnel unter der ägyptischen Grenze hindurch. „Das TNT zum Beispiel kommt aus dem Sudan über Ägypten zu uns.“ Andere Bauteile gelangten per Boot übers Meer nach Gaza. „Wir beziehen einiges aus Osteuropa.“

Bis zu 500 Dollar koste das Rohmaterial für eine große Kassam. Das Geld, mit dem sie finanziert würden, nehme denselben Weg die Materialien. „Die Blockade der Israelis trifft uns nicht, die soll nur die Bevölkerung ins Elend stürzen.“

Und die Begründung für dieses sinnlose Heldenspiel:

„Wir sind bereit, zu sterben, das ist der Preis unserer Freiheit.“ Es bliebe den Palästinensern keine andere Wahl, als den Kampf gegen Israel mit der Waffe zu führen. „Entweder wir gehen in den Widerstand, oder sie behandeln uns wie Sklaven.“

Ich kann dazu nur seufzend anmerken, daß die Israelis sich die Besatzung nicht ausgesucht haben. Und ob die Räumung des Gazastreifens als Versklavung gemeint war…? Welchen Zuwachs an Freiheit können die Bastler seit Einsatz der Raketen feststellen? Ich würde ja eher sagen, alle Terrorakte haben dazu geführt , daß Israel Schutzzäune baut, Checkpoints, niemanden mehr reinläßt… wogegen man sich dann wiederum mit Terror wehrt. Seltsame Logik.

Putz fragt aber nicht nach. Sie gibt ihren Gastgebern die Möglichkeit, ihre rührende Menschlichkeit zu unterstreichen.

Er mache sich schon Gedanken, wer von seinen Geschossen getroffen würde. „Wenn wir Soldaten töten, sind wir mehr als glücklich“, sagt er. „Wenn es ein Kind trifft, sind wir natürlich nicht froh.“

Wieso schießen sie dann auf Kinder? Da mit Qassams auf Städte und Dörfer und Kibbuzim geschossen wird, also zivile Ziele, muß es schon mit dem Teufel zugehen, wenn man ein Soldat getroffen wird. Und welchen Grund gibt es, isrealische Soldaten auf israelischem Staatsgebiet anzugreifen? Sowas gilt normalerweise als casus belli. Es ist nur logisch, wenn man Israels Existenzrecht als souveräner Staat nicht anerkennt. Keine Frage zu diesem Thema von Putz.

Die erste Kassam-Rakete dieser Nacht ist so gut wie fertig, Abdul ist ruhiger geworden. „Heute schützen uns die Wolken vor den Drohnen der Israelis.“ Die Witwen- und Waisenkasse des „Islamischen Dschihad“ wird wohl erstmal nicht für seine Hinterbliebenen sorgen müssen. Seine Mutter, die sich so oft Sorgen um ihn macht, darf sich morgen früh freuen, dass ihr Sohn in seinem Bett aufwacht. „Sie ist ja einerseits schon stolz auf mich“, sagt Abdul, der Raketenbauer. „Aber letzten Endes ist sie eben doch eine Mutter.“

Ja ja. Wenn Abdul seinen Heldentod erleiden sollte, werden wir seine Mutter in den Abendnachrichten jubeln sehn… Aber es ist schon eine fragwürdige Wahl, daß Pütz ihre Reportage mit diesen rührenden Worten über die Mutter schließt. Paßt irgendwie gut zu den oft gesehenen Bildern von den Müttern der Selbstmordattentäter, die durch die Presse gehen – manchmal ist ja schon vorgekommen, daß sie von ahnungslosen Redaktionsknechten zu Angehörigen von Opfern erklärt wurden…

Mich dünkt, daß die Empathie der Erzählerin auf Seiten von Abdul, dem Raketenbauer, und seiner stolz-besorgten Mutter liegt. Ein Wort zu den Opfern findet sich nicht – aus der Perspektive der Raketenbauer sieht man sie ja auch wirklich nicht. Ob eine Journalistin sich die Sichtweise dieser Männer so eindeutig zu eigen machen muß – das ist wiederum eine andere Frage.

Zu dem Thema findet sich einiges in einem alten Artikel von Sahm, der sich auf Fernsehberichte bezieht, aber auch das beliebte Thema „Mutter des Selbstmordattentäters“ aufgreift:

Problematisch ist zum Beispiel der »Schmerz einer Mutter« nach einem Selbstmordanschlag mit zahlreichen Toten, wenn allein die Mutter des palästinensischen Massenmörders gezeigt wird, nicht aber die ebenso trauenden israelischen Mütter. Der ungeübte Fernsehzuschauer wird bei den Aufnahmen der Mutter des Selbstmordattentäters kaum bemerken, dass ihre »Trauer« möglicherweise inszeniert ist. Nach einem Anschlag in Jerusalem im November 2002 standen neben einer solchen »trauernden« palästinensischen Mutter lachende Kinder.

Solche Szenen werden von palästinensischen Kameraleuten gedreht. Die machen keinen Hehl aus ihrer »Verpflichtung« zum palästinensischen Kampf. Solange weder israelische noch ausländische Korrespondenten bei den Filmaufnahmen der »trauenden Mutter« anwesend sein können, lässt sich die »Echtheit« der Szenen nicht nachweisen.

Die lachenden Kinder neben der Mutter sind ein Hinweis dafür, das an der Szene etwas nicht stimmte. Unglaubwürdig wird die »Trauer« dieser Mutter zudem, wenn man später in Nachrichtenagenturen lesen kann, wie sie die »Heldentat« ihres Sohnes lobt und sich wünscht, dass auch ihre anderen Kinder zum »Schahid« (Märtyrer) werden mögen.

»Ich habe den Auftrag, ein emotionales Stück zu machen« sagte die Redakteurin eines deutschen Fernsehsenders. Deshalb waren für sie nur die Bilder der gestellten »Trauer« brauchbar. Der Wunsch, andere Kinder in den Tod zu schicken, passte »nicht ins Konzept«.

Ganz interessant. Zwar hat der eine Artikel nichts mit dem anderen zu tun, aber die Erwähnung der Mutter als Schlußakkord kam mir sentimental vor.

Das war also das eine, das ich gelesen habe, auch wenn es mich etwas ratlos zurückließ.

Das zweite war ein Artikel in Haaretz. Da ja der zweite Teil des Winograd-Berichts zum Libanonkrieg mit Spannung erwartet wird, karten wir alle nach – ein Volkssport wie die Beobachtung des See Genezareth-Wasserspiegels. Es überrascht mich kein bißchen zu hören, daß gegen Ende des Kriegs in der UN ein bißchen gemaggelt wurde, wie man das bei uns nennt.

The former U.S. ambassador to the United Nations, John Bolton, accused Secretary of State Condoleezza Rice of giving in to French and Lebanese demands over the terms of the cease-fire that halted the 2006 Second Lebanon War, according to a document recently obtained by Haaretz.

Natürlich dient dieses Dokument dazu, Olmerts höchst umstrittenen militärischen Entscheidungen gegen Ende des Kriegs zu rechtfertigen, der viele Menschenleben zum Opfer fielen. Trotzdem – es kann sein, daß Bolton die Wahrheit spricht und Olmert trotzdem falsch entschieden hat. Dieser Waffenstillstand war, wie die meisten Waffenstillstände, die Israel durch die UN aufgezwungen wurden, höchst unvorteilhaft für uns. Zu einem früheren Zeitpunkt gab es mal bessere Karten für einen Waffenstillstand. Noch weiß niemand, was wirklich los war – es schwirren viele Theorien, Anklagen und Verteidigungsreden herum.

In the letter, Carmon emphasized that Rice had agreed that the draft cease-fire resolution would stipulate that the international peacekeeping force in southern Lebanon would operate under Chapter VI of the UN charter, which would give it observer status only.

Mal sehen, ob wir in ein paar Tagen mehr wissen. Aber für den Waffenstillstand, dessen Konditionen die Wiederbewaffnung der Hisbollah zuließen, könnten wir in Zukunft noch einen hohen Preis zahlen. Unberufen.

Nur kurz, Januar 27, 2008, 22:42

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denn ich habe Arbeit bis morgen früh! Ich glaube, ich habe eine Gruppe Kindergärtnerinnen geknackt. Es war die fünfte Doppelstunde, die Themen gar nicht leicht (Perspektive, Komposition), sie haben zugehört, mitgemacht, und in gar nicht wenigen Augen habe ich dieses Strahlen gesehen, das anzeigt: es kommt was rüber.

Ich habe aber auch an mir gearbeitet und mich vorbereitet und habe noch mehr Späße gemacht als sonst (bin ja im privaten Leben so witzig wie ein Radieschen – also eher trocken), und ich kehre immer wieder zu bestimmten Bildern zurück. Der Wiedererkennungseffekt – das Publikum fühlt sich kompetent, wenn es ein Bild schon gut kennt. Denn daran kann man den Einsatz von Arabesken zeigen, eine uneindeutige räumliche Aufteilung, farbliche Gegensätze, eine spannungsgeladene Umkehrung des üblichen Rot-Grün-Verhältnisses („normal“ ist viel Grün, rote Tupfer…), ach so viel! Ja, heute hat es zum ersten Mal Spaß gemacht. Der zweite Teil wird schon anvisiert…

Und Eretz Nehederet ist zurück! Ich guck allein, weil alles hier schon schläft, nur die Jungens sind noch auf Jück. Wie wir über all die Katastrophen lachen können, die uns zustoßen, weiß ich auch nicht, Radieschen!, aber ich grinse doch. Da wird eine arbeitsreiche Nacht vergnüglicher.

Von Israel lernen… Januar 26, 2008, 17:05

Posted by Lila in Land und Leute.
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…heißt Zusammenleben lernen.

Kommt dem durchschnittlichen deutschen Leser natürlich vor wie eine lächerliche Travestie. Die Israelis sind es doch, von Haß zerfressen, denen man Lektionen erteilen muß, nicht wahr? Die man daran erinnern muß, welche Lehren sich aus Erziehungsanstalten wie Auschwitz ziehen lassen? Die niemanden dulden, der anders ist als sie, und ethnische Säuberungen zu ihrem Spezialgebiet gemacht haben? Und wie die beliebten Stereotype sonst lauten. *spöttisch gemeinte Übertreibung, nicht wörtlich nehmen!!!* 🙄

Tja, trotzdem findet dieser Tage in Jerusalem ein Seminar über die Bekämpfung von Fremdenhaß, Judenhaß und Rassismus statt, bei dem sich Vertreter europäischer Länder von Israelis erklären lassen, wie Israel mit ethnischen Unterschieden, hate crimes und Vorurteilen umgeht.

Israel hat nämlich einschlägige Erfahrungen: viele Israelis sind nach Israel eingewandert, nachdem sie aus ihren Heimatländern vertrieben wurden (eine UNRWA wurde nicht für sie gegründet, brauchte es auch nicht, da sie von Israel integriert wurden), und tragen die Erinnerung an Antisemitismus mit sich herum.

Gleichzeitig ist Israel als Einwanderungsland mit extrem heterogenen Bevölkerungen konfrontiert, die sich nicht immer gut vertragen. Und das Zusammenleben mit einer latent feindseligen Minderheit (h/t Dingsprozessor, bei dem ich leider keinen Kommentar hinterlassen kann, um falsche Lorbeeren richtigzustellen…) die wiederum in sich gespalten ist, bietet Stoff zum Nachdenken, Lernen und Bessermachen.

.
Anlaß des Seminars ist die Besorgnis der euroäischen Teilnehmer über die stark angestiegenen antisemitischen Vorfälle. Antisemitismus ist eine Art Indikator für andere Arten xenophobischen Hasses. Es ist nämlich nicht so, daß ein Rassist entweder die Juden haßt oder die Moslems, sondern diese Arten Haß passen gut zusammen. Wer Antisemitismus wirksam bekämpft, geht damit auch gegen andere Arten von Haß vor. Glaubt zumindest die Leiterin des Seminars.

Ich hoffe, ihr Optimismus ist begründet. Obwohl ich etwas bezweifle, daß es allzuviele Leute gibt, die bereit sind, von Israel zu lernen. Israel zu belehren ist doch viel schöner…

Makaber Januar 26, 2008, 16:56

Posted by Lila in Land und Leute.
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Hisbollah hat eine interessante neue Website ins Netz gestellt. Darauf kann man sich Bilder von Leichenteilen israelischer Soldaten ansehen. Bericht darüber in Ynet.

Früher hat man zur Abschreckung der Feinde die Leichen oder Köpfe aufgespießt oder in eine belagerte Stadt geschossen. Wie gut, daß das nicht mehr nötig ist. Nasrallahs Methoden der Kriegsführung stellen die schöne Mitte zwischen kernig-mittelalterlicher Traditionsliebe und postmodern-manipulativer Nutzung von Technologie dar. Nur einen etwas makabren Geschmack hat der Mann.

Juhu! Januar 26, 2008, 11:27

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Andi Ram und Yoni Erlich haben ihren ersten Grand Slam-Titel gewonnen – den ersten für Israel überhaupt! Australian Open natürlich. Meine Jungens werden sich freuen, wenn sie aufwachen und ich ihnen das erzähle, denn sie sind Fans. (Secundus hat zwei Sportler-Photos über sein Bett geklebt: Yoni Erlich und Shvainshtaigär…)

Ist das nicht schön, daß es auch solche Nachrichten gibt?

ram-erlich.jpg

Nette Kerle sind es auch.

„I’ve been waiting for this moment ever since I was born,“ Erlich said after the two accepted the trophy.

Turning to Clement and Llodra, Erlich said: „I know it’s not easy to lose in the finals, but its [good] to play with such great players, and it’s always a pleasure to be with them on the court.“

„I want to thank my coach…our dear friends who came from the US and Israel…and last but not least all our fans,“ he said.

„I don’t think there’s a better place to start the year than Australia,“ he concluded to cheers from the crowd.

Heinsohn und zornige junge Männer Januar 26, 2008, 0:18

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Lang und lesenswert: Manfred über Heinsohn, den ich ja auch schon mal verlinkt habe. Und wer noch Kraft zum Lesen hat: eine Buchbesprechung in der JPost, ein Forscher namens Salzman zum Thema Familien-und Gesellschaftsstruktur in traditionellen Gesellschaften des Nahen Ostens.

Heinsohns Youth bulge-Theorie verbindet sich mit der Wichtigkeit der jungen Männer in der Sippschafts-Theorie zu einer wirklich einleuchtenden Erklärung, warum z.B. die Palästinenser ticken, wie sie ticken.

Heinsohn, vereinfacht: eine Gesellschaft, in der viele unbeschäftigte junge Männer leben, ist explosiv und neigt zum gewattätigen Austragen von Konflikten.

Salzman, vereinfacht: traditionelle Gesellschaften des Nahen Ostens sind auf Sippenzusammenhalt gegründet, und zwar Sippen in der männlichen Linie. Daraus ergibt sich die besondere Wichtigkeit von Söhnen, die in  großer Zahl per Polygamie produziert werden, und wiederum viele andere Charakteristika.

Wenn man beide Theorien verbindet, sieht man, wie eine ursprüngliche Stärke (die vielen stolzen Söhne, die die Sippe zusammenhalten) zu einer Schwäche werden kann (einem unkontrollierbaren Faktor in der Gesellschaft).  Interessanter Ansatz.

Ich wünschte, ich hätte die Zeit und Energie, ds weiter auszuführen! Vielleicht macht es ja ein netter Leser statt meiner 😉

Schönes altes Lied Januar 25, 2008, 11:29

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zum Wochenende.

Shlomo Artzi mit seinem Sohn, der inzwischen erwachsen ist.

Und damit wir nicht so ashkenazisch bleiben, stell ich auch Achinoam Nini rein.

all the stars he hid away
and the moon in a pitch black night
from the north
to yemen
not a ray of light
no light,
not a ray of light

morning, loyal widower
clutched his grey sack to his hips
from the north
to yemen
not a ray of light
no light, not a ray of light

light a small white candle
in this darkened tent
which is my heart,
from the north
and south to yemen
then a brillian light will shine!
the light,
the light will shine. 

Wie eine UN-Resolution entsteht Januar 24, 2008, 16:48

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Es ist ganz einfach. Man schreibt einen Text, der Israel in scharfen Worten verurteilt, und läßt alle Hinweise auf eventuelle Gründe für Israels Handeln weg. (Daß man vorherige aggressive Akte von Seiten der Palästinenser, Hisbollah etc tunlichst ignoriert, bedarf ja wohl keiner Erwähnung.) Eine Mehrheit zu sichern, ist kein Problem: es gibt ja genügend arabische und moslemische Staaten, die stimmen immer schön mit. Die Europäer machen auch keine Zicken, die enthalten sich schön. Die USA und Israel boykottieren die Sitzung praktischerweise, und siehe da, schon wieder eine hübsche Resolution, die Israel verurteilt.

Harmlose Beobachter, oder auch nicht so harmlose, schütteln dann schon mal den Kopf über diesen Staat, der ja ein Übeltäter erster Güte sein muß, wenn er SO viele Verurteilungen von der UN einfängt, einer Institution, die immer noch den Ruf gottesgleicher Gerechtigkeit genießt.

Ja ja, so geht es zu. Diesmal habt Ihr es mit eigenen Augen gesehen. (Hier eine genauere Darstellung der Forderungen der Resolution.)

Und zum Thema humanitäre Krise: Ein Handy hat er jedenfalls schon, Zigaretten hat er sich besorgt, und für den Rest wird Israel schon irgendwie aufkommen. Sonst organisieren wir eben noch eine Verurteilung.

gaza1.jpg

Empfehlung Januar 24, 2008, 16:46

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für Ron Leshems Buch „Wenn es ein Paradies gibt“.

Der Roman hat eine dokumentarische Wucht, der man sich nur schwer entziehen kann. Leshem nimmt den Leser mit ins Innere der Maschinerie namens Militär. Er lässt ihn teilhaben an den Gesprächen, den Blödeleien der Jungs, an ihren Ängsten und ihrem Alltag. Es sind vor allem die Details, die diese hermetisch abgeschlossene Welt präzise beschreiben: Stiefel ausziehen auch nachts verboten, raschelnde Chipstüten im getarnten Wachunterstand können den Tod bedeuten, und vor allem ist da dieses unbegreifliche Nebeneinander der Welten: hier der erbarmungslose Krieg, die Abgeschiedenheit der Festung, dort das aufregende Nachtleben Tel Avivs, die Cappuccino-schlürfenden, sorglosen Zivilisten. “ Und sechs Flugminuten von hier – es gibt keinen Gott! – läuft in irgendeinem Einkaufszentrum so ein Geschoss rum, eine, der hinten der Tanga rausguckt, und ihre größte Sorge ist die Wahl zwischen einem Shampoo aus Mandarinen, Ingwer und Grünem Teeextrakt“, bringt es Oschri auf den Punkt.

Mein Mann, der ja selbst lang genug in Beaufort gesessen hat und genau weiß, wovon die Rede ist, sagt, es ist realistisch. Er sagt, so war es, so ist es. Ich war zwar nicht bei der Armee, bin aber seit 20 Jahren mit einem Soldaten zusammen und kenne die Menschen, die aus der Armee wiederkommen. Auch mir kommt das Israel, das ich darin sehe, gut getroffen vor – mit seinen schönen, häßlichen, grausamen Seiten.

Lest die Besprechung, lest das Buch, vergleicht die Beschreibungen Israels mit den Vorurteilen, die Ihr im Kopf hat. Haßzerfressen, fanatisch, aggressiv – ich lese ja im SPon-Forum und anderswo immer wieder die Formeln der Gleichheit, die Metapher von den zwei tollwütigen, ineinander verbissenen Hunden. Nur daß der eine Hund eben weder tollwütig noch angriffslustig ist und den anderen Hund gar nicht beißen will. Er will nur endlich seine Ruhe haben, seine Hütte für sich haben, seinen Knochen. Mehr nicht.

Y. war als Soldat in Beirut, er war damals 18, so alt, wie Primus im Mai wird. Ich habe es schon erzählt. Er hat die Menschen dort ohne Haß angesehen, die alten Männer, die Sheshbesh spielten, während die Kämpfe tobten. Er wäre gern als Zivilist in den Libanon gefahren, das Land ist so schön, zu Anfang waren die Menschen auch sehr nett zu den Israelis.

Eines Morgens wachte er auf, nach ein paar Stunden Schlaf, und sah, daß er neben der Leiche eines „Feinds“ geschlafen hatte, in irgendeiner Ecke von Beirut. Er hat darüber ein Gedicht geschrieben, das mit den Worten endet, „wie schrecklich ist der Krieg, Bruder“. Für ihn war und ist jeder Tod sinnlos, ob Feind, ob Freund. Für die meisten Israelis, besonders wenn sie aus der Mühle der Armee erst mal raus sind, ist das so.

Auch das ist Israel. Gerade das ist Israel. Ich bin angenehm überrascht, eine so dämonisierungsfreie Besprechung zu finden – es klingt so, als sei die Verfasserin selbst ein bißchen erstaunt, daß sie sich in die verhaßtesten Menschen des Erdbodens, israelische Soldaten!, tatsächlich einfühlen konnte. Auch ihre Schlußfolgerung hat was für sich.

In Israel symbolisierte der Rückzug aus dem Libanon einen Wandel der Gesellschaft. Man war nicht mehr bereit, noch weitere Opfer hinzunehmen. Man war an dem Punkt angekommen, eher seinen Nationalstolz aufzugeben, als weiter Soldaten zu begraben. „Wenn es ein Paradies gibt“ ist ein leuchtendes Mahnmal für diese Wandlung. Kein Kriegsroman, sondern ein Rückzugsroman. Ein Plädoyer dafür, dass eine Niederlage so viel stärker machen kann als jeder mit Blut erkaufte Sieg.

Die unvergeßlichen Szenen der Jungens aus den Panzern, die ihre Mutter auf dem Handy anrufen und sagen, „ima, ani ba-bait – Mama, ich bin daheim“.

Ist es unsere Stärke, daß wir bereit zum Rückzug sind, zum riskanten Versuch, sich schwach zu zeigen – oder ist es der Grund unseres Untergangs? Der Verlust der Pufferzone im Südlibanon hat den Krieg sechs Jahre später möglich gemacht. Trotzdem hat der Abzug auch Verluste erspart. Ich glaube nach wie vor, daß er richtig war, auch wenn die Grenze immer unsicher bleibt. Das war sie auch mit Sicherheitszone.

Übrigens fand Y. den Film enttäuschend, er sagt, nichts kann die Atmosphäre des Orts einfangen, und jeder, der in Beaufort war, kann über den Filmset nur lachen. Für Leute allerdings, die das Vergnügen nicht hatten, die schönsten Teile ihrer Jugend in Bunkern und Panzern und Schießständen zu verbringen, ist er eindrucksvoll. Daß Israel trotzdem noch ein Land ist, in dem die Menschen Spaß am Leben haben, Medikamente herstellen und Technologien entwickeln und Mikroprozessoren bauen und uralte Schiffe aus dem Meer graben und Romane über Liebe und Besessenheit schreiben und sich an Schaltern gern vordrängeln – das könnte einen wundern. Ich glaube, Dan Shiftan hat recht, wenn er sagt, die israelische Gesellschaft ist mental sehr stark. Wie wir das machen? Keine Ahnung.

Erinnert sich noch jemand Januar 23, 2008, 23:39

Posted by Lila in Land und Leute, Persönliches.
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an diesen Mann und meine Arbeit für ihn?

Der erste Teil ist beendet. Er hat ein Buch über seine Entdeckungsfahrt zu seinen Eltern geschrieben. Ich habe ihm zugearbeitet, ihm den Hintergrund geliefert, die Briefe übersetzt, erklärt, bin dabei selbst tief in die spannenden Geschichten dieser Familie von Jeckes gerutscht, die wirklich Gott und die Welt kannten. Manchen handgeschriebenen Brief eines Menschen, den ich sonst nur aus Büchern kannte, habe ich dabei in der Hand gehalten. Ich habe Schutzbriefe aus dem 18. Jahrhundert übersetzt, Doktorurkunden, Liebesbriefe, Tagebücher, sogar ein paar uralte Tonbandaufnahmen transskribiert. Ich habe in Büchereien gestöbert und Lexika gewälzt und Dr. Google abgeklopft. Ich habe Unterschriften identifiziert und ihm dadurch geholfen, verloren geglaubte Verwandte aufzustöbern.

Und das vielleicht Schönste: seine Kinder, die bisher mit der Nonchalance geborener Sabras auf seine Familiengeschichte blickten, haben Feuer gefangen. Sie kennen sich inzwischen besser im Familienstammbaum aus als er, sie sind nach Europa geflogen, um Menschen zu treffen, die den Großvater noch kannten, und ein Sohn hat sogar seiner neugeborenen Tochter einen Namen aus der Familie gegeben, der nicht verloren gehen sollte.  Das freut ihn sehr.

Neulich war er bei mir, mit dem Manuskript, um mir zu danken. Er hat dabei eine kleine Ansprache gehalten, und wir waren beide höchst gerührt. Viel Zeit für Rührung blieb nicht, denn das nächste Projekt steht schon auf der Matte. Die Geschichte der Familie seines Vaters ist geschrieben, nun kommt die Mutter dran. Diese Mutter habe ich noch kennengelernt – und ich freue mich auf die Arbeit.

Es ist so schön, daß mein Deutsch-Sein hier so fruchtbar wird, daß diese doppelte Verwurzelung, die ja manchmal an mir zerrt, doch gute Früchte trägt. Wenn das Buch auf Deutsch rauskommt, geb ich Bescheid – es kann aber noch eine Weile dauern.

Bei den Kindergärtnerinnen Januar 23, 2008, 23:23

Posted by Lila in Kunst.
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Ich hab ja schon ein paarmal erwähnt, daß ich eine Fortbildung für Kindergärtnerinnen mache, mit einer Kollegin zusammen. Dieser Kurs geht so gemischt, na ja, die Frauen gewöhnen sich langsam an mich und haben inzwischen mehr Spaß. Sie quasseln noch immer unaufhörlich, ich hatte im Leben noch kein so unruhiges Publikum! auch nicht, als ich 14jährige unterrichtet habe!, aber die Stunden haben auch ihre Höhepunkte.

Wir fragen vor Beginn der Stunde immer, ob jemand was zu erzählen hat. Dann kommen schöne Geschichten raus, von Aktivitäten und Ideen und „Farbfesten“ im Kindergarten. Am schönsten war die einer Frau, die uns erzählte, wie sie mit den Kindern einen Miro-Tag gemacht hat. Sie hat ein Bild von Miro aufgehängt, die Kinder mit Grundfarben malen lassen, ein Mobile aus Miro-Linien mit ihnen gebastelt, kurz, es war ein kreativer Tag.

Gegen Mittag kam ein Opa zu Besuch, von einem der Kinder, und dem zeigte das Enkelkind stolz die Kunstecke. Der Opa war begeistert. Er ist Schreiner, und am nächsten Tag brachte er dem Kindergarten eine Überraschung mit: eine Staffelei für die Kinder. Die Kindergärtnerin wollte nun wissen, was sie damit alles machen kann und was der Unterschied zwischen Arbeit am Tisch und Arbeit an der Staffelei ist.

Außerdem sagte sie mit erstauntem Unterton: „Ich habe mich bisher nie an Kunst herangewagt, meine Stärke waren immer mehr Naturwissenschaften. Aber eigentlich macht es Spaß…“ Sie war stolz auf sich selbst, und das kann ich gut nachempfinden. Es ist so ein schönes Gefühl, wenn man die eigenen Grenzen erweitert und sich auf Neuland traut – und dabei noch Erfolg hat! Ihre Kolleginnen haben ihre Ideen notiert. Da war sie noch stolzer.

Da habe ich also nicht umsonst ein paar Pfund Nervenstränge investiert, es kommt tatsächlich was dabei raus. Wobei ich natürlich fairerweise sagen muß, daß meine Kollegin die praktischen Anweisungen bringt (ich habe aber natürlich auch ein paar Asse im Ärmel, Kunstlehrerin, das sitzt drin!) und ich vorher den theoretischen Boden dafür lege.

Wir geben immer eine Doppelstunde: ich 90 Minuten, sie 90 Minuten. Das ist natürlich am Ende eines Arbeitstages im Kindergarten knochenhart, das sehe ich ein. Die insgesamt sieben Treffen bringen so viele Punkte ein wie ein ganzes Semester, das ja auch 14 Treffen (oft auch nur 13) beinhaltet.

Wir halten diesen Kurs an zwei Zentren und vergleichen ständig, was wir tun, verbessern, reflektieren, feilen an der Übereinstimmung und an der Präsentation. Wir bringen Materialien mit, empfehlen Bücher und Spiele, ich habe ja auch noch einen ganzen Fundus selbstgemachter Hilfsmittel und Ideen, von denen meine Kollegin ebenfalls profitiert.

Ich nenne den Kurs „Grundbegriffe der Kunstbetrachtung“, meine Kollegin nennt ihren Kurs „Kunst im Kindergarten“. Angefangen habe ich mit einer allgemeinen Stunde über den Zusammenhang von Kunst und Kindheit und Kreativität allgemein. Dann kam eine Stunde über grundlegende Informationen über Kunstwerke: Name des Künstlers, Name des Kunstwerks, Entstehungszeit, Größe, Format, Technik, Aufenthaltsort – und was diese Grundinformationen einem alles verraten können, wenn man sonst keine weiteren Quellen hat.

Dann eine Stunde über Linie und Form, und dann eine über Farbe und Farbtheorie. Die nächste Stunde, die wir heute vorbereitet haben, behandelt Raum, Perspektive und Komposition. Dann eine über figurative und abstrakte Malerei – das Verständnis abstrakter Malerei ist mir wichtig für Menschen, die mit Kindern arbeiten, denn kindliche Kunst hat oft mehr mit abstrakter Malerei gemeinsam als mit figurativ-realistischer. Die letzte Stunde wendet sich dann Inhalten zu: Kind und Familie, Gefühle und Beziehungen in der Kunst.

Wie gesagt, ich mach den theoretischen Teil, die Kollegin den praktischen. Die Kindergärtnerinnen können Reproduktionen zum Thema mitnehmen. Es besteht bereits Bedarf nach einem zweiten Teil im nächsten Jahr, meinte die Leiterin des einen Zentrums. Ich weiß noch nicht, ob ich das wirklich will… aber eine Idee dazu habe ich schon. Ich würde den zweiten Teil nur für Absolventen des Grundkurses öffnen, und dann würde ich die sieben Treffen jeweils verschiedenen Themen widmen: Tiere in der Kunst, Mädchen und Jungen, biblische Geschichten, Humor, optische Täuschungen und Spiele, Schiffe und Meer, Wetter in der Kunst, alt und jung, Außenseiter, Bäume, Essen und Trinken in der Kunst… das sind nur ein paar Ideen.

Ich finde immer, es ist einfacher, ein Thema zu verfolgen als einfach nur den Stil einer Epoche zu lernen. Wer nicht genau weiß, was Impressionismus ist, dem kann ich entweder eine ganze Stunde lang Renoir und Monet zeigen, oder nach Poussin und Chardin als Vorbereitung Renoir und Monet, und dann Cezanne und Picasso. Ich finde, die jeweiligen stilistischen Eigenheiten des Impressionismus kommen bei so einer Gegenüberstellung klarer und schmerzloser raus, als wenn ich eine ganze Stunde drauf rumreite. Außerdem lernt man dabei, ein Thema per Kunst aufzubereiten.

Meine Kollegin, die erstmal ganz sicher war, der nächste Kurs muß Stilrichtungen und Epochen behandeln, war begeistert von der Idee.  Darauf wäre sie gar nicht gekommen. Sie ist ja keine Kunsthistorikerin, sondern Frühpädagogin, und kennt aus den Kursen, die sie besucht hat, nur die typische Stilrichtungs-Salami. Also scheibchenweise einen Stil nach dem anderen schlucken, ohne Rücksicht auf Inhalte. „Nimm noch ein bißchen Klassizismus, der ist lecker… schieb die Romantik gleich hinterher…“

Ich halte davon nicht so viel, es ist natürlich für Kunsthistoriker unabdingbares Grundwissen, aber was soll man damit außerhalb von Museum und Seminar anfangen? Ich halte viel mehr von der Fähigkeit, eigenständig formal zu analysieren, wie mein Kurs es ja lehren soll. Einfacher gesagt: gründlich hingucken. Und dann wissen, was man sieht.
Ich kenne ja all die Fallstricke, wenn man an der Hochschule Stilrichtungen lehrt. Das 20. Jahrhundert wird dann zum katalogischen Albtraum. So fragen die Lernenden immer total verunsichert: „…und was fürn Stil ist das jetzt noch mal, Schmidt-Rottluff???“, und wenn man antwortet, „Expressionismus“, dann glauben sie erleichtert, mehr muß man nicht wissen. Und sehen gar nicht mehr, was das eigentlich bedeutet, Expression. Ich mag diese -ismus-Ballerei nicht sehr gern, sie ist nur für Kunsthistoriker interessant, aber nicht für Leute, die hinterher damit arbeiten müssen. Für die ist viel interessanter, wo sie interessante Bilder zum Thema Nashorn herkriegen.

Na ja, mal sehen, wie die Reaktionen auf unseren Kurs dieses Mal aussehen werden. Dann sehen wir weiter.

Wie immer bin ich für alle Anregungen aus dem Leserkreise dankbar…

Gaza, heute abend Januar 23, 2008, 22:29

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ich wußte doch – auch Pierre Heumann weiß nicht, wie Israel tickt… er wundert sich.

Israel bleibt erstaunlich ruhig – obwohl auch Radikale jetzt Reisefreiheit haben.

Ich habe oft genug geklagt, daß die anderen Nachbarstaaten der Palästinenser (richtig – die, die NICHT mit Raketen beschossen werden!) ihre Grenzen geschlossen halten und trotzdem kein Mensch titelt: „Ägypten riegelt den Gazastreifen ab!“ Denn daß wir, die wir beschossen werden, die Grenze überhaupt noch offenhalten, um den armen verhungernden Palästinenser Lebensmittel und Treibstoff zu bringen, hat ja auch sein Absurdes, nicht wahr…

Wenn wir die Grenze zum Gazastreifen schließen, ist das Abriegelung und ein Verbrechen gegen die Menschenrechte. Wenn die Ägypter ihre Grenze zum Gazastreifen schließen, ist das ganz normal.

Also gut, wir, die erklärten Feinde, „riegeln“ also „die Grenze ab“. Na gut. (Wieso erinnert mich das bloß immer an den alten Englischlehrer-Scherz? „Fog over Channel – Continent isolated“… Wie wäre es statt dessen mit: „Israel riegelt den gesamen Nahen Osten ab!)

Und jetzt haben die Palästinenser mit großem Remmidemmi die Grenzwälle der Ägypter aufgemacht und strömen rüber. Und Heumann ist verblüfft, daß wir nicht hysterisch werden.

Lieber Herr Heumann, da haben wir nur drauf gewartet, daß die Ägypter mal ein bißchen ihren lieben Verwandten helfen. (Vielleicht hat er nicht mitgekriegt, daß noch vorgestern ägyptische Grenzsoldaten auf Palästinenser geschossen haben – 60 Verletzte? Ach nein, das ist irgendwie nicht so durch die Medien gegangen wie die Kinder mit den Kerzen…) Und Waffen und Drogen werden tatsächlich täglich durch unterirdische Tunnel geschmuggelt – übrigens werden dazu meist Kinder eingesetzt.. Nur mal zur Erinnerung ein Video:

Wir sind nicht so naiv, daß wir glauben, bei geschlossenen Grenzen kein Streichholz über die Grenze kommt… Und wir wären mehr als erleichtert, wenn die Ägypter und auch andere Nachbarn ein bißchen von dem Druck übernehmen können, der sonst nur auf uns lastet. Der Albatros um unseren Hals, wie David Bogner das gestern nannte…

The Gazan border with Egypt is, for all intents and purposes, open. Weapons, money and people pour across from Egypt unchecked every single day. There is no reason why the world can’t channel it’s sympathy for the Gazan population into humanitarian aid supplied via Egypt. Except, of course, that this would remove the albatross from around Israel’s neck… something that nobody really wants to do.

The world seems to enjoy the delicious irony of Israel being forced to keep the lights and heat on in the kassam workshops and explosive laboratories of Gaza, even as the lethal fruit of those laboratories rains down on the heads of Israeli civilians in the western Negev.

Die Palästinenser haben nun nicht darauf gewartet, daß Ägypten sie einlädt – interessante Frage, warum haben die Ägypter das nicht getan, warum haben sie nicht ihrerseits die Grenzen geöffnet? Fragt sich das jemand außer uns?

Jerusalem nimmt das Chaos an der Südgrenze des Gazastreifens deshalb gelassen hin. „Die Öffnung der Grenze entbindet uns von der Verantwortung für Gaza“, heißt es in israelischen Regierungskreisen, „und wenn uns die internationale Gemeinschaft auffordert, die israelische Grenze zu Gaza zu öffnen, werden wir jetzt auf die ägyptische Rolle verweisen“.

Richtig. Und ich glaube, den Ägyptern ist das klar.

Übrigens: den rührend besorgten Schönen Seelen, die glauben, wenn die Palästinenser nur genügend Treibstoff und Mehl und Strom von Israel bekommen, dann geben sie auch Ruhe (Umkehrschluß der Grundannahme: wenn die Palästinenser Raketen schießen, müssen sie irgendwie von Israel dazu getrieben worden sein, von allein würden diese friedlichen, für ihre Besonnenheit bekannten Menschen das nie tun…), schreibt die Hamas ins Stammbuch:

The Palestinians‘ battle will not end with the entry of fuel into the Strip, and even if Gaza drowns in fuel the battle won’t be over, Hamas politburo chief Khaled Mashaal said Wednesday. Speaking at a conference in Damascus, Mashaal added that „the struggle must continue until the entire siege on the Strip is lifted and until the liberation of Palestine – all of Palestine.“

All of Palestine? Was meint er wohl damit???

Ah. Walla!

Nach Meisterung Januar 23, 2008, 9:09

Posted by Lila in Persönliches.
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etlicher technischer Hürden habe ich doch tatsächlich gestern abend zum ersten Mal per Skype mit Liebschwesterchen und Kleinbrüderchen kommuniziert! Schwesterchen in Spanien, Brüderchen in Deutschland, ich in Israel. Und das für kein Geld! Ja Wahnsinn. Ich danke hiermit den Lesern und Freunden, die meine eingefleischte Abneigung gegen jede Art von Neuheit überwunden haben. Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft…

Nasrallah, hochkonzentriert Januar 22, 2008, 18:26

Posted by Lila in Land und Leute.
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Haaretz sammelt ein paar interessante Links zu Nasrallah-Reden, mit Video. Leider gelingt es mir nicht, den Clip hierher zu locken, aber auf Youtube gibt es genügend Nasrallah-Material. Hier ist ein Ausschnitt von Al Jazeeras Berichterstattung zum Ashoura-Fest vor ein paar Tagen. (A propos Ashoura: vielleicht hat ja jemand den Artikel bei SPon übersehen?)

Fragen zur „Blockade“ und „Abriegelung“… Januar 22, 2008, 10:19

Posted by Lila in Land und Leute.
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1. verweise ich auf Ruth, bei der man die Fakten nachlesen kann (und den Link hierhin findet)

2. frage ich mich, wieso in vielen Artikeln zum Thema das Wort „Kassam“ nicht vorkommt (vielleicht, weil viele Leser gar nicht wissen, was das ist?)

3. frage ich mich, wieso sich niemand über die Tatsache wundert, daß trotz jahrelangen Raketenbeschusses Israel den Gazastreifen unverdrossen und unter Lebensgefahr für LKW-Fahrer und E-Werk-Arbeiter immer schön versorgt hat. (Eines der Elektritizitätswerke, aus dem sie ihren Strom bekommen, steht in Ashkelon – dasselbe Ashkelon, das sie mit Raketen beschießen!) (Ich möchte den Bewohner von Weisweiler sehen, der den Holländern Strom liefert, während die Holländer Weisweiler wahllos mit Hunderten von Raketen beschießen!)

4. frage ich mich, was mit dem vielen, vielen Geld passiert ist, das die Palästinenser zum Aufbau einer Infrastruktur bekommen haben…

5. frage ich mich, wieso der Raketenbeschuß auf Israel keine UN-Sitzungen zur Folge hat, der Entschluß Israels aber, den Raketenschießern Strom und Treibstoff zu kürzen, aber schon. Ist das Leben israelischer Zivilisten etwa weniger wert als die Bequemlichkeit der Hamas…? Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.  Arabische Lobby? Die gibt es nicht.

6. frage ich mich, wie genial die Palästinenser sein müssen, daß sie es trotz grausamster israelischer Blockade noch schaffen, auch heute früh heldenhafte Kassamraketen abzuschießen!

Berührungsängste Januar 22, 2008, 9:05

Posted by Lila in Land und Leute, Uncategorized.
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Vermutlich lesen es die meisten Leute sowieso, der SPon kann sich ja über Lesermangel nicht beklagen. Aber trotzdem noch mal ein kleines Bonbon zum Thema „Graben zwischen westlicher Welt und Islam“.

Das Meinungsforschungsinstitut Gallup befragte Muslime wie Nichtmuslime in 21 Ländern; Analysten des Schweizer Instituts Media Tenor untersuchten, wie Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender in 24 Ländern über die eigene Kultur und „das Andere“ berichteten.

[…]

Ein [ähnlich] unerwartetes Ergebnis, wenn es um die Angst vor dem Miteinander der Kulturen geht. Klare Mehrheiten in allen untersuchten europäischen Staaten empfinden eine „verstärkte Interaktion zwischen dem Westen und der islamischen Welt“ als Bedrohung: 79 Prozent in Dänemark, 68 in Spanien, 67 in Italien und den Niederlanden. Die Vermutung, Israelis und Amerikaner müssten sich mindestens ebenso bedroht fühlen, ist so naheliegend wie falsch: 70 Prozent der Amerikaner und 56 Prozent der Israelis finden mehr Interaktion gut – ebenso wie umgekehrt Mehrheiten in Ägypten, den Palästinensergebieten, der Türkei und Iran.

[…]

Eine zentrale Erkenntnis der Studie [von Media Tenor] lautet: „Medien aus islamischen Ländern berichten negativer über Individuen und Gruppen, die dem Christentum, dem Judentum oder nichtislamischen Ländern angehören.“ Zwar gilt das auch umgekehrt, allerdings in geringerem Ausmaß.

Ganz interessante Studie, die weit über die altbekannte Nahostproblematik hinausgeht. Ich sehe es natürlich wieder aus meinem kleinen Winkel und frage mich verwirrt, wie es nur sein kann, daß so viele Europäer, auch Deutsche, Moslems, und besonders moslemische Araber, hassen und fürchten, gleichzeitig aber von Israel erwarten, daß es sich von ihnen mit Vernichtungsrhetorik und Bomben überziehen läßt, ohne sich zu wehren.

Hm, man könnte vermuten, daß es eben nicht jeweils dieselben Europäer sind. Ich weiß nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, daß es recht viele Leute in Europa gibt, die zwischen Islam und politischem Islam nicht unterscheiden, selbst vor beidem Angst haben und gleichzeitig Israel dämonisieren. Gewissermaßen ihre eigenen Berührungsängste auf Israel projizieren. Wäre mal eine Studie wert, zu untersuchen, inwieweit Abneigung gegen Islam und Abneigung gegen Israel zusammengehen. Wenn es schon so eine Studie gibt, her damit!