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Vorhang Juli 30, 2008, 19:11

Posted by Lila in Kunst, Land und Leute.
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Olmert hält eine Pressekonferenz. Seine Stimme zittert etwas, er wird gleich sagen, daß er zurücktritt und politisch tot ist – nicht schwer zu erraten.

Hinter ihm ein Bild aus der Serie Zypressen, von Aliza Olmert. Ich mag diese Serie in ihrer Schlichtheit sehr gern. Sie sehen kunstlos und spontan aus, wenn man aber die ganze Serie anguckt, sieht man, daß sie etwas sucht. Sie ist keine Tabubrecherin und Provokateurin wie Sigalit Landau, aber sie macht ganz gute Sachen. Hätte ihr Mann so sorgfältig in seinem Büro gearbeitet wie sie in ihrem Studio, müßte er wohl heute nicht wie ein armer Sünder vor uns stehen.

Tja.

(Übrigens war es ein Kretin, der vor dieses Bild einen Strauß weißer Blumen gestellt hat. Das geht ja nun gar nicht.)

Update: bei Aussie Dave habe ich ein allerliebstes Bild dieses Blumenarrangements gefunden….

Spielwiesen Juli 24, 2008, 17:11

Posted by Lila in Bloggen.
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Welche Antworten auf die Frage „Hobbies?“ sind die banalsten? Richtig, Lesen und Handarbeiten. Lesen und Handarbeiten also.

Lesen.

Auf My Library kann man die häusliche Bibliothek hochladen und mit den Sammlungen anderer Leute vergleichen. Außerdem Rezensionen schreiben und lesen, gucken, wie selten oder populär die Bücher sind, die man zuhause stehen hat… und wäre WordPress nicht so pingelig, könnte ich sogar ein Widget hochladen.

Ich hab ein paar Bücher, die mich gerade freundlich angucken, eingespeist. Auf die einfache Methode, also nur Bücher, die es auch bei Amazon gibt und die man daher mit einem Suchwort und einem Klick speichern kann. Es gibt natürlich auch für Mußestunden die Möglichkeit, jedes antiquarische Schätzchen manuell einzugeben. Werde ich leider auf die ferne Zukunft verschieben müssen.

Aber in anderleuts Bücherregalen zu stöbern ist sehr vergnüglich, so wie man ja auch im sogenannten echten Leben gern in einen Raum eintritt, der einen sofort dazu auffordert, den Kopf schrägzulegen und die Reihen abzuschreiten. Was für Bücher haben die Leute, die auch Simon Schama gelesen haben, im Bücherregal stehen? So kann ich vor mir selbst rechtfertigen, daß auf die Rezensionen von My-Library-Usern im Zweifelsfall mehr Verlaß ist als auf die Amazon-Kommentare. Wenigstens weiß ich jetzt, wo ich mir weitere Ideen zum Geldausgeben holen kann.

Handarbeiten

Bei Ravelry dagegen können sich die Strick- und Häkelverrückten austoben. (Gibt es dafür einen medizinischen Ausdruck? Vielleicht Nodomanie, von nodo, Knoten, denn die alten Römer kannten weder Strick- noch Häkelnadel?) Ich muß furchtbar an mich halten, nicht Haus und Kind und Katz und Arbeit komplett zu vernachlässigen, um nur noch zu häkeln, zum alleinigen Zweck, mich mit anderen Nodomanen darüber online auszutauschen. Nein nein, da wird nichts draus.

Ich kann von Glück sagen, daß ich noch keine ähnliche Spielwiese für Stickfans gefunden habe, denn damit wäre ich endgültig verloren. Die Archivierung meiner Stickprojekte (beendete, wohlgemerkt!) würde Tage in Anspruch nehmen.

Jedenfalls verdanke ich Ravelry ein paar gute Tips und Ideen. In Israel gibt es nämlich nur sehr wenige Handarbeitsläden, und gutes Garn ist noch seltener. Oh, und ich verdanke Ravelry absolut geniale Häkelnadeln, die sich nicht tückisch in die Handfläche bohren. Und so gesehen können zwei Babies, die sich noch im Mutterleib tummeln, sich bei Ravelry bedanken, daß sie bei ihrer Ankunft in kuschelige, puschelige Häkeldecken gewickelt werden. Ohne Ravelry und ein paar Häkel-Irre dort hätte ich nicht so schöne Muster gefunden.

Wer also ein Muster für eine schöne Babymütze oder ein irres japanisches Comicvieh oder sonstwas sucht, findet in Ravelry so viele Ideen und Anleitungen, daß er vermutlich erstmal verzweifelt und die Häkelnadeln weit von sich wirft. Und statt dessen auf Ravelry weiterliest.

Für Leute wie mich, Leute mit banalen abendlichen Übergangsritualen zwischen Abend und Nacht (ne halbe Stunde häkeln, anderthalb Stunden lesen), sind virtuelle Lese- und Handarbeitskränzchen schöne Spielwiesen.

Nicht übertrieben Juli 24, 2008, 7:17

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Meine Sammlung von BBC-Literaturverfilmungen habe ich neulich wiederum vergrößert: Bleak House. Die exzellenten Kritiken auf Amazon nehmen den Mund nicht zu voll. Die Serie ist lang (acht Stunden, die im Nu vergehen) und sehr, sehr gut. In Schnitt und Sound sind zwar ein paar postmoderne Manierismen a la Prison Break, whoosch-whoosh!, auf die man gut hätte verzichten können, aber angesichts der atemberaubend guten Schauspieler und der dichten Atmosphäre ist es kleinlich, das zu bemängeln.

Noch dazu, wo es vermutlich solche Spirenzchen sind, die meine Söhne davon überzeugten, daß es trotz Krinolinen ein sehenswerter und spannender Film ist. Tatsächlich. Ich sehe die ganze lange Serie jetzt zum zweiten Mal – und diesmal mit Mann und Söhnen.

Ich habe Bleak House nicht gelesen, ein Dickens, der mir entgangen ist – aber ich kann mir denken, daß das Buch noch ausladender ist. Die acht Stunden der Serie bringen ein Universum von schrägen, skurrilen, bedrohlichen, faszinierenden und alllzunoblen Charakteren, und ich werde mir das Buch wohl heute mal ausleihen. Die Schauspieler in Bleak House sind natürlich alle erstklassig, und wer BBC pur in die Venen nimmt, der erkennt auch sofort ein paar Stimmen oder Gesichter.

Ich würde Andrew Davies ja zu gern mal Wilkie Collins´ Woman in White in die Hand drücken und gucken, was dabei rauskommt. Oder Villette. Da würde er das Äußerste an Spannung und Grusel rausholen, ohne Zweifel.

Ich habe mehrere Copperfield-Verfilmungen gesehen (ich liebe das Buch seit meiner Kindheit so, daß keine Verfilmung meine inneren Bilder zerstören kann – denn meine erste Ausgabe war sogar Phiz-frei), den obligatorischen Oliver Twist (ich mochte das Buch noch nie und darum auch keine Verfilmung), Our Mutual Friend (mit einem absolut phantastischen David Morrissey als Headstone, und einer traumhaften Jenny Wren) und Martin Chuzzlewit (mit ein paar sehr guten und ein paar sehr schwachen Schauspielern).

Die BBC-Verfilmungen von Dickens sind alle sehr, sehr gut, aber Bleak House kommt den Sehgewohnheiten des heutigen Fernsehkonsumenten wohl am weitesten entgegen, mit der subjektivsten Kameraführung und großzügigem Einsatz von Farbfiltern, die einen von der Wärme unvermittelt in die Kälte stoßen. Puristen tadeln das, ich bin nicht so pingelig. Ich mag nicht an Andrew Davies herumzergeln, auch wenn er die literarischen Vorlagen seriengerecht zuspitzt und auf Cliffhanger dressiert… Untergang des Abendlands!…. denn seine Adaptationen tragen dazu bei, daß die Zuschauer hinterher das Buch lesen. Und das kann ich nicht beklagen. Wenn schon Untergang des Abendlands, dann bitte mit einem Buch in der Hand.

Niemand verliert etwas bei Bleak House, Dickens bestimmt nicht: auch wenn der Zuschauer dann doch nicht zum Buch greift. Immerhin weiß er hinterher, wer Mr. Guppy ist. Und wie leer wäre das Leben ohne Mr. Guppy… und Mrs. Guppy erst.

Heute abend geht es weiter. Ich hab es Primus versprochen.

Shalom, Dany Juli 22, 2008, 22:21

Posted by Lila in Presseschau.
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Er nimmt seinen Abschied von der UNO: Dany Gillerman, der Mann mit dem undankbarsten Job in New York.

Ein Beitrag von Elder of Zion bei Aussie Dave sammelt ein paar von Gillermans Antworten bei einem Interview in der NYT:

The Bush administration, it seems, has not done much to advance the Mideast peace process. Would you agree? I think the key is in the Arab world. The Palestinians’ real tragedy is that they have not been able to produce a Nelson Mandela. Every single day, Muslims are killed by Muslims. You do not see a single Muslim leader get up and say, “Enough is enough.” It’s nearly as if we live in a world where if Christians kill Muslims, it’s a crusade. If Jews kill Muslims, it’s a massacre. And when Muslims kill Muslims, it’s the Weather Channel. Nobody cares.

Ich glaube, das ist vollkommen richtig. Es ist mir auch immer wieder aufgefallen, wie gedämpft die Reaktionen ausfallen, wenn die libanesische Armee in palästinensische Flüchtlingslager schießt, oder sich Fatah- und Hamasleute gegenseitig abschlachten, die Familien ausrotten, von Hochhäusern stürzen oder im Krankenhauseingang Scharfschützen positionieren. Ohne Zweifel würden die meisten Europäer, wenn man sie fragt, wer die meisten Moslems getötet hat, Israel an die erste Stelle setzen. Natürlich vollkommen absurd. (Harte Zahlen hier und hier. Lesen lohnt!)

You are about to be replaced at the U.N. by Gabriela Shalev, a law professor at Ono Academic College with no experience as a diplomat. Can any regular person be a diplomat? I’m sure Gaby will do great. Diplomacy is not something you can learn at school or in the foreign service. A diplomat is a person who can tell you to go to hell and actually make you look forward to the journey.

Er hat ja große Empörung in deutschen Medien ausgelöst, als es hieß, er habe Jimmy Carter als „Fanatiker“ bezeichnet. Das schien sehr unpassend und unfair. (Ich hab das hingehen lassen, kann ja nicht jede Reißzwecke aufheben.) Aber in Wirklichkeit hat er nicht fanatic gesagt, sondern bigot. Und das kann man als Frömmler, Heuchler oder eben Fanatiker übersetzen. Im Deutschen sagt man ja auch bigott. Und ein Frömmler ist Carter ohne Zweifel, und er ist auch nicht frei von Heuchelei, wenn es um Israel und seine eigenen Kontakte zur arabischen Welt geht (dazu gibt es ohne Ende Analysen im Web, ich verlinke jetzt nichts mehr, bin zu müde).

You recently called Jimmy Carter a “bigot” after he met with Khaled Meshal, the head of Hamas. Is it true you were reprimanded by the U.S. State Department? There was no complaint or reprimand. The only reaction I received was very positive.

Es ist Heuchelei, so zu tun, als wäre Meshaal ein Politiker derselben Art wie Regierungspolitiker anderswo, in Demokratien. Nicht als ob unser Olmert ein Grund zum Strunzen wäre, trotzdem besteht ein Unterschied zwischen einem schleimigen Laberfax wie Olmert und einem Terroristenführer wie Meshaal. Beide gleichzusetzen ist Heuchelei, doppelter Maßstab. Die Übersetzung als „Fanatiker“ war also ein bißchen unfair – natürlich bestimmt ohne Absicht 😉 …

Gillerman hat auch Freunde in der UNO gewonnen, die man wohl kaum bei seiner Abschiedsparty erwartet hätte (Haaretz, Ynet).

A particular surprise was the attendance at the party of the Palestinian observer at the UN, Riyad Mansour, the senior Palestinian envoy, who usually eschews Israeli diplomatic events and who embraced Gillerman. At a recent Security Council meeting Gillerman and Mansour exchanged heated remarks.

In his words of thanks at the reception, Gillerman noted his particular appreciation for the Palestinian representative for coming, despite criticism of his doing so.

Dabei sehen sie ganz friedlich aus auf dem Bild.

Hier eine Rede von Gillerman zu Beginn des Libanonkriegs (bei 5:30 ist der Appell an den libanesischen Kollegen, der mich damals sehr beeindruckt hat – weil er nach wie vor wahr ist).

und hier eine am Ende.

Aussie Dave sammelt hier seine Artikel zum Thema Gillerman. Bei Ynet kann man auch ein Sträußchen finden.

Hier einer seiner leichtfüßigeren Sprüche.

Danny Gillerman, outgoing Ambassador to the United Nations, told the Israel-American Chamber of Commerce, that the U.N. can be „a crazy world.“ He joked, „You know you’re in a crazy world when world’s greatest rapper is white, the world’s greatest golfer is black, the world’s greatest soldiers are Jewish, Germany doesn’t want to go to war, and the French accuse the Americans of being arrogant.“

Seine Nachfolgerin ist eine Frau – Zippi Livni hat ausdrücklich nach einer Frau gesucht und ihrer Kandidatin damit nicht unbedingt einen Gefallen getan. Denn natürlich glauben viele, s. Kommentare bei Ynet…, daß sie kompetenteren Männern vorgezogen wurde, nur weil sie eine Frau ist. (Seltsam, daß die Ernennung eines Mannes selten ähnliche Zweifel nach sich zieht, ob nicht kompetentere Frauen übergangen wurden…) Ich hoffe, Gabriella Shalev setzt sich durch und verschafft sich Gehör und Respekt.

Nicht nur ihretwegen, sondern in erster Linie unseretwegen. Die UNO ist für uns absurderweise feindliches Gebiet – absurderweise, weil Israel seine Existenz einem UNO-Votum verdankt. Aber der überwältigend große Einfluß der arabischen und islamischen Staaten (die ja nicht identisch sind und zusammen eine beachtliche Menge darstellen) hat Israel komplett an den Rand gedrängt. Ich beneide Gaby Shalev jedenfalls nicht, ich würde das nicht aushalten.

Jedenfalls danke, Dany Gillerman, und viel Erfolg, Gabriella Shalev.

Nicht vergessen Juli 22, 2008, 21:41

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ja, es hat heute einen weiteren Versuch gegeben, mittels Bagger Bürger in Jerusalem zu töten. Es gab viele Verletzte, darunter auch schwer Verletzte, Gott sei Dank ist niemand ums Leben gekommen.

Ich möchte aber, daß wir nicht vergessen, welche Rolle ein junger arabischer Grenzpolizist bei dem Vorfall spielte.

Es ist nicht das erste Mal, daß arabische Israelis Leben retten und schützen. Bei jedem Terroranschlag sind auch arabische Bürger potentiell gefährdet, und manche sind auch schon dabei umgekommen. Den Terroristen ist das egal. (Ebenso wie es der Hisbollah egal war, daß ihre Raketen auch arabische Dörfer und Viertel trafen.)

Ich möchte nicht, daß alle arabischen Einwohner Israels als potentielle Terroristen gesehen werden. Wir werden immer, egal wie wir weiterleben, mit einer arabischen Minderheit leben. Unsere Aufgabe ist, gegen die Abu Tirs vorzugehen. Aber dabei dürfen wir nicht die Amal Ghanems gleich mitbestrafen, abwehren, aussperren, kennzeichnen.

(Ich weiß es nicht genau, aber ich nehme an, der junge Mann ist Beduine oder Druse. Ein Moslem würde wohl nicht freiwillig eine israelische Uniform anziehen.)

In meinen Augen ist eine der schönsten Seiten Israels, daß hier so viele verschiedene Menschen zusammenleben, mal vergnügt, mal mißvergnügt. Ich will das auch heute nicht vergessen.

PS: Und damit ich nicht auch in die andere Richtung irre: es waren zwei Männer, die den Fahrer gestern aufhielten:

For the second time in three weeks, an Arab bulldozer driver from east Jerusalem rammed his construction vehicle into a city bus and several cars on a central thoroughfare in the capital on Tuesday, wounding 15 people before being shot dead by a Druse border police officer and a civilian passerby.

Mehr zur Identität des jüdischen Passanten bei Muqata.

Geschwisterliebe Juli 22, 2008, 17:08

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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16:00 nachmittags

Secundus schnappt sich mein neues Mobiltelefon (der ganze Kibbuz wechselte Modelle und ich konnte diesmal nicht entgehen). Obwohl es das einfachste Modell ist, hat es natürlich einen schraddligen Photoapparat. Secundus macht ein Bild seines eigenen Gesichts, wie es mit jungmännlicher Nonchalance nachsichtig auf dieses simple Modell niederblickt. Dann stellt er dieses Bild als Hintergrundbild in das Handy. „So, jetzt siehst du mich immer, wenn du das Handy aufklappst. Was ja sowieso selten genug ist.“

18:00 abends

Secundus zeigt das Handy seinen Geschwistern. Klappt es auf und hält ihnen triumphierend das Bild unter die indignierten Nasen. „Da, seht ihr? Ich bin ihr Lieblingskind. Das ist der Beweis!“

Ohne Worte Juli 21, 2008, 11:06

Posted by Lila in Presseschau.
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A propos ahabal Juli 20, 2008, 21:45

Posted by Lila in Muzika israelit.
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… was ja die arabische Form von Tembel ist. Ein Lied über den ahabal kenn ich nicht, aber über den Tembel gibt es zwei, mindestens!, und wir mögen beide.

Arkady Duchin

Text hier:

Hayo hayah echad tov lev aval k’tzat tembel
echad shk’var tzavar harbeh sha’ot shel sevel
ad sheyom echad pagash bamazal
shehe’if oto le’eretz bachalal
ken tivkeh tish’poch partzuf shel egel
sheholech tamid hafuch kazeh min tembel
Tembel, tembel

Es war einmal ein gutmütiger Trottel
Der schon einiges durchgemacht hatte
Bis er eines Tages dem Glück begegnete
Und das beförderte ihn auf einen fernen Stern
Ja, weine nur, heule nur, Kalbsgesicht,
alles geht ihm schief, dem Trottel
Trottel, Trottel

Be’emtza hasadeh pit’om ra’ah hatembel
kisa’ot shloshah lekol kise yesh degel
kise shel orchim kise shel k’tzinim
vekursa rekah lam’lachim
al hakise shel ha’orchim yashav hatembel
bli shum kef kol kach ayef margish be’evel
Tembel, tembel

Mitten in einem Feld sah er auf einmal
Drei Sitze, jeder mit einer Fahne
Ein Gästesitz, ein Stuhl für einen Offizier
Und einen leeren Königsthron
Auf den Gästesitz setzte sich der Trottel
Kein Spaß dabei, sehr müde, traurig –
Trottel, Trottel

Hu rak yashav lo his’pik lehitrave’ach
hameshar’tim mazgu chavit shel yayin la’oreach
achal mehasir shatah k’mo chazir
vehirgish chazak k’mo par tza’ir
ach’rei sheham’tumtam shatah od sefel
lekise shel hakatzin avar hatembel
Tembel, tembel

Er hatte sich gerade hingesetzt,
da kamen schon die Diener und servierten Wein fässerweise
er fraß aus dem Topf, trank wie ein Schwein,
und fühlte sich stark wie ein junger Stier
noch ein Glas Wein, und der arme Trottel
kletterte auf den Stuhl des Offiziers
Trottel, Trottel

Al hakise hazeh hirgish pit’om beko’ach
gever im beitzim aval bli mo’ach
hu giyes ta’umah veshider t’asisma
ha’idiot hich’riz milchamah
hatzava shelo kavash lo et haderech
la’avor lashevet al kise hamelech
Tembel, tembel

Auf diesem Sitz fühlte er sich mächtig
Ein Mann mit Eiern, ohne Hirn
Er zog das Volk ein, gab die Losung aus
Und der Trottel erklärte Krieg
Seine Armee eroberte ihm den Weg
Zum Königsthron, auf den er sich setzte
Trottel, Trottel

Al kise hamelech hu dafak im haraglaim
besimchat shilton tzarach ad hashamaim
tihyu abirim tihyu chaverim
milah achat sheli atem g’murim
afilu Elohim nik’shar bechevel
hu hich’zik otam mamash katzar hatembel
He
Tembel, tembel

Auf dem Königsthron stampfte er mit den Füßen auf,
vor Freude an der Macht brüllte er zum Himmel –
seid Ritter, seid Freunde,
ein Wort von mir, und ihr seid erledigt,
Selbst den lieben Gott hab ich an die Kette gelegt
Der Trottel hielt sie alle richtig kurz,
he,
Trottel, Trottel

Aval hatembel, ish tov lev achen nir’ah lo
lechalek la’am et kol mah shehayah lo
ve’az hakise hitnadned k’mo arsal
hatipesh hitalef venafal
hu hitorer be’arimah shel kash vezevel
biv’gadim bahem nolad irom vetembel

Aber der gutmütige Trottel wollte gern
Dem Volk austeilen, was er hatte,
und da schaukelte der Thron wie eine Hängematte
der Dummkopf schwankte und fiel
erwachte in einem Haufen Stroh und Abfall
so, wie er zur Welt kam, nackt und ein Trottel.

Ein altes Lied, Y. singt es manchmal, er meint auch, seit dem Libanonkrieg II könnte das unsere Nationalhymne werden.

(Noch öfter singt er allerdings „kulam omrim li she ani stam tembel“, „alle sagen mir, daß ich ein Trottel bin“, leider gibt es dieses schöne Lied vom Tembel nicht bei Youtube. Er liebt besonders den Refrain über die Frau, die den Tembel liebt, „ve-hi bemet zricha lehiot idiotit, she techalek et hachaim im metumtam“, „und sie muß wirklich eine Idiotin sein, ihr Leben mit einem Dummkopf zu teilen“. Wobei er mich von der Seite anguckt… Ja ja.)

Auf Youtube gibt es auch neuere Sachen von Arkady Duchin, „Yesh li cheder mi-sheli„, „Ich habe ein eigenes Zimmer“, ohne Bilder, aber hörenswert.

Oh, und ich habe endlich mein Versprechen wahrgemacht und eine neue Kategorie „muzika israelit“ aufgemacht. Da hat sich doch schon einiges angesammelt.

Juni 2001: endlich bei Youtube – Kaveret, das Lied des Tembels!

Update Betancourt-Befreiung Juli 20, 2008, 16:52

Posted by Lila in Presseschau.
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Wieder ein neuer Bericht über die israelische Verbindung:

Vanguardia’s correspondent in Tel Aviv said the Mossad operation consisted of two agents unknown to each other separately infiltrating FARC.

The pair managed to penetrate the Marxist guerrilla group so effectively that they ultimately controlled what FARC did or didn’t know, the Catalan newspaper said.

The Israeli and US secret services used unmanned spy drones to locate the camp where the hostage were held, Vanguardia said.

Ich gebe zu, daß das Lesen eines solchen Berichts eher qualvoll als alles andere ist. Ich wünschte, es würde eine solche Aktion auch für Gilad Shalit eingefädelt. Der Gedanke daran macht mich krank, daß er nach wie vor in einem Erdloch sitzt, seinen Bewachern hilflos ausgeliefert, und das schon mehr als zwei Jahre! Oh ich hoffe und wünsche, daß sie jemanden da einschleusen können… und bald, bitte.

Armer Libanon Juli 19, 2008, 23:06

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau.
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Ich möchte unseren nördlichen Nachbarn nichts unterstellen. Es gibt dort viele Menschen, die mutig gegen Syrien demonstriert haben, die israelische Musik hören, es gibt dort sehr viele verschiedene ethnische und religiöse Gruppen und interessante Blogger. Ich möchte gern zwischen Tätern und Opfern unterscheiden, und auch stumme Mitläufer möchte ich nicht einfach so verurteilen, bis ich selbst nicht mal ähnliche Courage bewiesen habe und unter Lebensgefahr das Maul aufgemacht habe. Es waren Südlibanesen, die mit Israel ein Bündnis geschlossen haben und in der Südlibanesischen Armee dafür kämpften, daß Nordisrael ruhig schlafen konnte. Fern sei von mir jede Verallgemeinerung, Y. hat Jahre im Libanon verbracht und sagt immer, daß es ein interessantes und vielschichtiges Land ist und das Nachbarland, mit dem er am liebsten einen Friedensvertrag sehen möchte.

Trotzdem muß dieses Bild einem zu denken geben.

Welches Druckmittel hat Nasrallah in der Hand, wie kann er den Präsidenten Michel Suliman zwingen, Samir Kuntar die Hand zu schütteln, unter den sehenden Augen des Parlamentspräsidenten Nabi Beri und des Premierministers Fouad Siniora? Entweder Nasrallah hat die gesamte politische Führung des Libanon als Geisel genommen. Oder aber sie haben sich freiwillig ergeben. Oder ein aus beiden Szenarios gemischtes Modell. Auf jeden Fall ist der Schluß unausweichlich, daß der nächste Angriff der Hisbollah auf uns, der ja schon angekündigt ist, ein Angriff des Libanon auf Israel ist.

Der letzte Krieg war so schwer zu führen, weil er kein „normaler“ Krieg zwischen zwei Staaten war, sondern ein Krieg zwischen einem Staat und einer Terrororganisation, die einen anderen Staat als Operationsbasis mißbrauchte, mitsamt Zivilbevölkerung, unter die sich die Terroristen fröhlich mischten.

Der nächste Krieg wird nicht einfacher, aber ich glaube, wir müssen begreifen, daß Nasrallah heute nicht mehr in Opposition zur politischen Führung des Libanon steht. Siniora hat die Chance vertan, sich deutlich zu positionieren. Die UNIFIL hat es versäumt, die Hisbollah deutlich in die Schranken zu weisen und anderen libanesischen Kräften den Rücken zu stärken.

Was daraus folgert? Ich weiß nicht, was unsere Regierung und Armeeführung im nächsten Krieg anfangen werden. Aber mir scheint, die Situation für die Libanesen verschlechtert sich ständig. Für uns auch, zweifellos – aber wäre ich Libanesin, diese Bilder würden mir verdammt zu denken geben. Das ist eine Kapitulation, die die Bürger der Zedernproteste eigentlich nicht verdient haben. Halten sie still, nur weil es gegen Israel geht und dieser Zweck jedes Mittel zu heiligen scheint? Wissen sie, wie gefährlich das ist? Für uns, für sie?

Manchmal scheint es, als ob wir weiter wie Alice durchs Kaninchenloch rasten, immer dem Boden zu, doch aufgeschlagen sind wir noch lange nicht. Ja manchmal kommt es mir so vor, als sei dieses Loch bodenlos, als seien wir schon längst an den Antipoden rausgeplumpst und zögen nun eine sausend schnelle Umlaufbahn irgendwo im All. Ohne Ziel, ohne Ende.

Zum Thema:

Jerusalem Post, The new Libanon
Jerusalem Post, Hisbollah moves into every town in South Lebanon
Haaretz, What does Nasrallah mean by „defensive strategy“?
Israel Matzav

Sprachlähmung Juli 19, 2008, 12:42

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Es ist wie verhext. Normalerweise habe ich mit dem Hebräischen keine Probleme. Im Laufe der Jahre habe ich mir einen ganz ordentlichen Wortschatz zurechtgelegt, was gar nicht so einfach ist, denn das Hebräische ist sehr sparsam mit Adjektiven, und wo andere Sprachen ein ganzes Arsenal auffahren, um Schönheit zu beschreiben, beschränkt sich das Hebräische auf ein knappes „yafe“.

Außerdem schnitze ich ja bekanntlich dauernd an meiner Sprache, höre besonders gut zu, wenn jemand redet, und beschließe, mir besonders elegante Redewendungen, Zitate und Überleitungen anzueignen. Dazu noch mein aussichtsloser Kampf gegen den bleifüßigen germanischen Akzent, der die falschen Silben betont, die falschen Vokale dehnt oder öffnet und die Konsonanten vorn im Mund plattmacht, statt sie hübsch in den Rachen fallen zu lassen. Ich sehe es schon als eindeutiges Kompliment an, wenn man mich nach dem Vortrag fragt, „woher kommst du eigentlich, bestimmt aus Europa?“, statt sofort Deutsch mit mir zu sprechen.

Doch nie fühle ich mich der Härte dieser Sprache hilfloser ausgeliefert als beim Spiel „eretz ir“, mir als „Stadt Land Fluß“ bekannt. Da ich das Glück hatte, in einer spielverrückten Familie aufzuwachsen, habe ich mir immer was auf meine Fähigkeiten bei Stadt Land Fluß und Wortzerlegen zugutegetan – wir haben nächtelang Wörter zerlegt, daß es nur so eine Art hatte, und die kreativen Berufe, die besonders mein Stiefvater beim Stadt Land Fluß zu Papier brachte, waren legendär. Ich bewahre ein paar der alten Blätter auf, die seine Brillanz beweisen, und wir waren seine würdigen Mitstreiter.

Aber was nützt vergangener Ruhm?

Hier und heute wird das Blatt eingeteilt in „eretz, ir, chai, zomeach, domem, yeled, yalda, mikzoa“ – also Land, Stadt, Tier, Pflanze, Gegenstand, Junge, Mädchen, Beruf. Gut. Ich nehme mir jedesmal eisern vor, nur hebräische Begriffe aufzuführen, doch sobald die Kinder den Buchstaben rufen, um den es in dieser Runde geht, tritt bei mir akute Sprachlähmung auf.

He???? Ich zermartere mir das Hirn, bis ich Hungaria hinschreibe. Eine Stadt mit he? Mir fällt nur Hamburg ein. Tier? Hobbit. Pflanze? Hibiskus. Junge? Hugo. Mädchen? Hildegard. Ja verflixt noch mal, gibt es sowas nicht auf Hebräisch? Die Kinder lassen es durchgehen, lachen über Hugo und gehen in die nächste Runde. „Mama, jetzt aber auf Hebräisch!“ Ja ja schon gut.

Lamed! Ein einfacher Buchstabe. Latvia, Los Angeles. („Mama, in Stadt und Land bist du gut“) Pflanze? Louisa, eine Art Zitronenmelisse. Tier? Löwin, oh, levia, das klingt so ähnlich. Und schon ist es aus. Ein Mädchenname mit lamed? Louisa. Geht Louisa auch als Beruf?

Chet? Keine Chance. Wer bitte ist schon so entartet, ein Land mit chet anfangen zu lassen? Mir fällt gar nichts mehr ein.

Mem! Das sollte doch einfach sein. Mem, mem… Mexiko. Marburg. Murmeltier. Mimi. Michael, oh gut, das gibts auch auf Ivrit. („Mama, in allem anderen bist du aber gar nicht so gut!“) Murmeltier geht nicht? Maus vielleicht? Beruf Meckerfritze? Maurermeister? Me-me-mechaniker, oh – mechonai! Mechonai geht.

Shin! Kinder, das ist die letzte Runde, Mama kann nicht mehr. Shin, shin, oh Gott. Shvedia, gut. Shtrasburg, okay. Und nun? Gilt Shishlik als Pflanze? „Mama! Das ist doch was zu essen!“ Gut, dann als Tier? Bitte? Auch ein Shishlik hat mal gelebt? Nichts da, zwei Punkte für Mama, nicht viel.

Die Kinder ziehen im Triumph ab, sie haben mich haushoch besiegt. Ich bleibe zurück und zermartere mein Gedächtnis nachträglich auf der Suche nach einem Gegenstand mit Vav. Oh, der vav selbst, das heißt nämlich Haken. Mensch, bin ich blöd, aber ich kann das Spiel einfach nicht auf Hebräisch spielen.

Mein einziger Trost: der EinzigWahre neben mir. Er hat sich in sein Sprachwerk von Berlitz vertieft, „Germanit für ewige Anfänger“. Er nimmt die Kopfhörer ab und sieht mich verzweifelt an. Warum die Deutschen immer nur an S*x denken, denn ohne den kann man kein Deutsch lernen, alles muß männlich, weiblich, sächlich sein, und warum? Warum der Auto, aber das Wagen? Er zerbricht sich die Zähne daran, „hier steht: klassisches Musik, klassisches Katze, sag du das doch mal, wie kann man sowas aussprechen?“ Ich sage ganz lässig, „spätklassizistisches Kunsthandwerk“, er vergräbt wimmernd den Kopf im Sofakissen.

Das Shishlik ist gerächt!

Grenzen des Edelmuts Juli 18, 2008, 21:57

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen, Land und Leute.
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Freitagabendnachrichten. Alles voll mit Reportagen über Familie Regev, Familie Goldwasser, Trauer, Tod, ehemaligen Schulkameraden, die Journalisten holen auch den letzten Zentimeter Material heraus und quetschen jeden Zufall des Schicksals gründlichst aus. So die Tatsache, daß Goldwasser praktisch neben dem Haus, wo die Familie Haran gewohnt hat, zur Schule gegangen ist.

Y. und ich sehen uns an. Es sind vor zwei Jahren außer den beiden, diesen sehr tragischen Fällen, 119 Soldaten ums Leben gekommen. Kann keiner denn mal auch an die erinnern, die mit Regev und Goldwasser beim selben Überfall ums Leben gekommen sind, ganz zu schweigen die vielen anderen? Und was ist mit den Zivilisten, die gestorben sind in dem Krieg, von dem wir alle reden, sind die keine Erinnerung wert? Es ist zwei Jahre her, sollten wir nicht mal an alle Opfer denken? Vielleicht auch mal die von der anderen Seite, mal analysieren, wie Entscheidungen zustande kamen, ob man rückblickend nicht vielleicht Lehren zieht fürs nächste Mal und so weiter? Ob und wie man Zivilisten in Zukunft wirksamer schonen kann? Zwei Jahre Libanonkrieg II, das ist mehr als Regev und Goldwasser, so sehr ich mir ihr Schicksal zu Herzen nehme.

Nun, am Ende dieser Trauerorgie nimmt Y. meine Hand und meint mit komischem Ernst: ich danke dir, daß du aus dem ruhigen, schönen Deutschland (er liebt D.) in dieses schwierige Land gekommen bist, und alles nur wegen mir ahabal (unübersetzbares Wort, ähnlich wie Tembel, aber noch tembeliger). Und ich, mit grenzenlosem Edelmut: ach, für dich hätte ich gern noch viel schwierigere Sachen gemacht, ich bin doch gern hier und fühle mich als Israelin. Und er küßt mir die Hand und verschwindet, geht unter die Dusche.

Schön? Schön.

Drei Minuten später brummt ein fetter, brauner, geflügelter, wipphörniger, unendlich ekliger Kakerlak durch die Luft – direkt auf mich zu. Ich springe auf, er knallt direkt auf meinen Laptop und zappelt auf den Tasten. Ich hole die mörderische Dose Spray und meine Rufe holen den heroischen Gatten aus der Dusche. Im Laufe der Jahre habe ich sterbende Schlangen eigenhändig von der Straße getragen, Skorpione unter der Schmutzwäsche erschlagen, Heere von Läusen von Kinderköpfen (und unter Grausen von meinem eigenen) gekämmt und Generationen von Kakerlaken ausgelöscht. Doch wenn sie die Luftwaffe gegen mich einsetzen, das ist zuviel.

Während Y. mir zuruft, überlaß ihn mir!, und schaumbedeckt die Gefahr von Weib und Kind abwendet, bricht es aus mir heraus: mir reicht´s! Nasrallah und Haniya, meinetwegen, aber bei fliegenden Djukim hörts bei mir auf! Warum hab ich bloß einen Israeli geheiratet???!!!

Ehrenwort, genauso wars.

Interessante Hypothese Juli 18, 2008, 10:24

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau.
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zum Fall Gilad Shalit. Die Hamas ist unzufrieden mit den Ägyptern, weil die ihnen zu pro-israelisch sind. Die Hamas möcht es mal miit deutschen Vermittlern versuchen, weil die besser wissen als die Ägypter, wie man Druck auf Israel ausübt.

Aus den Fingern gesogen? Aber nicht doch. Ist nicht mal eine Hypothese.

Several Hamas officials have been quoted over the past 24 hours as expressing deep disappointment with the way the Egyptians have been handling the Schalit mediation effort.

„The Egyptians have proved that they are unable to put enough pressure on Israel to accept our demands,“ one Hamas official reportedly said.

Another Hamas official said his movement was under the impression that the Egyptians „were on Israel’s side more than on our side.“

Osama Hamdan, Hamas’s representative in Lebanon, confirmed there were growing demands in his movement to use the good offices of the Germans to reach an agreement with Israel.

However, he said that as of now Hamas had not held any official discussion on replacing the Egyptians with Germans.

Was nicht ist, kann ja noch werden…

Artikel aus der JPost, Verweis bei Jihad Watch gefunden.

Auf dem Nestrand Juli 17, 2008, 19:51

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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hockt mein Großer, schlägt aufgeregt mit den Flügeln. So ist das im Kibbuz, man hilft den Kindern, selbständig zu werden.

Ich habe ja schon öfter erwähnt, daß der Kibbuz als Gemeinschaft den Kibbuzkindern an wichtigen Stellen des Lebens begegnet. Natürlich wird jede Geburt am Schwarzen Brett angezeigt. Das erste Shavuot-Fest nach der Geburt: die Eltern tragen die Babies auf die Bühne, mit Blumenkränzchen geschmückt, die Baby-Metapelet hält eine schöne Rede und der Sekretär des Kibbuz begrüßt die Kinder offiziell als bnei und bnot kibbutz. Im Eingang zum Dining Room hängen Bilder aller Eltern und Kinder aus.

Der Übergang vom Kindergarten in die Schule: im Dining Room hängt ein großes Plakat der zukünftigen Schulkinder. Früher war es so, daß jede Mutter ein Stück Stoff ausgehändigt bekam, um darauf ein Motiv und den Namen des Kindes zu sticken, und das wurde im Kindergarten aufgehängt, eine bunte Wand mit Namen. Ich mochte dieses Ritual gern und habe mir immer gern die Stickbilder angeguckt, die viele Jahre zurückgingen. Als der Kindergarten von der Aufsichtsbehörde übernommen wurde, hat die „Schulrätin“ der Umgebung gesagt, sie findet die Dinger häßlich und sie gehören abgehängt. Das hat viele Kibbuzeltern vergrätzt, diese Städterin soll uns was zu sagen haben? Sie hat sich dann durchgesetzt, leider.

Traditionell haben die Kinder bei den Festen besondere Aufgaben: die Kindergärten feiern mit den Alten im Altersheim, die Erstkläßler singen jedes Jahr Ma nishtana beim großen Seder im Dining Room, und die Sechstkläßler suchen jedes Jahr den Afikoman, der mit einem Rätsel verbunden wird.

Dann der Übergang von der sechsten Klasse, der letzten Grundschulklasse, auf die höhere Schule. Ein großes Fest jedes Jahr, der Sekretär des Kibbuz kommt, hält wieder eine Rede und schenkt jedem Kind einen Schulranzen. Als nächstes Bar bzw Bat Mitzva, das bis vor kurzem auch in der Gruppe gefeiert wurde. Inzwischen hat man die Familienfeiern und die Gruppenfeier getrennt, es wurde einfach zu riesig. Aber auch zu dieser Gelegenheit stehen die Kinder wieder auf der Bühne und werden herzlich und persönlich vom Sekretär beglückwünscht, und wieder ein Poster im Dining Room. (All diese Poster, Plakate und Bilder werden im Archiv aufbewahrt.)

Zur Abschlußfahrt nach Polen und zum Führerschein tut der Kibbuz Geld dazu, fast die volle Summe, wenn die Jugendlichen eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden ableisten.

Und dann mit 18. Diesmal keine Rede und kein Handschlag. Der Kibbuz lädt die volljährig Gewordenen zu einem Treffen ein, bei dem sie über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden. Sie bekommen ihr eigenes Budget, das Geld, das sie verdienen, und das Budget, das der Kibbuz jedem Kind einräumt, kommen ihm jetzt direkt zugute. Jeder bekommt in der „jugendlichen Gegend“ des Kibbuz eine eigene kleine Einzimmerwohnung (Bilder werden folgen, versprochen) mit eigenem Telefonanschluß und für Leute, die noch die Wäscherei nutzen, eigener Wäschenummer und eigenem Fach. Sie bekommen eine eigene Magnetkarte zum Einkaufen, ein eigenes Bankkonto (das wir noch über den Kibbuz führen, wir sind bestimmt die letzten Kibbuzniks ohne Konto) und, wenn sie den Führerschein haben, eine eigene Auto-Magnetkarte.

Und so ist mein Primus also zum Geburtstag von uns ausgestattet worden. Er hat seine Wohnung übernommen, saubergemacht, eingerichtet. Er kocht in der letzten Zeit oft, hilft freiwillig im Haus mit, fragt mich, wie man dies oder jenes macht, und überlegt, welche Bücher er mitnimmt. Zwischendurch kommt er immer wieder zu mir, gibt mir einen Kuß und sagt, „die kleine deutsche Mama mag das nicht“.

Nein, ehrlich, die kleine deutsche Mama mag das nicht wirklich, sie würde ihn gern wieder in den himmelblauen Schlafanzug mit den Füßchen stecken, und mit dem Reißverschluß vom Nacken bis an den dicken Zeh. Neee, er sah so süß darin aus. Aber er wird erwachsen, er wird den Rest des Sommers arbeiten und im November eingezogen (gius kravi), und kein Weg führt mehr in den Schlafanzug zurück. Das ist ja auch gut so. Und er wohnt weiterhin im Kibbuz, der Kibbuz ist unser Zuhause und seines auch. Der Auszug ist eine Tradition, die nicht von Machtkämpfen, Diskussionen oder Unsicherheiten begleitet wird, weil er bei ihm und seinen Freunden gleichzeitig stattfindet. Seine Freunde seit dem Babyhaus sind auch seine Nachbarn, sie kennen sich, sie verstehen sich größtenteils ganz gut. Er wird das Doppelhaus mit dem Mädchen teilen, mit dem er schon im Babyhaus in einem Zimmer war – er am Fenster, sie an der Tür.

Warum also mag ich das nicht? Ach, ich mag es ja, ich bin ja stolz auf ihn und auf sein problemloses Reinwachsen in die erwachsene Welt von Verantwortung und Selbständigkeit. Aber ich mag es nicht, daß die Zeit so schnell vergeht und ein Meilenstein nach dem anderen hinter uns liegt, mit unserem Ältesten. Ich sage jeden Tag zum Augenblick, verweile doch, du bist so schön! Es hilft leider nicht.

Zwei, nein, vier Links Juli 17, 2008, 16:25

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau.
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1. Für all die Phantasten unter meinen Lesern, die tatsächlich sich selbst und der Welt weismachen wollen, daß die arabische Welt im Grunde nicht weiter als Frieden will – den ihr Israel grausam und hartnäckig verweigert.

Samir Kuntar an Mughniyas Grab:

“We swear by God… to continue on your same path and not to retreat until we achieve the same stature that God bestowed on you,“ said Samir Kuntar.

….

“This time yesterday I was in the hands of the enemy (Israelis). But at this moment, I am yearning more than before to confront them,“ Kuntar said. Hizbullah’s weapons are “a red line“ that no one should be allowed to cross, he told reporters.

Kuntar referred to Mughniyeh’s “martyrdom,“ saying, “This is our great wish. We envy you and we will achieve it, God willing.“

Beneidet Mughniyah? Ich würde an seiner Stelle die Worte mit größerer Vorsicht wählen.

2. Den Hinweis auf die arabische Presse verdanke ich Carl in Jerusalem.

The Radwan deal,“ the headline of Ashark Alawsat on Thursday cynically ran, „cost Hizbullah over $7 billion, more than 1,200 dead and 4,500 wounded Lebanese citizens.“

The paper referred to the exchange by the name given to it by the guerilla group. Radwan was the nom de guerre of Imad Mughniyeh, Hizbullah’s terror mastermind who was killed several months ago. While Hizbullah blamed Israel for the assassination, Israel maintains it was not involved.

The Saudi paper Al Wattan pointed out that Hizbullah has yet to disarm and that UN Resolution 1701, which ended the war, has not been implemented.

In Lebanon, Al Anwar carried an editorial piece which said it was „shameful to see members of the government in Beirut join the celebrations of Hizbullah.“

Immerhin ermutigend, daß sich nicht alle vor Nasrallahs Karren spannen lassen. Und die Spannungen zwischen Sunniten und Shiiten und Wahabiten hat Israel nun wirklich nicht zu verantworten. (Oder ist das auch nur eine Intrige des Mossad?)

3. Die Rede von Ofer Regev am Grab seines Bruders:

Brother of fallen IDF Master Sergeant Eldad Regev, Ofer Regev noted the cruel dichotomy between the IDF and Israel’s enemies. “We thought our enemies were like us.. human beings, who only want to love, to smell a flower, but our enemies are a cruel mirror image, the opposite of our own humanity..”

Ofer’s words expressed his pride in the efforts to return his fallen brother home. ”I am proud of our country who fought for you, I am proud that the IDF commanders would not give up until you came home, and I am proud of all the citizens who felt they were your brother just like me.”

Ofer recalled that his brother had, before returning to reserve duty, given him a CD, and specifically said:”check out song 11…it’s worthwhile.” The song was entitled:”I have a brother.”

4. Die Leichen waren übel mißhandelt.

As Israel buries her fallen sons, harsh questions and details are arising from the exchange which took place yesterday. According to Israeli officials, the bodies were received in a severely-damaged state which may have lengthened the confirmation of their identities. Former IDF Medical Corps and Chief Military Rabbinate officials have noted the tragic expertise Israel has gathered in years of conflict, but remained shocked by what they saw yesterday at the Rosh HaNikra border crossing.

Rabbi Yisrael Weiss, former Chief Rabbi of the IDF, who was present during the transfer of the fallen soldiers yesterday, said that „the verification process yesterday was very slow, because, if we thought the enemy was cruel to the living and the dead, we were surprised, when we opened the caskets, to discover just how cruel. And I’ll leave it at that.“

Was zeigt, daß Ofer Regev die schmerzliche Wahrheit ausgesprochen hat. Leider.

Kama tov Juli 17, 2008, 14:12

Posted by Lila in Land und Leute.
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she-bata habaita.

Wie gut, daß du nach Hause gekommen bist.

Auch wenn wir ein anderes Ende gewünscht hätten, auch wenn es nicht die Rückkehr nach einer schönen Reise ist. Und hoffen wir, daß wir das Lied singen können, wenn Gilad Shalit wiederkommt.

Wie Y. Samir Kuntar befreit hätte Juli 17, 2008, 5:17

Posted by Lila in Land und Leute.
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„Samir Kuntar hat 29 Jahre im Gefängnis gesessen. Ich hätte ihn freigelassen, ohne jeden Bezug zu einem Handel, ohne ihn gegen andere abzuwiegen. Ich hätte die Familien der Opfer in aller Stille informiert, daß Kuntar eine Belastung für Israel ist und uns erpreßbar macht, und daß wir ihn loswerden müssen. Und dann hätte ich ihn entweder mit einem Fallschirm über Naquoura abgesetzt, oder ihm eine Kommando-Uniform und ein Schlauchboot geschenkt, und ihn auf See ausgesetzt. Da ist der Libanon, guck, daß du hinpaddelst, und tschö. Ohne Lärm, ohne Presse, ohne Deal, ohne Preisschild, ohne Klagen. Ihn einfach über die Grenze schieben. Da sollen sie ihn feiern, wenn sie wollen.

Das hätten wir schon vor langer Zeit machen sollen, hätte uns viel Ärger erspart.“

Also sprach mein Mann überm Morgenkaffee.

Assoziationen Juli 16, 2008, 21:04

Posted by Lila in Presseschau.
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Ich benutze wirklich nicht oft das Wort faschistisch, weil ich es für ungenau und mißbraucht halte. Es verleitet einen dazu, alle Arten von Gewaltherrschaft und -verherrlichung in einen blubbernden Topf zu werfen, umzurühren und den Trunk in Flaschen abzufüllen, die zu jeder Diskussion gereicht werden.

Doch das Spektakel heute… es war von der ästhetischen Klasse nicht mit Riefenstahl zu vergleichen, aber erinnerte doch fatal an den Blut- und Opferrausch von Regimes, die man gemeinhin faschistisch nennt. Ich wollte nicht zu spezifisch werden. Aber das Wort rutschte mir dann doch aus der Tastatur.

Doch der Hauptdarsteller selbst des Tages zeigt ganz deutlich, welche Antwort er auf die Frage „Lieblingsheld der Geschichte?“ geben würde…

Noch kein Ende Juli 16, 2008, 17:47

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau.
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Noch ist der Tag nicht zu Ende. Ich habe fast den ganzen Tag den Fernseher laufen, um genau zu wissen, was vorgeht. Es ist alles so nah bei uns, Nahariya kenn ich so gut, da ist Tertia zur Welt gekommen. Kiriat Motzkin, ein Vorort von Haifa, ist auch so nah. Wir kennen die Familie von Smadar Haran, einige der Offiziere, die immer wieder interviewt werden, und um ein paar Ecken kennt sich ja das ganze Land.

In Beirut wird jetzt gefeiert. Kuntar schreitet über den roten Teppich. Man fremdschämt sich beim Zusehen. Das kann doch nicht der Libanon sein, diese todessüchtige Orgie, dieser… oh, ich sage das gar nicht oft und gar nicht gern… ja, dieser faschistische Stil. Eine pompöse Inszenierung. Ehud Yaari und Miri Eisen sagen beide: alle arabischen Medien stehen dahinter, kein kritisches Wort wird laut. Diese Inszenierung, diese Jubelfeier, dieser Verherrlichung der shahada ist in der ganzen arabischen Welt heute kritiklos hingenommen worden, sagen sie.

Im Laufe des Tages habe ich viele Meinungen gehört – empörte, die meinen, wir hätten niemals diesen Deal eingehen sollen, der Nasrallah die Gelegenheit zum Feiern gibt (obwohl auch die Libanesen weiß Gott keinen Grund dazu haben). Ein Beispiel für eine solche Stimme ist David, dessen Argumenten ich nichts entgegensetzen kann, obwohl ich trotzdem letzendlich sage: der Deal mußte gemacht werden.

Mein Mann sagt nicht viel dazu, er ist gegen all diese Deals und meint aber, nach dem Tennenbaum-Sündenfall (oder dem Jibril-Sündenfall) blieb keine andere Wahl mehr. Ich muß ihn mal getrennt zu diesem Fall interviewen, scheint mir. Wäre interessant, das mit Davids Ansicht zu vergleichen – Y. ist ein linker Kibbuznik, David Siedler, und ich schätze, sie liegen in diesem Falle nahe beineinander.

Emanuel Rosen , einer der Journalisten, die von Anfang an deutlich für den Deal waren und zum öffentlichen Druck beigetragen hat, der den Deal schließlich bis durch die Knesset getragen hat, vertrat die Ansicht, daß unser eigentlicher Fehler war, die Sache so hoch aufzuhängen. Wir selbst haben Kuntar zu einem Symbol gemacht, meint er, er ist eigentlich ein obskurer kleiner Verbrecher aus einer Organisation, die es längst nicht mehr gibt, und als Druse hat er sich der schiitischen Hisbollah aus reinem Opportunismus als Galionsfigur zur Verfügung gestellt – weil sie ihn freipressen kann. Er meint, es ist absurd, daß Nasrallah jubelt, denn Israel hat den Preis soweit wie es nur ging gedrückt.

Und zwei deutsche Kommentare.

Ulrike Pütz hat entweder einen Ghostwriter oder die Medikamente gewechselt oder einen israelischen Freund – sie schreibt einen Kommentar ohne eine einzige Spitze gegen Israel, in dem tatsächlich Israelis als lebenswertes Leben vorkommen. Ich bin angenehm überrascht. (Sie verwechselt zwar Kibbuznikim und Kibbuzim, aber hey, nur Kibbuznikiot wie ich sind so kleinlich, daß ihnen das auffällt!) Sie erwähnt sogar die oft unterschlagenen Todesopfer bei dem Überfall der Hisbollah.

Zwei Jahre lang hatten die Familien Goldwasser und Regev, hatte ganz Israel gehofft, die beiden am 12. Juli 2006 von der Hisbollah verschleppten Soldaten lebend heimkehren zu sehen. Doch zuletzt war durchgesickert, dass zumindest einer die Kommandoaktion gegen ihre Einheit vermutlich nicht überlebt hatte – so wie acht Kameraden, die bei dem Angriff umkamen.

Noch erschröcklicher: sie hat das T-Wort gelernt.

Die Hisbollah trieb bis zuletzt ein Spiel mit der Frage nach Leben oder Tod der beiden Soldaten. Es war Psychoterror. Der Hisbollah-Unterhändler triumphierte noch bei der Übergabe im Beisein peinlich berührt dreinblickender Repräsentanten des Roten Kreuzes: „Wir haben es bis zum Schluss geschafft, im Unklaren zu lassen, ob die Soldaten noch leben.“ Dann öffneten sich die Heckklappen zweier Pickup-Trucks, mit denen die Delegation der Terrororganisation zum Austausch vorgefahren war. Erst zogen Hisbollah-Männer einen schwarzen Sarg heraus. Dann, nach einer Art Kunstpause, den zweiten.

Tatsächlich, sie hat TERRORorganisation zur Hisbollah gesagt. Ich zweifle, daß ihre Kontakte zur Hamas das sehr charmant finden. Aber die Beschreibung ist fair und korrekt. Ich nehme an, sie hat mit Israelis die Bilder gesehen und mitgekriegt, wie um sie herum die Leute in Tränen ausbrechen.

Letztlich aber kulminierte die Debatte immer wieder in einer Frage: Darf man einen Mörder, einen Terroristen wie Kuntar freilassen, nur damit zwei Israelis ordentlich bestattet werden können?

Der Libanese Kuntar war 1979 nach Nordisrael eingedrungen, hatte einen Polizisten und einen jungen Vater und dessen vierjährige Tochter brutal getötet. Zu 524 Jahren Haft wurde er für seine Untat verurteilt. Am Nachmittag wurde er mit den vier weiteren Libanesen in sein Heimatland überstellt, als freier Mann.

Sie sagt Untat, sie sagt brutal. Tatsächlich, sie benutzt Worte mit wertender Bedeutung. Die Stimme der Frau namens Merav, die sie zitiert, klingt authentisch. Ich bin froh, daß sie im Gegensatz zu Bettina Marx oder diesem Kühntopp die Fähigkeit zur Empathie nicht verloren hat, auch wenn es sich um Israelis handelt, die sie bis vor kurzem nur als Täter auf dem Kieker hatte. Der Artikel ist ein fairer Kommentar, der tatsächlich versucht, deutschen Lesern klarzumachen, was hier vorgeht. Wenn sie hier mitliest, ist sie zu einem berühmten israelischen Labberkaffee bei mir auf der Wiese eingeladen.

So sind wir das von Gisela Dachs gewöhnt; über viele Jahre hinweg schreibt sie sehr treffende Schilderungen der Atmosphäre und des Lebens hier.

Natürlich stellt sich wie – immer bei solchen Tauschaktionen – die Frage nach dem Preis. Denn Israel bekommt zwei tote Soldaten zurück; im Gegenzug liefert es 199 ebenfalls tote Hisbollah-Kämpfer. Aber Israel lässt zusätzlich auch fünf lebende Libanesen frei, darunter Samir Kuntar.

Seine Taten vergisst kein Israeli, dessen Erinnerung in den April 1979 zurückreicht. Kuntar drang damals mit anderen Terroristen mitten in der Nacht in das Haus einer jungen israelischen Familie in Naharihya ein. Er entführte den Vater sowie dessen vierjährige Tochter.

Als die ersten Polizisten auftauchten, erschoss Kuntar den Vater aus nächster Nahe. Den Schädel des Mädchens ließ er an einem Felsbrocken zerschellen. Die Mutter, die sich mit ihrem Baby Zuhause vor den Terroristen versteckt hatte, musste feststellen, dass der Säugling bei dem Versuch, ihn am Schreien zu hindern, erstickt war.

Dass das israelische Kabinett dem Austausch dennoch mit einer Mehrheit von 22 zu 3 Ministern zustimmte, lässt sich mit einem generellen Verantwortungsgefühl gegenüber den Familien erklären, aber auch als Botschaft an alle künftigen Pflichtsoldaten und Reservisten werten: Dass der Staat weiterhin alles ihm Mögliche tun wird, um seine Soldaten nach Hause zu bringen. In jüngster Zeit hatte sich in der Bevölkerung immer mehr das Gefühl breitgemacht, dass man dieser Pflicht weniger als früher nachgekommen sei.

Dieses Gefühl passt zur allgemeinen Kritik an der Regierung und deren Management des Libanonkriegs. Dass Hisbollah den Austausch nun als ihren „Sieg“ feiern kann, ist ebenso ernüchternd wie die Tatsache, dass Hisbollah trotz aller internationaler Maßnahmen heute wieder gut gerüstet ist.

Ja, und Israel Hasson meint, bald schon werden wir die Quittung kriegen. Seit dem Krieg vor zwei Jahren hat die Hisbollah sich ja mehr rhetorisch als militärisch hervorgetan; sie hat sich bewaffnet, um in den nächsten Waffengang mit besseren Karten zu ziehen. Ich hoffe, Hasson hat Unrecht. Aber Nasrallah hat heute die Drusen im Libanon vereinnahmt und damit Jumblat besiegt, er hat Siniora zu einer Marionette degradiert, und ich denke mir, in Teheran merkt man schön auf.

Nein nein, das ist nur ein Tag in einer langen Auseinandersetzung, und sie ist noch nicht zu Ende.

Glückwünsche Juli 16, 2008, 13:50

Posted by Lila in Land und Leute.
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von Abbas, unserem angeblichen Friedenspartner, an die Familie des Mörders Kuntar.

Abbas congratulated the family of released Lebanese murderer Samir Kuntar and sent his condolences to the Lebanese families receiving their loved ones‘ bodies as part of the deal.

Er erspart uns wenigstens das heuchlerische Schauspiel, unseren Familien zu kondolieren.

Seine Rivalen von der Hamas lassen sich auch nicht lumpen.

Hamas´prime minister in the Gaza Strip, Ismail Haniyeh, congratulated Kuntar and Hizbullah for „the great victory of the resistance, which proved the rightness of our way.“

Resistance? Rightness? Was ist daran Widerstand, einer Vierjährigen den Schädel zu zerschmettern? Was ist daran richtig?

Der Libanon feiert

Die Menschen in Gaza sind derselben Meinung, Kuntar ist ein Held, seine Tat purer Heroismus, seine Freilassung ein Anlass zu einer lautstarken Feier.

Shortly after the implementation of the Israel-Hizbullah prisoner exchange deal, candy was handed out to residents in Gaza

Aber in Europa glauben manche Menschen, die Palästinenser dürsten nach Frieden. Wenn man schon uns nicht glaubt, warum dann nicht einfach den Palästinensern selbst glauben? Es reicht, aufmerksam hinzuhören und zuzugucken, um zu verstehen, daß wir keinen Partner für den Frieden, welch anspruchsvolles Wort!, haben.

Wir leben einfach in vollkommen verschiedenen Welten, unsere Werte sind nicht ihre Werte, unser Ziel ist nicht ihr Ziel, ich glaube heute weniger denn je an eine Verständigung, einen gültigen Vertrag, einen historischen Kompromiß.

Natürlich mag es im palästinensischen Volk Menschen geben, mit denen wir einen Friedensprozeß führen könnten, die ähnliche Ziele haben wie wir. Nur: wo sind sie? wo hört man ihre Meinung? Wenn es sie gibt, ist ihre Einstellung jedenfalls lebensgefährlich, und sie behalten sie für sich. Die große Masse der arabischen Welt ist trunken von Haß gegen uns. Nichts, was Israel getan oder angeblich getan hat, rechtfertigt diesen Haß.

Was die arabische Welt heute macht, nennt man auf Ivrit „auf dem Blut tanzen“, „lirkod al ha-dam“. Es ist kein schöner Anblick, aber wir sind es gewöhnt und werden es ertragen. Schlimmer ist, daß sich die gesamte Zukunftsplanung der arabischen Welt darauf erstreckt, auf unserem Blut zu tanzen. Das läßt sich beim besten Willen nicht optimistisch umlügen.

Trauriger Tag, traurige Bilder, düstere Zukunft.