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Tu bi-Shvat Januar 25, 2024, 22:15

Posted by Lila in Land und Leute.
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Das Neujahrsfest der Bäume ist ein kleines aber feines Fest, aber dieses Jahr war keine Feststimmung. Alle sind bedrückt, der weltweite Haß auf Israel und die Lage insgesamt (Geiseln noch nicht befreit, nach so langer Zeit, Soldaten in ständiger Gefahr) sind schon schlimm genug. Trotz mancher positiven Meldungen ist der 7. Oktober für uns noch immer nicht vorbei, und keiner weiß, was uns noch bevorsteht.

Arbeiten hilft. Auf dem Rückweg durch strömenden Regen hörte ich im Radio (Galey Zahal) ein Gespräch. Die Journalistin Tali Lipkin-Shahak hat so eine sympathische, zugewandte Stimme, ich höre ihr so gern zu. Sie läßt ihre Gesprächspartner immer zu Wort kommen. Heute sprach sie mit Hannie Ricardo, Sängerin, Komponistin und Musikologin, die zum Thema Komponisten und Musik der Shoah forscht. Hannie kommt aus einer Familie von Holocaustüberlebenden, und wenn sie die Musik vergessener Komponisten erforscht und aufführt, gibt sie denen eine Stimme, die durch Haß und Völkermord zum Schweigen gebracht wurden.

Hannie war in New York, wo sie arbeitet und studiert, als ein Freund ihr eine Nachricht schrieb, dass in Tel Aviv Raketenalarm ist. Sie machte sich sofort Sorgen um ihre Töchter in Ramat Gan bei Tel Aviv und versuchte sie zu erreichen. Oriya antwortete nicht. Ihre letzte Nachricht an ihre Mutter lautete: Ima, ich liebe dich. Ein Abschied.

Oriya war auf dem Nova-Festival, und sie versuchte zu fliehen. Es dauerte mehrere Tage, bis sie gefunden wurde, von ihrem Freund, der dann die Armee und ZAKA rief. Als die Familie Shiva saß, also die Trauerwoche beging, kam auch der Freiwillige von ZAKA, der Organisation von überwiegend, aber nicht nur Ultra-Orthodoxen, die Tote respekt- und liebevoll bergen. Dieser Mann sagte ihr: deine Tochter war schön und unversehrt, als ich sie fand. Erst nach einer Weile wurde der Mutter klar, was das bedeutete, und was so viele anderen Besucherinnen des Nova-Festivals widerfahren war. Oriya war erschossen worden, aber niemand hatte Hand an sie gelegt.

Hannie erzählte diese Geschichte und Tali hörte zu und stellte auch ein paar Fragen. Ob es ihr jetzt nicht schwerfiele, sich so intensiv mit der Shoah zu befassen, nach dieser Katastrophe, der größten seit der Shoah. Nein, sagte Hannie, im Gegenteil. Sie hat ein Kaddish für Terezin (Theresienstadt) komponiert und es ihrer Tochter gewidmet. Sie sagt, die Hamas hat bewußt an die Taten der Nazis angeknüpft, und das sehe ich auch so. Sie wurden von einem unerbittlichen Willen zur totalen Vernichtung angetrieben, einem Willen, dem sie in Reden, ihrer Charta und ihren Parolen immer wieder Ausdruck verleihen.

Hannie lebt jetzt im Bewußtsein, zu einer Zwischengeneration zu gehören. Zwischen zwei Katastrophen. Sie ist Zeugin für beide.

Das Gespräch hat mich sehr bewegt, und ich wollte es teilen.

Ein paar Links:

Artikel im Merkur

Artikel in der WN-OZ (Weinheimer Nachrichten-Oldenwälder Zeitung) (Ramat Gan und Weinheim sind Partnerstädte)

Artikel in der New York Post

Artikel in der Times of Israel, die über alle Opfer schreibt

Eine Geschichte unter so vielen. יהי זכרה ברוך

Kommentare»

1. schreibschaukel - Januar 26, 2024, 11:28

Jedes einzelne Schicksal ist eine Tragödie. Wie gut, dass diese bewundernswerte Mutter ihrer Tochter eine Stimme gibt. Das Leid ist einfach unvorstellbar.

2. Irene - Januar 26, 2024, 14:23

Danke für’s Teilen, liebe Lila. Es ist herzzerreißend.

3. Rika - Januar 26, 2024, 23:12

Stark und traurig zugleich…..
Danke für Deinen Text – gerade jetzt, gerade heute.
Einen der Links habe ich weitergereicht.

4. 24-01-27 Analysis & Chill – iberty.de - Januar 27, 2024, 15:40

[…] In Israel derweil: Das Neujahrsfest der Bäume ist ein kleines aber feines Fest, aber dieses Jahr war keine Feststimmun… […]

5. Gelesen und gesehen | Au fil des mots - Februar 1, 2024, 11:59

[…] habe gestern vergessen, den Link zu Lila in Israel zu teilen. Der Blog wurde schon bei Herrn Buddenbohm und auch bei Dirk von Iberty hin und wieder […]


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