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Neuanfänge im Alten Oktober 28, 2019, 22:26

Posted by Lila in Kunst, Persönliches.
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Ein neues akademisches Jahr hat angefangen, ich habe weniger Arbeitslast als früher, dafür einige neue Projekte und Ideen. Die erste Woche ist immer wunderbar intensiv, und meine Arbeit macht mir nach wie vor riesigen Spaß. Eine Idee kommt immer zuerst – dann muß die Idee entwickelt werden, ich pflüge mich durch Berge von Gedanken anderer, immer froh, wenn ich sehe, daß meine Idee so noch nicht herumschwebt, aber viele andere, an denen ich mich reiben und von denen ich mich inspirieren lassen kann. Daraus einen Vortrag machen, den dann auch irgendwie rüberbringen, so daß andere mitvollziehen können, was ich mir gedacht habe – die Chemie mit dem Publikum ist nie berechenbar, immer überraschend. Inzwischen unterrichte ich seit über 20 Jahren und sitze wie ein sehr zufriedener Drache auf einer Schatzkiste von gespeicherten Vorträgen zu allen möglichen Themen.

Seit ich mich aus dem akademischen Gewächshaus in die freie Landschaft hinausbegeben habe, fröne ich meiner Lust am Fachübergreifenden, Epochenübergreifenden, und mache mehr oder weniger, was ich will. Ich habe meine Schwerpunkte, aber ich scheue mich nicht, über die Venus von Milo genauso selbstbewußt zu reden wie über Antonis Lick and Lather. Daß ich so verrückt kreuz und quer studiert habe, hilft mir heute. Daß ich geologische Schichten von Obsessionen zu den verschiedensten Themen im Gedächtnis trage, von römischen Familienstrukturen über den niederländischen Befreiungskrieg bis zum viktorianischen Umgang mit dem Tod, hilft mir noch viel mehr.

Ich arbeite immer aus dem Vollen, koche immer den ganzen Topf, auch wenn ich nur einen Löffel Suppe serviere, anders geht es nicht. Manchmal bedaure ich, wenn ich mal gerade eine meiner Meinung nach glääänzende Idee habe, daß die nur in meinen Unterricht, meine Vorträge einfließen wird, aber ich nicht das Zeug dazu habe, daraus etwas Bleibenderes zu bauen. Ich bin gewissermaßen eine Textilwerkerin, die aus vergänglichem Stoff etwas erschafft, das beim Erschaffen glücklicher macht als beim Ansehen, und daß längst zerfallen sein wird, wenn anderleuts Urenkel noch deren steinerne Arbeiten bewundern werden.

Die besten Einfälle kommen mir beim Sprechen, nie am Schreibtisch. Ich plane auch nie genau, was ich sagen werde. Ich habe den Kopf voll mit Ideen, meine Vorträge bestehen ganz klassisch nur aus Bildern, und ich verlasse mich ganz darauf, daß mir schon einfallen wird, was ich sagen will. Der Vortrag muß visuell stimmen, die Bilder müssen am rechten Platz sein, und ich muß meine Ideen dazu schön ordentlich im Kopf haben bzw in Stichpunkten unter den Dias (ich benutze immer noch Powerpoint, ohne Schnörkel, einfacher schwarzer Bildhintergrund, so wenig Text wie nur möglich, eigentlich so wie die klassischen Diavorträge, die ich als Studentin noch erlebt habe).

Erst habe ich viel zu viele Dias, und dann sortiere ich sie langsam aus, bis ich am Ende genau  habe, was ich brauche.

Am Ende dann – archivieren und zum nächsten Thema übergehen. Aber vorher gebe ich mir immer selbst ein Feedback und schreibe mir unter das erste Dia genau, was an dem Vortrag gut war, was nicht, wie das Publikum reagiert hat, wo ich kürzen muß, wo Fragen kamen, wo ich nicht gut genug vorbereitet war usw. Wenn ich dann das nächste Mal das Thema beackere, habe ich einen Ausgangspunkt und kann die Fehler ausbessern.

Da man als Lehrperson selten gründliches Feedback im Anschluß an einen Vortrag erhält („kommt das in der Prüfung vor?“ „und zu welcher Kunstrichtung gehört das nun?“ „wie du das alles im Kopf behältst!“ „was für ein Akzent ist das denn – bist du Holländerin?“ waren über die Jahre weg die häufigsten Reaktionen), muß ich es mir eben selbst geben. Das ist eine der besten Früchte aus meinem Lehramtsstudium, da haben wir das nämlich gelernt – Instrumente zur beruflichen Weiterentwicklung. Dazu dann noch das Feedback am Ende des Semesters, und eigentlich müßte man längst perfekt sein, ist es natürlich trotzdem nicht. Manchmal funktioniert es nicht mit einem Publikum, obwohl ich das Thema liebe und in meinen Vortrag gelockt habe wie einen scheuen Paradiesvogel, an dem mein Herz hängt.

Es ist nicht einfach, sich als frei arbeitende Kunsthistorikerin durchzuschlagen, aber trotzdem bin ich froh, daß sich mein Leben dahin entwickelt hat. Im Moment interessiert mich nichts anderes, als meine neuen Kurse in Gang zu kriegen und ein paar neue Ideen und die Stapel von Büchern um mich herum und die JStor-Artikel auf dem Computer gründlich zu lesen und zu verwursten, was verwurstbar ist. Bilder, Bilder, Bilder in meinem Kopf. Ich träume oft von den Sachen, die ich gerade bearbeite, doch leider vergesse ich beim Aufstehen wieder die genialen Theorien, die mir im Schlaf so unvergesslich vorkamen.

Die Welt um mich herum ist unruhig, und wenn ich in die Zeitungen gucke, graust mir. Der Iran kann uns möglicherweise jederzeit angreifen, eine Regierung haben wir immer noch nicht, und Bibi scheint nicht willig oder fähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich aus dem politischen Leben zu verabschieden, bis er seine Prozesse  hinter sich hat. Welche Auswirkungen al Baghdadis Tod haben wird, wissen wir noch nicht, und die Wahlergebnisse aus Thüringen klingen für meine weit entfernten Ohren nicht gut – AfD und Linke als stärkste Parteien… ich möchte nicht aus der Ferne analysieren, und beide Parteien sind zugelassen. Wenn ich Vertrauen in die deutsche Demokratie habe, dann muß ich mich auch darauf verlassen können, daß die Zulassung dieser Parteien den Nachweis ihrer Demokratiefähigkeit bedeutet. Ich möchte sehr hoffen, daß deutsche Parlamente nicht von Anti-Demokraten besetzt werden. Aber daß ich solche Nachrichten mit heiterem Lächeln lese, kann ich nicht behaupten.

Trotzdem habe ich im Moment den Kopf woanders, und bis sich meine Woche ein bißchen „setzt“, wird das auch so bleiben.

Seit Jahren Juni 29, 2014, 10:01

Posted by Lila in Kunst, Presseschau.
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erkläre ich im Unterricht die geniale Architektur mit ihrer Verschmelzung von Zentral- und Basilikalbau,  die atemberaubende Schönheit der Hagia Sophia, deren Mosaiken ausreichen, um die Entwicklung der byzantinischen Kunst zu illustrieren. Dabei erkläre ich immer, was dieses Wunderwerk in meinen Augen noch bedeutsamer macht: daß es heute ein Museum ist, daß dort Mikhrab und Apsenmosaik mit  Theotokos friedlich nebeneinanderleben, daß dort Gläubige aller Arten und Ungläubige aller Arten willkommen sind. Und in den letzten Jahren füge ich hinzu, daß ich mich frage, wie lange das noch so bleiben wird.

Nun, es war zu erwarten:

Jetzt fordern nationalistische Politiker und konservative Muslime in derTürkei, die Hagia Sophia wieder als Moschee zu nutzen. Der türkische Vizepremierminister Bülent Arinc sagte im vergangenen Jahr, die Hagia Sophia scheine „betrübt“ zu sein. „Hoffen wir bei Allah, dass ihr bald wieder Tage des Lachens geschenkt werden.“

Und so begründet es ein Befürworter:

Die Hagia Sophia ist nicht nur ein Wahrzeichen von Istanbul, sie ist auch ein Symbol der islamischen Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453. Ich sehe es als unsere Aufgabe, dieses islamische Erbe zu schützen und weiterzugeben. Die Hagia Sopia muss wieder eine Moschee werden!

Ich habe einen viel besseren Vorschlag: die Hagia Sophia soll wieder Kirche werden! Wie wäre das denn? Immerhin ist sie als Kirche gebaut worden und ein Wahrzeichen einer Kultur, die sich über Jahrhunderte gegen den Ansturm des Islam gewehrt hat.

Gefällt Euch nicht? Die Kirche selbst hat kein Interesse mehr daran, Triumphe über andere zu feiern? Dann laßt sie Museum bleiben, das Haus der ewigen Weisheit.

 

Netter Klops Mai 12, 2014, 9:48

Posted by Lila in Kunst.
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Habe ich nicht ein paar Klöpse der Studenten, die inzwischen verjährt sind und nachgereicht werden können?

„Als Brunelleschi wissen wollte, wie die alten Römer eine Kuppel bauten, fuhr er nach Rom und besuchte das Pentagon“.

😀

Süß, nicht wahr? Ich hatte noch mehr, weiß aber nicht mehr, wo ich die Sachen notiert habe….

Die schönsten Klöpse… Oktober 9, 2013, 14:23

Posted by Lila in Kunst, Persönliches, Uncategorized.
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… aus vielen Jahren Kunstgeschichts-Unterricht. Ehrenwort, nichts davon ist erfunden, aber alles ist schon mehrere Jahre her.

Der Kampf zwischen den Lapithen und den Kentauren auf den Metopen des Parthenon.

„Handelt es sich bei dem Krieg um ein historisches Ereignis?“

***

Der starke Einfluß, den Michelangelo auf Rodin hatte.

„Haben die beiden sich denn auch persönlich kennengelernt?“

***

Die Göttin Venus auf Botticellis „Frühling“.

„Was hat es zu bedeuten, daß nur Maria zu sehen ist, aber das Jesuskind fehlt?“

und ein anderer Student zum selben Thema in einer Hausarbeit:

„Ganz links sieht man den Gott Ernest,  Götterbote mit geflügelten Schuhen…“

***

Die mystische Hochzeit der Heiligen Katharina – die Bedeutung des göttlichen Kinds.

„Nun, vielleicht hatte sie ein uneheliches Kind?“

***

Die Wandmalereien in Pompeji.

„Bombay? Ist das nicht in Indien?“ (die Studentin war Araberin und kann kein P aussprechen)

***

Antikes Vorbild für Brunelleschis Kuppel in Florenz und Palladios Villa Rotonda?

„Die Römer erbauten das Pentagon…“

Ausbruch April 21, 2013, 20:19

Posted by Lila in Kunst.
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Was ist die Strafe für Lehrende wie mich, die in ihren Stunden zu drastischen Metaphern neigen, welche sie aber nach zwei Minuten schon wieder vergessen haben?

Sie kriegen sie nach einem halben Jahr von den Studierenden wieder aufs Butterbrot geschmiert, wenn nämlich diese einprägsame Metapher unzählige Hausarbeiten ziert.

Die Gotik, die wie der Ausbruch eines vorübergehenden ästhetischen Irreseins Europa heimsucht… die fällt jetzt wie ein Bumerang auf mich zurück. Recht geschieht´s mir.

 

(Übrigens war das aus reiner Begeisterung heraus gesagt — Ehrenretter der Gotik rennen bei mir offene Spitzbogenportale ein.)

Ein Exempel November 19, 2012, 14:59

Posted by Lila in Kunst.
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fuer ein Dia aus meinem Unterricht – da in den Kommentaren danach gefragt wurde und ich leider in den Kommentaren Bilder nur verlinken, nicht aber hochladen kann:

 

So sieht das bei in Powerpoint aus, wenn ich daran arbeite. Ich lade nach der Stunde, d.h., jetzt, die Praesentation auf die Kurs-Website. Oft schaffe ich es auch schon vorher, dann freuen sich die Studenten mit Laptop, weil sie gleich meinen Vortrag in die Praesentation reinschreiben koennen. Aber wenn ich dann was aendere im Laufe der Stunde oder was weglasse – das ist doof, deswegen lad ich sie  meist hinterher hoch.

Die Studenten schreiben mit und stellen Fragen. Mittelalter ist eine ungeheure Menge Stoff, die die Studenten mit nichts verbinden koennen, was sie vorher kannten. Es ist fuer sie das schwierigste Fach ueberhaupt, ausser fuer die Christen natuerlich, die tun sich leicht und halten Evangelisten und Apostel auseinander, Paulus und Petrus, die zwei Naturen Jesu und so weiter. Die Juden und Moslems kriegen die Krise bei diesen Feinheiten, und wenn sie sich gerade gemerkt haben, dass der Evangelist Yochanan – John – Johannes als Adler dargestellt wird, dann komm ich mit einer Ausnahme, und die muessen sie sich dann auch merken.

Ich mache schon so Schaubilder und Ueberblicksbilder, aber Texte stell ich nicht rein. Hoechstens ein paar Merkworte.

 

 

Kaiser Justinians Kirchenbauprogramm – der ist naechste Woche dran.

 

Es gibt eine auch Buecherliste, aber viele Studenten gucken nicht rein, sondern pinnen sich das Zeug aus Wikipedia ab. Und das ist auch meist ganz solides Material, was da steht, nur sage ich ihnen, sie muessen ueberpruefen, ob es stimmt. Manchmal schmuggeln Scherzbolde Unfug in Wikipedia rein. Der bleibt zwar nur zwei Stunden drin, aber wenn man die gerade erwischt…?

Besser sind Internetseiten von Universitaeten und Museen, noch besser spezielle akademische dabases und Journale.

Aber sehr viele verlassen sich auf das, was ich ihnen erzaehle. Ich mach es einfacher als Buecher, wo meist viel zu viel Material drinsteht. Es ist fuer mich der arbeitsintensivste Kurs ueberhaupt, weil ich jedes Jahr versuche, ihn noch verstaendlicher, logischer, in sich stimmiger zu machen. Aber das Material ist so vielfaeltig und heterogen – 1000 Jahre Kunst zwischen Irland und Jerusalem. Kein leichtes Spiel.

Noch mehr Barbaren, diesmal in Edinburgh Oktober 22, 2012, 9:10

Posted by Lila in Kunst, Land und Leute, Presseschau.
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Ein Gemeinplatz: nicht-verbale Sprachen überschreiten kulturelle Grenzen leichter als verbale, und visuelle Kunst, Musik und Tanz erleichtern oft Verständigung, wo man mit Worten nicht mehr weiterkommt. Israel hat eine sehr lebhafte musikalische und künstlerische Szene, und israelischer moderner Tanz ist vielleicht noch interessanter. Choreographen wie Ohad Naharin, Rina Sheinfeld und Inbal Pinto, ach und so viele andere, stoßen wirklich in Neuland vor. Naharin ist Chef der Bat Sheva Dance Company.

Nicht jeder mag Tanz, nicht zu jedem spricht die Sprache aus Körperbewegung, Raum, Musik und Licht. Tanz ist abstrakt, entfernt sich weit vom Alltag und von „normaler“ Interaktion. Mir fällt eigentlich nur die Oper ein, die einen ähnlichen Sprung vom Zuschauer verlangt. Wer Tanz oder Oper nicht mag, der geht eben nicht hin.

Ich kann israelische Companien empfehlen – wenn ihr die Chance habt, eine zu sehen, geht hin.

Außer natürlich, ihr seid Barbaren, die meinen, ein kulturelles und künstlerisches Ereignis muß gestört werden, weil einem das Land nicht paßt, aus dem die Künstler kommen. Ohad Naharin ist, wie die meisten israelischen Künstler und Intellektuellen, politisch eher links einzuordnen, aber er hat gestern im Fernsehen erklärt, warum er sich weigert, plakative Statements „gegen die Besatzung“ abzugeben. Er persönlich ist tatsächlich dagegen, aber er kann nicht im Namen seiner Companie sprechen. Sie tanzen. Eine Ballett-Truppe hat keine politische Funktion und keine politische Meinung. Darum läßt er sich lieber boykottieren, beschimpfen und stören, als daß er seine Überzeugungen instrumentalisieren läßt, für einen Zweck, den er als kunstfremd empfindet.

Gegen so einen Mann und seine Tänzer protestieren wirklich nur Barbaren. Mir fällt gerade kein anderes Land ein, das mit solchen Aktionen überzogen wird. China, Syrien oder Saudi-Arabien – jeder weiß, wie es dort um Menschenrechte bestellt ist (übrigens ist auch Palästina keineswegs ein Paradies für Frauen, Christen und Homosexuelle), trotzdem kann ich mich nicht erinnern, daß je auf so widerlich lärmende, selbstgefällige und barbarische Art und Weise Veranstaltungen gestört und gesprengt worden, in denen Chinesen, Syrer oder Saudis auftreten.

Ob es singende Kibbuzniks im Rentenalter sind oder tanzende junge Tel Aviver – dem Israel-Hasser ist es ein willkommener Anlaß zu zeigen, daß wie sehr er Israel haßt, jede Äußerung Israels, und wenn es ein moderner Tanz ist, der Israels innere Gebrochenheit reflektiert und verarbeitet. Israel? Das geht gar nicht. Da setzen alle grundlegenden Übereinkünfte der zivilisierten Gesellschaft einfach aus.

Naharin selbst nimmt es eher gelassen, aber den jungen Tänzern und besonders Tänzerinnen ist sehr unwohl dabei. Die Zielscheibe eines unverhüllten Hasses zu sein – das ist erschreckend. Aber was für Helden diese Boykotteure sind – sich todesmutig im Zuschauerraum mit Geschrei bemerkbar zu machen. Damit helfen sie Palästina ja auch richtig konstruktiv weiter.

Also, ich übernehme hier jetzt einfach mal die Termine der UK-Tournee von Bat Sheva, falls unter meinen Lesern gerade jemand in einer dieser Städte weilt und guten modernen Tanz sehen will:

Batsheva UK tour in October/November
============================
Edinburgh, Festival Theatre Tue 30 Oct & Wed 31 Oct
The Lowry, Salford Quays Fri 2 Nov & Sat 3 Nov
Bradford, Alhambra Theatre Tue 6 Nov & Wed 7 Nov
Brighton Dome, Concert Hall Fri 9 Nov & Sat 10 Nov
Birmingham Hippodrome Tue 13 Nov & Wed 14 Nov
Leicester, Curve Theatre Fri 16 Nov
London, Sadler’s Wells Mon 19 Nov, Tue 20 Nov & Wed 21 Nov
Plymouth, Theatre Royal Fri 23 Nov & Sat 24 Nov

(Ein britischer Blogger zum Thema hier.)

Not funny August 23, 2012, 23:06

Posted by Lila in Kunst, Uncategorized.
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Ich habe die Meldung in mehreren Zeitungen gelesen und mir die Leserbriefe angeguckt. Sehr viele Menschen finden es anscheinend höchst amüsant, daß eine Stümperin hingegangen ist und ein Kunstwerk übermalt und es damit ruiniert hat. Ha ha. Habe ich einen Schlag weg, daß ich daran gar nichts komisch finde? Ich kann an so einer Meldung beim besten Willen nichts lustig finden.

Ein einmaliges Kunstwerk ist zerstört – was ist daran komisch? Soll ich mich auch darüber amüsieren, daß ein Säureattentat gegen Rembrandts Danae verübt wurde, daß Franz Marcs Turm der blauen Pferde verschollen bleibt, daß Raffaels Porträt eines jungen Rovere verloren ist, daß der Taliban Buddha-Statuen zertrümmert, daß die Bibliothek der Herzogin Anna-Amalia in Weimar abgebrannt ist, daß niemand das Original der Knidia kennt, daß nur noch ein kleiner Rest des Klosters von Cluny stehengeblieben ist, und und und…?

Ich finde alle diese Meldungen traurig, auch wenn das Wandbild (ein Fresko war es m.E. nicht) nicht mit Rembrandt, Mark oder Raffael in einer Liga spielt. Vandalismus aus Ahnungslosigkeit macht den Akt der Zerstörung nicht plötzlich amüsant und lustig. Ich bin ehrlich gesagt schockiert, wenn ich seitenweise Kommentare von Zeitgenossen lese, die sich beömmeln. Womit hat das Bild diesen hämischen Spott verdient? Manchmal verstehe ich wirklich die Welt nicht mehr.

Nach Haus Mai 18, 2012, 21:23

Posted by Lila in Deutschland, Kunst.
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Jahresrückblick 2011 Dezember 31, 2011, 17:38

Posted by Lila in Kunst, Persönliches, Uncategorized.
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Hm, bei den meisten Jahresrückblicken, die ich bisher gelesen habe, kommt 2011 eher schlecht weg. Bei mir ist das nicht so eindeutig. Ich kann über das letzte Jahr nicht klagen, und wenn was schieflief, dann war ich es wirklich selbst schuld. Das Jahr und alle Menschen, die mir über den Weg gelaufen sind, waren eigentlich sehr gut zu mir. Daß ich es manchmal nicht adäquat wiedergeben konnte, lag an mir.

Meine Arbeit. Ich liebe meine Arbeit, ich unterrichte gern, ich mag die Studenten und sie mögen mich. Immer, wenn ich früheren Studenten über den Weg laufe, werde ich herzlich begrüßt und höre, „wir vermissen dich“, „du warst unsere Lieblings-Dozentin“, „wir haben neulich im Kurs Didaktik über deine Stunden gesprochen, als positives Beispiel“, lauter nette Dinge. Da ich diese Studenten nicht mehr bewerten muß, freue ich mich einfach nur darüber. Ich kenne meine beruflichen Schwächen ganz genau (fragt mal die Sekretärin, wie schwierig es ist, mich dazu zu bringen, ein zehn Seiten langes Formular auszufüllen!), aber ich weiß, daß ich gut unterrichte. Natürlich nicht jede einzelne Stunde – manchmal ist es rätselhafterweise so, daß kein Funke überspringt. Das kommt vor. Aber selten. Meist genieße ich die Stunden, und die Studenten hören zu und beteiligen sich.

Das Schöne ist ja, daß ich Kunststudenten unterrichte. Die sehen einfach selbst, was ich ihnen erzählen könnte. Ich bringe ihnen eigentlich nur die Kunstwerke, aber das Hingucken, das können sie einfach. So zum Beispiel am Donnerstag, Thema karolingische Buchmalerei. Die Manuskripte der karolingischen Zeit (Karl der Große, also 9. Jahrhundert – Karl war ja so rücksichtsvoll, sich genau im Jahr 800 krönen zu lassen, so daß man sich das Datum sehr leicht merken kann!) kommen aus verschiedenen Skriptorien, die jeweils verschiedene Stilmerkmale haben.

Ich zeigte ihnen erst Bilder aus der Ada-Gruppe – ich habe das Motiv des Autorenporträts gewählt, damit die Bilder besser vergleichbar sind, hier also ein Autorenporträt aus einem Manuskript der Ada-Gruppe:

und dann ein Autorenporträt aus einem Manuskript der zeitgleichen Palastschule:

Ich brauchte gar nichts zu sagen, die Studenten riefen spontan aus: „oh, das ist ja ganz anders, ein total anderer Stil, die Palastschule ist ja viel klassischer, guckt mal die Luftperspektive und die vielen Nuancen, viel mehr Sicherheit in der Zeichnung der Möbel, keine Umrißlinien, der Heiligenschein ist natürlich byzantinisch, die Ada-Schule sieht viel mehr aus wie Lindisfarne…“, und ich stand nur vorne und freute mich. Ich bemühe mich immer, daß der enge Stundenplan nicht auf Kosten des Verständnisses geht, und daß immer noch Zeit ist für die spontane Reaktion auf ein Kunstwerk.

Ja, die Arbeit macht Spaß, und ich ziehe auch langsam wieder mehr Nebenjobs an Land. Ich habe im Laufe der Zeit doch ziemlich viel Erfahrung gesammelt in meinem Metier. Zwar fühle ich mich immer noch wie eine Hochstaplerin und warte immer noch darauf, daß mitten im Vortrag jemand aufsteht und sagt: „ha, das ist ja bloß die Lila, und sie hat echt keine Ahnung“, aber ich habe von vielen gehört, daß es ihnen ähnlich geht. Und ich glaube, ich wäre die erste, die bei so einem Zwischenfall sagen würde: „ganz richtig, aber ich bemühe mich echt, so zu tun als ob“.

Der ganze bürokratische Buckel, den meine Arbeit mitschleppt, der ist mir wirklich eine Last, und ich bin dankbar für die Geduld und Freundlichkeit der Sekretärin und der Chefin, die verstehen, daß ab einer gewissen Textmenge auf Hebräisch bei mir die neuronale Blockade einsetzt (oder wie auch immer das heißt) und ich Hilfe brauche. Die bekomme ich auch, und das weiß ich sehr zu schätzen.

Ja, Arbeit, da kann ich nicht klagen. Das Jahr war gut und intensiv und mit vielen schönen Momenten, wie am Donnerstag.

Ehe und Familie – ebenfalls kein Grund zur Klage. Mein Mann ist ja in meinen Augen perfekt, einen besseren Mann kann es überhaupt nicht geben, und je länger ich ihn kenne, desto bewußter wird mir das. Um uns herum sind im Laufe der Jahre einige Ehe zerbrochen und andere in Apathie und Nebeneinander-her-leben gemündet, und wenn man erstmal auf die 50 zumarschiert, nimmt man nicht mehr als selbstverständlich hin, daß der Ehemann noch immer da ist, noch immer interessant und interessiert ist, daß er lächelt, wenn er nach Hause kommt, und ich auch. Ich renne die Treppen runter, wenn ich ihn kommen höre, und er stürmt die Treppen hoch. Wir freuen uns einfach, wenn wir wieder zusammen sind. Ein riesiges, riesiges Geschenk. Da gibt es keine Relativierungen, kein Ja aaaber… einfach nur Freude und Dankbarkeit und stille Hoffnung, daß es so bleibt.

Kinder – da sag ich nichts. Soweit einer Glucke der Kamm schwellen kann, schwillt er mir, wenn ich meine Küken angucke, die ja gar nicht mehr flaumig sind.

Nein nein, das Jahr hat nur Gutes gebracht. Tertia hat das Abitur gemacht, Quarta hat die Grundschule abgeschlossen und ist in ihrer neuen Schule in einer Klasse für begabte Schüler, wo sie exzellente Noten schreibt und einen riesigen Schwarm von Freundinnen um sich versammelt hat (und auch schon ein paar Anbeter…), Primus hat die Armee hinter sich und Secundus ist Commander einer kleinen Gruppe Soldaten, die er durch die Grundausbildung begleitet. Ich mach mir stets Sorgen, aber sie geben keinen Anlaß zur Sorge. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Der Umzug war ebenfalls positiv. Zwei Jahre sind wir nun aus dem Kibbuz schon weg – Heiligabend 2009 sind wir ausgezogen, nachdem im Oktober 2009 der Entschluß gefallen war. Anderthalb Jahre waren wir in Manot, und dem schönen Haus trauere ich schon manchmal nach. Aber mehr Platz haben wir hier, und ich habe den häßlichen Boden, die abgewetzten Bäder und die etwas seltsame Optik des Hauses von draußen (besonders den froschäugigen Eingang und die von Kabeln entstellte Rückseite) dafür in Kauf genommen.

Ich genieße die Nähe zu Nahariya wirklich, diese kleine Stadt mag ich immer lieber. Nahariya ist von einer reizenden Schäbigkeit – eine kleine weiße Stadt, die langsam ergraut. Ich mag die Hauptstraße mit ihren drolligen Schildern.

Ich habe im Sommer einen schönen Monat in Deutschland verbracht, mit Menschen, die mir wichtig sind und deren Leben mir wichtig ist. Die Blogpause hat mir gutgetan und meinen Blog auf ein Format zurechtgestutzt, das mir bequem ist.  Ich lebe in Frieden mit den Menschen um mich herum. Hm, nein, das letzte Jahr ist gut zu mir gewesen.  Ich kann nur  hoffen, daß das nächste ebenso nachsichtig mit mir umgeht, und mit allen anderen auch. Tfu tfu tfu.

Frohes Neues Jahr, liebe Leser.

Kurios, kurios Dezember 14, 2011, 22:12

Posted by Lila in Kunst, Presseschau.
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Ich bereite gerade eine Stunde vor, und zwar über Mosaiken. Da ich meinen Studenten gern die Welt ein bißchen erklären möchte, nehme ich die Darstellung der drei Weisen aus dem Morgenland in Santa Maria Maggiore und Sant Apollinare Nuovo zum Anlaß, eine kurze Geschichte der phrygischen Mütze zu zeigen – bis hin zu den Schlümpfen.

Die Weisen kommen ja aus dem Osten, sind darum seltsam angezogen, in engen Hosen und eben diesen phrygischen Mützen. Die tauchen übrigens auch in Illuminationen auf, so bei der Darstellung der Trojaner im Vergilius Romanus.

Triumphbogenmosaik Santa Maria Maggiore, Rom, 5. Jhdt.

Mosaik über dem Mittelschiff, Sant´Apollinare Nuovo, Ravenna, 6. Jhdt

Trojaner und Griechen, Illumination aus MS Vergilius Romanus, 5. Jhdt.

Dann kommen natürlich Darstellungen aus der Zeit der französischen Revolution – die Freiheit trägt phrygisch. Auch manche amerikanischen Symbole nutzen die phrygische Mütze.

Papa Schlumpf, 20. Jhdt

Das mach ich schon seit Jahren so, diesen kleinen kulturgeschichtlichen Diskurs, aber heute dachte ich mir, mal gucken, was Sternsinger so auf dem Kopf tragen. Und googelte ein bißchen rum, in der Hoffnung, irgendwo phrygisch behütete kleine Könige zu finden.

Ihr werdet es nicht glauben – in meiner Heimatstadt verkleiden sich die Sternsinger folgendermaßen:

Merke: die Weisen kamen nicht aus dem Morgenland, sondern sie waren Palästinenser. Na ja, Jesus war ja auch ein Palästinenser.

Ist das nicht ein Witz? Ich wüßte ja zu gern, ob es jemandem aufgefallen ist…

Liebeserklärung Mai 4, 2011, 22:36

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an Bronzino. Seine Porträts sind so wunderbar – man bildet sich ein, die ganzen Medicis und anderen feinen Leute zu kennen. Natürlich behalten sie ihr Geheimnis – man kennt sie, so wie man schöne, elegante, enigmatische Fremde kennt, die man manchmal aus der Ferne bewundert. Bronzino rückt niemandem auf die Pelle.

Ein unübertroffener Gipfel des Kinderporträts bleibt sein Bildnis der kleinen Bia.

Würdevoll wie ein Papst, anmutig und distanziert wie eine Dame, wie die Stiefmutter Eleonora – aber mit einem winzigen angedeuteten Lächeln. Gerade weil Bronzino so unterkühlt malt und nicht wie Rubens das Kind förmlich mit dem Pinsel streichelt und in die Wangen zwickt, gefällt mir das Bild so gut. Wieder kommt mir Adrian Leverkühn in den Sinn (der geht einem so schnell nicht wieder aus dem Sinn), der wohl gesagt hätte, daß Bronzino dem Kinderporträt die Kuhwärme entzieht. Und was dann zurückbleibt, ist Charakter. Tatsächlich, die kleine Bia hat Charakter. Ach, und wie das Licht auf der Schattenseite der Wange spielt.

Das Bild ist posthum, was es für mich noch eindrucksvoller macht. Es ist kein Schrei, der dem toten Kind hinterherhallt, sondern mehr ein sehnsüchtiger, kaum hörbarer Seufzer. Vielleicht deutet das Medaillon an, daß das Kind nicht mehr lebt – aber wer für solche Hinweise kein Auge hat, kann es leicht übersehen.

Es ist ja kaum zu glauben, daß ich noch Geld dafür einsacke (und ach, welche Mengen von Geld!!!) für das Privileg, jungen, kunstliebenden Menschen so ein Bild zu zeigen. Ich würde das auch umsonst tun, wirklich.

Für Marlin April 12, 2011, 21:32

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Meine PowerPointPräsentation* zum Thema „Malerei der Hochrenaissance“ – die letzten Dias.

 

Wie man sieht, geht es um Raphael.

 

In der Stunde zuvor ging es um Leonardo und Michelangelo, und zwei Wochen zuvor um Skulptur des Quattrocento, also Donatello. Und darum haben wir sie nun alle Vier zusammen.

 

Ich erkläre die phrygische Mütze ja auch mit Opa Schlumpf…

 

Ich habe keine Berührungsängste mit Populärkultur, warum auch? Mir ist ein Student, der Dionysos aus Disneys Fantasia kennt, viel lieber als einer, der noch nie von ihm gehört hat. Ja, die Offenbarungsszene in Fantasia, als Helios und Artemis sichtbar werden, ist eine meiner liebsten.  Wenn Artemis mit dem Bogen die Sterne an den Himmel schießt – wie schön ist das.

Ich unterrichte Klassische Kunst nicht (nur als Beispiele für Vorläufer etc), aber das bietet sich doch auch an.

Verstehst Du – das mach ich nicht nur, diese Verknüpfungen, für den billigen Effekt. Ich will den Studenten die Augen dafür öffnen, daß sie auf Schritt und Tritt mit den Augen Bilder aufnehmen, die nicht einfach so vom Himmel gefallen sind. Sie stehen in einer Tradition, sie schleppen diese Tradition mit sich, rebellieren manchmal dagegen. Und ich möchte, daß die Studenten ihr Leben so genießen wie ich. Wie schön ist es doch, rumzulaufen und zu denken: Mensch, diese Ärmel… sind die nicht bei Tizians La Bella ganz ähnlich angesetzt… auch der Ausschnitt paßt…

* Für meinen Beruf gibt es überhaupt nichts an PP zu bemängeln. Einfache schwarze Hintergründe, fertig. Anderen Fächern dient eine Diapräsentation vielleicht zur Volksverdummung – für uns ist sie einfach die logischste Art und Weise, Material verständlich aufzubereiten. Also fangt jetzt nicht an, mir da dran rumzumeckern!!! 👿

Raphael Velato April 11, 2011, 10:41

Posted by Lila in Kunst.
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Jedesmal, wenn eine gewisse allzu bekannte Dame im Unterricht „dran“ ist, tauchen dieselben Sachen auf. Die Mona Lisa ist so desaströs über-bekannt, daß keiner sie mehr mit frischen Augen angucken kann. Ich kann nicht auf alles eingehen – es ist ja eine lächerliche Tatsache, daß jeder Heini, der eine Gesichts- oder Gefühlserkennungs-Software entwickelt hat, die sofort auf die Mona Lisa anwendet und damit in alle Zeitungen kommt. Oft bildet die Mona Lisa dabei nur den Vorwand, um eine Idee zu popularisieren – über das Bild selbst erfährt man eher wenig.

Die bekannteste These jedenfalls, die jedesmal von den Studenten aufgebracht wird, ist die von Lillian Schwartz: Mona Leo.

Also die Idee, daß die Mona Lisa ein Selbstporträt mit anderen Mitteln ist.

Ich sage schon seit Jahren, daß ich an dieser These schwer zweifle. Maler haben ihre „Handschrift“, oft ähneln sich ihre Subjekte oder sie malen Gesichter in ähnlichen Proportionen und Winkeln. Und seit Jahren nehme ich mir vor, mal die Probe aufs Exempel zu machen und zu sehen, ob es solche Ähnlichkeiten nicht auch woanders gibt.

Meine Damen und Herren: Raphael im Selbstbildnis mit einem Freund, 1517

Die Donna Velata, 1516:

Und beide zusammen:

Wußt ich´s doch. Jetzt nehm ich Botticelli und Tizian unter die Lupe. Das wär ja gelacht.

Wäre ich nur ein bißchen ehrgeiziger, würd ich da sofort einen Artikel draus machen 🙂 aber akademisch bin ich ein miserabler Futterverwerter 😦

Kunst in Ashdod Februar 9, 2011, 8:50

Posted by Lila in Kunst.
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Falls einer meiner Leser da unten im Süden an zeitgenössischer Kunst interessiert ist – ich habe soeben eine Einladung bekommen zu einer interessanten Vernissage. Leider kann ich nicht so weit fahren.

Ich kenne nicht alle Künstler, aber Tsibi Geva, Philipp Rantzer, Gilad Ophir, Arie Aroch, Gershuni… die sind doch sehr bekannt und eigentlich immer sehenswert. Ich war auch noch nie im Museum in Ashdod.

Jede Woche trudeln bei mir so viele Einladungen ein, ich habe so wenig Zeit, hinzugehen, und ich denke mir, vielleicht gebe ich die Einladungen einfach hier mal weiter? Schließlich habe ich genügend Leser, die im Land rumreisen oder leben,  und sich vielleicht für Kunst interessieren.

Im Museum Oktober 22, 2010, 22:25

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Unser Hochzeitstag begann am frühen Morgen – ich öffnete wie jeden Tag Fenster und Rolläden, und die ekelhafte Hitze und der Sand waren so übel, daß ich mir dachte: das muß ich mal all denen zeigen, die denken, fast das ganze Jahr lang heiß und sonnig, das ist toll. Bitte sehr. So sieht es am frühen Morgen aus, wenn im Osten die Sonnenstrahlen kaum durch den Staub dringen, und im Westen unsere ganze Aussicht verschwunden ist.

Im Laufe des Tages wurde es so heiß, daß die Klimaanlage im Auto nicht mehr damit fertigwurde. Draußen ging es auf 42 Grad hoch, und das in den Jerusalemer Bergen! Wir tranken Mengen von Wasser und ich war froh, daß ich meine Dose mit Prickly Heat dabei hatte. Das ist wirklich ein Wundermittel bei Hitze, es erfrischt wirklich, zumindest für einige Zeit.

Tatsächlich, das renovierte Museum ist eine Reise nach Jerusalem wert. Wir waren einen halben Tag lang beschäftigt und hätten noch lange weiterstöbern können. Es ist eine ziemlich verwegene Reise durch diverse Zeiten und Gebiete.

Was hat mir gefallen? Wir sind ziemlich chronologisch vorgegangen. Griechische Vasen und römische Skulpturen gefallen mir immer, Y. zieht es mehr zu den Ägyptern. Die Aphrodite aus Bet Shean, ein eleganter Sarg für eine elegante Katze. Ich fand den Saal sehr gelungen, in dem frühe Kirche und Synagoge zu sehen waren, besonders die Mosaikböden waren so schön. Am schönsten der aus Kissufim.

Erstaunlich, wie einheitlich die Kunst im römischen Reich war – auf den ersten Blick. Dann fallen einem östliche Einflüsse auf, und ich habe mir hinterher sofort notiert, womit ich die Sachen vergleichen will, die ich gesehen habe. Die Tiere – sehen die nicht aus wie in San Clemente…?  Gut, daß ich mir den Katalog gekauft habe! Ich hätte am liebsten alle Bücher aufgekauft.  Oh, der Raum mit dem Glas war so interessant, Glas ist ein wunderbares Material.

Die ganze klassische Abteilung hat mir also gut gefallen, ebenso die islamische. Wunderschöne Miniaturen aus dem Buch Shachname – Keramik mit kufischen Inschriften –  ein herrlicher Michrab aus Isfahan – alles klar präsentiert, und mit genügend Luft und Platz drumherum.  Das alles ist in der archäologischen Abteilung. Erstaunlich viele Funde aus Israel – egal wo man hier die Schüpp ansetzt, man findet etwas.

Einfach phantastisch ist die gesamte jüdische Abteilung, kein Wunder. Das absolute Highlight des Besuchs war für mich, vollkommen unerwartet, der runde, dunkle Raum mit den Handschriften. Ich liebe mittelalterliche illuminierte Manuskripte und plane seit Jahren, ein Proseminar zum Thema anzubieten – leider hält niemand außer mir das für eine gute Idee.  Aber daß sie mich so umhauen würden, das hätte ich nicht erwartet.

Mir sind tatsächlich vor lauter Ergriffenheit die Tränen gekommen, so wunderbar haben mich diese Manuskripte berührt. Ich sah die Schreiber und Maler vor mir, wie sie in hingebungsvoller Arbeit über Jahre hinweg auf ihren unbequemen Bänken sitzen, ihre Augen überanstrengen, in unendlicher Disziplin jedes Häkchen und Pünktchen richtig setzen, um das heilige Wort nur ja richtig zu überliefern – und das alles auf den Häuten von ganzen Kuh- oder Schafherden. Der Mensch ist schon ein seltsames Wesen – zu der gemeinsten Bosheit und Brutalität fähig, gleichzeitig aber auch bereit, Leben und Gesundheit für einen heiligen Text dranzugeben. Die Schönheit dieser Bücher strahlte geradezu aus den Vitrinen und traf mich mitten in mein armes Herz. Selbst Y., der aller religiös inspirierten Kunst mit mildem Desinteresse gegenübersteht, mußte zugeben, daß diese Bücher gut gemacht sind.

Ja, dann die Abteilung mit den Kleidern, dem Schmuck. Die Synagogen – da war noch einiges an Arbeit im Gange, Arbeiter standen auf Leitern und klebten Buchstaben auf die Türen über den Synagogen.  Da wäre eine Führung wohl interessant.

Ein besonders eindrucksvoller Raum enthielt nicht nur traditionelle jüdische Kunst zu Festen und Jahreskreis, sondern auch zwei moderne Video-Arbeiten. Sie waren sehr gut präsentiert, in einer Art H, also zwei offene Buchten, die man betreten kann. Beide Videos werden auf dieselbe Wand projiziert, nur eben jeweils von der anderen Seite.

Auf der einen Seite des H sieht man eine Arbeit von Doron Salomons zum Thema Unabhängigkeitstag – schnell und immer schneller geschnitten Bilder von der Staatsgründung, Paraden, wilden Festen, Horatänzern, grillenden und feiernden Menschenmengen, alles, was zu diesem Tag in Israel gehört. Gegen Ende wird einem richtig schwindlig und man möchte rufen: aufhören mit der Feierei!

Auf der anderen Seite eine Arbeit von Yael Bartana, die ich in meinem Kurs über Kunst und Holocaust zeige – sie war auch in Berlin zu sehen bei der großen Ausstellung vor zwei Jahren im Gropiusbau. Trembling time.  Sie spielt mit der Minute, die es dauert, wenn am Gedenktag (für den Holocaust, für die Gefallenen) die Sirene heult. Sie filmt eine belebte Straße von oben, in einem Tunnel, die herankommenden Autos halten langsam an, die Türen öffnen sich, die Menschen steigen aus, hören der Sirene zu, steigen wieder ein, das Leben geht weiter. Eigentlich erstaunlich, daß die Israelis, die sich sonst gar nicht gern was vorgeben oder sagen lassen, und denen Geschwindigkeit so wichtig ist, diese Minute einfach ehren.  Sechs Minuten dauert Trembling time, auf den ersten Blick ereignet sich gar nichts, aber Bartana hat dieses Innehalten sehr genau eingefangen. Die Lichter der Autos, die Schatten.

Überhaupt ist die Abteilung für israelische Kunst geradezu überwältigend gut. Von den Klassikern wie Reuven Rubin und Nachum Gutmann über die Abstrakten („Streichmatzky“), von denen mir Arie Aroch der Liebste ist (ansonsten, verratet es meinen alten Lehrern nicht, kann ich mit den Hohepriestern der „Neuen Horizonte“ nicht viel anfangen), Raffi Lavie, Ori Reisman, und die jungen Genies – der sanfte Gal Weinstein mit seinem Nahalal-Teppich, Yehudit Sasportas, Sigalit Landaus Installation mit den Melonen im Toten Meer (von der nur der Video übrig ist – auf den Boden projiziert)…

Ich habe ja durch meine jahrelange Tätigkeit an einem Brennpunkt israelischer Kunst und auch mein Studium wirklich viel Berührung mit israelischer Kunst. Einige meiner Lehrer waren wirkliche Größen, Michael Sgan Cohen, Yehezkel Yardeni, Dani Zak, Dalia Meiri, Ami Levy, der Photograph Gilad Ophir. Ich habe bei Galeriebesuchen und Ausstellungseröffnungen auch noch Leah Nikel gehört und gesehen, später Philipp Rantzer, Deganit Brest, Yehudit Sasportas, Smadar Eliasaf, Tumarkin, Tsibi Geva, Ezra Orion (von dem ich weniger begeistert war, ehrlich gesagt), neulich Tamar Getter… und habe mich immer wieder mit israelischer Kunst auseinandergesetzt. Es ist wirklich ein Privileg, beruflich mit Kunst zu tun zu haben und jeden Galeriebesuch als Arbeit zu deklarieren.

Während ich von Arbeit zu Arbeit ging, feuerten meine Synapsen wie wild, leider wortlos, aber irgendwann wird hoffentlich aus den vielen Assoziationen auch mal Konkretes rauskommen. Israelische Kunst stellt sich quer, verweigert sich, fordert heraus, ist immer umstritten. Sie bezieht Kraft aus dem Zionismus, untergräbt ihn, stellt ihn in Frage, schlägt sich mit der Frage herum: was ist das Land? was der Staat? was tun wir? was sollten wir tun? warum tun wir, was wir tun? Adam, adama, Mensch, Erde. Aber auch jüdische Identität, Text, Symbole, Gitter, Verletzungen und Narben – alles taucht in den Arbeiten auf.

Ich war ja neulich in der ausgezeichneten Ausstellung über Sammeln und Sammlungen in Haifa, und in meinem Kopf traten die Motten von Carlos Amorales (Black Cloud) mit Hirsts Schmetterlingen zusammen… diese Räume mit den schwarzen Motten waren in Jerusalem in der Ausstellung Still Moving. Auch die Ausstellung über Fenster war gut. Ich habe das Thema mal unterrichtet, allerdings mehr von Alberti über C.D. Friedrich bis Matisse, da waren mir die zeitgenössischen Arbeiten in Jerusalem sehr willkommen.

Die Alten Meister, die ich immer so gern sehe, sind in Jerusalem eher spärlich vertreten, und wenn, dann meist Bilder mit jüdischen Motiven bzw Motiven aus der Hebräischen Bibel. Poussins reichlich bombastische Zerstörung Jerusalems ist ein Beispiel (interessant: ich vergleiche im Unterricht gern die Darstellungen von Kaulbach und Roberts – nächstes Mal nehme ich vielleicht den Poussin noch dazu) . Eine Ausnahme bildet Rembrandts Petrus im Gefängnis, mir das liebste Bild in der Abteilung, auch wenn er kleinteiliger gemalt ist als mir sonst bei Rembrandt lieb – aber wie er so verloren im Licht sitzt und neben ihm die Schlüssel so beinahe aufdringlich glänzen, das hat mich berührt.  Außerdem natürlich eine kleine Ruysdaelsche Landschaft, die mich freundlich grüßte.

Auch die Abteilung Klassische Moderne ist kein wirklicher Schwerpunkt. Als Sammlung einer Familie höchst eindrucksvoll, aber als Abteilung in einem Museum hält das kleine Hecht-Museum in Haifa damit glatt mit. Ein paar allzu pastellig-grelle Pointillisten, eine Nymphee-Version, die etwas hingehuscht aussieht (sorry aber ich habe schon bessere Monets gesehen), ein wunderschöner, knalliger Derain, mehrere Delaunays, auch von Sonia Delaunay, und für mich automatisch der Blickfang: Cezanne. Es mag daran liegen, daß ich mit einer Reproduktion von Cezannes Mühle im Wohnzimmer meiner Eltern aufgewachsen bin – auch eine Feininger-Reproduktion hing damals bei uns, und auch der kleine, aber leuchtende Feininger gestern gefiel mir. Aber insgesamt, so lieb mir das 19. und 20. Jahrhundert sind, ist die Sammlung in Jerusalem dünner als die in Tel Aviv oder meinetwegen auch Wuppertal. Wo war ich neulich noch in einer sehr guten Sammlung? Es wird mir einfallen, es muß mir einfallen…

Ich habe in Jerusalem gute Ausstellungen gesehen, zu Pont Aven und dann die Sammlung Merzbacher, wo ich zweimal drin war – aber die Sammlung im Haus ist nicht genug.

Ein weiteres Highlight für mich war der von Yinka Shonibare gestaltete Raum zu den vier Elementen, die ja ein Lieblingsthema von mir sind. Als ich Shonibares Arbeit von weitem sah, erkannte ich ihn sofort: er hatte in Berlin, in der Friedrichswerderschen Kirche, einige meiner Studenten in große Verwirrung gestürzt mit seinen kopflosen Figuren in grellen Stoffen.  Shonibare hat in einem großen Saal vier Bereiche geschaffen, jeder davon ist einem Element gewidmet. Er aus den Sammlungen und Magazinen des Museums herausgegriffen und arrangiert, was ihm passend schien, und die Assoziationen stellen sich ein, während man die einzelnen Werke ansieht und dann die ganze Plattform des jeweiligen Elements.

Das gefiel auch Y., denn diese Installation regt zum Denken an und hat auch einen gewissen Humor. Wir sind lange in diesem Saal herumgegangen und haben uns zugemurmelt, was wir sehen und verstehen. Es ist doch schön, wenn man sich so gut kennt und ein Brumm und Knurr schon reicht, damit man gemeinsam lächeln oder den Kopf wiegen kann. Y. ist überhaupt immer witzig, besonders vor Kunstwerken, die ihm nicht gefallen und bei denen er gern zynisch wird.

Die Photographien-Sammlung ist wunderbar, dafür allein lohnt sich die Reise. Dann ganz oben eine Sammlung von Graphiken – darunter Zeichnungen und Skizzen von Werken, die unten vollendet hängen. Und Klees Angelus Novus. Er wurde vom Ehepaar Scholem gestiftet – ich wr eine Zeitlang im Nebenhaus in der Abarbanel street in Rehavia zu Gast und habe die alte Frau Scholem noch gesehen. Scholems hatten den Angelus Novus natürlich von Walter Benjamin, und jeder kennt wohl den Engel der Geschichte, der vom Wind aus dem Paradies geblasen wird… und es war ein wundersamer Moment, als ich ihm so von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.

Ja, es war ein langer Tag, aber wir sind durch alle Abteilungen getrappt, durch manche schneller, durch manche langsamer. Zwischendurch haben wir gerastet, haben was gegessen und getrunken, immer auf der Hut vor dem visual overload, wenn man gar nichts mehr sieht. So lang wie der Tag war, ist auch dieser Eintrag geworden…. dann waren die Straßen verstopft, weil der Rabin-Gedenktag auf dem Herzl-Berg begangen wurde, und der Heimweg dauerte ewig.

Als wir nach Hause kamen, hatten die Mädchen unser Schlaf- und Badezimmer schön geschmückt, mit gemalten Glückwünschen. Das war wirklich lieb. Ich weiß nicht, was andere Leute an ihrem Hochzeitstag so tun, aber für mich war das tatsächlich ein idealer Tag. Danke an meinen lieben Mann, der zwar auch gern Kunst sieht, dem es aber zwei Stunden bestimmt auch getan hätten. Nächstes Jahr werde ich vielleicht mal gucken, ob es irgendwo eine Ausstellung von Maschinen gibt… wo ich dann beweisen kann, daß ich schon so viel von industriellen Rührwerken verstehe wie Y. von Installationen und Druckgraphik.

(Ich kann im Moment keine Bilder hier bei WordPress reinstellen, drum die vielen Links…)

Bilder erklären Juli 7, 2010, 1:50

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Um Pessach herum habe ich mich einer Studienfahrt der Studenten angeschlossen, auch mehrere Kollegen waren dabei, davon ein paar ganz bekannte und sehr kluge Künstler.  Zuerst waren wir in der Galerie in Um el Fachm, sehr interessant. Said Abu Shakra führte uns rum und wir hatten ein interessantes Gespräch. Sein Bruder Farid, unser Kollege, war leider nicht da.

Dann in Tel Aviv, in der Ausstellung von Tamar Getter, die auch selbst kam und sich mit uns unterhielt. Während Tamar mit den Studenten und Dozenten auf dem Boden saß, im Saal mit ihren Arbeiten, kam eine der russischen Museumsangestellten auf mich zugepirscht – ich muß ihr wohl russisch vorgekommen sein. In gebrochenem Hebräisch fragte sie mich ehrfürchtig: das ist Künstlerin selbst? und ich nickte. Zehn Minuten später waren wie durch ein Wunder weitere Museumswächterinnen im Raum und drängten sich neugierig an der Tür. Außer mir ist das wohl niemandem aufgefallen.

Am schönsten war aber für meine konservative Seele die Sammlung kleiner Skulpturen von Degas.

Auch hier hatte ich Glück – die Kollegin, die uns durch diese Ausstellung führte, ist selbst bekannte Bildhauerin, war auch meine Lehrerin und hat unglaublich viel Ahnung. Die Pferde wurden immer lebendiger, ich konnte mich kaum von ihnen trennen.

Im Untergeschoß, wo ich allein herumschlenderte, um Rubens und Salvator Rosa zu begrüßen,  fand ich dann eine kleine Arbeit von Erez Israeli.

Ob die ernsthafte Interpretation hier die richtige ist, weiß ich nicht – „Israeli doesn’t want to ‘explain pictures’ to Beuys, but to make sure that he remembers again and again how his country behaved towards its Jews.“ Ich hatte es eigentlich mehr als eine Umkehrung des Autoritätsverhältnisses zwischen dem toten, unwissenden Hasen und dem großen erklärenden Meister Künstler gesehen, der das Unmögliche versucht, nämlich Bilder zu erklären.

Den meisten Studenten war Beuys´ „Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt“ unbekannt. Ich nutze jede Gelegenheit, ihnen zu zeigen, wie nützlich, relevant und aktuell mein Fach doch ist 🙂 und habe die Wissenslücke in einer späteren Stunde gefüllt.

Für mich war der Tag einfach unglaublich anregend. Ich weiß nicht, ob die Studenten spüren, wie gut sie es haben, und was für innerlich reiche Menschen sie innerhalb weniger Stunden getroffen haben. Ich war froh, daß ich einen langen Heimweg hatte, und habe auf der Bahnfahrt nach Hause aus dem Fenster geguckt und nachgedacht.  Wie schwierig ist doch der Lernprozeß – man hat vom Lernen eigentlich erst was, wenn man schon eine Menge gelernt hat. Die Anfänge sind immer furchtbar mühsam. Ich gebe zwei Einführungskurse und weiß, WIE mühsam.

Zu Anfang des Semesters gibt es regelmäßig Studenten, die ganz aggressiv davon werden, daß sie so viel Fundamente legen müssen. Leider bereitet das israelische Schulsystem ja in Richtung Kunst und Geisteswissenschaften auf gar nichts vor, die armen Studenten haben nicht die geringste Ahnung, und dann fallen sie bei mir aus allen Wolken. Eine Studentin hat mich nach der dritten Stunde richtig angemotzt: „wozu soll das gut sein, diese ganze Kunstgeschichte – nur Kram auswendig lernen, der mit uns gar nichts zu tun hat?“

Ich war ihr dankbar für die Gelegenheit, den Studenten zu versichern, daß das, was sie lernen, überhaupt noch nicht Kunstgeschichte ist, sondern überhaupt nur die allereinfachste Grundlage für spätere Arbeit, wo es dann durchaus kreativ wird. Ich lege mich sehr ins Zeug, damit sie bis Ende des Semesters einen ungefähren Begriff davon haben, wozu das Fach nützlich ist und welche Horizonte sich auftun, aber manchmal beneide ich die Kollegen von den praktischen Fächern. Wer arbeitet nicht gern in der Werkstatt, mit Gips oder Kupferplatte? Das ist viel unmittelbarer einsichtig.

Ja, von dem Tag habe ich eine Weile gezehrt.

Ernst ist das Leben, heiter die Kunst Mai 23, 2009, 23:35

Posted by Lila in Kunst.
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Meine Unterrichtsreihe über Gefühle in der Kunst ist fast zu Ende. Jede Stunde stand unter dem Zeichen eines anderen Gefühls: romantische Liebe, Lust, Eifersucht und Rivalität, fromme Gefühle, Angst und Schrecken, Hysterie und Hypochondrie – jedesmal habe ich versucht, die einzelnen Aspekte zu zeigen. So ist ein grundlegender Unterschied, ob ein Kunstwerk ein Gefühl zeigt oder auslöst oder beides. Manche Gefühle sind tabu, manche werden gern allegorisch gezeigt oder in Narrative verpackt, manche sind hochdramatisch und andere sind kaum zu entschlüsseln.

Die vorletzte Stunde ist dem Glück gewidmet. Natürlich ist es viel, viel schwerer, Glück in der Kunst zu verorten als Angst. Ich suche so herum, seit Wochen schon, und habe eine ganze Sammlung von Bildern und auch Skulpturen, die Glück ausstrahlen. Bilder von lachenden Leuten – damit fange ich an. Lachende oder lächelnde Gesichter in der Kunst sind oft ein bißchen irre, oder beschwipst, oder zynisch, oder melancholisch.

Liebende, ja, die sehen schon glücklicher aus, aber oft auch ein bißchen wistful (und die Kunst bevorzugt sowieso mehr oder weniger dramatische unglückliche Liebende, ob Dido oder Ariadne oder Mr and Mrs Clark). Ruhige, stabile Ehepaare, mit oder ohne Kinderschar, strahlen zwar auch Glück aus, aber es ist mehr von der unaufregenden, stillvergnügten Art.  Auch Kinder sehen oft glücklich und vertrauensvoll aus, aber der Betrachter weiß, daß Kinder sehr unglücklich sein können und das Vertrauen der Kindheit schnell und unwiderruflich verlorengeht… weswegen das Glück auf gemalten Kindergesichtern ein bißchen wehmütig stimmt. Na, mich zumindest.

Interessanterweise fand ich die glücklichsten Gesichter bei Menschen, die Musik machen. Das hab ich nicht erwartet, und ich habe keine Ahnung, was ich mit dieser rein subjektiven Erkenntnis anfangen kann.  Die Musik legt einen Schimmer von Glück über die Gesichter, der ansteckender wirkt als alles andere. Nur die Bilder von arbeitenden Menschen (denkenden Männern, stickenden oder klöppelnden Frauen) haben einen ähnlich versunkenen, still glücklichen Ausdruck.  Aber die Musik scheint noch etwas hinzuzufügen.

Nächste Woche, wenn die letzte Stunde dran ist, zeige ich Selbstporträts, und wir werden versuchen zu erkennen, welche Gefühle sich darin jeweils spiegeln. Nachdem ich die ganzen Wochen über säuberlich getrennt und aufgeteilt habe, was gar nicht zu trennen ist, werden wir dann die heiteren, zweifelnden, verschwiegenenmelancholischen und stets vieldeutigen Selbstporträts ansehen, in denen sich alles wieder mischt.

Negev Februar 7, 2009, 21:08

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen, Kunst.
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Wir konnten heute nur kurz bei Primus bleiben, denn der Junge hatte mittags Küchendienst. Eigentlich war er ja für abends eingeteilt, aber nachdem der für mittags verdonnerte Freund bitter enttäuscht war, daß er seine Eltern nur so kurz sieht…. meinte der stets hilfsbereiter Primus, er und seine Eltern stecken das weg, und er übernimmt die Mittagsschicht. Wir haben ihm die Entscheidung überlassen. Er hat nur von neun bis halb zwölf Zeit? Gut, wir sind um neun bei ihm. Bei zweieinhalb Stunden Fahrt ist das ganz schön früh.

Wir wollten also um fünf aufstehen, und ich denke lieber nicht darüber nach, wie lange ich gestern nacht noch in der Küche stand, um meinem Jungen dies und jenes Leckerchen zuzubereiten… Und dann hatten wir noch der Mutter von Primus´ Schulkamerad versprochen, daß wir für ihren Sohn auch ein Päckchen mitnehmen, natürlich um halb sieben  früh, kein Problem. Gott sei Dank rief sie mich um viertel nach sechs an, um sicherzugehen, daß wir sie nicht vergessen. Oh nein. Wir hatten nur das Aufstehen vergessen. Trotzdem haben wir es geschafft, bis um sieben mit allem Krims und Krams und den Mädchen im Auto zu sitzen. So richtig wach waren wir erst, nachdem wir uns auf der Nr. 6 einen Kaffee gekauft hatten. Die Fahrt ging schnell.

Primus war nicht so vergnügt wie am Telefon, er ist erschöpft. Er hat eine fiese Bronchitis, hustet ohne Unterlaß, schläft deswegen schlecht (und sein Schlaf ist sowieso knapp bemessen), und er hat einen üblen Sonnenbrand. Mutters Ratschläge und Sonnencreme nimmt er unwillig entgegen. Leider kann ich ihn nicht mehr auf mein Fahrrad packen und zum Arzt schleppen. Na ja, ich habe ihm dann mit moderater Gewalt ein Dexamol Cold eingeflößt, er hat mein Herz mit Lobpreis auf meine Meister-Frikadellen und meinen Kartoffelsalat erfreut, und fand die neugekauften Campingsessel besonders bequem. Dann mußte er schon gehen. An der Anstrengung, die es ihn und mich jeweils kostet, dem anderen den Abschied so leicht wie möglich zu machen, erkenne ich, wie schwer es auch ihm fällt.  Da müssen wir durch.

Immerhin hat er ganz interessante Zukunftsaussichten, davon erzähl ich aber erst, wenn was draus wird!

Auf dem Rückweg waren wir dann endlich, endlich am Monument von Dani Karavan, das ich bisher nur von fern gesehen hatte. Es war ein wundersames Erlebnis. Die Mädchen waren zuerst etwas muffelig: waaas, ein Monument? Ach neee… Aber dann waren sie beide begeistert.  Y. konnte ihnen den militärischen Hintergrund erklären (sie wußten beide schon ganz gut Bescheid über die Palmach), und ich konnte an strategischen Punkten strategische Fragen stellen, damit ihnen klar wird, was sie eigentlich sehen.

Das Monument liegt auf einem kahlen Hügel, und es ist aus Zement in demselben Farbton erbaut. Es ist eine Komposition, die an Gebäude erinnert, aber kein Gebäude wirklich ist. Ein Labyrinth, Grabkammern, eine Verteidigungsanlage, eine Kuppel, ein gewölbtes Dach, eine Wasserrinne… in schlichten, teils organischen, teils geometrischen Formen.

Man muß sich das Monument erlaufen, erklettern, erarbeiten. Sobald man den Platz wechselt, sieht alles ganz anders aus. Und wenn man es eine Weile erforscht hat, fallen einem die Beziehungen zwischen den einzelnen Teilen auf. Dann denkt man: wie sieht das bei Nacht aus? was passiert bei Regen? wenn der Wind stark durch die Löcher pfeift? Und dann wird die ganze Anlage richtig lebendig.

Eine Art Wasserturm überragt die ganze Anlage, leider war die Treppe abgeschlossen. Er ist durchlöchert, so wie die durchschossenen Wassertürme der Ortschaften im Unabhängigkeitskrieg. Das Monument erinnert ja an 324 Kämpfer und Kämperinnen der Palmach, die den Negev gegen die Ägypter hielten. Am eindrucksvollsten ist wohl die in der Mitte von einem Schlitz durchzogene, ebenfalls von Löchern durchbohrte Kuppel, in der alle Namen an den Wänden zu lesen sind – einfach negativ in den Zement eingelassen. Jeder Schritt hallt, und wenn man spricht, zittert die Kuppel und das Echo antwortet. Der Lichtstrich durchteilt den Himmel, die Löcher wirken von innen wie Sterne – oder eben doch wie Einschußlöcher.

Es ist möglich, dieses Monument wie einen Abenteuerspielplatz zu erfahren. Es ist möglich, es wie ein statisches Monument für die Kämpfer im Negev zu erfahren. Es ist möglich, es als Apotheose der subtil-dramatischen Landschaft des Negev zu sehen. Es ist möglich, es wie ein zeitloses Stück Kunst zu erfahren, in dem Zeit und Ort, Erinnerung und Idee, Material und Form zusammenschießen. Ich wußte, daß Dani Karavan mich beeindrucken würde, aber ich wußte nicht, wie sehr.

Ein altes Bild – inzwischen ist die Umgebung ein bißchen bewohnter.

Leider hatten wir keine Kamera dabei, aber ich gebe hier einfach mal drei Adressen, wo man Bilder sehen kann.

Eins, zwei, drei.

Drei Künstler September 27, 2008, 10:31

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen, Kunst.
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Es ist doch schön, daß es das Internet gibt, auch wenn es sehr viel Zeit frißt 😉

Ich habe meiner Blogroll drei neue Links hinzugefügt und möchte nicht, daß die einfach so untergehen. (Meine Blogroll ist zu lang aber ich kann irgendwie auf keinen Link verzichten.) Es sind nämlich Links zu Websites von Künstlern, nur eine davon ein Blog.

Rick kenne ich nicht persönlich, aber er ist mit einer sehr alten Freundin von mir verheiratet. Er ist Amerikaner, weitgereist, und hat sich mit meiner alten Freundin schon vor vielen Jahren in Ostfriesland niedergelassen. Ich mag besonders seine Aquarelle.

Rick Tipton, Seeigel

Sara kenne ich sehr gut und habe schon ein paarmal von ihr erzählt (hier kommt sie ganz zum Schluß vor). (Einzelheiten verändere ich natürlich immer ein bißchen.) Ihr Enkel hat jetzt eine Seite im Netz für sie eingerichtet. Das ist gut, denn in unserer Gegend ist sie zwar bekannt, aber darüber hinaus nicht. Sara ist Pariserin und hat den Holocaust knapp und mit großem Leid überlebt. Sie hat geheiratet und eine Familie aufgebaut. Wir sind uns in den letzten Jahren nähergekommen, als ihr Mann krank wurde und starb.

Sie hat sehr unterschiedliche Bilder: sehr schöne Landschaften aus unserer Gegend, und sehr persönliche, düstere Bilder, die von Verlust und Trauer sprechen. Auf jeden Fall sehenswert. Ich habe mich gefreut, daß sie mir den Link geschickt hat. Saras Bilder haben ein größeres Publikum verdient, ganz unabhängig von ihrer Lebensgeschichte.

Der dritte Künstler ist bekannt und erfolgreich, und ich freue mich, daß ich zwei seiner Bilder im Wohnzimmer hängen habe. Meine Mutter hat eine ganze Sammlung seiner Bilder in verschiedenen Techniken, und das schönste davon hat eine solche Tiefenwirkung, daß man glaubt, man kann das Auge drauflegen und in eine andere Welt gucken.

Benno Werth