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Routine tröstet, Juli 31, 2006, 19:24

Posted by Lila in Kunst.
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auch wenn ich nach wie vor die schlimmsten Befürchtungen für die Zukunft hege. Nicht nur für unsere übrigens, wer sind wir schon auf der Weltkarte? Aber wenn zukünftige Konflikte, wie es aussieht, zunehmend a la Nasrallah ausgetragen werden, dann wird es sehr finster… lieber nicht daran denken.

Ich genieße es, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen als sonst – eigentlich fast rund um die Uhr. Daß Quarta die schönsten Aktivitäten und Fahrten ihrer Kindergruppe verstreichen läßt, um mit ihrer Schwester zu malen, zu basteln oder Geschichten zu lesen, das stört mich nicht – ich bin froh, daß ich sie um mich habe. Sie stören mich nicht sehr beim Arbeiten, sie haben sich dran gewöhnt, daß ein bestimmtes ernstes Gesicht und viele Stapel Papier um Mama herum bedeuten, „oh rühret, rühret nicht daran“.

Heute habe ich wieder die netten alten Leute unterrichtet, mich von ihnen verabschiedet für die Ferien (drei Wochen! auch das Bloggen wird dann seltener, weil wir viel unterwegs sein werden). Inzwischen bin ich mit dem Thema „Dreidimensionale Darstellung des menschlichen Körpers“ an die Grenze zwischen altrömisch und frühchristlich geraten, was natürlich gar keine Grenze ist, weil die frühen Christen vollkommen römische Kunstwerke herstellen. Stilistisch ist kein Bruch zu erkennen, und auch ikonographisch nicht – aus einem Endymion wird einfach ein Jonas, fertig. Am besten zeigt man diese stilistische Kontinuität anhand von Sarkophagen. Ich habe also für diese Stunden heute meine Kenntnisse über Sarkophage aufgefrischt, was natürlich eine sehr heitere Materie ist, und auch mein Publikum hat sehr gekichert, als ich die Stunde eröffnete und ankündigte, daß wir uns heute mit einem besonders fröhlichen Gegenstand von unseren Sorgen ablenken – mit Sarkophagen.

junius-bassus.jpg

Der Junius-Bassus-Sarkophag, römisch, 4. Jahrhundert 

Mir geht es ja jedesmal so, daß ich in Themen, die mich nie besonders gefesselt haben, erst richtig einsteige, wenn ich sie unterrichte. Sarkophage aus dem 2., 3., 4., 5. Jahrhundert… die haben wir im Studium natürlich endlos durchgekaut, es gibt wohl keinen Kunsthistoriker, der beim Wort „Junius Bassus“ nicht sofort an die plumpen, beschämten Gestalten von Adam und Eva denkt, wie sie mit ihren breiten Händen ihre Körper zu verdecken suchen… und besonders hat mich das nie gepackt, diese Dinger. Aber wie gesagt, wenn ich Unterricht vorbereite, dann immer, als gälte es mein Leben – dabei ist das ein Kurs für Rentner, die nie eine Prüfung abzulegen brauchen und ohne Zweifel auch mit weniger gründlicher Vorbereitung zufrieden wären. (Wobei sie natürlich von der Vorbereitung nichts bemerken – mein Motto beim Unterrichten ist, „auch wer nur ein Löffelchen verfüttert, muß einen großen Topf gekocht haben“).

Ich bin dann elegant von den Sarkophagen zu den gleichzeitigen oströmischen Elfenbeinarbeiten übergegangen, von denen es ja in Deutschland dank Theophanu eine ganz nette Sammlung gibt. Oh, sie sind sehr schön, und ich kann es nur aushalten, sie anzugucken, wenn ich mich von vornherein überzeuge, daß die armen Elefanten allesamt einen sanften Tod an Altersschwäche gestorben sind. Keiner von ihnen mußte sterben für diese Diptychen, oh nein, das rede ich mir erfolgreich ein und siehe da, es wirkt, ich kann sie angucken.

muse-and-poet.jpg

 Muse und Poet, byzantisches Elfenbein-Diptychon, 6. Jahrhundert

Der Vergleich zwischen weströmischer und oströmischer Form (Material, Proportion, Reliefhöhe, Aufteilung, Raumillusion, Licht und Schatten…) ist natürlich ein klassisches Thema, und es war eine ganz gute Stunde. Ich habe die ganze Zeit über kein einziges Mal an Raketen, unschuldige Tote, Nasrallah oder Bunker gedacht, und meine Zuhörer auch nicht. Am Ende kam wieder, wie fast jede Woche, jemand mit einer Geschichte zu mir.

Diesmal eine besonders nette Frau mit einem Lockenkopf, ganz jungen Augen und sportlicher Figur, die bestimmt schon über 80 ist, aber viel jünger wirkt. Sie meinte, „als du über die Elfenbeinarbeiten gesprochen hast, mußte ich an eine besonders schöne kleine Elfenbeinstatue im Haus meiner Eltern denken. Ich habe mir das nie überlegt, aber du hast recht, man kann ja mit Elfenbein so filigran schnitzen wie mit nichts sonst. Ich habe mir diese Arbeit als Kind immer stundenlang angeguckt, es war glaube ich das Schönste, was meine Eltern hatten“. Ich erinnerte mich an eine andere Zuhörerin, die geborene Münchnerin, die ja mal eine kleine Replikation einer makedonischen Bronzefigur mitgebracht hat, über die Zeiten aus dem Elternhaus gerettet (die Eltern werden sie in einem Münchner Museum gekauft haben, wo das Original steht), und fragte, ob sie die Figur noch hat. Da wurde ihr Gesicht ganz traurig, und sie sagte, „ach, ich habe ja alles zurückgelassen, meine Eltern und Geschwister… als ich aus Deutschland weggegangen bin. Da ist nichts und niemand übriggeblieben. Aber ich mußte da heute so dran denken, an diese Figur… die haben meine Eltern so geliebt“. Sprach´s und ging.

Ich konnte mir nicht helfen, ich habe mich hinterher gefragt, ob diese Figur nicht irgendwo überlebt hat, ob sie nicht jemand mitgenommen, gekauft, gestohlen oder ersteigert hat. Das sind Schicksale, die ich da vor mir sitzen habe, jeder einzelne Mensch von ihnen. Ich wußte zu Anfang gar nicht, wie viele Yekke ich da im Publikum sitzen habe, weil ich ja nur Hebräisch mit ihnen spreche – auch wenn sie mich auf Deutsch ansprechen, ich antworte aus reiner Gewohnheit immer Ivrit. Ach ja, meine Gruppe. Sie meinen, ich lenke sie von ihren Sorgen ab, aber in Wirklichkeit geben sie mir viel mehr, als ich ihnen.

Es ist schwer, Juli 31, 2006, 0:20

Posted by Lila in Land und Leute.
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an einem solchen Tag überhaupt was zu schreiben, ich bin ja keine Blogmaschine und auch kein Profi mit einer Schublade voller sogenannter Worthülsen (dieses Wort selbst ist eine Worthülse übelster Sorte!), sondern einfach nur ein Privatmensch, der versucht, sich über die Zeit zu retten. Während meine Albträume einer nach dem anderen eintreten und die Zeit mir unter den Augen zu Stein wird.
Heute hat uns die Hisbollah besiegt – ein Sieg in einer langen Reihe von Siegen. Wir sind von Mohammad Dura besiegt worden, obwohl der Junge höchstwahrscheinlich von palästinensischen Kugeln erschossen wurde – doch als das herauskam, hörte die Welt schon nicht mehr zu. Wir sind vom sogenannten Massaker von Jenin besiegt worden – das nie stattgefunden hat, aber als sich das herausstellte, hörte die Welt schon nicht mehr zu. Wir sind von der Explosion am Strand von Gaza besiegt worden – deren Umstände ungeklärt und keineswegs eindeutig bleiben, doch auch wenn das eines Tages geklärt werden sollte, wird schon keiner mehr hören wollen. Wir sind von den vier UN-Beobachtern besiegt worden – zwar hat einer von ihnen schon Tage vor seinem Tod beklagt, daß die Hisbollah ihn und seine Kollegen als Schutzschild mißbrauchte, und gerade um dieses zu verhindern, waren er und seine Kollegen da – doch bevor der genaue Ablauf der Dinge ans Licht kommen wird, wird schon keiner mehr zuhören.

(Ja es gibt selbst Leute, die uns für den Anschlag auf das WTC verantwortlich machen – wobei doch Al Quaida-Leute sich so gern vor dem Bild der brennenden Türme filmen lassen! Aber das ist vielleicht der vom Mossad eingeschmuggelte Studiodesigner, der da seine tückischen Fingerchen am Werke hatte…)

Und die Tragödie von Kfar Kana heute – wer wird die Bilder sehen wollen von mobilen Raketenwerfern, Lastwagen, die in Garagen von Privathäusern verschwinden? die Luftaufnahmen, auf denen zu sehen ist, daß genau aus dieser Ecke des Örtchens eine Kette von Raketen in Richtung Haifa, Akko, Maalot gefeuert wurde? wer untersuchen wollen, ob in dem Haus nicht explosive Materialien gelagert wurden, so daß es Stunden nach dem Angriff zusammenbrach? und wer will wissen, warum in einer Gegend, von der alle wußten, daß von dort pausenlos Raketen auf Zivilisten (nur eben israelische, an denen die Welt weniger interessiert ist) abgefeuert wird, warum sich dort so viele Zivilisten aufhalten? Ob es nicht vielleicht doch stimmt, daß die Hisbollah die Flüchtlinge nicht weiterziehen läßt? (Wobei wir ihm natürlich durch die Bombardierung von Straßen und Brücken kräftig geholfen haben – wir haben ihm so gut geholfen, daß er vermutlich eine dicke Spende für Tsahal zeichnen sollte…)

Wer wird den Soldaten zuhören, die davon erzählen, wie unentwirrbar Zivilisten und Kämpfer im Südlibanon ineinander übergehen – Häuser sind mit Spielzeug und Munition gefüllt, Väter füttern ihre Kinder, stehen auf und nehmen die Waffe, um zu kämpfen, und die Unterscheidungen, die die Armee sonst kennt, gelten nicht mehr. Wer wird hören wollen, was auf den warnenden Flugblättern stand, die seit fast drei Wochen über dem Libanon abgeworfen wurden? Es klingt ja lächerlich, das überhaupt zu erwähnen, nicht wahr? Krieg ist a priori böse, aber vermeidbar, und darum braucht man sich über die Einzelheiten der Kriegsführung auch keine Gedanken zu machen. Wer in Krieg verwickelt ist, ist sowieso böse – außer es handelt sich um einen Aufstand Verzweifelter gegen Israel. Dann kann man schon mal ein Auge zudrücken.

All diese Bilder und Szenarios sind zu komplex, zu kompliziert. Zu viele Teile des Puzzles bleiben unbekannt, unbestimmt, unaufgeklärt. Diese Bilder zeigen uns wie ein Land in der Falle, die immer weiter zuschnappt, während jede Bewegung, mit der wir uns gegen diese Falle wehren könnten, Unschuldige zerquetscht. Wer sich das genau anguckte, der kriegte am Ende noch einen Begriff davon, wie qualvoll es sich anfühlt, in dieser Falle zu sein. Nur das nicht! Entmenschlicht die Israelis, sie haben keine Gefühle. Ein moralisches Dilemma kann es für uns nicht geben, es muß so dargestellt werden, daß wir von einem Dilemma nichts wahrnehmen („weiterbomben“ wollen). Auch hier im Blog gießen flüchtige Besucher Gift und Galle, die ich stehen lasse, damit sie mich schmerzen, wenn ich sie ansehe – damit ich nicht einen Moment vergesse, daß das die Realität ist, in der wir leben. Die Welt sucht einen Schuldigen, sie hat ihn schon.

Wer interessiert sich noch dafür, daß die Hisbollah ausschließlich auf zivile Ziele feuert? daß es nur unserer jahrelangen Gewöhnung an den Terror und unserer relativen Vorsicht zu verdanken ist, daß wir nicht in viel größeren Zahlen sterben? (Was wäre gewesen, wenn das Krankenhaus Nahariya nicht schon geräumt gewesen wäre, in den riesigen Bunker, als die Rakete einschlug? Was, wenn das heute getroffene psychiatrische Krankenhaus nicht so große Rasenflächen hätte? wenn der Flugplatz Rosh Pina nicht schon am ersten Tag der Kämpfe geschlossen worden wäre? was wäre, wenn die Menschen, die heute bei uns verletzt wurden, gestorben wären – wie die Hisbollah es geplant hat – würde dann auch die UN zusammentreten, um Nasrallah zu mahnen? was, wenn die Angriffe aus dem Norden, Süden, die Sprenggürtel mitten im Lande nur ein bißchen treffsicherer wären? ) Die hohen und grausamen Opferzahlen, von der Hisbollah eiskalt lächelnd einkalkuliert, richten uns.
Nein, wir können nicht siegen. Ich bin auch nur ein Mensch und Leute wie Ulrike oder Ärztingattin, im frohen Bewußtsein ihrer nie auf die Probe gestellten moralischen Überlegenheit (SIE wüssten genau, wie der Nahostkonflilkt zu lösen ist!), gehen anscheinend davon aus, daß ich frohlocke und jubele, wenn tote Kinder aus Trümmern geborgen werden und kleine Füßchen über Laken hängen. Natürlich, wir haben hier auf den Straßen gejubelt und Süßigkeiten verteilt, das machen wir immer so – oder??? Und deswegen haben diese braven Bürgerinnen auch das Recht, ihren Zorn an mir persönlich auszulassen und mir klarzumachen, daß es schlimm ist, wenn Kinder sterben. Das wäre mir ja sonst nicht aufgefallen.

Ich hatte heute das Gefühl, wir werden uns an diesen Tag lange erinnern. Nicht unsere Opfer haben uns besiegt, sondern die der anderen Seite. Man wird uns nun zu einem einseitigen Waffenstillstand zwingen, keiner hat die Weitsicht, zu erkennen, was das bedeutet – die Hisbollah bewaffnet und durch unsere Torheit gestärkt zu belassen, wo sie ist. Die nächste Runde wird die Hisbollah mit dem Kredit der Welt, schönen neuen Waffen und einem kalten Lächeln beginnen. Wann? Das ist doch egal. Ich habe das Gefühl, die Uhr tickt. Wir hätten uns weiter, wie die letzten sechs Jahre, beschießen und beschimpfen lassen müssen. Wir hätten gleich die weiße Flagge hissen müssen oder einen von Achmedinidjads kreativen Vorschlägen annehmen sollen. Denn gegen Leute, die sich hinter Kinderbettchen verstecken, kann man nicht gewinnen. Und wenn man es versucht, dann ist der Versuch so bitter, daß man am liebsten die Augen schließen möchte und sein eigenes Leben im Tausch bieten möchte.

Soll ich wirklich so bitter schreiben? Geht es eigentlich jemanden an, wie ich mich fühle? Ich sitze noch an meiner Stundenvorbereitung für morgen, bin heute vor Arbeitslast und Streß gar nicht fertiggeworden, und verschiebe das Drücken auf Schaltfläche „publish“ schon seit Stunden… und später: David Horovitz und Ulrich Sahm sind lesenswert, bestimmt lesenswerter als ich heute, sorry.

Nah und fern Juli 29, 2006, 22:57

Posted by Lila in Land und Leute.
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Es ist ja ein bekanntes, aber absurdes Phänomen. Wenn man nur weit genug entfernt von einem fallenden Ziegelstein lebt, bildet man sich ein, dieser Ziegelstein muß partout dem Menschen auf den Kopf gefallen sein, den man dort kennt. Daheim dagegen kann es Ziegelsteine regnen, man fühlt sich ganz normal, „ach, was sollte uns schon passieren?“

Der zornige junge Mann, der in Seattle eine Frau erschossen und fünf weitere, teilweise sehr schwer verwundet hat, „weil er so eine Wut auf Israel hatte“, hat uns schwer erschreckt. Wir haben nämlich Familie in Seattle, in der jüdischen Gemeinde dort. Und so waren wir natürlich besorgt, daß es jemanden getroffen hat, den wir kennen. Was natürlich keineswegs so war. Die Verwandten in Seattle hingegen sind krank vor Sorge um uns, weil hier doch die Raketen fallen. Man versichert sich gegenseitig, „macht euch um uns mal keine Sorgen, wir passen schon auf uns auf – aber IHR, seid ja vorsichtig!!!“
Juden stehen überall an vorderster Front. Es reicht, an einer Synagoge, einem jüdischen Gemeindezentrum vorbeizugehen, den Polizeischutz zu sehen, damit die These vom „symmetrischen Haß“ zerplatzt („Juden und Muslims hassen einander gegenseitig gleich stark“, oder „Israelis und Araber hassen einander gleich stark“, je nach Anlaß). Es hat wohl den einen oder anderen irren Juden oder Israeli gegeben, einen Baruch Goldstein, also mir fallen auf Anhieb drei Gelegenheiten ein, in denen ein Jude bzw Israeli aus Haß auf Moslems bzw Araber zur Waffe gegriffen und getötet hat. Oh, und einmal wurde eine Gruppe Fanatiker festgenommen, bevor sie einen Anschlag auf eine Mädchenschule durchführen konnten, das weiß ich auch noch. Es gab bestimmt noch mehr. Es sind jedesmal Einzeltäter oder winzige Gruppen, die nichts mit dem Mainstream zu tun haben, Haßtäter, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt. Sie werden als Kriminelle gesehen und im jüdischen Staat strafrechtlich verfolgt, als Terroristen bezeichnet und gelten als krasse Außenseiter. Es besteht trotz ihrer Existenz kein Grund, Moscheen in aller Welt mit Polizeischutz zu versehen.

Anneka-Anath hat neulich erzählt, daß in ihrer Gemeinde, in Schweden, fast ein Anschlag ausgeübt wurde – im friedlichen Schweden. In Norwegen wird Juden geraten, sich nicht mit Kippa oder Davidstern zu zeigen. Wir wissen schon seit Jahren, daß wir als Israelis im Ausland Ziel werden könnten – es sind schon genügend Anschläge auf Israelis auf Reisen geschehen.

Kurz, der Haß ist nicht symmetrisch. Ich glaube, insgesamt sind die westlichen Kulturen verhaßter, als sie selbst hassen – ich erinnere an die Unruhen um diese dämlichen Karikaturen, welche Haßflammen dem Westen da entgegenloderten. Die Dänen oder Deutschen konnten nicht mit demselben Haß antworten, nicht wahr? Man möchte nur, daß dieser Haß der anderen Seite aufhört, damit man sich verständigen kann, erklären kann, daß es gar nichts weiter auf sich hatte… aber der Haß ist so stark, daß diese Worte nicht durchdringen. Erinnert sich noch jemand, was das für ein Gefühl war, als man die haßverzerrten Gesichter um die brennende deutsche Flagge im Fernsehen sah, obwohl man eigentlich gar nichts weiter Böses wollte? Nur im Rahmen der Redefreiheit irgendjemand ein paar Karikaturen gezeichnet hat?

Haben wir, als nun Ehud Olmert als Amon Goeth gezeichnet wurde, in einer norwegischen Zeitung, angefangen, norwegische Touristen zu jagen oder norwegischen Lachs zu verbrennen? Na ja, kann man einwenden, Ehud Olmert ist nicht mit Mohammed zu vergleichen, von seiner Wichtigkeit her, aber nehmen wir mal das zweite Element der Karikatur, nämlich den Holocaust… und sagen wir mal, Holocaust-Vergleiche oder Späße treffen Juden und Israelis doch an einer sehr sensiblen Stelle… und mit besonderem Enthusiasmus wurde dieser weder sehr humor- noch geschmackvolle Scherz hier nicht begrüßt. Aber wir haben einfach nicht dieselben Reserven an Haß und Wut, jetzt rumzurennen, in die Luft zu ballern, die norwegische Botschaft anzuzünden oder in dramatischer Geste alle blonden Touristen zu bedrohen. Das können wir nicht, das geht nicht, das haben wir nicht in uns.

Hindert das irgendjemanden daran, an die These vom symmetrischen Haß zu glauben? Nee, man braucht nur in die Foren zu gucken, was ich ja schon eine Weile nicht mehr mache (und darum glaubt mir nicht!), da ist ein großer Anteil der nicht einmal bewußt Israel-feindlichen Aussprüche so in etwa, „na ja, die da unten sind ja wie zwei tollwütige Hunde ineinander verbissen, ich bin für niemanden und gegen niemanden, will nur, daß alle friedlich leben können, aber dazu sind diese beiden Kontrahenten wohl nicht imstande, wer kann da schon durchgucken“, jeder hat ja mal so Sprüche gehört. (Und nur nebenbei: mir sind diese Art Sätze viel lieber als viele andere Sprüche, denn wer so redet, gibt zu, daß er den Konflikt zu kompliziert findet und sich keine Meinung anmaßt – ist mir tausendmal lieber als die Allzuvielen, die keine Ahnung haben, was daherlallen und eine felsenfeste Meinung haben!)

Es müßte eigentlich reichen, an die vielen, vielen Seattle-Ereignisse zu denken, an die nicht abreißende Kette von Gewalttaten gegen jüdische und israelische Einrichtungen und Menschen, um zu empfinden, daß die Gleichung nicht stimmt. (Auch der Täter von Seattle war ein Einzeltäter und wohl kaum repräsentativ für den Mainstream der Muslims in den USA.)  Außerhalb der jüdisch-israelischen Gemeinschaft aber wird die Bedrohung durch Haßtäter aller Art, organisierte oder spontane, oft nicht wahrgenommen (oder aber rationalisiert mit einem hilflosen „na irgendwas werden sie schon getan haben, daß sie so gehaßt werden“ – was in dem Moment versagt, wo der Sprecher dieser Worte seine Flagge verbrannt sieht…). Doch für Menschen, die sich innerhalb dieser Gemeinschaft befinden, ist das Gefühl der gegenseitigen Sorge, ob nah oder fern, sehr vertraut. Juden und Israelis, ob in Lund, Sydney, Haifa oder Seattle, ob vor Zionismus glühend oder post-zionistisch inspiriert, wissen, daß sie jederzeit dazu herangezogen werden können, Rechnungen zu begleichen, die sie gar nicht aufgemacht haben – ob es der Tod Christi ist, die Finanzpolitik eines Fürsten, die Wirtschaftsprobleme eines Landes oder die militärische Strategie der israelischen Armee. Nah oder fern, irgendein Grund zur Sorge findet sich immer.

Also, paßt gut auf Euch auf! Um uns macht Euch keine Sorgen, hier passiert eh nichts, aber bei Euch….

Es wird mal wieder Zeit Juli 28, 2006, 23:08

Posted by Lila in Rat und Tat.
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für ein bißchen zivilere Themen. Lange habe ich meine Leser nicht mehr mit einem Ausschnitt aus meiner Sammlung „Rat und Tat“ beglückt, meinen wunderbaren, unerschöpflichen Ratschlagsbüchern. Heute wieder einmal aus Elsa Veser-Duttis Klassiker „1000 Tips für die praktische Hausfrau“ von 1931, einem Buch, das meiner Oma gehört hat. Sie hat es mir geschenkt, als ich ein junges Mädchen war, damit ich mal sehe, wie schwer es die Frauen früher hatten.

Zum Einstieg (oder Wiedergewöhnen) also ein leichteres Thema, ein kosmetisches. Seite 231:

Haarpflege

Das beste und einfachste Mittel, das Haar zu waschen, ist folgendes: Man schabe gute, weiße Seife, koche sie unter Hizufügung von etwas Borax, und wasche mit der warmen, aber nicht heißen Lösung das Haar. Dann spüle man es mit warmem Wasser nach, bis der Seifenschaum entfernt ist. Nach dem Trocknen reibe man etwas Oliven- oder Klettenwurzelöl auf den Haarboden, was den Haarwuchs fördert und dem Haar Glanz verleiht. Die Brennschere ist zu vermeiden, ebenso kalte Duschen und Brausen. Auch minderwertige Öle und Pomaden haben schon manchen kräftigen Haarwuchs beeinträchtigt.

Oder: Zum Haarwaschen dient auch folgendes Mittel: 2 Eßlöffel Quillaja- oder Panamarinde koche man mit 1 Liter Wasser zusammen auf, lasse es so lange ziehen, bis die Brühe braun geworden ist, gieße dann die Flüssigkeit durch ein Tuch und verdünne sie mit warmem Wasser. Hierin wasche man gründlich Haarboden und Haar, spüle warm nach und trockne. Ist das Haar vollständig getrocknet, so reibe man den Haarboden mit etwas Olivenöl ein. Das Mittel ist vollkommen schadlos für den Haarboden.

Oder: Ein tadelloses Kopfwaschmittel ist ferner das in jeder Drogerie erhältliche Lavaren-Salz, von dem eine geringe Menge zum Waschen genügt. Das Haar wird vollkommen sauber, schön locker und glänzend.

Ein Wunder, daß die Leute sich überhaupt je zum Haarewaschen aufgerafft haben.

Je länger der Krieg dauert, Juli 28, 2006, 21:11

Posted by Lila in Land und Leute.
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desto weniger sehe ich fern, weil ich dem Fernsehen nicht glaube. Bei uns sind es die Leute von Miri Regev, der Armeesprecherin, die das zeigen und erzählen, was sie für richtig halten. (Wir haben schon eine richtige Allergie gegen die Frau entwickelt, ihre Vorgängerin fand ich eigentlich recht sympathisch, aber diese Miri… ach, und ich war mal fastbefreundet mit einem ehemaligen Armeesprecher, der bei den Hochbegabten unterrichtet hat, wüßte ja mal gern, was er zu dieser Miri sagt, und wie sie den Leuten links und rechts über den Mund fährt). Es ist nicht leicht, ihr überhaupt was zu glauben, wenn sie wegwerfend sagt, „südlich von Haifa braucht sich kein Bürger unsicher zu fühlen“. Oder was immer sie sagt.

Jeder Soldat, jeder Offizier kräht, was er will, einer widerspricht dem anderen, jeder Passant wird zum Experten, man weiß wirklich nicht mehr, was nun stimmt. Ich glaube, ich bin so ziemlich die letzte, die noch nicht gefragt worden ist, welche Strategie man einsetzen sollte. Einige Journalisten meinen, die Regierung geht zu zaghaft vor, aus Angst vor weiteren zivilen Opfern und den Medien der Welt, und fordern, jetzt aber drauf ohne Rücksicht auf Verluste. Andere dagegen rufen zu Verhandlungen und Einstellung der Kämpfe auf. Nur eines haben sie alle gemeinsam: sie sind unzufrieden mit der Regierung. Sehr schön. In meinem Kopf neutralisieren sie sich alle und ich glaube, auch sie wissen weniger, als sie gern zugeben würden.

Auf der libanesischen Seite sieht es nicht besser aus. Durch den Libanon werden die verschiedenen ausländischen Journalisten von Hisbollah-nahen Leuten geführt, und hier werden Vergleichsszenen verschiedener Sender gezeigt, immer mit dem dramatischen „bückt euch, die Israelis kommen!“ Die einen sagen, Beirut sieht aus wie Dresden am Tage danach, die anderen sagen, es werden immer nur dieselben Ecken gefilmt, und es sieht mehr aus wie London nach den deutschen Angriffen. Mag sein, daß die Stadt aus immer denselben Winkeln gefilmt wird oder nicht, die Gesichter der Menschen sagen alles. Und die Worte? Wer meint, was er sagt, wer sagt etwas, weil er meint, er muß es sagen? Es wird so viel manipuliert, auf beiden Seiten, daß man wirklich am besten wartet, bis sich der Staub gelegt hat. Ich habe das Gefühl, es werden viele Dissertationen im Fachbereich Medien und Kommunikation geschrieben werden zum Thema „Information und Disinformation im Nahostkrieg 2006“.

Ich höre in den Nachrichten, daß eine Rakete auf die Wöchnerinnenstation und den Kreißsaal in Nahariya gefallen ist, wo ich Tertia geboren habe. (Auch damals fielen gerade Katyushas, ja ja.) Gut, daß die klugen Leute in Nahariya das gesamte Krankenhaus schon zu Beginn des Krieges in rieisge unterirdische Bunker verlegt haben, so ist niemandem was passiert.

In Afula, wo Y.s Schwester mit ihrer Familie wohnt (den vier lieben Nichten, die genau im Alter meiner Kinder sind), ist eine große syrische Rakete gefallen, vermutlich die erste Schwalbe eines Frühlings, auf den wir gern verzichten würden. Ich glaube, sie werden in den nächsten Tagen mehr von den Dingern losschicken. Und dann wird es hier noch netter und gemütlicher.

Ich kenne eine Menge Leute, die mit ihren Kindern und Koffern seit zwei Wochen unterwegs sind, jede Nacht woanders schlafen, nicht mehr nach Hause können. Obwohl es in den Medien, auch hier, oft so dargestellt wird, als wäre das ein netter kleiner Urlaub, ist es natürlich alles andere als das. Wer sein Haus zurückläßt, weiß nicht, ob und wie er es wiedersieht. Dieser Krieg wird länger dauern, als wir gedacht haben, und zu der Front im Süden (heute zwei verletzte Kinder, Kassam), der Front im Zentrum (täglich mindestens ein Massen-Anschlag vereitelt) und der Front im Norden (ich sehe gerade Peretz mit Kappe zwischen Soldaten, haha), verschärfen sich die Fronten auch international. Ich kann es der Welt nicht verdenken, auch ich kann die Bilder und Schicksale im Libanon kaum ertragen und möchte nur, daß das aufhört, aufhört, aufhört. Aber wenn wir jetzt einfach heute abend aufhören, was passiert? Die Hisbollah re-organisiert sich und in ein paar Monaten oder Jahren geht es wieder los. Und dann mit noch bessseren Waffen. Davon hat weder der Libanon was noch wir.

Ich kenne auch mehr und mehr Leute, die allzu nahe Bekanntschaft mit den Raketen gemacht haben. Hier fallen pro Tag um die hundert, gestern auf eine Konkurrenzfabrik in Kiriat Shmona, und richten Schaden an. Ich habe auch einige Artikel gelesen, besonders in Haaretz, die aus verschiedenen Blickwinkeln auf den Konflikt blicken und die ich eigentlich verlinken wollte, aber das mache ich nun doch nicht, das Internet ist so stockend heute abend.

Giora Eiland redet schon über Bedingungen, die Israel stellt, und andere, die Israel zu erfüllen bereit ist – alles Hypothesen. In welche Richtung wird sich das ganze Durcheinander entwickeln? Die Shaaba-Farmen sind ja eigentlich Syriens, und sollen deswegen laut UN erst im Rahmen eines Vertrags mit Syrien verhandelt werden. Ich habe nicht alles gehört, aber ich persönlich finde, ob es um dieses Stückchen Land geht oder Gefangenenaustausch, wir sollten diese Zugeständnisse Siniora gegenüber machen, damit sie ihn stärken – und nicht Nasrallah. Was immer wir tun können, um Siniora zu stärken,das sollten wir tun, und ich denke, das sieht auch die Regierung so. Sagen wir, ich hoffe es.

Oh, sie zeigen die alten Bilder von 1982 und dann von 2000, ich habe so gehofft, wir kehren nie mehr in den Libanon zurück. Irgendwo in einem deutschen Artikel habe ich gelesen, daß es Ausdruck israelischer Arroganz ist, wenn man sagt, „der libanesische Sumpf“. Dabei besagt dieser Ausdruck nichts als das Gefühl, dort verloren zu gehen, sich nicht gut genug auszukennen, zu versinken. Hat mit dem Image des Libanon selbst nichts zu tun – der Libanon galt und gilt hier als westlichstes Land des Nahen Ostens, Beirut als nahöstliches Paris, und wie Y. immer gesagt hat, „sie sind uns am ähnlichsten, und ohne die Hisbollah hätten wir einen sehr schönen Frieden mit ihnen machen können“. Der Sumpf, das ist eine Metapher für das Trauma des Kriegs dort. Nicht für das schöne Land selbst.
Ehud Yaari erinnert an die Attentate auf die amerikanischen und französischen Soldaten im Libanon, er glaubt nicht, daß eine internationale Truppe dort etwas ausrichten kann. Es wird auf jeden Fall Monate dauern, bis sich eine solche Truppe organisieren kann. Und dann? Alle reden sie, die Experten, und ich höre nichts davon. Es fällt mir schwer, ihre verschiedenen Einschätzungen, Vorhersagen und Analysen im Kopf zu behalten. Worte, Worte.
Dann eine Reportage von Itai Engel, der nach Metulla fährt. Er sieht auf dem Friedhof einen jungen Mann mit seiner Freundin. Es ist der Todestag seines Vaters. Niemand außer den beiden jungen Menschen ist zum Gedenktag gekommen. Die Katyushas fliegen nur so über ihre Köpfe. Die junge Frau hat Angst, der junge Mann ruft ihr Mut zu. Er küßt das Grab seines Vaters, entschuldigt sich dafür, daß er ihm keinen richtigen Gedenktag machen kann. Die junge Frau sitzt daneben, zuckt zusammen. „So ist das hier, so leben wir. Wir sind das gewöhnt hier in Metulla. Alles in Ordnung, ich grolle niemandem, auch das geht vorbei, macht nichts“, sagt er und streicht über den Grabstein seines Vaters. Ununterbrochen kracht es um sie herum. Ich denke an die Eltern von Gingits Freundin, die dort leben.

Einen Lichtblick aber gibt es: heute abend wird eine Extrasendung von Eretz Nehederet ausgestrahlt, und wir freuen uns. Es ist eine Satiresendung, scharfe politische Satire und genialer Klamauk, die zur Pflichtstunde der Nation wurde. Weil sie freitagabends gezeigt wurde, wenn also religiöse Juden keinen Fernseher anmachen, machte sich der gewichtige Mafdal-Abgeordnete Shaul Yahalom dafür stark, eine Wiederholung in der Wochenmitte zu zeigen. Dabei hat sich Eretz Nehederet grausam über ihn lustig gemacht, ihn als schlafende Perserkatze gezeigt, unvergeßliche Bilder! Aber Yahalom bewies menschliche Größe und meinte, „ohne Eretz Nehederet kann man am alltäglichen Diskurs nicht teilnehmen, das muß man sich angucken“. Eretz nehederet heißt übrigens „wunderbares Land“ und ist ein alter Liedtitel. Die Schlußworte sind immer, mit ironischem Blick, „und vergeßt nicht – wir haben ein wunderbares Land“.

Update: Nee, ich kann bald aufhören zu bloggen, mir scheint, mir gehen die Ideen aus. Ich sehe gerade bei SPon, daß sie beschreiben, wie das so abläuft mit der all inclusive Betreuung für Journalisten, bei uns und im Libanon. Aber es ist schon eine Schweinerei, daß sie noch nicht zu mir gefunden haben. Ich glaub, ich schicke der Miri mal eine Mail und beschwere mich! Ich will auch auf die Liste! Oder muß ich dafür erstmal ausgebombt werden…? Ach nee, da verzichte ich doch auf den Ruhm…

Anfrage Juli 27, 2006, 22:07

Posted by Lila in Bloggen.
35 comments

Liebe schlaue Blogleser,

nun bin ich doch neulich von blogg.de so glorios umgezogen, und ich habe es auch tatsächlich fertiggebracht, mein altes Blog fein säuberlich aus dem Web auf die Festplatte zu saugen und auf CD zu brennen. Aber in einem Anfall von Autodafe, aus Ärger darüber, daß blogg.de sowieso langsamer lädt als meine Katz bereit ist, den Wäschekorb zu räumen… und weil sich ohne meine mütterlichen Schwingen dort häßliche Kommentare breitmachten, die ich weder löschen noch beantworten wollte… kurz, ich habe ruppizuppi das ganze olle Ding gelöscht. Weg is es.

Natürlich hat mir das etwas später ein bißchen leid getan, denn ich sehe, es verirren sich ja heutzutage (danke, Nasrallah!) viele Leute hierher, die mich nicht kennen, und die vielleicht doch noch einen Blick in meine Archive hätten werfen wollen. Weiß nun irgendein Schlaufuchs, wie ich diese Archive in WordPress einfädeln kann??? (Nein, auf normal-einfachem Wege geht es nicht, das habe ich schon beim Umzug kapiert). Wenn nicht, dann macht es auch nichts. Ich schreibe sowieso zuviel. Und dann habe ich ja auch noch Flickr. Irgendwie muß die Welt ja vor meinem Mitteilungsdrang bewahrt werden…

Aus meiner Mailbox Juli 27, 2006, 19:16

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ich bin schon seit Jahren auf der Mailing-Liste von Givat Chaviva, kenne auch Leute dort. Heute bekam ich den Rundbrief. Ich habe den Verfasser gebeten, ihn veröffentlichen zu dürfen, und er hat es umgehend erlaubt. Ich hatte einfach das Gefühl, diese vielen Menschen, die sich über Jahre hinweg für friedliches, respektvolles Zusammenleben eingesetzt haben und nun ihre Arbeit in Gefahr sehen, die sollten doch nicht vergessen werden. Auch wenn sie im Moment vielleicht keine Bühne haben, weil überall militärisch agiert und geredet wird, weil die Situation polarisiert und trennt. Für Dudu und seine Kollegen werden auch wieder bessere Zeiten kommen, wenn Verständigung und gemeinsames Lernen gefragt sind. Hier ist der Brief.

A statement by Givat Haviva on the current situation

Posted by: „David Amitai“ dovergh@givathaviva.org.il

Wed Jul 26, 2006 2:04 pm (PST)

25 July, 2006

A statement by Givat Haviva on the current situation

To all Friends of Givat Haviva and the Jewish-Arab Center for Peace
at Givat Haviva

In these difficult days when the guns are again roaring we are
drawn, whether we like it or not, into the circle of blood and
suffering which threatens to harm many more civilians on both sides
of the battle.

Here at Givat Haviva we try, despite it all, to continue to
implement the regular activity of the Jewish-Arab Center for Peace
(despite how strange it sounds to talk about peace at the moment…) –
and the activity of Givat Haviva in general.

There are programs for youth who are studying and having fun during
summer vacation, including the regional „Peace Camp“ and the
nationwide culture and arts camps; the project of preparation for
Bagrut (matriculation) exams continues; the Arabic courses in the
JACP continue; the facilitators of the Face to Face encounters
between Jewish and Arab youth are preparing the upcoming sessions;
the staff of Children Teaching Children are preparing for activity
in the schools in the coming academic year; courses for women’s
empowerment and Arab communal leadership continue their activity;
the year-end exhibits of the arts and dialogue programs are opening;
the All for Peace radio station carry on with its messages to
Israelis and Palestinians , and all this while in the background the
terrible thunder of the sound of the war in the north is spreading.

In addition, we are making strenuous efforts to continue our
contacts with our friends in Israel and around the world, and even
with our Palestinian neighbors as far as possible.

We are fearful, along with all residents and citizens of the
country, Jews and Arabs, about the fate of the residents of the
north and hope and pray for a speedy end to this horrible war.

We are all hopeful that the parties involved in this war will find
the appropriate way to move on to deliberations and agreements as
soon as possible, in order to stop the injury to innocent civilians
and enable safe and normal lives on both sides of the northern
border. We know that only an agreement arising from understanding
and mutual acceptance, based on a dialogue between lawfully elected
and stable governments, can advance us towards stability and peace
in the entire region.

Givat Haviva turns to all of its friends and partners to join this
call, in order that we can reach a stage where the representatives
of both sides can sit together and talk, and place the entire region
on the road to understanding a peace – already tomorrow.

David Amitai
Givat Haviva Spokesperson

To learn more about how you may support Givat Haviva’s activities,
please contact your local Givat Haviva office via
http://www.givathaviva.org.il/english/info/welcome.htm?
info/friends.htm

 

 

Nichts als Ärger Juli 27, 2006, 16:38

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Secundus hat mit einem Freund im Clubhaus getobt. Der Freund hat ihm „aus Spaß“ die Glastür vor der Nase zugeschlagen. Die Tür knallte auf seinen Schädel, zerbrach und zerschnitt ihm die Arme. Er muß genäht werden. Natürlich ist Haifa außer Frage, Y. fährt mit ihm nach Hillel Yaffe in Hadera. Ich bleibe zuhause, Quarta schmeißt einen riesigen Wutanfall, sie will mitfahren und zugucken, wie er genäht wird. Tertia und Primus lachen sie aus, die Sache nimmt riesige Ausmaße an.
Ich bin froh, daß ich meine Kinder habe, aber an manchen Tagen denke ich, Kinderlosigkeit hat auch ihre Meriten. (Nein nein, Spaß, so schlimm ist es auch nicht.)

Nachtrag, einen Tag später:

Der Arzt meinte, Secundus hat Glück gehabt. Ein Schnitt hat die Hautschlagader nur um Millimeter verfehlt, der andere hätte fast eine Sehne am Zeigefinger durchgetrennt. Secundus ist aber ganz obenauf und beschreibt seiner kleinen Schwester genau, wie es genäht wurde. Ach ja, und duschen wird auch schwierig, was ihm keineswegs leid tut.

Umgeguckt Juli 26, 2006, 23:18

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ich habe ein paar Tage, na ja, zwei Tage?, ohne Bloglesen und ohne ausgiebige Nachrichtenlektüre verbracht. Erstens, weil ich wenig Zeit habe und noch weniger Nerven, und weil meine Leser schlau genug sind, selbst zu lesen, wenn sie wollen. Zweitens, weil ich doch öfter auf solche Ungenauigkeiten stoße, daß ich schon längst das nässende Quaddelfieber hätte, wenn ich zu sowas neigte. (Wobei die deutschen Medien im Vergleich zu den britischen noch lobenswert sind und auch mal jemand in den Archiven gräbt, so wie die Welt in einem Artikel über UNO-Friedenseinsätzen und einem über Resolution 1559).

Irgendwie ist man hier so zapplig, auch wenn man nicht will, weil Nasrallah ja genau das will. Er grinst aasig, kündigt an, daß nun die nächste Stufe erreicht ist und weiter reichende Raketen eingesetzt werden, und obwohl ich weiß, daß er das nur sagt, um uns alle in Vibrationen zu versetzen, kann ich es ja auch nicht ignorieren. Es ist ja albern, aber man muß sich doch drauf einrichten, daß es noch näher kommt. Mehr als 100 Raketen heute, alle etwas nördlich von uns, vielleicht schon morgen noch näher. Ich richte mich also seelisch ein, und dann frißt enorm viel Energie, besonders weil ich ja auch häuslich ausgleichen, auffangen, Ruhe ausstrahlen muß. Irgendwie geht es. Also, privat ist nichts Neues bei uns.

Ich habe aber doch ein bißchen rumgelesen. Erstmal hat mich die Unifil interessiert. Der neuste Bericht ist ein langes PDF-Dokument, da hatte ich dann doch keine Nerven für… doch ich habe bei LGF einen Ausschnitt gefunden, den ich interessant finde. Falls er unsauber zitiert ist, korrigiere ich mich oder nehme ihn raus, aber so sieht es aus:

Another UN position of the Ghanaian battalion in the area of Marwahin in the western sector was also directly hit by one mortar round from the Hezbollah side last night. The round did not explode, and there were no casualties or material damage. Another 5 incidents of firing close to UN positions from the Israeli side were reported yesterday. It was also reported that Hezbollah fired from the vicinity of four UN positions at Alma ash Shab, Tibnin, Brashit, and At Tiri. All UNIFIL positions remain occupied and maintained by the troops.

Wenn das also stimmt, dann hat wieder mal ein Trick der Hisbollah, die sich ja zu ihrem Glück an keinerlei Regeln der Kriegsführung zu halten hat, uns schachmatt gesetzt. Sich zwischen Zivilisten und hinter der UN zu verstecken…. da haben wir so oder so verloren, verspielt, egal wie. Trotzdem natürlich warten wir alle auf die Untersuchungen, und auch hier in Israel ist der Schock groß. Wie passiert sowas???

Auch Israpundit widmet sich dem Thema, und ich mache mir ein einfaches Leben und zitiere von ihnen (wobei mir klar ist, daß sowohl LGF als auch Israpundit alles andere als objektiv sind – aber da alle Welt Israel schon verurteilt hat, erlaube ich mir, sie zu verlinken, aber betone noch einmal, daß wir alle auf die Untersuchungsergebnisse warten müssen).

Retired Canadian General Lew MacKenzie — who is speaking in Toronto tonight at a Stand with Israel rally — was interviewed on CBC Toronto radio this a.m.

He told the show’s anchor that he had received an e-mail only days before from the dead Canadian observor who was a member of his former battalion. MacKenzie says that the message indicated in effect that the UN position was being used as cover by Hezbollah, who, MacKenzie explained, can do so quite freely as they are not members of the UN and not subject, therefore, to official condemnation. MacKenzie further took issue with the misleading reportage (citing CNN in particular) that suggests that Beirut is being bombarded by the IDF and that the city is in ruins. He said that the bombing is no where near the saturation levels that constitute a bombardment and the IAF have specifically targetted a twelve-block area that is, more-or-less, Hezbollah City, and only after dropping leaflets warning civilians to vacate well in advance of the planned airstrikes.

So viel also nur zur Ergänzung des Gesamtbilds. Der Vorfall ist auch für uns eine Katastrophe.

Interessant und wirklich erhellend ist Fouad Ajamis Artikel über den Libanon. Während ich es las, fiel mir eine Szene aus meiner Jugend ein. Ich hatte natürlich Geschichte-LK und unsere Lehrerin war eine konservativ-katholische Rheinländerin, nennen wir sie hier mal de Frau Küpper. Wir nahmen in aller Gründlichkeit das 19. Jahrhundert durch, aber sie meinte, wir könnten auch nach aktuellen Problemen fragen, sie würde dann eine Stunde dafür einräumen. Ich weiß nicht mehr genau, es war vielleicht zur Zeit von Sabra und Shatila, jedenfalls gab es Nahen Osten in rauhen Mengen im Fernsehen, und ich kapierte nichts. Also zeigte ich auf, immer die olle Streberin!, und fragte, „Ach bitte, Frau Küpper, vielleicht können wir ja mal über den Libanon sprechen, es ist so schwierig zu verstehen, was da vorgeht und wie es dazu gekommen ist“. Muß ich erwähnen, daß es zu der Extrastunde über den Libanon nie gekommen ist?

Darum also lese ich heute Ajami…

No one can say with confidence how this crisis will play out. There are limits on what Israel can do in Lebanon. The Israelis will not be pulled deeper into Lebanon and its villages and urban alleyways, and Israel can’t be expected to disarm Hezbollah or to find its missiles in Lebanon’s crannies. Finding the political way out, and working out a decent security arrangement on the border, will require a serious international effort and active American diplomacy. International peacekeeping forces have had a bad name, and they often deserve it. But they may be inevitable on Lebanon’s border with Israel; they may be needed to buy time for the Lebanese government to come into full sovereignty over its soil.

The Europeans claim a special affinity for Lebanon, a country of the eastern Mediterranean. This is their chance to help redeem that land, and to come to its rescue by strengthening its national army and its bureaucratic institutions. We have already seen order’s enemies play their hand. We now await the forces of order and rescue, and by all appearances a long, big struggle is playing out in Lebanon. This is from the Book of Habakkuk: „The violence done to Lebanon shall overwhelm you“ (2:17). The struggles of the mighty forces of the region yet again converge on a small country that has seen more than its share of history’s heartbreak and history’s follies.

Aus dem Artikel schälen sich, trotz seiner Ausrichtung auf die heutige Situation, ein paar grundlegende Einsichten über den Libanon und seine tragische Geschichte heraus. Hoffentlich wird ein Weg gefunden, und zwar schnell.

Ein Kommentator in der Washington Post, Faiza Saleh Ambah, beschäftigt sich mit der Diskrepanz zwischen der Popularität auf der „arabischen Straße“ und dem Mißtrauen, das die arabischen Regierungen der Hisbollah entgegenbringen, weil der iranische Einfluß ihre eigene Bevölkerung gegen sie aufbringen könnte.

While rebuking Hezbollah, most Arab governments hope the United States, through Secretary of State Condoleezza Rice, can persuade its ally Israel to cease hostilities, analysts say, because each day the assault continues, they lose popularity and the respect of their people.

Das ist wirklich bedenklich und ich hoffe, die ohnehin schon explosive Situation wird nicht noch durch innere Unruhen in Ägypten, Jordanien oder Saudi-Arabien verschärft.

 

Dann habe ich noch beim Schnüffeln einen uralten Text gefunden, die Mitschrift eines Interviews mit Ariel Sharon. Zwischendurch muß die Leitung wohl gerauscht haben, vieles ist unverständlich und Sharons etwas rauhes Englisch klingt durch. Sharon warnt vor iranischen Atomwaffen und vor den Folgen, den der syrische Rückzug haben wird – das Interview fand zur Zeit der Zedernrevolution statt.

 

One, first, let’s say that the Hezbollah terrorist organizations, they are the surrogates of Syria, and no doubt they are in very close relations with the Syrians. … Iran, Syria, and the Hezbollah of course are working together. I think that Hezbollah no doubt that they work together with the Syrians. … I do know that Syria never will recognize Lebanon as an independent country, and the declaration of independence of Lebanon took place in 1943. Syria never — Syria never have recognized Lebanon. They regard Lebanon as part of Syria. …

QUESTION: But will Hezbollah be cut off if Syria is out of there? Will they become more peaceful if Syria is gone?

SHARON: I think it’s very hard to assume that the Hezbollah, equipped so heavily by rockets in southern Lebanon, even if they participate in the elections there, and that doesn’t make Lebanon to become a democracy when, say, one of the sides are so heavily armed. And I think that what should be done if first of all, it should be really pressure on Syria to really withdraw from Lebanon and stop their influence there.

 

Die Syntax der gesprochenen Rede ist ein bißchen eigenwillig, aber leider sind Sharons Sorgen berechtigt gewesen. Hätte ich das damals gehört, hätte ich gesagt, „ach was, Nasrallah wird sich hüten, das relative Gleichgewicht zu stören“. Tut mir leid, Kassandra, daß ich so schlecht zugehört habe….

 

 

In Liberty first finden sich Links zu Dokumenten, von denen man hofft, daß sie nicht echt sind, daß es so etwas einfach nicht gibt (wie bei den Links, die ich heute zur Frage der Shahidim reingestellt).

“My message to the loathed Jews is that there is no god but Allah, we will chase you everywhere! We are a nation that drinks blood, and we know that there is no blood better than the blood of Jews. We will not leave you alone until we have quenched our thirst with your blood, and our children’s thirst with your blood. We will not leave until you leave the Muslim countries.

In the name of Allah, we will destroy you…”

 

Ja, wir haben oft solche Bilder gesehen und Reden gehört, meist von Vermummten mit Waffen vor einer Flagge, im Nachhinein, nach einem Anschlag. Jedesmal dreht sich einem der Magen um. Ist das ein Feind, mit dem man verhandeln kann, zu einer Kompromißlösung finden kann, mit dem man später in korrekt-nachbarschaftlichem Verhältnis leben kann? Und das ist die Hamas, der z.B. David Grossman pragmatische Fähigkeiten zutraut, mit uns zu einem für beide Seiten erträglichen Ausgleich zu kommen. Ich hoffe, er hat recht, aber vielleicht ist er doch zu optimistisch?

 

Mal sehen, was morgen auf uns wartet. In den Krankenhäusern liegen verletzte Soldaten und Zivilisten, morgen früh werden wir mit einer Liste neuer Namen aufwachen, und keiner weiß genau, was auf dem Schlachtfeld passiert. Miri Regev hat einen Journalisten gerade ganz schön abgebürstet, als er fragte, wieso sie ihn denn nicht näher an den Kampf ranlassen. „Und wenn dir was passiert, dir oder einem anderen Journalisten, sollen wir dann Menschenleben riskieren, um dich zu bergen? Das ist Krieg, da wird geschossen, da ist kein Platz für Zivilisten“. Also was wirklich los ist, auf dem Boden, ist schwer zu entscheiden.

 

Die verletzten Soldaten brennen auf die Gesundung, um in den Kampf zurückzukehren. Ein Zeichen, daß es hart auf hart geht, sonst würden sie ruhig im Bettchen liegen. Die Mutter von einem dieser Soldaten meinte vor der Kamera, sie hat eine Tochter in Haifa, deren Haus von einer Rakete getroffen wurde, einen Bruder in einem Grenzkibbuz, der seit Jahren beschossen wird, und einen Sohn, der gerade verletzt von der Front wiederkam – und sie sieht den Zusammenhang. „Da müssen wir jetzt durch“, meinte sie. Wer bin ich dann, zu jammern?, denken sich da alle Zivilisten… und ich danke dem Himmel, daß ich meine Vier noch zu Hause habe.

 

Eine schöne kleine Geschichte Juli 26, 2006, 18:20

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ich bin immer dankbar, wenn ich so eine Geschichte finde, wie sie Ynet heute erzählt.

Verwundete, die nach den Raketenangriffen ins Rambam-Krankenhaus eingeliefert werden, werden dort von einem jungen Arzt aus Shfaram behandelt, der Nasrallah heißt. (Meine Freundin hatte mal einen Kollegen, der hieß Assad Nasrallah, auch schön). Er klingt sehr nett, der Dr. Nasrallah, und er ist nur einer von vielen arabischen Ärzten, Pflegern und Schwestern aus allen religiösen Gruppen, Christen, Drusen und Moslems, die in Haifa, Afula und überall sonst in den Krankenhäusern arbeiten. (Woran sich wieder mal zeigt, wie rassistisch der israelische Staat ist…)

„I treat whoever arrives at the Rambam hospital, without consideration of origin, religion, or nationality. I am Israeli and I am a resident of Israel – and I’m proud of that and the wonderful relations that exist in the Rambam hospital between all of the staff and patients, without regard for race or nationality,“ he says.

Die Krankenhäuser hier sind wirklich Vorbilder des Zusammenlebens, bestimmt auch wegen des medizinischen Ethos, auf dem ihre Arbeit begründet ist. Ärzte, die gemeinsam um das Leben von Kranken kämpfen, die wissen, daß wir von innen alle ähneln und daß wir alle dasselbe brauchen, um zu überleben – die gucken nicht mehr, ob ihre Patienten A-Hörnchen oder B-Hörnchen heißen. Da können wir uns alle ein Beispiel dran nehmen. Bravo, Dr. Nasrallah, Du gefällst mir.

Ich werde NIE den Arzt vergessen, der meiner Tertia das Leben rettete. Ja, alle Ärzte kämpften um ihr Leben, die russische Neueinwanderin, der streng religiöse orthodoxe Jude (den ich in meinem Schrecken für den Rabbi hielt, der mir mitteilen will…), alle Ärzte, alle Schwestern und Pfleger, das ganze Team. Doch der beste von allen war ein großer, schlaksiger Mann mit langen schwarzen Locken, der mich an meinen Bruder erinnerte, gern lachte und mich bat, ihn zu rufen, wenn ich aufs Klo muß – damit er an Tertias Bettchen wacht und mit ihr spricht, weil nur so ihr Sauerstoffgehalt im Blut zu halten war. Als wir nach Jahren mit Tertia zu einer Folgeuntersuchung kamen, erkannte er uns sofort, schnappte sich die Kleine, trug sie auf den Schultern ins Ärztezimmer und rief, „dieses Mädchen ist meins!“, und die Kleine strahlte. Das war Dr. Naif, ein Moslem und begnadeter Arzt. Wo immer er heute ist und was er tut, wir werden ihn nie vergessen, und ich bin sicher, ohne ihn hätten wir unser Mädchen verloren.

Eine Antwort Juli 26, 2006, 15:36

Posted by Lila in Land und Leute, Persönliches.
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Ich habe gerade etwas gelesen, das ich Wort für Wort unterschreiben kann. Ja ich wünschte, ich hätte es geschrieben. Es ist eine Antwort auf die vielen, die fragen: wieso kommst du denn nicht nach Deutschland? wieso verläßt du Israel nicht? Besonders jetzt, eine kurze Woche vor unserem lang geplanten Besuch in Deutschland, ist es so aktuell. Denn die Wahrheit muß gesagt werden: so sehr ich mich auf meine Familie und Freunde freue, so entsetzlich schwer fällt es mir, ausgerechnet jetzt hier weg zu müssen. Ich warte nicht ungeduldig auf unsere Abreise, sondern würde sie lieber verschieben. Und wenn ich die Trauer in den Augen der Flüchtlinge sehe, egal von wo sie geflohen sind, dann kann ich sie so gut verstehen.

There is at least one other thing which you can learn from this distance:

The meaning of home.

Tell people here that you’re visiting from Israel, and are packing to go back, and the response will not be long in coming.

„You’re going back? To that?“ To that place of plague, they’re saying. The pestilence which blackens the lives of all who come near.

It is at this point that you realize where your true home is. What your true home is.

Home is that place which, when someone has set it ablaze, it is your profound urge to run toward, not away from.

Home is where you feel you absolutely need to be, when that place is in harm’s way.

Radical Islam teaches that this Holy Land of the Hebrew Bible is no longer the authentic homeland of the Jews. Radical Islam teaches that the Jews who came to the Holy Land from the Americans, from Africa, Europe, Australia, Asia, have no business being here, that they are transients, usurpers, illegals.

Radical Islam should know better. If only because of this:

If the conflict is incurable, so is the sense of home.

It may be said that the whole of the Mideast conflict boils down to a matter of homes. Homes destroyed on both sides, homelands claimed on both sides, people on both sides killing and killed while defending their homes.

You can’t fix the feeling of home. It cuts across political and cultural divides, and across lines of religious belief and practice.

There will be those who will respond „How can you be thinking about your home when so many in Lebanon and Gaza have seen theirs destroyed?“

Callous as it may be, I can. I can believe that the loss of their homes was horrible, tragic, perhaps militarily counter-productive. But their destruction makes my home no less mine.

Packing to go home, I found myself humming the chorus from the Dido song „White Flag,“ broadcast on Israeli radio stations for months on end during the Intifada. „I will go down with this ship,“ the chorus begins. „And I won’t put my hands up and surrender. There will be no white flag above my door.“

There’s no cure for this. Home is the doorway you need to defend. Home is the ship you’re willing to go down with.

Meinungen, hm Juli 26, 2006, 14:43

Posted by Lila in Uncategorized.
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1. Ich habe mir das mit den deutschen Soldaten noch mal durch den Kopf gehen lassen, habe gesehen, daß der Zentralrat der deutschen Juden und auch die Grünen protestieren. Vielleicht ist es nur mein schrecklicher Widerspruchsgeist, aber ich finde, man sollte in diesem Fall nicht den Bundeswehrsoldaten die Verbrechen der Wehrmacht aufbürden. Im Gegenteil, die Bundesrepublik hat sich so weit wie möglich von den Verbrechen der NS-Zeit distanziert, aber die moralische Verantwortung dafür übernommen.

Deutsche Volunteers arbeiten in israelischen Altersheimen, Kibbuzim und Heimen. Deutsche Touristen kommen, wenn sich andere Touristen nicht mehr hertrauen. Deutsche Politiker sind zuverlässige Demokraten. Und wenn deutsche U-Boote von der Howaldtswerft gut genug sind für uns, dann sollten ja wohl auch deutsche Soldaten gut genug sein. Ich halte die Kritik daran für überzogen. Deutsche Soldaten kommen schließlich nicht als Streit-, sondern als Friedensmacht in diese Gegend, so sie denn kommen.

Warum sollte man nun ausgerechnet die Deutschen davon ausschließen? Welchen Grund hat die deutsche Politik, die deutsche Gesellschaft gegeben, ihr zu mißtrauen? Wenn diese Truppe es schafft, hier Ruhe und Frieden zu schaffen (halevai, halevai, tfu tfu tfu), dann ist das sehr ehrenhaft, und wieso sollte man Deutschland diese Chance nicht geben? Ernst Uhrlau und Detlev Mehlis haben hier in der Gegend sehr gute und erfolgreiche Arbeit geleistet, Deutsche hin oder her. Nein, vielleicht ist es mein Deutsch-Anteil, aber ich finde, es besteht kein Grund, Deutschland zu mißtrauen. Und die Holocaust-Überlebenden? Ich kann ja nur von denen aus urteilen, die ich kenne – aber das sind viele Dutzende, und ich muß wohl nicht mehr betonen, welche Rolle sie in meinem Leben gespielt haben… würden sie wirklich Einspruch erheben, wenn Deutsche ihr Leben einsetzen, um ihre Grenze zu sichern?

Mal sehen, wie die Diskussion weitergeht. Hier hat gerade Emanuel Rosen über diese Idee ganz sachlich gesprochen und Deutschland in einem Atemzug mit Frankreich genannt. Vielleicht müßte man seinen Vater oder seine Oma fragen, ich weiß es nicht. Aber mir scheint, die Deutschen sollten nicht automatisch ausgeschlossen werden.

(Und gerade noch ein Kommentator: nennt Deutschland, Frankreich, Großbritannien in einem Atemzug. Er äußert Verständnis, daß sich keiner darum reißt, hinter der Hisbollah herzurennen und ihr die Raketen abzujagen, unter ständigem Feuer. Ist auch das Klinsmanns Verdienst, daß Deutschland ohne Unterton mit allen anderen europäischen Ländern genannt wird…?)

2. Gestern habe ich von David Grossman erzählt, heute veröffentlicht er in Ynet einen Artikel. Er sieht jetzt eine Chance, den Kampf mit der Hamas aufzuhören (der auch wirklich unbeachtet, aber blutig weiter tobt, ohne daß dort je etwas anderes in Sicht wäre außer einem weiteren Rückzug – wir wollen da nichts weiter als Ruhe!). Er meint, daß wir Hamas und Hisbollah nicht als gemeinsame Front sehen sollten, und daß es eine Chance geben könnte, auch mit den rhetorisch bärbeißigsten Hamasnikim zu einer Verständigung zu kommen.

Most Israeli and Palestinians understand that their fates are intertwined. Both have a clear interest in reaching a settlement and compromising on the most basic of principles. It is clear to both that at the end of the day this conflict has no military solution.

Das war jahrelang meine Rede, und ich möchte es immer noch glauben. Ich persönlich wäre zu wesentlich weitergehenden Kompromissen bereit als der Staat vermutlich sein wird… aber wenn es wirklich jetzt möglich wäre, dann muß es auch versucth werden. Es fällt mir schwer, das zu glauben, wenn ich an die Hamas denke, an Meshal, der sie steuert…. aber andererseits, wenn es um so wichtige Dinge geht, reicht es nicht, sich auf früher geäußerte Worte zu verlassen, sondern man muß regelmäßig vorfühlen, ob es nicht vielleicht doch möglich ist.. zumindest in Verhandlungen einzutreten.

Now is the time for Israel to initiate a new process with all sectors and factions of the Palestinian people. We must present serious proposals that will give the Palestinians real challenges and opportunities, and force them to decide if they want to compromise with us to live in peace, or if they are prepared to continue to be held captive to a fanatic, fundamentalist government.

Ein kleiner Hoffnungsstrahl in meinem müden Herzen. Und noch einer: wenn es je eine Regierung ohne Hardliner gab, eine absolut pragmatische Regierung ohne automatische Tabus, dann ist es die Regierung, die wir heute haben. Es gibt eine Anzahl Minister, von denen ich mir durchaus denken kann, daß sie imstande wären, die bestehenden Kontakte mit der PA zu intensivieren und eine solche grundsätzliche Entscheidung von Seiten der Palästinenser wahrzunehmen. Ich hoffe, sie lesen Ynet. Aber allzu große Hoffnungen habe ich nicht.

Morgenpost Juli 26, 2006, 12:03

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ich sitze an verschiedenen Aufträgen, die ich fertigkriegen muß, was gut ist, denn so habe ich weniger Zeit nachzudenken. Montag kommt der Auftraggeber und will sich einen ganzen Stapel übersetzter und ausgewerterter Dokumente abholen, er ist Optimist, aber ich auch. Mal sehen, ob ich es auch heute schaffe, mich zumindest für eine Reihe von Stunden zu konzentrieren.

Zu den Nachrichten: daß Kofi glaubt, unsere Armee hätte absichtlich einen Luftangriff auf seinen Stützpunkt geflogen, zeigt, was er von uns hält. Abgesehen davon, daß es immer überflüssig und traurig und eigentlich unausdenkbar schlimm ist, wenn unschuldige Menschen ihr Leben verlieren – wie dämlich müßte denn eine Armee sein, die sowas mit Absicht tut. Es unterlaufen besorgniserregend viele Pannen in dieser ganzen Geschichte. Die Armee war vielleicht theoretisch mit Schubladenplänen für den Fall eines Falles vorbereitet, aber vielleicht war der krasse Übergang von Grenzpatrouillen im kaum gesicherten Jeep zum full scale war auch für sie zu schnell.

Hier wird schon diskutiert, was verkehrt läuft, daß so viele Pannen passieren. Zwei Hubschrauber stoßen zusammen, wegen einer technischen Panne stürzt ein anderer Hubschrauber ab, Truppen eröffnen aufeinander aus Versehen Feuer – mein persönlicher militärischer Berater meint, solche Sachen kommen im Krieg dauernd vor, dazu gibt es sogar Statistiken, aber normalerweise wird es vertuscht. In Israel ist aber jeder Journalist ein kleiner Ramatkal, und trotz Zensur werden diese Vorfälle natürlich veröffentlicht und auch öffentlich diskutiert, so daß jeder sich ein Bild davon machen kann, wie viel schiefläuft (andere Armeen verschweigen das lieber, es ist ja nicht sehr angenehm, und ohne eingehende Untersuchung weiß man auch nicht, wo genau in der sogenannten Kommandokette das schwache Glied sitzt – nach dem Krieg wird hier das große Hauen und Stechen losgehen).

Ich bin also sicher, daß dieser Luftangriff nicht ein kühl geplanter Akt der Aggression gegen die UN war, sondern eine Panne, und zwar eine Riesenpanne. Aber daß Kofi sofort meint, das wäre Absicht gewesen, zeigt, was für ein objektiver Mensch er ist. Normalerweise wartet man mit solchen Anschuldigungen, bis eine Untersuchung eingeleitet ist, und je eher diese Untersuchung stattfindet, desto besser für alle Beteiligten. Noch mehr Tote, denen auch die Untersuchung nichts mehr hilft. Schrecklich, mir graust davor, ich habe davon glaube ich geträumt – fällt mir gerade ein – ich glaube, es sah so aus wie im Schlußbild des Films Troja – ein riesiger brennender Scheiterhaufen. Welche „Sache“ ist es wert, daß so viele Unschuldige sterben??? Ich hätte nie geglaubt, daß die Hisbollah es wirklich so weit auf die Spitze treibt.

Nasrallah droht, den Krieg weiter südlich auszuweiten, na klar, nur zu, Nasrallah, gerade jetzt, wo ich alles ordentlich habe! Er sieht vergnügt aus, er ist ein gefährlicher Feind, das wußten wir die ganze Zeit, und noch dazu kann er so ziemlich machen, was er will. Tja.

Natürlich wäre eine internationale Friedenstruppe eine gute Lösung – wenn sie nicht als willige Erfüllungsgehilfin der Hisbollah agiert. Wir haben ja schon einige Erfahrung mit internationalen Steigbügelhaltern, die terroristischen Aktionen Rückendeckung geben. Aber wenn es Truppen sind, die selbst kein Interesse daran haben, daß die Hisbollah und hinter ihr Teheran das Haupt weiter erheben – dann könnte es funktionieren. Natürlich habe ich ein bißchen bitter lächeln müssen, als ich die folgenden Sätze las:

Sollte dennoch, auf Wunsch der Israelis und der libanesischen Regierung, eine internationale Truppe entsandt werden, warnt Palmer Harik, könnte diese gar zum Ziel von Anschlägen werden. Bereits jetzt kursieren in Beirut Gerüchte, die Hisbollah erinnere an die US-Marines, die 1983 per Sprengstoffanschlag zum Abzug aus Beirut getrieben wurden, als 241 US-Soldaten an einem Tag getötet wurden.

Das GAR hat mich zum Lächeln gebracht. Ja, so weit könnte es kommen, man stelle es sich vor! Für uns ist die Vorstellung eines Sprengstoffanschlags eine so alltägliche Sache, eine solche Alltagsfurcht, daß es mir vorkommt, als würde jemand sagen, „ja es könnte sogar zu einem Autounfall kommen!“ Ein Autounfall ist schlimm, aber keineswegs ungewöhnlich. Ebenso ist es mit Sprengstoffanschlägen. Sie sind sehr schlimm, aber keineswegs ungewöhnlich. Nur aus der Ferne, da scheint die Vorstellung, eventuell einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen, wie eine ganz extreme Möglichkeit.

Bei den nächsten Sätzen verliert sich aber jedes Lächeln.

Aber was, wenn Israel einfach so lange weiter auf die Hisbollah und deren vermutete Infrastruktur einbombt, bis die Islamisten zu schwach sind, sich auch nur gegen eine internationale Truppe zu wehren? In europäischen Diplomatenkreisen wird vermutet, dass genau so das Kalkül der USA aussieht – und dass Israel aus diesem Grund noch ein wenig freie Hand gelassen werden soll bei seiner Kampagne im Libanon. Der humanitäre Preis wäre freilich immens: Weitere wahrscheinlich hunderte Zivilisten müssten sterben, „Kollatteralschäden“ im Kampf gegen die Hisbollah. Zynisch, aber nicht ausgeschlossen – so lautet deshalb in Diplomatenkreisen die Einschätzung dieser Theorie.

So etwas Ähnliches habe ich gemeint, als ich gestern (gestern erst?) geschrieben habe, daß ich nicht weiß, was hinter dem Lächeln und der Höflichkeit liegt. Es ist keineswegs auszuschließen, daß das der Deal ist. Israelische Soldaten und Zivilisten stehen in der Frontlinie, hauen ordentlich auf die Hizbollah drauf, dabei verlieren sie ihre letzte moralische Glaubwürdigkeit und werden endgültig zum schuldbeladenen Paria der Welt – aber sie halten damit den ersten Ansturm der Hisbollah und Teherans im vielzitierten langen Kriegszug des fundamentalistischen Islams auf. Wunderbar, nicht wahr? Wir machen für Euch die Drecksarbeit, und Ihr habt dafür das Recht, uns zu verachten, zu tadeln und uns prächtige Reden über den Wert der Friedfertigkeit zu halten. Ja, ich halte es durchaus für möglich, daß das Kalkül ist, oder das es zumindest eine kleine Rolle spielt.

Und warum machen wir das? Ja, weil wir keine Wahl haben. Wir sind angegriffen worden, und wir können nicht noch einmal, wie 1991, tatenlos dabei zusehen, wie andere kämpfen, weil unsere Beteiligung eine eventuelle Koalition sprengen würde… wie sich bestimmt noch mancher erinnert. (Ja, und es gab damals Leute, die uns diese Zurückhaltung als Feigheit auslegten, wie wir es machen, ist es verkehrt, so ist es nun einmal im Leben…)

Ich erinnere alle, die meinen, wir sind zu schnell losgesprungen, an Metzuba, an Rajar. Wir hätten schon eher zurückschlagen können, haben das aber aus vielerlei Gründen vermieden. Aber was zu viel ist, ist zu viel, und der 12.7. war zuviel. Wir sind zum Handeln gezwungen, wobei man über die Art des Handelns durchaus verschiedener Meinung sein kann – das sind wir hier in Israel auch, war es nun sehr klug oder sehr dumm von Peretz und Olmert, die ersten Eskalationsstufen zu überspringen und gleich „in echt“ in den Krieg zu ziehen? Ich maße mir da kein Urteil an, ich verstehe zu wenig von diesen Dingen, und ich glaube, erst im Nachhinein wird sich zeigen, ob die richtige Strategie war oder nicht. (Na ja, und vielleicht stimmt es ja auch gar nicht, diese zynische Theorie….)
Vermutlich, und ich bitte auch Leute, die hier zum ersten Mal mitlesen und sofort gern bereit sind, das Allerschlimmste von mir anzunehmen („entmenschte Israelin frohlockt über Tod ihrer Feinde, die sie seit Jahr und Tag mit glühendem Haß verfolgt – da muß ich jetzt einen Kommentar zu schreiben!!!“)… vermutlich war mit der Taktik der Hisbollah, sich inmitten von Zivilisten einzunisten, der Tod der Unschuldigen besiegelt und egal, wie wir es angefangen hätten, oder wie es jemand anders angefangen hätte – es wären unbeteiligte Zivilisten gestorben. Daß es zum großen Teil Menschen sind, die selbst die Hisbollah gehaßt und gefürchtet haben, Menschen, deren Tapferkeit und Zivilcourage bei der Zedernrevolution aus der Ferne bewundert haben, macht diese Tode nur noch schrecklicher und bitterer, ich kann es gar nicht richtig einsacken lassen, sonst halte ich diese Situation gar nicht weiter aus.

Also, ich bin leider überzeugt, daß Nasrallah das genauso geplant hat, daß jeder, der ihn angreift, dabei Unschuldige tötet, und zwar besonders grausam tötet. Es sind ja nicht nur die Bomben Israels, die die armen Menschen zerreißen, sondern auch die Waffen in den Bunkern unter ihnen, die die Opfer treffen. Waffenlager in Wohnsiedlungen, ich komme da nicht drüber weg. Es gibt keinen Weg (außer, die Hisbollah räumt freiwillig), diese Waffenlager zu vernichten, ohne dabei die Zivilisten zu schädigen. Da können wir SMS schicken, Flugblätter abwerfen und die Leute warnen, sie sollen abhauen, wie wir wollen – es werden immer Menschen zurückbleiben.

Und außerdem denke ich, daß hier ein grausamer Fehler in der Strategie der Armee liegt: sie hätten der Zivilbevölkerung Fluchtwege lassen sollen und nicht als erstes die Fluchtwege bombardieren sollen. Trotz der Sorge, daß dann die entführten Soldaten auf geradem Weg nach Syrien oder sonstwohin gebracht werden, daß auf diesen Wegen Hisbollahleute und Waffen nach Süden strömen – daran hätte jemand denken sollen. Ich glaube, auch wenn es im Moment noch viel zu früh ist, den Finger auf einzelne Entscheidungen zu legen und zu sagen, „richtig“, „falsch, aber verständlich“ und „falsch und unvertretbar“ – mir scheint, wenn die Armee wußte, wie massiv sie würde bombardieren müssen, um die Raketen auszuschalten (und sie fallen ja immer noch!), hätte sie nicht als erstes die Fluchtwege abschneiden dürfen. Hoffentlich wird jemand für diese Entscheidung, die viele Menschenleben gekostet hat, den Hut nehmen müssen. Denn so unvermeidbar es nach den Angriffen durch Raketen war, diese Raketenlager anzugreifen, so vermeidbar war es wohl, die Menschen, die unfreiwillig auf diesen Lagern leben, wie in einer Falle festzuhalten.

Ich habe keine Zeit zu schreiben, eigentlich, und öffne auch gar nicht erst meinen Bookmark-folder „deutsche Zeitungen“, beschränke mich auf SPon, da habe ich schon genug Stoff zum Nachdenken… Daß Fischer sich von den Bildern, die uns anklagen, nicht die Sicht verstellen läßt auf unsere Zwangslage, das ist eine große Erleichterung. Vielleicht hört ja doch jemand zu, im bequemen Chor derer, die Appeasement fordern.

Die Kämpfe seien ein Stellvertreterkrieg, den die Hamas und die Hisbollah im Auftrag Syriens und Irans führten. Sie dienten dem Hegemonialanspruch dieser beiden Staaten.

Nach Ansicht des früheren Außenministers eröffnet der Krieg trotzdem die Möglichkeit, am Ende zu einem umfassenden Frieden zu kommen. Dazu müsse Israel „aus einer Position der Stärke heraus“ die Initiative ergreifen und ein „umfassendes Friedensangebot“ an all diejenigen machen, die zur Anerkennung des jüdischen Staates und dauerhaftem Gewaltverzicht bereit seien. Bisherige Kontroversen um Gebiete und Siedlungen würden nach diesem Krieg ohnehin als überholt erachtet.

Das ist die optimistischste Einschätzung, die man haben kann, und es ist ja auch meine heimliche Hoffnung, mit der ich mich tröste: ein freier Libanon, eine starke libanesische Armee, unterstützt von einer internationalen Truppe, die sich zurückziehen kann, sobald die Libanesen die Sache selbst in der Hand haben. Die Hisbollah entmachtet, die Phantasien der Mullahs auf den Boden der Tatsachen runtergeholt, und Israel genau wie Libanon in sicheren internationalen Bündnissen, die Israels Isolation in der Gegend endlich aufheben.

Ja, was dann aus den Plänen einer Räumung der Westbank wird, das ist die große Frage. Nachdem sowohl Gaza als auch der Südlibanon geräumt als Abschußrampen genutzt wurden, wird selbst mir schwummerig bei dem Gedanken, Jenin und Ramallah in Händen dieser Gruppen zu sehen. Das müßte also vermutlich ebenfalls unter internationaler Beteiligung gemacht werden – und mit aktiver Teilnahme Abu Mazens. Ich kann nur hoffen, es kommt so weit.

Während ich schreibe, fallen die Raketen auf Kiriat Bialik. Ich habe die Nachrichten, Channel 10 und 2 abwechselnd, auf stumm gestellt, wieder, lese nur den Lauftext und sehe die Bilder. Wir hören Beethoven, auf Quartas Wunsch, die mit ihrem Playmobil-Reiterhof das ganze Wohnzimmer füllt. Sie singt leise mit und weiß Gott sei Dank nicht, was ich im Fernsehen sehe. Tertia liest in ihrem Zimmer. Draußen ist es heiß und still, wir hören keine Hubschrauber, keine Flugzeuge. Ich hoffe, es bleibt still hier und überall. Ich hoffe, wir alle haben es bald hinter uns.

Und jetzt an die Arbeit.

Am Telephon Juli 25, 2006, 21:20

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regelt man jetzt vieles, was man in friedlicheren Zeiten von Angesicht zu Angesicht besprochen hätte. So rief mich vorhin der neue Schulleiter unseres Zentrums für Hochbegabte an. Mit der vorherigen Schulleiterin hatte ich einen ausgezeichneten Draht, und ich dachte, „na wer weiß“, als es hieß, sie hört auf. Der neue Schulleiter ist jung und – Mathematiker. Würde er mich weiter beschäftigen wollen, mit meinen ganz und gar geisteswissenschaftlichen Themen?

Eine Besprechung fiel aus, wegen „der Lage“. Ein persönliches Treffen fand nicht statt – „die Lage“. Die Hochschule, an der sich unser Zentrum befindet, ist geschlossen. So rief er mich eben an, um mir zu sagen, daß er nichts verändert, daß ich genauso wie im vergangenen Jahr mein kleines Plätzchen unter all den Meeresbiologen, Astronomen und Physikern finde. Erfreuliche Neuigkeiten! Als er meinte, wegen „der Lage“ könnte er vieles nicht rechtzeitig schaffen, fragte ich ihn, wo er denn wohnt. „In Hod ha Sharon“, meinte er. Die Sharonebene ist in der Nähe von Tel Aviv, also kein gefährdetes Gebiet. Ich meinte, „da mußt du dir ja keine großen Sorgen machen“, und er sagte, „das sagst du so einfach. Erinnerst du dich, als vor ein paar Tagen im Sharon-Gebiet ein potentieller Selbstmordattentäter gejagt wurde?“ Oh ja, wie könnte ich das vergessen, der riesige Stau legte den ganzen Großraum Tel Aviv lahm – und das ist immerhin ein großer Teil des Landes!

„Also“, sagte der Schulleiter, „sie haben den Mann auch gefunden, und weißt du auch, wo? Unter meinem Haus! Wir wohnen nämlich in einem Neubaugebiet, und um unser Haus herum sind jede Menge Baustellen. Da arbeiten auch viele illegale Arbeiter aus den besetzten Gebieten. Die haben wohl den Mann reingeschmuggelt, der einen Anschlag verüben sollte. Er hat sich ein Versteck gesucht, und weil mein Haus noch nicht ganz fertig ist, kann man sich da ganz gut verstecken. Ich war nicht zuhause, aber mein Sohn. Wegen „der Lage“ mit dem ganzen Alarm und so hatte ich ihn zu Hause gelassen, damit er in Sicherheit war. Meine Frau und ich kamen kaum ins Haus rein, so voll war alles mit Polizisten.“

Das war natürlich eine spannende Geschichte, und wer mich kennt, wird sich nicht wundern, daß meine erste Reaktion lautete, „oh, darf ich diese Geschichte auf deutsch bloggen?“ Er gab mir die Erlaubnis und ich glaube, er dachte, ich bin ein bißchen kukku, was ja auch stimmt. Und dann fragte er mich, „und wo wohnst du, habt ihr Katyushot?“

Ja, das war ein unerwartet herzliches Gespräch. Ist schon ein verrücktes Leben, das wir hier haben. Ich bin froh, wenn wieder stillere Zeiten einkehren, aber der Stoff zum Bloggen geht mir hier nicht so schnell aus.

Chnunim Juli 25, 2006, 19:41

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Chnun ist ein Slangausdruck. Ein Chnun ist ein Nerd, gibt es ein deutsches Wort dafür? Na ja, so ein schmächtiges Wunderkind eben.

Gerade habe ich auf den stummen Bildschirm geguckt und zwei richtige Chnunim gesehen. Schnell den Ton angestellt! Meir Shalev und David Grossman sitzen nebeneinander vor einem Bunker. Sie sind auf Lesereise durch die Bunker. Zwei bebrillte, kurzgeschorene, ernste Intellektuelle, bedächtige Worte, den Krieg lieben sie beide nicht, das Leiden der Unbeteiligten fühlen beide mit. Sie sind kritisch, aber trotzdem verschwinden sie im Bunker, um den Kindern dort aus ihren Kinderbüchern vorzulesen.

David Grossman

Meir Shalev

Auch das sind israelische Gesichter. Tut mal gut, nach all den generalim und admiralim.

Update vom Putzlieschen Juli 25, 2006, 16:35

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Ein junges Mädchen ist in Kfar Mrar von einer Rakete getroffen worden – tot. Kfar Mrar ist in Israel bekannt, weil es der Heimatort von Azzam Azzam ist, dem patriotischen Drusen, der in Ägypten als Spion verhaftet wurde und dort jahrelang  im Gefängnis saß, bis die Regierung ihn freibekommen konnte (er war vermutlich unschuldig). Die Bilder von Azzam, der in die israelische Flagge gewickelt in seinem Dorf wieder ankam, machten ihn zu einer Figur der israelischen Alltagskultur. Außerdem gibt es manchmal starke Spannungen zwischen Christen und Drusen in diesem Dorf, das sind weniger frohe Nachrichten. Und heute ein 14 oder 15 Jahre altes Mädchen, wie schrecklich. (Ich habe vor zwei Wochen einen Vortrag in Karmiel gehalten und kam auf dem Rückweg an Kfar Mrar vorbei, bewunderte die schöne, gebirgige Landschaft).

Der Kibbuz ist voll mit Flüchtlingen aus dem Norden, ganze Familien, halbe Familien, Kinder und Jugendliche allein. Primus hat ein nettes Mädchen aus Kiriat Motzkin kennengelernt, so hat alles sein Gutes.

Ich weiß nicht, was aus dem Besuch von Rice werden soll, was als nächstes kommt. Die höflichen Worte, das Lächeln, das sind keine Anhaltspunkte für das, was hinter den Kulissen abläuft.

In Haifa fallen Raketen, in Kiriat Shmona, Nahariya, überall, den ganzen Tag. Mein Kopf kann im Moment nicht denken. Die Raketen werden aus Gebieten abgeschossen, in die unsere Armee noch nicht eingedrungen ist. Diese Gebiete sind so weit nördlich, da möchte niemand von uns enen Soldaten hinschicken, einen Fuß hinsetzen. Das Dilemma ist so unlösbar, daß meine einzige Zuflucht die Arbeit und Hausarbeit sind.

Inzwischen habe ich alle Räume, Schränke und Schubladen so gründlich umgepflügt, ausgerümpelt und saubergemacht, das eigentlich nichts mehr zu tun ist, obwohl die meisten von ihnen auch vorher ganz gut in Schuß waren. Aber nichts hilft so gut gegen die nächtliche Unruhe, wie häuslicher Fleiß. Immerhin arbeitet Y. normal, Tertia ist mit einer Freundin im Schwimmbad, Secundus spielt mit Quarta Superhirn, und wir bemühen uns mit Erfolg, eine Art Alltag aufrechtzuerhalten. Quarta war heute auch wieder im Kinderhaus, sie hat Spaß gehabt und war abgelenkt. Viele neue Kinder auch dort, der Kibbuz hat seine Pforten weit geöffnet. Ein Fünftel der Bevölkerung Israels ist geflohen, über eine Million Menschen.

In den zwei Wochen des Kriegs ist hier in unserer unmittelbaren Gegend noch nichts gefallen. Ich wiege mich in der Hoffnung, daß unsere Gegend verschont bleiben wird. Aber mich drauf verlassen? Nein, das kann ich nicht, in solche Seelenruhe hab ich mich noch nicht reingeputzt.

Lachen, Augenrollen, umschalten Juli 24, 2006, 23:25

Posted by Lila in Land und Leute.
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Sehr, sehr spaßig sind die Loopings, die hier im Fernsehen geschlagen werden. Ich habe ja unerreicht viele Stunden TV hinter mir, ich lasse das Ding oft beim Arbeiten auf stumm an, um die laufenden Schlagzeilen zu lesen, leider rennen die etwas zu schnell für mich… so daß ich warten muß, bis sie zum dritten Mal auftauchen, bis ich sie kapiere.

In Nachrichtensendungen und Magazinen ist das einzige Problem, die Fülle von Neuigkeiten irgendwie zu strukturieren und darzustellen. An Themen herrscht bekanntlich kein Mangel. Die Front, die Homefront, die wirtschaftliche Lage, die internationale Lage, die psychologischen Auswirkungen, Einschätzungen aller Art – die Experten geben sich die Klinken in die Hand, und zwischen vielen Gemeinplätzen findet sich auch immer mal eine Perle.

Ich habe mich vor Lachen gekullert, als eine Pädagogin in einem Ton, als hätte sie Amerika entdeckt, erklärte, wie man Kinder im Bunker beschäftigt. „Man läßt sie am besten machen, was sie auch sonst gern machen“ Donnerwetter! ja und noch besser: „Zum Beispiel kann man sie malen lassen, fernsehen, Geschichten hören oder Musik“ Oh ja, gut, daß sie eine Expertin eingeladen haben, auf DIESE Ideen wäre ja wohl keine Mama, kein Papa von allein gekommen. Buntstifte! was Sie nicht sagen.

Da ich von Militär weniger, wesentlich! weniger verstehe als von Buntstiften, fällt es mir schwerer, über all die Reservegenerale zu lachen, die durch mein Wohnzimmer fluten. Der eine ist pessimistisch, der andere optimistisch, und das ist dem Anchorman ganz egal, denn so geht die Sendezeit vorbei, während ich Mozart höre und auf die Schlagzeilen gucke. (Was? Raketen auf Tiberias? Sind das neue Raketen oder noch die von vor einer Stunde?) Zivilisten kommen auch, zunehmend mehr, aber die Männer haben eine wunderbare Zeit miteinander, sie fachsimpeln und hören sich gern reden. Na, ich sehe ja nur die Mundbewegungen und Augenbrauen. Besonders liebe ich die Fuchtler, die hier ja recht häufig sind. Ich sage ja immer schon, bevor man Nehemia Straßler reden läßt, sollte man ihm die Hände festbinden.

Aber ein echtes Problem sind die sogenannten Unterhaltungssendungen. Ein paar professionelle Lachsäcke sollen uns aufheitern, kleben sich Bärte an, lachen über die Ängste („wenn die Nachbarin sich einen Pickel ausquetscht, rennt schon alles in den Bunker“ „in Tel Aviv könnte Nasrallah endlich ein großes Problem lösen: die Parkplatzknappheit“), haha. Im Golfkrieg haben wir hysterisch gelacht, 1991 war die Satire im Fernsehen einfach wunderbar.

Auch die anderen Saddam-Krisen haben wir lachend vor dem Fernseher gesessen. Da wurde ja auch viel weniger gestorben, und wir hatten mit den Kämpfen nichts zu tun. Im Nachrichtenstudio wurde zum Irakkrieg ein lächerlicher in Form einer Karte des Irak aufgebaut, und in die Eröffnungssequenz wurden fiese Hubschrauber montiert, die uns ein Gefühl der wohligen Krise geben sollten. Das fiel in die Kategorie unfreiwillige Komik, hat mich aber recht sehr erheitert. Lauter Sandkastennapoleons im Studio, na sollen sie, da können sie keinen Ärger anrichten.
Während der Selbstmordattentate, dieser langen, schmerzhaften Zeit, lachten wir abends über Erez Tal und die wunderbar schrille Orna Bannai, weil unsere Augen von Tränen ausgedörrt waren. Ich glaube, ich habe in diesen Tagen jeden Abend bei den Nachrichten um unsere Opfer geweint. Wenn nach diesen Nachrichten hysterisch gelacht wurde, einmal pro Woche, habe ich gern mitgelacht. Danach habe ich wieder geweint. Aber irgendwie ging es, es war so absurd, so unterirdisch.

Aber diesmal bleibt einem jedes Lachen im Halse stecken. Das Leid ist auf beiden Seiten zu groß, zu unabsehbar, und wir können uns nirgends mehr sicher fühlen. Das sichere Zuhause, in dem man zu anderen Zeiten wenigstens abends auf dem Sofa lachen konnte, sieht merkwürdig brüchig aus. Die Atmosphäre in den Scherz-Studios, die ich aus Versehen auf der Suche nach der Neusten Neuigkeit angeklickt habe, war peinlich, zäh und unwitzig im qualvollsten Grade. Ob in einem Tel Aviver Studio oder auf einer Wiese an der Grenze zum Libanon, die Witze ziehen nicht. (Zwischendurch dann immer umschalten zu Menachem Horovit, der meldet „ein weiterer Katyushaschauer auf Kiriat Schmona, bisher nichts über Verletzte bekannt, ich informiere euch weiter, sobald ich was weiß… und jetzt zurück ins Studio zu Lachdichdumm…“

Nee, Leute, das geht nicht. Vielleicht hat da jemand drüber gelacht, mir taten die Standupistim einfach nur leid und ich bin schnell wieder auf „Oded Ben Amis Schlagzeilen, stumm, mit Mozart hinterlegt“ umgestiegen.

Wirklich komisch aber sind die Werbeeinblendungen. Ich stelle ja Werbung immer auf stumm, ich kann das Gedudel nicht ausstehen, das sich uns tückisch ins Ohr bohren will und dort Eier legt wie eine besonders fiese Schlupfwespe. Aber ich habe mich zu Blogzwecken dazu herabgelassen, von dieser Praktik einmal abzugeben (natürlich ohne die Kinder). Und was höre ich da?

„Auch in diesen schweren Zeiten lohnt es sich, der Bank Blabla Ihr Ersparnisse anzuvertrauen“ „Wir halten alle zusammen. Die Zeiten sind schwer. Da braucht man einen zuverlässigen Kloreiniger“ Und so weiter. Ernsthafte Musik, klopfend animierte Herzen. Das Lachen, das mir die Komiker nicht abringen können – der sonore Kloreinigerverkäufer zu Zeiten des Kriegs hat es mir entlockt.

Ärger Juli 24, 2006, 22:25

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Viele Leute in Israel ärgern sich, weil der Staat noch nicht offiziell den Kriegszustand ausgerufen hat. Dabei sind wir im Krieg. Aber solange noch offiziell Frieden ist, muß der Staat keine Entschädigungen zahlen für Leute, die ihre Arbeitsplätze verloren haben, weil sie aus Furcht vor Raketen zuhause geblieben sind. Chabib Issa Awad, der gestern gestorben ist, war auf dem Weg zur Arbeit, ein anderer Toter starb am Arbeitsplatz. Es ist also kein Wunder, daß die Leute zuhause bleiben. Aber sie tun es auf eigene Verantwortung. Wenn sie Glück haben, hat der Arbeitgeber Verständnis. Oder eben nicht.

Viele Häuser, Wohnungen und Autos sind kaputt, zerlöchert von Splittern. (Von den Menschenleben möchte ich gar nicht erst reden, und Hunderte von Verletzten). Keiner weiß, ob und wie entschädigt wird, zumindest beklagen sich viele Bürger, daß alles viel zu lange dauert. Das ist ja auch verständlich, wir waren ja gar nicht auf einen Krieg eingerichtet, und die Versicherungen kommen ja gar nicht mit der Arbeit hinterher.

Der Norden, der auf Tourismus aufgebaut hat, ist menschenleer. Firmen verlieren Millionen. Eigentlich müßte sich in so einer Situation der Finanzminister starkmachen und versuchen, Lösungen zu finden. Aber er ist unsichtbar, keiner weiß, wie es weitergehen soll. Ein Drittel des Landes liegt still, besonders für kleine und mittlere Betriebe fast unmöglich, diese Lage weiter durchzuhalten. Wir haben Glück, daß Y. in der Fabrik unseres Kibbuz arbeitet, nah an zuhause, nur einen Sprung mit dem Mofa entfernt. Und ich kann mir leisten, während der Semesterferien hier zu bleiben, manches geht per Telefon, anderes wird schlicht verschoben. Der Kibbuz fängt manches auf. Hier gibt es Lebensmittel, unsere Kibbuzbank, die sogenannte „Hauskasse“, funktioniert.

Aber was machen Leute in der Stadt? Die Eltern meiner liebsten Freundin sitzen seit Tagen in einem überfüllten Bunker in einem nicht wohlhabenden Viertel in Haifa. Der Bunker macht auch keinen sehr stabilen Eindruck. Es hat schon Einschläge ganz in ihrer Gegend gegeben. Meine Freundin wohnt in der Nähe von Tel Aviv, kann gerade nicht weg, macht sich große Sorgen. Die Eltern haben Probleme, einkaufen zu gehen, aber sie wollen auch nicht weg aus Haifa. Besonders der Vater hat erklärt, er geht nirgendwo anders hin. Aber sie sind Rentner, was machen Leute, die noch arbeiten?

Wer aus dem Norden flüchtet, kommt bei Freunden unter, bei Freiwilligen oder in Hotels. Die haben natürlich die Preise erhöht, sie wollen vermutlich die Zeit nutzen, bis sie selbst unter Beschuß kommen – außerdem haben viele ausländische Gäste abgesagt. Haben die Evakuierten das Recht, diese Ausgaben mal wiederzubekommen?

Es gibt viele wohltätige Einrichtungen, die Essen an Bunkerbewohner verteilen, ihnen helfen, Geld abzuheben oder mit Behörden zu verhandeln. Ja es gibt sogar Freiwillige, die sich um zurückgelassene Haustiere kümmern. Aber zumindest durch die Medien (die sich natürllich auch auf solche Geschichten stürzen) geht der Eindruck, daß für die Menschen nicht gesorgt ist.

Irgendwann wird sich dieser Ärger entladen, weil er keine klare Adresse hat. Es rächt sich nun, daß Olmert Schlüsselfunktionen mit blassen Unbekannten wie Hirschson besetzt hat, die zwar seine zuverlässigen Freunde sind und vielleicht auch sehr tüchtig, die aber keinerlei Kontakt zu den Leuten herstellen können, die jetzt Hilfe brauchen. Selbst wenn es nur eine richtig gute Show wäre – es würde die Moral heben.

Oh, schon wieder eine Rakete in Galiläa.  Waldbrände. Ich bin unkonzentriert und übermüdet, lasse die Kinder nur abends raus (nachts wird bis jetzt wenig geschossen), bin mit den Nerven ziemlich fertig. Die Kinder löchern sich und mich den ganzen Tag über, puh. Zwar gehen mir die Ideen noch nicht aus, was man alles zuhause machen kann, mir gehen die Nerven aus, sie den ganzen Tag auf recht engem Raum so zu sortieren, daß sie sich nicht total nerven. Sie sind ja normalerweise mit Schule, Tennis, Fußball, Zoo, Töpferkurs, Kinderhauskursen und Reitstunden recht ausgefüllt. Das fällt nun alles weg. Freunde aus anderen Kibbuzim und Yokneam kommen nicht mehr, jeder sitzt am liebsten zuhause (außerdem haben die Leute in Yokneam Schutzräume im Haus, die wollen ihre Kinder hier bestimmt nicht hinschicken…). Tertia wollte ihre beste Freundin besuchen, die in den Norden gezogen ist, ha ha.

Abends gehen die Kinder also raus, mit den Nachbarn und Nachbarsenkel durchs Teleskop Sterne beobachten, Fußball spielen oder einfach nur mit Freunden draußen sitzen. Ich hoffe, die nächtliche relative Ruhe hält weiter an.

Es sind Luxusprobleme, aber trotzdem nagen sie an mir.  Und an den Kindern wohl auch.

Klavierspieler III Juli 24, 2006, 16:52

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Ich habe gestern abend und heute früh von ihm erzählt, dem netten Südamerikaner mit dem Klavier, in Nesher. Nun kommt Y. nach Hause und erzählt mir, daß er der Bruder einer Nachbarin hier im Kibbuz ist. Die Welt ist klein, sagt man dazu… und das Klavier ist okay.

Was mich erschreckt, Juli 24, 2006, 14:58

Posted by Lila in Land und Leute, Persönliches.
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sind ja nicht die verschiedenen Meinungen, oder daß sie sich auf fragwürdige Informationen stützen. (Beispielsweise: wann wären wir je NICHT angegriffen worden, als wir schwach waren? 1948?? und haben wir nicht 1991 still dagesessen und uns beschießen lassen, ohne zu reagieren, trotz unserer angeborenen Brutalität? erinnert sich noch jemand daran?) Das passiert, das Feld ist auch so komplex, daß einem dauernd eine wichtige Information durch die Lappen geht.
Ich habe gestern das Bild eines Mannes am Klavier gezeigt. Heute früh wurde er im Fernsehen interviewt, mit seiner Frau. Er ist aus Südamerikan eingewandert und hat den charmanten Akzent, der damit einhergeht. (Oh Mann, wieso hab ich so einen doofen Akzent???) Beide klangen nett und freundlich, lächelten etwas. Die Fernsehtante fragte, „vorgestern wart ihr auf der Friedensdemo in Tel Aviv, gestern hat euch eine Rakete das Haus zerstört – würdet ihr wieder auf so eine Demo gehen?“ „Aber klar“, meinten beide wie aus einem Munde, „wir sind ja gegen jede Art von Gewalt, wir finden, unser Staat hätte anders reagieren sollen, wir ändern doch unsere Haltung nicht, nur weil wir persönlich betroffen sind!“ Sie meinten, ja, es ist schade, daß nun ihre Wohnung kaputt ist, sie sind froh, daß dem Hund Javier und ihnen nichts passiert sind, und sie werden alles wieder aufbauen. Aber den Feind hassen? Nein.

Danach habe ich meinen alten Menschen unterrichtet, die einzige Arbeit außer Haus, die ich im Moment tun kann. Die meisten von ihnen Yekkes, jeder von ihnen durch den Zweiten Weltkrieg gezeichnet, und durch all die Kriege, die sie hinterher mitgemacht haben. Zumeist Frauen, in pastellfarbenen Strickjacken, wegen der Klimaanlage!, und mit weißem Haar. Während der Kaffeepause seufzen sie wieder, „was für eine schreckliche Situation, wieso hat die Hisbollah nur die armen Libanesen mit reingezogen, ja hätte das denn nicht anders gelöst werden können, hätte diese Bewaffnung doch mal international mehr Sorge ausgelöst…“. Keine Schlachtenbummler, nein.

Das sind typische Israelis, der Mann mit dem Klavier und meine alten Damen. Das ist der Ton, den ich um mich herum höre. Will ich andere Töne hören, muß ich nur ins Internet. Die Häme, die einem da manchmal entgegegenschlägt (wenn auch nur sehr sehr selten hier bei mir), dieses haßerfüllte „…und ich gönne es euch!“, das erschreckt mich. Und das ist nicht etwa, weil es von primitiv denkenden Menschen kommt, die nicht differenzieren können, die keine Empathiefähigkeit haben oder einen sehr engen Horizont. Bestimmt kann man überall auf der Welt solche Leute finden und von ihnen Haß-Statements hören, nichts dürfte leichter sein.

Doch von gebildeten, sozial engagierten, empathiefähigen Menschen diesen bebenden Haß zu hören, das erschreckt mich. Von Menschen, die liebevoll jedes geknickte Blättchen in ihrem Garten aufbinden, jeder Erdkröte energisch zu ihrem Biotop verhelfen – von Menschen, die für Hungernde spenden, sich gegen Unrecht engagieren, Menschen, die jeder Pfarrer gern in seiner Gemeinde sieht, weil sie kein Unrecht ertragen und bereit sind, sich einzusetzen – von denen kommt dann so eine übelriechende Häme.

Und sie kommt nur gegen Israel. Ich irre mich vielleicht, aber ich habe große Zweifel, ob irgendeine andere Gruppe auf der Welt solche Haßgefühle auslöst wie gerade Israel. Ich sehe nicht, daß zu anderen Themen oder Konflikten oder ungelösten Problemen so emotionale, aufgerührte, geradezu entfesselte Haßorgien kommen. Das schafft irgendwie nur der Nahostkonflikt, und wenn Yair Lapid es nicht kapiert, wie sollte ich das kapieren?

Diese Häme ruft unseren Toten ins Grab nach: „ich gönne es euch, ihr seid es selbst schuld, recht geschieht es euch“. Und das macht mich sprachlos. Ich weiß nicht, ob ich auf so etwas überhaupt antworten soll, oder nicht einfach mein Blog schließen soll, weil ich zu empfindlich für solche einfach nur bösen Worte bin, besonders, wenn ich in akuter Sorge und Angst bin. Ich hatte für einen Moment so eine Vision, daß uns etwas geschieht, und ich höre sie nicht nur im Libanon und im Gazastreifen lachen und Baklava kauen, sondern auch in meinem Heimatland. Triumph, Triumph!

Ich hoffe und bete nach wie vor, daß nichts in der Welt mich zu so zitterndem, bösem, hämischem Haß bewegen wird, nie. Gegen niemand. Ich hoffe und bete, daß ich weiter Mitleid empfinden kann mit anderen Opfern, die in diesen Konflikt verstrickt sind. Ich weiß nicht, was es ist, das gute, zivilsierte Menschen dazu bewegt, uns so stark und heftig und übelwollend zu hassen. Das sind Abgründe, die mich tiefer erschrecken als eine Rakete, die ein aufgehetzter Hisbollahmann auf mich richtet.