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Infam Januar 31, 2014, 20:45

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ist das einzig zutreffende Wort. 

Von wegen Privatleben: Der Sohn des israelischen Premiers hat sich verliebt, und die Konservativen im Land gehen auf die Barrikaden. Falsche Nationalität – und falsche Rasse! Eine Reaktion, wie sie in keinem auch nur einigermaßen liberalen Land denkbar wäre.

Niemand, auch nicht die verbohrtesten Kritiker des Privatlebens von Bibis Sohn (dessen Privatleben eben niemanden etwas angeht, weswegen ich dazu bisher nichts gesagt habe), hat auch nur ein Wort von RASSE gesagt.

Zum Mitschreiben an Herrn Follath: das Judentum ist keine Rasse, bezeichnet sich nicht als Rasse und definiert andere Menschen nicht nach ihrer Rasse. Das Wort Rasse (geza) in Zusammenhang mit Judentum wird nur von Rassisten benutzt. Juden bezeichnen das Judentum als leom und dat, also als ethnische Zugehörigkeit und als Religion.

Wer Juden unterstellt, sich von anderen „rassisch“ zu unterscheiden, der ist Rassist.

Daß es religiöse Juden gibt, die starke Vorurteile gegen Heiraten von Juden und Nichtjuden haben, ist ungefähr so eine große Sensation wie die Tatsache, daß der Thronfolger der Königin von England seine Ansprüche auf den Thron verlöre, wenn er sich katholisch verheiraten würde.

Da sich bei Juden, einer ethno-religiösen Gruppe, das Judentum matrilinear vererbt, betrachten eben manche Juden eine Ehe wie die meine mit Abscheu, Abneigung oder Sorge, je nach Temperament, weil sie wissen, daß aus sehr vielen gemischten Ehen Nachwuchs hervorgeht, der nicht mehr jüdisch ist. Ihnen liegt daran, daß das Judentum nicht verschwindet. So wie Drusen und Tscherkessen ebenfalls nicht „nach draußen“ heiraten. Und bei ihnen gibt es nicht mal die Konversion, die im Judentum möglich ist.

Juden leben im Bewußtsein, ein kleines Volk zu sein, seit Generationen bedroht zu sein, und halten darum an ihren Traditionen  und ihrer Identität fester, als es im Moment dem Zeitgeist entspricht. (Obwohl ich genügend christliche Familien kenne, in denen die Einheirat eines Menschen mit einer anderen Religion oder nur Konfession schon ein mittelgroßes Beben auslöst.) Daß mancher dabei abfällig über Nichtjuden spricht (obwohl er sich dagegen verwahren würde, wenn jemand ähnlich abfällig über Juden spräche), daß also Juden nicht weniger anfällig sind für doppelte Maßstäbe als andere, ist mir auch aufgefallen, aber warum sollte ich von Juden mehr erwarten als von anderen Menschen?

Man mag, wie es viele säkulare Israelis tun, die jüdische Identität mit einer israelischen ersetzt haben und darum die ganze Frage von gemischten Ehen anders sehen als die Stimmen, die Follath zitiert. Man mag es auch, wie ich, ungehörig finden, eine öffentliche Diskussion über einen jungen Mann zu führen, der zufällig Sohn eines Politikers ist und der niemandem Rechenschaft schuldet.

Man könnte sich auch mal fragen, ob dieser Sturm im Wasserglas um Yair Netanyahu nicht einfach dadurch ausgelöst wurde, daß Netanyahu im Moment ziemlich unter Druck von allen Seiten steht und jede offene Flanke, ob echte oder scheinbare, seinen Gegnern nutzen kann. Wer ihn heute seines Sohns wegen angreift, rechnet vielleicht auf eine Schwächung Netanyahus und eine Stärkung der eigenen Position, wenn es um die Zugeständnisse geht, die Netanyahu den Palästinensern wird machen müssen. Damit man sich dann als Retter der Nation präsentieren kann, Netanyahu dagegen als ihren Untergang.

Chagai Ben-Artzi jedenfalls, den Follath zitiert, hat seine Schwester und seinen Schwager mehrmals öffentlich angegriffen, und man fragt sich, warum er sowas tut, warum er so offen verletzende Worte seinem Neffen gegenüber benutzt, und was es die Öffentlichkeit angeht. Er ist wohl kaum repräsentativ – und auch er hat das Wort Rasse nicht benutzt. Das bleibt einem Rassisten wie Follath vorbehalten.

Unsere Friedenspartner Januar 27, 2014, 10:45

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…mit denen wir, so wollen es Kerry, Blair, Ashton, Ban Ki Moon und Merkel, einen dauerhaften Frieden schließen sollen, natürlich mit weitgehenden Zugeständnissen. Mut zum Risiko! Sie meinen es nicht so! ruft die Welt, droht Israel mit Boykott-Aktionen und beschwört „letzte Gelegenheiten“, wie so oft.

Unterdessen tanzen, singen und springen unsere Friedenspartner, die Fatach des großväterlich lächelnden, wohlwollenden Abu Mazen, und stellen hübsche, optimistisch stimmende Filmchen auf ihre Facebook-Seite.

Warum die Medien das nicht für erwähnenswert halten? Keine Ahnung. Aber wer möchte schon gern die Friedens-Party kaputtnörgeln?

(Quelle: The Tower)

Und extra für Ludwig und andere Friedens-Fans, die bohrend nachfragen, warum wir denn nicht schon längst kapituliert haben: ein Link zur Facebook-Seite der Fatach.

Ich habe dort ein paar Bilder gesehen, deren Interpretation durch Friedens-Experten wie Ludwig ich mit Spannung entgegensehe.

In den hier dargstellten Karten – wo genau befindet sich Israel? Welche Friedenszeichen, außer Handgranate und Maschinengewehr, sind dargestellt? Wo ist die Vision eines friedlichen Zusammenlebens zweier gleichberechtigter Staaten, die politisch, wirtschaftlich und akademisch kooperieren? Wo sind Hinweise auf Kompromisse oder Anerkennung des Friedenspartners?

Woher speist sich der grenzenlose Optimismus, mit dem Israel dazu genötigt werden soll, gefährliche territoriale Kompromisse einzugehen, während die andere Seite solche Visionen hat, feiert und verbreitet?

Was nützt es mir, daß meine Vorstellung eines gerechten Friedens im Nahen Osten gar nicht weit von Ludwigs entfernt ist, wenn aber unser Gegenüber DIESE Vorstellungen hat? Es ist möglich und erlaubt, von einem solchen Frieden samt Kooperation zu träumen. Aber darüber die Wirklichkeit ganz aus den Augen verlieren? Das kann sich ein Ludwig leisten. Aber wir nicht.

Die Nachrichten aus Syrien Januar 21, 2014, 19:31

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sind zu grauenhaft und bedrückend, man hält es kaum aus. Daß Häftlinge systematisch zu Tode gefoltert werden – das war bekannt, ich weiß nicht, wer es noch nicht wußte. Und das hat nicht erst neulich angefangen. Daß die Macht des Assad-Clans mit brutaler Gewalt aufechterhalten wird, war doch allgemein bekannt. Und daß die Gegner Assads islamistische Schlächter sind, macht die ganze Sache nicht besser. Die Grausamkeit der „arabischen Brüder“ untereinander läßt mich nur hoffen, daß wir wirklich nie in ihre Hände fallen.

Aber angesichts von Bildern lassen sich vielleicht Menschen überzeugen, die, vom Charme der Assads bestrickt, ihn bisher für einen aufgeklärt-wohlwollenden Beinahe-Demokraten hielten? Vielleicht tut ja jetzt mal jemand was?

Und die Kollateralschäden in Form von toten Zivilisten und toten Palästinensern? Wer zählt sie? Im Yarmouk-Flüchtlingslager sind vierzig Menschen verhungert  oder an Krankheiten gestorben. Weitere Menschen liegen im Sterben. Dort haben Kämpfe getobt, viele sind geflohen, aber wohin? Es ist gemein und schrecklich, angesichts des Leids solche Gedanken zu haben, aber sie drängen sich auf: das Leben eines Palästinensers ist nichts wert, wenn er nicht als Waffe im Kampf gegen Israel taugen kann. Wenn er einfach nur unter die Räder eines inner-arabischen Konflikts gekommen ist – dann hat er Pech gehabt.

Mittlerweile suchen über eine halbe Million syrische Flüchtlinge Schutz in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak. Wer kann, flieht um sein Leben zu retten. Die Palästinenser aber können nicht fliehen. Die Solidarität der Nachbarländer gegenüber den Flüchtlingen stößt bei den Palästinensern an ihre Grenzen. Sie wehren sich dagegen, dass die Palästinenser-Frage auf ihrem Gebiet ausgetragen wird. Vor allem Jordanien und Libanon beherbergen bereits große palästinensische Communities, was immer wieder Konflikte für das innergesellschaftliche Gleichgewicht mit sich brachte. Sie wollen nicht noch mehr staatenlose Palästinenser, die sie im Zweifel nicht mal zurückschieben können. Dennoch haben es mehr als 10.000 Palästinenser geschafft, nach Jordanien und in den Libanon zu fliehen. Dort können sie jedoch kaum überleben, denn sie werden mit ihren Schutzgesuchen gegenüber den anderen Flüchtlingen diskriminiert. Im Libanon müssen sie beispielsweise jede Woche Gebühren für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zahlen und werden vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) an das UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) verwiesen. Solche ungeklärten Zuständigkeiten machen den Zugang zu humanitärer Hilfe besonders schwierig.

In die Türkei können die Palästinenser, im Gegensatz zu den Syrern, in der Regel nicht Visa-frei einreisen und das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge aus dem Irak ist das jüngste Beispiel, dass sie es im Kriegsfall besonders schwer haben, Schutz in der Region zu finden.

Die Lage der Palästinenser ist wirklich grauenhaft. Glühende Reden über Solidarität zu Palästina können sie alle halten, aber Solidarität zum Konzept Palästina ist wohl nicht dasselbe wie Solidarität zu wirklich existierenden Palästinensern, die Schutz und Hilfe brauchen, die Essen brauchen, Medikamente, und ein Dach überm Kopf.

 

 

(Ich habe den Artikel über die Palästinenser in Syrien verlinkt, trotz der typischen halbwahren Formulierung:

…Ihre Eltern und Großeltern waren unter den palästinensischen Flüchtlingen, die nach der Staatsgründung Israels 1948 und während des Sechs-Tage-Kriegs 1967 Hals über Kopf ihre Heimat verließen …

Diese Formulierung suggeriert, daß die Staatsgründung die Araber im neuen Staat Israel zu Flüchtlingen gemacht hat. Dabei war es der Krieg, in dem viele Araber aktiv Partei für die angreifenden arabischen Armeen ergriffen, und in dem leider auch komplett Unschuldige ihre Heimat verloren.)

(Falls sich jemand für Jordanien interessiert: hier ist ein ganz interessanter Artikel, wieweit er allerdings zutrifft, weiß ich nicht.)

Und so geht es weiter Januar 20, 2014, 22:12

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Heute: zwei Raketen auf Eilat. Heute früh: eine Rakete auf Shaar ha Negev. Auch am Shabat fiel dort eine Rakete.

Bisher wieder mal, tfu tfu tfu, riesiges Glück gehabt. Keiner ist zu Schaden gekommen.

Was sind das für Menschen, die wieder mit steigendem Tempo Raketen auf Wohngebiete von Zivilisten feuern, in der Hoffnung, daß jemand, irgendjemand, die Rakete abkriegt?

Wurst wider Wurst wider noch mehr Wurst Januar 19, 2014, 8:42

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Danny Ayalon hat ja schon länger per Youtube versucht, Informationen zu verbreiten oder wenigstens zum Nachdenken anzuregen, wo sonst auf Halb- oder Unwissen gestützte Vorurteile der beliebten „Israel-Kritik“ Material liefern. In diesem Clip nimmt er die „Grenze von 1967“ zur Brust, weder Grenze noch 1967, und die „besetzten Gebiete“.

Zwei junge Araberinnen haben eine Antwort darauf abgeliefert.

Da sie sich darauf beschränken, sich über Ayalon lustig zu machen und erstaunte Gesichter zu ziehen, ohne richtige Gegenargumente zu finden, war es ein leichtes für Joniversity, ihren Clip auseinanderzunehmen. Seine Manierismen nerven ein bißchen, mir tun die Stimmbänder beim Zuhören weh… aber sachlich hat er die Fakten auf seiner Seite.

Mal gucken, ob es mal eine arabische Antwort gibt, die echte Argumente benutzt. Bis dahin ist diese kleine Serie für Leute, die in manchen Punkten gern nachplappern, was in der taz steht, eine Nachhilfe in historischen Tatsachen. Selbst wenn man Ayalons politischen Standpunkt nicht teilt, sollte man doch die Geschichte des Konflikts ein bißchen besser kennen als aus dem „palästinensischen Narrativ“, das überall herumgeblökt wird, als wäre es die lautere Wahrheit.

(Wie so oft habe ich diesen Clip bei EoZ entdeckt – Ayalons kannte ich schon vorher, und die beiden „chicks“ habe ich hier irgendwo sogar mal im Fernsehen gesehen, wenn ich nicht ganz verkehrt liege…)

Eine Blog-Kategorie belebt sich Januar 19, 2014, 7:48

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Fällt es Euch auch auf? Die Qassam-und-Grad-Ticker-Kategorie wird wieder lebhafter. Das gefällt mir nicht.

In Shaar ha Negev war Alarm, die Rakete ist aber in unbewohntem Gebiet gefallen. Donnerstag die Raketen auf Ashkelon. Am Montag die Raketen in Anschluß an Sharons Beerdigung.

Was bedeutet das? Wie schon erwähnt – es bedeutet eine Eskalation. Aber was bedeutet das für die Menschen da unten (wo wir Freunde und Verwandte haben)?

Gitty könnte es einem erzählen. Gitty ist acht Jahre alt und lebt in Ashdod. Und sie ist verängstigt und traumatisiert. Wenn man liest, was sie und ihre Geschwister erlebt haben, möchte man fragen: ja warum ziehen die Eltern nicht einfach weg aus Ashdod? Ja, warum wohl?

Erstens, wo sollen sie hin? Wie heißt noch mal der Ort in Israel, der noch nie beschossen wurde und der auch nicht erreichbar ist für Raketen? Ach ja, stimmt ja, den gibt es nicht. Hinter unserem Haus ist ja auch die alte Einschlagstelle einer Rakete noch sichtbar, und jederzeit kann eine neue kommen (seit August sheket, tfu tfu tfu). Israelis sind überall und jederzeit Zielscheiben.

Zweitens, was soll aus Ashdod werden? Alle Leute in Ashdod haben Kinder. Sollen die nun alle wegziehen? Der ganze Süden entvölkert werden? Und dann? Soll ganz Israel sich auf einer Verkehrsinsel in der Mitte von Tel Aviv drängen und darauf warten, von guten Freunden per Hubschrauber aus dem Land gerettet zu werden? Ach ja, von welchen guten Freunden noch mal? und wohin genau?

Es geht nicht. Entweder es gibt Israel und wir haben ein Recht, hier zu leben, und dann sind Raketenangriffe inakzeptabel. Oder wir akzeptieren die Raketen, wehren uns nur mit Iron Dome und ziehen uns zurück.

Es ist klar, welche Haltung die richtige ist.

Yaalon hat bisher die Strategie des sofortigen Gegenschlags verfolgt. Mehr Erfolg als Barak mit Zuwarten im Aufhalten der Eskalation kann ich bisher nicht beobachten, aber das mag täuschen.

Der schleichende Anstieg der „Raketen ins Nichts“ jedenfalls, konsequent beschwiegen in internationalen Medien, bedeutet nichts Gutes. Und mir ist sehr unwohl dabei. Gittys wegen, und überhaupt.

Wenige Stunden später: und die israelische Reaktion bleibt nicht aus.

Krächz, hust, schnüffel Januar 17, 2014, 22:44

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Was sagt uns das? Eine Flut von Inflektiven. Jawohl, wir waren die ganze Woche krank. Deswegen habe ich zwischendurch auch viel geschrieben. Als mir danach war.

Es ist doch wie verhext. Quarta bringt die Viren aus der Schule mit, ihr Vater bringt aus der Firma  feine neue Varianten mit, Primus und ich tragen auch was dazu bei… und dann liegen wir alle auf der Nase, vermutlich Opfer einer neuen, von uns erzeugten Virus-Mutation. Tertia hat´s diesmal verschont, doch Secundus war fern von uns ebenfalls krank. Oft fällt mir auch auf, daß meine Mutter und ich gleichzeitig krank werden, ich weiß nicht, wie das genau funktioniert.

Ich habe am Montag sogar noch unterrichtet, stockheiser und mit Fieber, aber gegen Semesterende konnte ich nicht einfach fehlen – der Stoff muß rein, sonst wissen sie am Ende nicht, was eine gotische Kathedrale ist. Das war aber doch ein Fehler, zwischendurch blieb die Stimme ganz weg und die Luft auch, und eine Studentin brachte mir Wasser. Sie guckten mich ganz hoffnungsfroh an und meinten, ob ich nicht ne Pause brauchte…? Nein, noch zwei Kirchen waren übrig, und die habe ich auch geschafft.

Den Rest der Woche habe ich dann krankgefeiert, Quarta ebenfalls, Primus hatte es gerade hinter sich und Y. fing vorgestern an.

Na ja, wir trinken alle in rauhen, unbeschreiblichen Mengen Ingwer-Zitrone-Honig-Mischungen in heißem Wasser. Ob es gegen irgendwas hilft, weiß ich nicht, aber es schmeckt sehr sehr gut. (Falls der Husten bei einem von uns schlimm wird, mach ich Pauls Zwiebelsirup, Ehrenwort.) Und jetzt sind wir alle wieder auf dem Weg der Besserung, klingen wie der Rabe Abraxas und schonen uns. Was doch auch mal schön ist.

Von daher: ächz, keuch, schlürf.

Sursum corda Januar 15, 2014, 20:21

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Zugegeben, das hatte ich nicht erwartet – ein Bericht im SPon (und vermutlich auch in anderen deutschen Medien, die zu durchkämmen ich jetzt echt zu faul bin…) über eine Talent-Show in Israel und deren Gewinnerin.

Triumph bei „X Factor“: Philippinische Altenpflegerin erobert die Herzen der Israelis

Eine philippinische Altenpflegerin hat die israelische Version des Gesangswettbewerbs „X Factor“ gewonnen. Die nur 1,50 Meter große Rose Fostanes überraschte Millionen Israelis mit ihrer kräftigen und zugleich gefühlvollen Stimme, und die Jury-Mitglieder waren begeistert. Am Dienstagabend setzte sich die 47-Jährige unter anderem mit „My Way“ von Frank Sinatra gegen die drei anderen Finalisten durch.

Ich war überrascht. Von dieser Casting-Show hatte ich nichts mitgekriegt, außer ein paar Teasern, aber da ich Werbung aller Art auf stumm stelle, kann ich die verschiedenen Sendungen nicht auseinanderhalten. Meine Jüngste jedoch ist gut informiert, und da ich treu meinem Grundsatz „pick your battles“ nur Container- und Ekel-Shows verboten habe, wußte ich, daß sie die beste Adresse ist, um den Wahrheitsgehalt dieser Meldung zu überprüfen.

Ja, sie hat die Show bei ihrer Freundin gesehen, und sie weiß auch, daß Rose gewonnen hat und daß sie lesbisch ist und mehrere von Quartas Freundinnen haben für sie gestimmt, obwohl sie nicht jung und hübsch ist, aber weil sie so schön singt.

Solche Geschichten haben ja immer ein dankbares Publikum, auch wenn ich sehr bezweifle, daß die Welt die vielen neuen Über-Nacht-Stars braucht, die ausdauernd produziert werden. Ich habe nie so eine Sendung gesehen außer Masterchef, und auch das nur, weil ich es so schön fand, wie der deutsche Teilnehmer Reibekuchen, Quarkbällchen und Sahnehering servierte. Oh, der deutsche Teilnehmer – der hat ja sogar gewonnen (und interessiert Israelis noch immer). Gut, er kocht koscher und lebt als mitzvot-verpflichteter Jude, aber nicht deswegen ist er zum Koch-König gekrönt worden – sonst hätte seine Mitbewerberin gewinnen müssen, die alle Messer vor dem Benutzen flämmte, um sie zu koschern. Und die dritte Finalistin war, wie ich ja auch hier erzählt habe, eine moslemische Araberin.

Hm, man muß also weder Jude noch Israeli sein, um in Israel Publikumsliebling zu werden. Und war da nicht auch irgendeine Show, die von einer Araberin gewonnen wurde? Was Quarta nicht weiß, weiß Google. Gab es. Gekrönt wurde sie von dem mir unausstehlichen Eyal Golan, aber Publikumsliebling ist (war???? ist ja schon ein paar Monate her…) sie wohl trotzdem.

Gut, bei der Schwemme der Talent-, Casting-, Reality-, Reinfall- und Rausschmeiß-Shows machen drei Schwalben noch keinen Frühling und keinen Trend. Aber immerhin zeigt es, daß die Israelis, die in ihrem Ländchen ziemlich abgeschottet leben und nicht mal ausländische Autos auf der Straße sehen, trotzdem nicht so provinziell sind, wie sie manchmal wirken.

Das ist nett. Noch netter ist, daß es auch ausländischen Medien auffällt (obwohl: wenn es normal wäre, würde niemand es melden, auch ich nicht…). Und am aller-nettesten: guckt Euch noch mal die Schlagzeile an.

Philippinische Altenpflegerin erobert die Herzen der Israelis

Israelis haben Herzen!

Nicht mehr live… Januar 14, 2014, 19:46

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… aber eine Ergänzung zu meinem Eintrag von vor ein paar Tagen. Nicht nur Channel 2 hat einen Reporter nach Umm el Fachm geschickt, um Volkes Stimme zum Thema „Liebermans Gebietstauch-Ideen“ zu hören, sondern auch Channel 10. Und jemand war nett genug, diesen Beitrag englisch zu untertiteln, so daß  man einen Eindruck davon bekommen kann, wie empört die Bewohner der Stadt sind, Palästina zugeschlagen zu werden.

Es gibt sie, die palästinensisch-israelische Identität, und warum nicht? Wenn selbst im islamistischen Umm el Fachm, das ja um Haaresbreite gar nicht zu Israel zugerechnet worden wäre, die Sympathien für Palästina so gering ausfallen… nun, dann kann es mit dem 1000mal schlimmeren Holocaust, den angeblich die Juden gegen die Palästinenser verüben, nicht sooo weit her sein.

Wann wohl mal ein deutscher Reporter die Reise wagt? R.C. Schneiders Hebräisch ist exzellent, er könnte das ohne weiteres mal probieren.

Ich höre übrigens sehr gern den mehr oder weniger hörbaren Anklang arabischer Aussprache, so wie ich auch sehr gern orientalische Juden sprechen höre. Ich wäre sehr stolz, ein richtiges chet oder ayin aussprechen zu können, aber meine europäische Kehle gibt es nicht her.

(My thanks to Aussie Davie for the link.)

Und ich habe noch einen Link gefunden, wo auch Said Abu Shakra spricht, dem Kurator der Galerie in Umm el Fachm. Er kommt aus einer Künstlerfamilie, ein Verwandter von ihm ist mein Kollege, und er hat Recht, wenn er sagt, daß die meisten Araber in Israel eine kulturelle Bereicherung sind. Daß es Terroristen unter ihnen gegeben hat und gibt, ist nicht Grund genug, das gesamte „Dreieck“ auszubürgern. Trotzdem ist die Diskussion, die Liebermans Versuchsballon wohl auch unter den palästinensischen Israelis ausgelöst hat, sinnvoll. Ganz ehrlich glaube ich nicht, daß Lieberman mehr damit im Sinne hatte.

Wir sind nicht immer einer Meinung… Januar 14, 2014, 16:46

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doch wo er Recht hat, hat er Recht.

2014 01 14 rohani twitter

Leider wahr Januar 14, 2014, 15:32

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Normalerweise taugt ja auch die taz eher, um meinem niedrigen Blutdruck auf die Beine zu helfen, jedoch gibt es auch Überraschungen, und die freuen mich desto mehr.

Im Januar 1976 verüben christliche Milizen ein Massaker im mehrheitlich von Armeniern und Kurden bewohnten, aber von der PLO kontrollierten Beiruter Stadtteil Karantina, kurz darauf massakriert die PLO die Bewohner des christlichen Dorfes Darmur, im August 1976 schlagen christliche Milizen im palästinensischen Flüchtlingslager Tel al-Zaatar zurück usw.

Die Opfer werden mit einigen hundert bis 1.500 beziffert. Dieses Abschlachten setzt sich fort, auch innerhalb derselben Bevölkerungsgruppe – die Falange gegen die Tiger-Miliz, die Hizbullah gegen die Amal usw.

Von all diesem Gemetzel ist heute nur ein Ereignis in Erinnerung: Sabra und Schatila, 1982. Das wird noch im selben Jahr von der Mehrheit der UN-Vollversammlung als Genozid verurteilt und steht heute auf einer Stufe mit Lidice und Oradour, mit Son My und Srebrenica.

Die anderen Ereignisse hingegen erregten schon damals kaum Aufmerksamkeit und sind heute (die Angehörigen der Opfer wohl ausgenommen) fast vergessen. Der Grund: In diesen Fällen war Israel nicht beteiligt. Auch die womöglich höhere Opferzahl von Sabra und Schatila erklärt den Hass auf Scharon nicht, denn dann müsste das jordanische Königshaus wegen des „Schwarzen Septembers“ noch verhasster sein.

Zu einem anderen Schluß kann man leider nicht kommen. Wenn von allen Gemetzeln, an denen der libanesische Bürgerkrieg leider sehr reich ist (und andere inner-arabische Auseianandersetzungen ebenso) nur das eine in Erinnerung geblieben ist, für das sich indirekt ein israelischer General beschuldigen läßt, dann läßt das tief blicken.

Darum wäre es vermutlich sinnvoll, all die, die beim Wort Sharon sofort Sabra und Shatila rufen, mal zu fragen: welche anderen Massaker im Libanon kennst du noch? Keines? Dann frag dich mal warum, und frag dich auch, wie es sein kann, daß du von den Medien, aus denen du doch deine Informationen beziehst, so selektiv unterrichtet wurdest und wirst.

Deniz Yücel legt den Finger in die Wunde, und ich danke ihm dafür. (Und nein – Sabra und Shatila ist damit weder gerechtfertigt, wie könnte man das?, noch kleingeredet. Aber die Instrumentalisierung der Opfer im rhetorischen Kampf gegen Israel, und die gleichzeitige vollkommene Gleichgültig Opfern gegenüber, die nicht Israel zuzurechnen sind, die ist zynisch und gemein.)

Kleinere Sehschwächen Januar 14, 2014, 14:24

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Werde ich nicht müde, mich über den SPon zu ärgern? Nein, das erhält mich jung, frisch und elastisch!

Guckt doch mal, wie objektiv und allumfassend dieser Bericht über Steinmeiers Aufenthalt in Israel ist. Das Wort „Problemzone“ wirkt dabei wie ein heiteres Zwinken in Richtung der Leserinnen – jede Frau weiß, daß „Problemzonen“ auch mit viel Aufwand, Kuren, Massagen, Diäten und Übungen niemals etwa anderes sein werden als „Problemzonen“ (ja mit zunehmendem Alter werden sie nur immer schlimmer).

In lockerem Ton erzählt uns Nelles (garantiert ene Rheinische Jong, wer heißt sonst schon Nelles?):

Für Überraschungen ist der Nahe Osten immer gut. Eigentlich wollte Neu-Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf seiner ersten Reise in die Region etliche Gespräche über den Nahost-Friedensprozess führen. Doch stattdessen fand er sich just an diesem Tag auf der langen Trauerfeier für Israels Ex-Ministerpräsident Ariel Scharon wieder.

Ausgerechnet Scharon. Freunde waren Steinmeier und Scharon nicht, sie waren sich höchstens ein oder zwei Mal begegnet.

Just an diesem Tage! Ausgerechnet Sharon! Na so eine Überraschung. Da staunt der Nelles, und der Steinmeier wundert sich.

Als Nelles jedoch auf die Verhandlungen zu sprechen kommt, wird er ernster und hat dieses gewisse Moralprediger-Vibrato, das besonders einem  deutschen Journalisten gut zu Gesichte steht.

Aber alle Seiten wissen auch: Für echte Fortschritte müssen beiden Seiten, Israelis wie Palästinenser, endlich Zugeständnisse machen. Die Streitfragen sind hinlänglich bekannt, etwa der Status von Jerusalem oder die Rückkehr der Flüchtlinge. Allein: Niemand will sich zuerst bewegen, jeder glaubt, vom anderen über den Tisch gezogen zu werden.

Bekanntlich hat ja Israel nie auch nur ein einziges Zugeständnis gemacht, keine Gefangenen freigelassen, niemals Gebiete geräumt, keine Friedensverträge geschlossen, keine Waffen an die palästinensische Polizei geliefert, niemals Siedlungen aufgelöst oder einen Siedlungsstopp implementiert… NIE.

Das Zögern Israels ist auch verwunderlich, weil ja die Palästinenser bisher alle ihre Verpflichtungen aufs Pünktchen erfüllt haben: die Hetze gegen Israel in Straßen, Schulen und Medien hat aufgehört, die Infrastruktur des Terrors ist aufgeräumt, die Palästinenser haben den Weg der Gewalt aufgegeben und verbreiten keine Lügen mehr. Nicht wahr?

Und was passiert, wenn es doch wieder keinen Vertrag gibt? Manche europäischen Staaten würden dann wohl auch Boykottmaßnahmen gegen Israel nicht mehr ausschließen. Aber so wie man Steinmeier kennt, wäre das nicht sein Weg. Und mit Angela Merkel, der großen Freundin Israels, wäre das ohnehin nicht zu machen.

Höre ich hier einen Unterton des Bedauerns?

Wie weit der Weg zu einem echten Frieden in Nahost ist, konnte Steinmeier bei der Trauerfeier erleben. Bevor die Zeremonie in der Negev-Wüste begann, warnte die israelische Armee die Hamas vor dem Einsatz von Raketen. Und: Von arabischen Führern war natürlich weit und breit nichts zu sehen.

Also sprach Nelles und setzte den Schlußpunkt unter sein Stücklein.

Welches kleine Detail vergaß er jedoch zu erwähnen?

Only a short time after leaders from Israel and the world left the northern Negev ranch where former Prime Minister Ariel Sharonwas laid to rest, two rockets were launched at the area. There were no injuries or damage reported.

At roughly 4 pm, two rockets were fired from the Gaza Strip towards Israel and landed in an open field in the vicinity of the Gaza border fence, only a few kilometers from where US Vice President Joe Biden and former UK Prime Minister Tony Blair had just eulogized Sharon.

Warum sich mit Kinkerlitzchen abgeben? Merke: Friedensblockierer und damit echte Zielscheiben für Boykott und Strafen sind die Israelis mit ihrem Bock und ihren Sicherheitsforderungen und der Forderung, unerhört!, Freiheit der Wohnortwahl auch auf Juden auszudehnen. Raketen, Bomben und Morde dagegen, vulgo Terror, sind dagegen einfach irrelevant. Mer moß ooch jönne könne, Jung.

Einen starken Magen Januar 12, 2014, 0:11

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braucht man für die Lektüre von EoZ´s Zusammfassung der palästinensischen Reaktionen auf Sharons Tod. Schamloser Jubel, das Verteilen von Süßigkeiten und die Behauptung, Sharon hätte Arafat ermordet, kommen darin in tragenden Rollen vor.

Für einen Moment denke ich: und wenn wir jetzt den Palästinensern vorwerfen, sie hätten Sharon ermordet? mit einem gaaanz seltenen Gift….? das wir erst in zehn Jahren auf einem alten Taschentuch Sharons finden?

Lächerlich. Keiner würde es glauben. Weil aus Sharons medizinischem Zustand kein Geheimnis gemacht wurde. Arafat dagegen, mythenumwoben…

Ein weiteres.

Wer wird es übrigens mal übernehmen, deutschen Journalisten zu erklären, daß Sharons Besuch auf dem Tempelberg genehmigt war, daß er damals ein abgehalfterter und recht unwichtiger Oppositionspolitiker war, und daß Arafat, wie selbst Suha zugibt, die Intifada II schon längst vorher geplant hatte…? Es ist wohl hoffnungslos. Das ist wohl die eiserne Glaubensreserve deutscher Journalisten. Und wenn sie sonst an nichts mehr glauben, nicht Tod noch Teufel noch auch Homöopathie – an Sharon als Auslöser der Intifada, da glauben sie fest dran.

SPon:

Paradoxes und zynisches Kalkül war Teil seines Lebens: Den Aufstand hatte er als Oppositionspolitiker mit seinem 45-minütigen Besuch auf dem Haram al-Scharif, dem Tempelberg, selbst ausgelöst.

Tagesschau:

Die Palästinenser behalten Scharon als politischen Hardliner und Provokateur in Erinnerung: Sein Gang auf den Jerusalemer Tempelberg im Jahr 2000 gilt mit als Auslöser der zweiten Intifada – des palästinensischen Volksaufstandes.

n-tv:

Als besondere Provokation empfanden die Palästinenser einen Besuch des damaligen Oppositionspolitikers im September 2000 auf dem Muslimen wie Juden heiligen Tempelberg (Haram al-Scharif) in der Altstadt von Jerusalem. Die Unruhen mündeten in einen bewaffneten Aufstand der Palästinenser, der Intifada.

Vorsichtiger Gil Yaron, der es ja besser wissen sollte, in der ZEIT:

„Erobert jede Hügelspitze. Jeder Ort, an dem wir jetzt bauen, wird eines Tages uns gehören“, trieb er seine Anhänger an. Diese Gebietsansprüche brachte er auch im September 2000 zum Ausdruck, als er als Oppositionsführer demonstrativ den Tempelberg in Jerusalem besuchte, während Israelis und Palästinenser über eine Teilung der Stadt verhandelten. Kurz danach – manche glauben gar deswegen – brach die zweite Intifada aus.

Die taz:

Zu diesem Zeitpunkt wütete die Zweite Intifada, die Scharon selbst mit ausgelöst hatte, als er umgeben von hunderten Sicherheitsleuten den Tempelberg besuchte.

Die Süddeutsche (note bene das Wörtchen Vorwand):

Den Gipfel der Unpopularität erzielte Scharon am 28. September 2000, als er, geschützt von einer Armada von mehreren Hundert Polizisten und Grenzschutzbeamten, auf der Esplanade des Tempelbergs spazieren ging – auf jenem Ort, der Muslimen heilig ist, nicht Juden. Die provokante Visite zwischen Felsendom und Al-Aksa-Moschee, die den Palästinensern und Jassir Arafat einen Vorwand für ihre zweite Intifada lieferte, verhalf Scharon zum höchsten Regierungsamt.

Frankfurter Rundschau:

Als besondere Provokation empfanden die Palästinenser einen Besuch des damaligen Oppositionspolitikers im September 2000 auf dem Muslimen wie Juden heiligen Tempelberg (Haram al-Scharif) in der Alstadt von Jerusalem. Die Unruhen mündeten in einen bewaffneten Aufstand der Palästinenser (Zweite Intifada).

Ich weiß, sich zu informieren ist für Journalisten ja nur in den Fällen wichtig, in denen man nicht von vornherein schon weiß, was man zu berichten hat… aber ich trage nun mein Scherflein zur Volksaufklärung bei.

Dank an Claudio, der diesen Videoclip verlinkt hat:

Und ich habe neulich schon Suhas Interview gezeigt:

Nun ist er also tot Januar 11, 2014, 23:41

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Arik melech-Yisrael. Einen sehr guten Nachruf hat Ulrich Sahm geschrieben – keine Überraschungen, das war klar. Ebenfalls sehr lesenswert – Claudio Casula.

Eine gute Zusammenfassung seines Charakters gab auch Amnon Abramovitch im Channel 2, im Sinne von: „Sharon war kein ideologischer Politiker, sondern ein Pragmatiker. Wenn er General war, wurden Kriege gewonnen, wenn er Minister für Wohnungsbau war, wurden Wohnungen und Siedlungen gebaut, wenn er Außenminister war, Friedensverhandlungen geführt, und wenn er Premierminister war, Siedlungen geräumt.“

Er hat so viele verschiedene Dinge in seinem Leben getan, daß sich jetzt jeder für seine Nachrufe aussuchen kann, was ihm ins Weltbild paßt.

Durch den Libanonkrieg I, besonders die Art, wie Sharon ihn ausgeweitet und zum Dauerzustand für eine ganze Generation gemacht hat, hat er auch das Leben dieser Generation beeinflußt – nicht zum Guten. (Stichwort Waltz with Bashir.) Die äußerst skeptische Haltung, die Y. Sharon gegenüber immer eingenommen hat, hat auch mich beeinflußt. Doch dieser Krieg war nicht das Ende der Karriere Sharons. Ich erinnere mich noch gut daran, wie gedemütigt und erledigt er aussah, als er mit Müh und Not ein Infrastruktur-Ministerium zusammengeschustert bekam. Doch er machte ein riesiges Comeback.

Es wird gern spekuliert, weswegen er Siedlungen geräumt hat, nachdem er jahrzehntelang hinter den Siedlern stand. Er ist nicht der einzige Eretz-Yisrael-ha-shlema-Politiker, der seine Meinung geändert hat – auch Ehud Olmert und Zippi Livni haben mal viel „rechter“ angefangen, als sie heute sind. War es das Zugeständnis an die Palästinenser und die Welt, um sich desto besser gegen eine Räumung der Gebiete in Judäa und Samaria, der Westbank, zu sträuben? Ich glaube es nicht. Die Zeit schien damals reif, sich einseitig oder im Einverständnis von den Palästinensern loszueisen.

Im Vergleich zu jüngeren Politikern wirkte Sharon immer wie ein Riese unter Zwergen. Seine wuchtige Gestalt, dazu das leicht verlegene Lächeln, die stets nervös zuckende Nase und ein Humor, der sich gern über sich selbst lustig machte – das genaue Gegenteil jüngerer Politiker, die eine gefällige Gestalt pflegen, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle haben und deren Sinn für Humor, so überhaupt vorhanden, präzise vor der eigenen Person haltmacht.

Heute abend wurde ein Interview mit ihm noch einmal gesendet, das ich vor ein paar Jahren gesehen habe, als es noch frisch war. Yair Lapid, damals noch Journalist, heute Finanzminister, stellt ihm ein paar triviale Fragen, auf die Sharon knapp und charakteristisch antwortet.

Lapid: Gibt es etwas, das nur wenige Menschen von Ihnen wissen?

Sharon (etwas verlegen): Ich gucke gern romantische Filme…

Lapid: Was, Pretty Woman und so Sachen?

Sharon: Ja…

Lapid: Wenn Sie ein Tier wären – was für eines?

Sharon (ohne zu zögern): Ein Löwe.

Lapid: Welche Schwächen haben Sie?

Sharon (blickt an sich herab): Na, man sieht mir meine Schwäche doch an… ich werde bei gewissen Nahrungsmitteln zu leicht schwach…

Es ist unvorstellbar, daß Netanyahu solche Antworten gegeben hätte oder Bugie Herzog oder Tzipi Livni.

Er wurde geschätzt und anerkannt, auch von politischen Gegnern. Umstritten war er immer. Und er wird fehlen. Auch wenn er schon acht Jahre fehlt – jetzt ist der endgültige Schlußpunkt gesetzt.

EXCLUSIVE PICTURE : Ariel Sharon Holding Sheep

 

(Allen ist klar, warum ich dieses Bild im Unterricht zeige? Deswegen und deswegen. Ikonographie!)

Live Januar 10, 2014, 20:50

Posted by Lila in Presseschau.
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Ich sehe gerade Nachrichten – eine Reportage aus Umm el Fachm, das ja nach Liebermans Plänen ausgetauscht werden soll mit dem Staat Palästina – was ja 1949 fast schon geschehen wäre. Reiner Zufall, daß die grüne Linie so verläuft, wie sie verläuft. Eigentlich Willkür, diese ganze Waffenstillstands-Linie.

Sehr interessante Reportage.

Anti-Zionist — aber Israeli, so definiert sich ein Arzt in Umm el Fachm. Er ist säkular. Die islamistische Bewegung ist stark in der Stadt – wie definieren sich Islamisten? Der Führer dieser Partei, der Scheich Raed Salach, weigert sich zwar, mit den israelischen Reportern zu sprechen, aber er möchte, genau wie seine Leute, Israeli bleiben. So erklärt der Scheich al Rachman, warum er gern in Israel lebt. Also, so richtig erklärt er es nicht. Aber er ist gegen den Land-Tausch. Auch seine Enkelkinder sollen Bürger des Staats Israel sein können, sagt er, und schiebt sie in Richtung Kamera.

Der Journalist, Dani Kushmaro, zeigt Ausschnitte aus Reportagen, die er früher gemacht hat. In Interviews, wenn arabische Politiker gefragt werden, ob sie etwas Gutes zu sagen wissen über den Staat Israel, dann sagen sie mit Überzeugung: nein. Nichts. (Chanan Zouabi z.B.). Nein, sie finden am Staat Israel nichts Positives zu sagen, nicht mal eine einzige Sache.

Kushmaro sitzt in einem Wohnzimmer, das wie ein Palästina-Museum aussieht, mit Flaggen, Karten und Bildern von ganz Palästina. Nein, sie wollen trotzdem Israelis bleiben und nicht Bürger des Staats Palästina werden. Die Idee des Herrn Agbaria, der dieses Wohnzimmer bewohnt: die Ein-Staaten-Lösung. Kushmaro: „und wie soll der eine Staat dann heißen?“ Agbaria: „Ach, das spielt doch keine Rolle.“ Kushmaro: „Du weißt, daß das sehr wohl eine Rolle spielt.“ Agbaria: „Na, nennen wir ihn Kopfschmerz-Staat.“ Immerhin eine originelle Idee. Medinat keev-rosh.

(Mein arabischer Gasmann hat ja mal gesagt: medinat ha-posot – der Staat der Posen…)

Eine Kindergärtnerin sieht die Kamera, kommt aus dem Kindergarten, stellt sich vor die Kamera und sagt: „ich bin sowieso stolze Palästinensen, aber ich lebe unter Israelis. Ich habe sogar eine israelische Freundin. Ich hasse euch nicht. Erziehe ich die Kinder zum Terrorismus? Nein, ich erziehe Kinder, die später die besten Ärzte Israels werden. Aber wir sind doch kein Jo-Jo. Lieberman möchte uns einfach nur rausschmeißen! Ich bin gegen seine Idee, komplett dagegen!“ Sie kann Lieberman nicht leiden. Ich auch nicht. Trotzdem nennt Riham Israelis „Israelis“ und „ihr“. Wäre sie wirklich ganz und gar Israelin – würde sie diese Worte wählen?

Schlußwort des Reporters: es ist problematisch und praktisch nicht durchführbar, Tausenden von Bürgern die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Liebermans Vorschlag wird wohl kaum zur Ausführung kommen. Aber er bringt doch eine Diskussion an die Oberfläche, die überfällig ist: die Einstellung des Staats zu seinen arabischen Bürgern. Und die Einstellung der arabischen Bürger zum Staat.

Harte Reaktionen Januar 9, 2014, 18:03

Posted by Lila in Presseschau, Qassamticker (incl. Gradraketen).
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Diesmal gibt es nicht die langsam ansteigende Kurve der Raketenangriffe aus dem Gazastreifen, bis die israelische Luftwaffe reagiert. Das war unter Barak, die havlaga, der Versuch, diese Angriffe zu beenden, ohne die Luftwaffe. Doch seit amud anan und noch mehr seit Yaalon Barak nachgefolgt ist, kommt der Luftschlag sofort nach dem Raketenangriff. (Drei Mörser heute früh.)

Ich bin ehrlich gesagt überfordert und ratlos, was nun das Richtige ist. Es ist ja immer dasselbe Muster. Als die Bewohner der Orte um den Gazastreifen herum Woche um Woche, Monat um Monat unter dem Beschuß litt und die Regierung und Armee erstmal nicht reagierten, wurde es ja auch nicht besser. Es wurde immer erst stiller, nachdem der Konflikt eskaliert war und Israel zu Waffengewalt gegriffen hatte. Das weiß ich. Aber ich finde es sehr bedrückend.

Ich hoffe, Yaalon hat den kühlen Kopf, den er braucht, um nicht in eine Eskalation gezogen zu werden, die außer Ruder läuft. Ich hoffe auch, die Aufklärung arbeitet gut, so daß keine Unschuldigen ums Leben kommen.

Aber das Beharren der Palästinenser, lieber Raketen zu bauen und abzuschießen statt im geräumten Gebiet nun endlich eine vernünftige Infrastruktur zu schaffen und eine selbständige Wirtschaft, läßt mich schwarzsehen in Bezug auf jede weitere Räumung.

Sie könnten genausogut auf jede Rakete schreiben: „das ist der Deal: ihr räumt, wir schießen“. Das ist der Effekt, den jede solche Rakete hat.

Fliegen keine Raketen – dann fliegen auch unsere Flugzeuge nicht.

Sharons Todeskampf Januar 9, 2014, 17:52

Posted by Lila in Land und Leute.
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wird in den letzten Wochen halb-öffentlich ausgetragen. Mit makabrer Regelmäßigkeit heißt es, daß er nur noch Tage, ja Stunden aushalten könne. Seine Söhne werden gefilmt, wenn sie ins Krankenhaus gehen. Alle wissen, wie es Sharons Nieren, seinem Herzen geht. Es erinnert mich an den Todeskampf eines Königs, auf dessen Ableben alle warten, weil dann ein neuer junger König bejubelt werden kann, und dessen Atemzüge darum von allen Umstehenden behorcht werden.

Doch Sharon ist schon acht Jahre nicht mehr aktiv, nicht mehr aktionsfähig. Es ist grausam, daß ein so aktiver Mensch so lange Jahre still in seinem Bett liegt.

Ich habe gemischte Gefühle Sharon als Politiker gegenüber. Als Vater aber war er wohl ganz besonders warmherzig und liebevoll – seine Söhne beweisen mit ihrer Anhänglichkeit, wie viel er ihnen bedeutet. Ich habe mehrere Bilder im Kopf, wenn ich an Sharon denke. Nicht alle davon habe ich gesehen. Manches habe ich gehört und gelesen, und es hat sich in meinem Kopf zu einem Bild geformt.

Niemand weiß, was Sharon in den letzten Jahren noch hören oder wahrnehmen konnte. Es ist beruhigend, daß seine Söhne sich ihm gegenüber immer so verhalten haben, als könnte er alles verstehen. Er hat aber trotzdem gelitten. Ich weiß nicht, was ich ihm wünsche. Das, was er gewollt hätte und will, das wünsche ich ihm auch.

Berührt, gerührt Januar 9, 2014, 12:40

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In der letzten Zeit waren wir ziemlich häufig im Kibbuz, und obwohl es mich immer noch seltsam berührt, nicht mehr hinzugehören, wo doch jeder Kieselstein mich bekannt anguckt, war es schön. Wir kriegen immer noch Post, die meine Schwiegermutter sammelt, und sie legt uns immer die kleine, lokale Kibbuz-Zeitschrift dazu. Die lesen wir auch immer.

Y. liest die Artikel über Entscheidungen aller möglichen Ausschüsse, die Berichte aus den einzelnen Arbeits-und Produktionszweigen und die Interviews mit interessanten Menschen. Ich gucke mir die Geburts-, Heirats- und Todesanzeigen an und lese kürzere Stücklein. Ich hab keine Geduld für lange hebräische Texte, obwohl ich es könnte – aber ich weiß ja, daß Y. mich hinterher unterrichten wird, welche Entscheidung in der Fabrik gefallen ist und wie viele Wohnungen die neue Siedlung umfassen wird und wer reinziehen wird.

Diesmal sah ich Y. lesen und mein Blick fiel auf die Seite, auf ein Bild. „Die kenne ich doch!,“ sagte ich, und Y. meinte, „ja, vom Bild her kennen wir sie“. Es war seine Urgroßmutter, die er nie kennengelernt hat. Was macht Urgroßmutter Golda im Kibbuz-Magazin?

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Y.s Urgroßmutter Golda – und ihr Sohn (der bei der Roten Armee diente und im Krieg fiel) mit seiner jungen Frau 

Endlich ist jemand auf die Idee gekommen, meine Schwiegermutter zu interviewen. Meine Schwiegermutter ist so ziemlich die freundlichste, ausgeglichenste und liebenswerteste Frau, die ich kenne. Ich will nicht sagen, die aller-liebenswerteste, denn auch meine Mutter ist aus purem Gold und ich bin mit mehreren herzensguten, weisen Tanten und auch Freundinnen gesegnet. Aber meine Schwiegermutter ist eine Klasse für sich.

als Baby in Polen

Schwiegermutter als Kind

Weil sie so still und stets freundlich ist, wird sie leicht übersehen. Nicht jeder weiß, wie klug sie ist und wie viel guten Rat man von ihr bekommt. Sie interessiert sich für vielerlei Dinge. Obwohl sie eine wirklich schwere Kindheit hatte (von der ich oft genug erzählt habe) und keine Ausbildung erhalten hat, die ihrer Intelligenz und ihren vielen Begabungen entsprochen hätte, ist sie nicht verbittert, sondern liest viel, interessiert sich für alles und macht sich ihre Gedanken.

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Y.s Eltern am Tag ihrer Hochzeit

Sie ist eine interessante Frau mit einer sehr traurigen Kindheits- und Familiengeschichte. Ich führe ja (in Kooperation mit mehreren Vettern und Cousinen der Schwiegermutter) den Familien-Stammbaum, und wir entdecken immer neue Einzelheiten.

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Nach Y.s Geburt

Nun also hat die kluge Frau, die für die Zeitung des kleinen Kibbuz interessante chaverim und chaverot vorstellt, meine Schwiegermutter erzählen lassen. Von ihrer Kindheit im Schatten des Holocaust, von den Familiengeheimnissen, die erst gelüftet wurden, als sie erwachsen war, von ihrer Jugend im Kibbuz, von ihrer Arbeit. Seit Jahrzehnten arbeitet meine Schwiegermutter in der Werkstatt für Alte und Kranke. Vorher hat sie viele Jahre in der Erziehung gearbeitet und in der Tat ist sie eine exzellente Erzieherin und versteht Kinder wirklich.

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Y. mit Eltern und Schwester

Ein paar Jahre durfte sie auch in dem Beruf arbeiten, den sie sich ausgesucht hat, den sie gelernt hat und in dem sie wirklich gut war – Schneiderei. Als ich in den Kibbuz kam, hatte sie ihre eigene Schneiderwerkstatt, für Menschen, denen normale Konfektionsgrößen nicht passen. Für die hat sie wunderbar kreativ geschneidert. Ihr Kostüm-Magazin ist in der ganzen Region bekannt. Das führt sie nach wie vor freiwillig weiter. Aber die Schneiderei – sobald der Kibbuz sie bei den Alten brauchte, wurde sie versetzt. So war das früher im Kibbuz. Da meine Schwiegermutter keinen Remmidemmi macht, sondern sich sofort in der neuen Arbeit zurechtfindet und die guten Seiten daran entdeckt, hat sie nicht protestiert. Aber genossen hat sie die Jahre, als sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnte. Das Brautkleid ihrer Tochter, von ihr entworfen und genäht, war für sie ein Höhepunkt ihres Lebens. Es war auch sehr schön und paßte so gut zu meiner Schwägerin. Sie sah zauberhaft aus, ganz sie selbs und nicht verkleidet.

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Y. mit Mutter, kleinem Bruder, seiner Schwester als Braut und ihrem Bräutigam

Ja, und so kamen mehrere Seiten über meine Schwiegermutter zustande, mit Bildern – als rachitisches Kind in Polen, als junges Mädchen, und heute. Ich sah die Bilder an und war ganz gerührt. Daß ich riesiges Glück mit Y.s Familie hatte, weiß ich ja immer schon. Nicht die Spur einer Trübung hat es in den ganzen langen Jahren gegeben, weder mit Schwiegervatern noch mit Schwiegermuttern. Sie haben mich von Anfang an herzlich aufgenommen und akzeptiert, und ich liebe sie dafür. Da meine eigene Mutter immer so weit weg war, war es eine riesige Erleichterung, bei Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit meine ruhige, stets optimistische Schwiegermutter zur Seite zu haben.

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mit Y. und sechs Enkeln

Zu meiner Schwägerin ist sie genauo nett – eine Säule der Familie ist sie. Sie hat auch zu ihrem geschiedenen Mann ein freundliches Verhältnis, hat sich nie mit jemandem verkracht. Jeder schätzt sie, jeder mag sie.

Aber daß endlich mal der ganze Kibbuz lesen kann, unter welchen Schatten sie großwurde, und was für eine wunderbare Persönlichkeit sie ist und wie viel Wärme und Freundlichkeit sie abstrahlt – das freut mich sehr, und ich bin auch stolz. Ja, Leute, das ist meine Schwiegermutter. Keine große Managerin, keine, die Reden in der VV hält. Aber eine, die über Jahre hinweg treu ihre Ehrenposten und ihre Arbeit erfüllt, eine, die sich an allem freut, was das Leben ihr geschenkt hat, und die nicht über das klagt, was das Leben ihr versagt oder genommen hat.

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mit meinen Mädchen

Ein großes Vorbild, meine Schwiegermutter. Zum Abschluß möchte ich zitieren, wie das Interview von der Verfasserin zusammengefaßt wird:

Meiner Meinung nach kann man auf D. das Sprichwort anwenden: „Wer ist reich? Der mit seinem Los zufrieden ist“. Sie ist herzensgut, optimistisch, läßt sich nicht verbittern, hilft gern anderen Menschen, und die anderen Menschen danken es ihr mit Liebe und Anerkennung.“

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mit dem jüngsten Enkelkind

Drinnen und draußen Januar 7, 2014, 10:10

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Wieder mal so eine hektische Phase – in den letzten Wochen habe ich sehr viele Vorträge gehalten, jedesmal zu einem anderen Thema, und als ich gestern den vorläufig letzten gehalten hatte, war ich richtig kaputt. Darum habe ich auch nicht so viel Zeit für Nachrichten und sonstiges, wie ich gern hätte. Manches kriege ich aber doch mit.

So hat Lieberman seine alte Idee wieder in den Ring geworfen: Gebietstausch mit den Palästinensern, so daß keiner sein Haus verlassen muß. Also z.B. Ariel gegen Wadi Ara.

Die Reaktionen zeigen, daß es Arabern in Israel sooo schlecht nicht gehen kann. Sie wollen es nämlich nicht.

Lieberman said he supported the option of a land and population exchange with the Palestinians, clarifying that he envisioned the transfer of the predominantly Arab „Triangle“ of communities and Wadi Ara, a main artery between central and northern Israelbordering the West Bank, in return for Jewish settlements in the West Bank.

But those living in the Arab-dominated region had a very different opinion.

Lawyer Revia Mahajna from the village Musmus in the Wadi Ara region, said he sees no problem in calling himself a Palestinian and wanting to stay in the State of Israel.

„From an historical perspective, I’m living on Palestinian land that was passed down from father to son way before the State of Israel was established, and on the other hand I have an Israeli identification card,“ he said. „I’m a Palestinian living in the State of Israel just like there are Palestinians living in Canada or Germany.“

Lawyer Alaa Atmanah from Kafr Kara said the foreign minister’s plan is offensive and not feasible.

„It’s a racist proposal,“ he said. „Most of the population won’t agree to give up their Israeli citizenship.“

Lawyer Jabar Jabrin from Umm al-Fahm said there are grave dangers buried within Lieberman’s arrangement.

„It will cause a third nakba, and we’ll be forced to fight the proposal in every way that we can,“ he said. „My brother lives in Nazareth, and we’ll end up being separated.“

Aber gleichzeitig verlangen, daß Juden aus Gegenden wegziehen, in denen seit Generationen Juden wohnen, das ist dann okay?

Die ganze Diskussion ist verquer und mehr von Mythen bestimmt als von historischen Tatsachen. Entweder Menschen haben ein Recht, sich ihren Wohnort frei auszusuchen, oder sie haben es nicht. Entweder ein Staat schützt die Rechte der Minderheiten, die in ihm leben, oder er tut es nicht. Warum Israel die Rechte der arabischen Minderheit schützt, ist vollkommen klar. Warum aber ein Staat Palästina dasselbe nicht leisten muß, ist unerklärlich.

Warum außerdem jemand, der in Um el Fachm lebt, von Nazareth getrennt würde, wenn seine Heimatstadt zu einem Staat Palästina gehört, ist mir nicht ganz klar. Warum sollte die Grenze nicht offen bleiben wie zwischen Aachen und Roermond?

Ach so. Klar. Die Grenze kann vielleicht nicht offen bleiben, wegen Terrorgefahr. Das wäre der einzige Grund, sie zu schließen. Aber das kann man ja wohl kaum Israel zur Last legen.

Ein weiteres Fragezeichen: wenn die moslemischen und christlichen Einwohner des „Dreiecks“ so gern in Israel leben wollen und nicht bereit sind, ihre israelische Staatsbürgerschaft aufzugeben (obwohl sie gern die palästinensische Flagge hissen…), warum strömen sie dann nicht zu Hunderten, um ihren Zivildienst abzuleisten? Sie sind von jedem Dienst befreit, im Gegensatz zu Juden, Drusen, Beduinen und Tscherkessen. Das wäre doch mal eine schöne Gelegenheit, ihre Zugehörigkeit zu demonstrieren, oder?

Kurz, die Diskussion, die Lieberman angestoßen hat, begleitet von großen Komplimenten für John Kerry und einem deutlichen weißen Schimmer in den Mundwinkeln (von der vielen Kreide, die er vorher gefressen hat), ist interessant und ich werde, sobald ich wieder etwas zur Ruhe kommen, verfolgen, was als nächstes kommt. Eine ehrliche Diskussion darüber, wer wann wo gelebt hat, ist jedenfalls in der ganzen Gegend überfällig. Ebenso die Frage, wer ist Palästinenser, und wer hat das Recht, ein Staatsbürger Palästinas zu werden? Und wer will es überhaupt? Bisher sind diese Fragen nicht richtig angesprochen worden.

Ich glaube nicht, daß Liebermans Plan umsetzbar ist. Aber ich glaube, daß er die arabischen Israelis zu genau solchen Statements provozieren will. Und damit hat er Recht. Denn es ist leicht, bei jeder Gelegenheit den tapferen Palästinenser zu spielen, während man die Vorteile des Lebens in einer Demokratie (mit  löcherigem, aber immerhin vorhandenen sozialen Netz, mit guter medizinischer Versorgung und exzellenten Bildungschancen) genießt. Dazu sollte man sich wenigstens bekennen – daß die Palästina-Flagge ein sentimentaler, folkloristischer Wandschmuck ist, aber keine wirkliche politische Ambition. Und daß man als arabischer Bürger Israels zwar nicht im Paradies lebt, aber immer noch besser als in anderen Ländern.

Zwei Meldungen Januar 7, 2014, 7:02

Posted by Lila in Presseschau.
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in deutschen Medien.

Eine groß aufgemacht. Flüchtlinge in Israel demonstrieren für ihre Rechte. Ich kann die deutsche Reaktion auf die Demo in Tel Aviv nicht besser kommentieren als auf Achse des Guten bereits geschehen:

Israel hat ein Flüchtlingsproblem, so wie Europa auch. Und trotz des von linken Journalisten propagierten Rassismus in Europa und in Israel treibt es die Flüchtlinge eigenartigerweise genau dorthin, wo der Rassismus besonders deutlich ausgeprägt ist: nach Israel. Da wundert es den einfach strukturierten Tagesschau-Zuschauer schon, warum die Flüchtlinge nicht in Ägypten oder Libyen bleiben oder gleich bis Syrien durchmarschieren, allesamt Beispiele für gelebte Demokratie, Frieden und Freiheit in der arabischen Welt. Warum muss es ausgerechnet Israel sein?

Der Bürgerkrieg in Syrien mit über 100.000 getöteten Menschen ist den Journalisten nicht mehr aufregend genug, da muss es schon eine Großdemonstration in Israel sein. Ob das damit zu tun hat, dass es für den Tagesschau-Reporter schlichtweg bequemer ist, in Tel Aviv vom Dach eines Hotels seinen Bericht zu senden, um pünktlich zur Happy Hour wieder in der Hotellobby zu sein, als in Aleppo in einer Ruine zu hausen?

Dazu fragt es sich doch, was dieselben deutschen Israel-Kritiker dazu sagen würden, wenn Flüchtlinge in Deutschland eine automatische Anerkennung ihres Asylantrags forderten – auch in Deutschland werden solche Anträge doch individuell behandelt und nicht als Gruppe. Es ist billig, das viel ärmere, kleine und bedrohte Israel wegen einer Problematik aufs Korn zu nehmen, die im großen, reichen, friedlichen Europa nicht besser gelöst ist.

Ja, das war die große Meldung in allen deutschen Medien.

Die kleine? Oh, die kleine hat es gar nicht erst in die deutschen Medien geschafft, die findet sich nur in israelischen. Warum sich mit Kinkerlitzchen das gute Gefühl der moralischen Überlegenheit kaputtmachen?

Nicht nur in Tel Aviv wird demonstriert. Manchmal auch in Berlin.