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Frühling Februar 25, 2017, 20:35

Posted by Lila in Persönliches.
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Wenn ich das nächste Mal die Runde ums Dörfchen mache, muß ich eine Kamera mitnehmen, es ist im Moment einfach zu schön draußen. Seit zwei Tagen sehe ich die brennend dunkelroten Anemonen (kalanit) aufgehen, die Gänseblümchen blühen schon länger, und auch die hübschen rosa Alpenveilchen (rakefet).

Wir wohnen im neueren Teil eines 40 Jahre alten Moshavs, einer sogenannten Erweiterung (harchava). Die alteingesessenen Moshavniks können die Grundstücke billiger erwerben. Alle Häuser sind also neu und schick, wir wohnen im bescheidensten Haus des ganzen Orts. Heute haben wir gesehen, daß der Hügelzug, auf dem wir wohnen, weiter erschlossen wird. Noch ist ein paar Häuser weiter von uns Schluß, Klippschlieferland, aber jetzt werden dort neue Grundstücke planiert und vorbereitet.

Wir haben eine schöne Runde gemacht, Y. und ich, es ist wirklich eine herrliche Gegend hier. Ohne Bilder kann ich euch viel erzählen, aber Bilder mach ich noch, versprochen. Der Frühling ist so intensiv und so schnell vorbei – vor ein paar Tagen war es nachts noch bitterkalt, jetzt spürt man schon die heißen, trockenen Ostwinde in der Luft, die hier im April und Mai typisch sind – schlimmer als die Sommerhitze, und der Tod für die wilden Blumen, die sich jetzt nach dem Regen ans Licht wagen. Deswegen freue ich mich über jede einzelne.

Heimatbesuch Februar 23, 2017, 20:04

Posted by Lila in Kinder.
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Primus kam heute für einen ganz kurzen kleinen Besuch. Es war so schön, als er plötzlich in der Tür stand. ich mußte ihn richtig boxen, um zu fühlen, daß er da ist. Zusammen gekocht, zusammen gegessen, zusammen Siedler von Catan gespielt. Dann habe ich mich kurz auf die Couch legen müssen (bin noch immer nicht fit, keine Ahnung, was das für ein fieser Möpp von einem Virus war!), und wie früher hatte ich meinen Spaß beim Zuhören.

Primus und Tertia sind ja nun beide Studeten, vergleichen ihre Klausuren und Vorlesungen, er erzählt von Buchhaltung, sie von Psychopathologie, und Quarta hat auch zu allem eine Meinung. Wie vor 20 Jahren wundere ich mich, wie schnell sie groß werden, eigene Ansichten und Talente haben. Ich würde ja gern sagen: spuckt mal nicht so große Töne, ich habe euch schon als Ultraschall gekannt!, aber das ist eben doch schon eine Weile her.

Nichts lehrt einen Menschen mehr Bescheidenheit als die Erziehung von Kindern. Wenn man sie aus dem Krankenhaus mit nach Hause nimmt, denkt man, so, jetzt geht die große Aufgabe los – Erziehung! Irgendwann erkennt man, daß man nicht viel dazugetan hat, außer für genügend Wasser, gute Erde und Schatten im Sommer zu sorgen. Aus dem kleinen Eichlein ist eine große Eiche geworden, aus der kleinen grünen Spitze eine Schwertlilie, und keines hätten wir zu Distel oder Gänseblümchen machen können. Wir hätten höchstens eine krumme Eiche, eine geknickte Schwertlilie herangezogen.

Ich ignoriere die Nachrichten wieder einmal bewußt, nicht mal die Wettervorhersage will ich hören. Welt, laß  mich in Ruhe, mach deinen Mist alleine, ich finde es alles schrecklich!, denke ich mir. Mal sehen, wann ich Zeit und Nerven habe, mich all den Hiobsbotschaften, falschen Hiobsbotschaften und der Wettervorhersage zu widmen.

Im Moment genieße ich wieder mal mein kleines Nest (auch wenn Secundus fehlt, der irgendwo in London arbeitet), und die erste Runde Siedler von Catan habe ICH gewonnen. Erstmals. Jawohl.

Shabat Februar 18, 2017, 22:49

Posted by Lila in Persönliches.
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war schön und friedlich. Ist das ein tolles Gefühl, nach zehn Tagen als hustendes Häuflein Elend wieder singen, springen und löweneckerchen zu können! Gerade fühlte ich mich tatendurstig und dachte, welchen Küchenschrank räum ich jetzt mal um?, da rief Y.s Tante an, ob wir Lust hätten, mit ihnen am Meer ein bißchen rumzulaufen.

Wir sind von Betzet bis Rosh Ha Niqra gelaufen, haben unten auf den Felsen gesessen, haben Tee getrunken und die herrliche klare Aussicht genossen. Bilder habe ich keine gemacht, aber auf dem kargen Boden wuchsen seidenzarte irusim, Nahariya lag nah und dunkelblau, und Haifa weit weg und hellblau.

Zum Schluß haben wir uns im libanesischen Restaurant in Shlomi, Arazim, an frischen Salaten (Fatoush, Taboule…) und Hummus delektiert. Y.s Tante ist nur zehn Jahre älter als ich, ihr Mann zehn Jahre älter als Y., und sie haben den Kibbuz zehn Jahre vor uns verlassen. Wir haben also im Abstand von zehn Jahren recht ähnliche Erfahrungen gemacht. Wir waren uns einig: es tut uns nicht leid, den Kibbuz verlassen zu haben. Obwohl wir uns dort zuhause gefühlt haben. (Onkel, reingeheiratet wie ich, wirft ein: ICH hab mich dort  nie zuhause gefühlt! Tante und Y. sofort und scharf: du bist ja auch MOSHAVNIK!)

Acht Jahre ist das jetzt her – und erst jetzt, wo Secundus auch raus ist, habe ich wirklich das Gefühl, die Verbindung ist gekappt. Trotz Schwiegermutter und Schwager, die ja noch dort wohnen.

Und jetzt habe ich noch schnell zwei Kuchen vorbereitet – morgen wird meine Jüngste achtzehn Jahre alt. Ein Kuchen muß mit in die Schule. Angeblich war der Kuchen letztes Jahr so unglaublich toll lecker, daß alle Freundinnen gesagt haben: ach Quarta, sag doch deiner Mutter, so einen Kuchen soll sie noch mal machen! Na schön, es ist ja nicht SO schwierig, Mütter rumzukriegen. Aber Quarta spielt in der Disziplin wirklich in der Weltspitze mit.

Morgen geht die Woche wieder los. Gut, daß der Shabat so ruhig war. Man weiß ja nie, was die Woche bringt, in diesen unruhigen Zeiten. Und der Küchenschrank kommt auch morgen noch dran.

Ein wichtiger Artikel Februar 15, 2017, 21:03

Posted by Lila in Presseschau.
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Manchmal frage ich mich ja selbst, ob ich spinne oder alle anderen. Wenn ich deutsche Medien lese zum Beispiel oder mich mit Deutschen unterhalte, die mit ihrer „ausgewogenen“ Haltung die irrsinnigsten Gleichsetzungen zustandebringen, ohne zu merken, daß sie irrsinnig sind.

Aber dann freut es mich, einen Artikel von jemand zu lesen, der von außerhalb auf uns alle blickt, und uns seine Erkenntnisse mitteilt – auch wenn die Erkenntnisse bitter sind.

Hunter Stuart ist ein amerikanischer Journalist, aufgewachsen im liberalen Ostküsten-Milieu, wo man selbstverständlich pro-palästinensisch denkt und das gesamte Nahostproblem als von Israel verursacht denkt. (Auch dort kommen, wie in Deutschland, die Meinungen in praktischen Sammelpackungen: wenn man für das Recht auf Abtreibung und Homo-Ehe ist, für sogenannte „linke“ Anliegen, dann ist man auch automatisch gegen Israel. Eigenes Nachdenken unnötig, ja unerwünscht. Wohlgemerkt: die Sammelpackung wird als „kritischer Bürger“ vermarktet.)

Nun, er hat angefangen, in Israel zu arbeiten und hat die Messer-Intifada aus nächster Nähe miterlebt. Er wäre in einer arabischen Gegend von Kindern und Jugendlichen fast gelyncht worden, weil sie ihn für einen yahud hielten,

As soon as I arrived, a Palestinian kid who was perhaps 13 years old pointed at me and shouted “Yehud!” which means “Jew” in Arabic. Immediately, a large group of his friends who’d been hanging out nearby were running toward me with a terrifying sparkle in their eyes. “Yehud! Yehud!” they shouted. I felt my heart start to pound. I shouted at them in Arabic “Ana mish yehud! Ana mish yehud!” (“I’m not Jewish, I’m not Jewish!”) over and over. I told them, also in Arabic, that I was an American journalist who “loved Palestine.” They calmed down after that, but the look in their eyes when they first saw me is something I’ll never forget. Later, at a house party in Amman, I met a Palestinian guy who’d grown up in Silwan. “If you were Jewish, they probably would have killed you,” he said.

und hat von vielen Palästinensern immer wieder zwei Dinge gehört: 1. daß die Juden hier nichts zu suchen haben und verschwinden sollen, und 2. daß es keinen islamischen Terror gibt, sondern hinter allem der Mossad und CIA stecken.

Langsam wandelte sich Stuarts Bereitschaft, auch die brutalste Gewalt gegen Juden bzw Israelis auf Biegen und Brechen zu rechtfertigen.

Being personally affected by the conflict caused me to question how forgiving I’d been of Palestinian violence previously. Liberals, human-rights groups and most of the media, though, continued to blame Israel for being attacked. Ban Ki-moon, for example, who at the time was the head of the United Nations, said in January 2016 ‒ as the streets of my neighborhood were stained with the blood of innocent Israeli civilians ‒ that it was “human nature to react to occupation.” In fact, there is no justification for killing someone, no matter what the political situation may or may not be, and Ban’s statement rankled me.

….

…even the kindest, most educated, upper-class Palestinians reject 100 percent of Israel ‒ not just the occupation of East Jerusalem and the West Bank. They simply will not be content with a two-state solution ‒ what they want is to return to their ancestral homes in Ramle and Jaffa and Haifa and other places in 1948 Israel, within the Green Line. And they want the Israelis who live there now to leave. They almost never speak of coexistence; they speak of expulsion, of taking back “their” land.

Ihr müßt den Artikel selbst lesen, er lohnt sich. Ich picke Euch nur ein paar Rosinen raus, die wiederholen, was ich seit Jahren immer wieder, immer wieder hier im Blog erklärt habe – und was mir viele Leser einfach nicht glauben wollten, weil sie genauso wie Stuart in ihrem „Narrativ“ gefangen waren. Daraus kann man nur ausbrechen, wenn man die Realität sieht.

If the Palestinians are given their own state in the West Bank, who’s to say they wouldn’t elect Hamas, an Islamist group committed to Israel’s destruction? That’s exactly what happened in Gaza in democratic elections in 2006. Fortunately, Gaza is somewhat isolated, and its geographic isolation ‒ plus the Israeli and Egyptian-imposed blockade ‒ limit the damage the group can do. But having them in control of the West Bank and half of Jerusalem is something Israel obviously doesn’t want. It would be suicide. And no country can be expected to consent to its own destruction.

Wie wenn man am Meer ist und die Wellen nicht hören kann, weil man per Kopfhörer irgendwelche Musik hört. Kopfhörer abnehmen, Wellen hören, ist mein Tip. Und in Bezug auf den Nahen Osten: aus dem Sammelpack übernommene Schlagworte und Pseudo-Erklärungen vergessen, Realität angucken und zwar gründlich.

Stuart hat es getan, und er ist auch heute nicht gegen die Palästinenser, ihre Anliegen und Rechte.  Aber er schluckt nicht mehr blind jedes Klischee, jede Behauptung und jede Anschuldigung gegen Israel. So sieht menschlicher Fortschritt aus.

Dan Shapiro Februar 15, 2017, 18:52

Posted by Lila in Presseschau, Uncategorized.
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war amerikanischer Botschafter unter Obama, also bis vor kurzem. Seit er nicht mehr offiziell sein muß, twittert er seine Meinung, die man nicht anders als fundiert nennen kann. Soeben hat er eine interessante Kette von Tweets zum Thema Zweistaatenlösung (2SS) losgelassen.

Nota bene: das von mir oft erwähnte, von deutschen Tagesschau-Gläubigen ebensooft bezweifelte oder übergangene Olmertsche Angebot – einer der Knackpunkte für einfache Leute wie mich.

Doch Shapiro weiß natürlich auch, wie es weiterging.

Nota bene, Tagesschau und andere Einäugige (no disrespect to real Einäugige of course) – nicht die USA und die Palästinenser waren es, die diese Lösung wollten, sondern die USA und Israel.

Ich persönlich glaube nicht, daß es sinnvoll wäre, die ganze Diskussion bei Adam und Eva wieder anzufangen. Eine Einstaatenlösung wirft unendlich viele neue Probleme auf – z.B. den Gazastreifen, die demographische Frage, innere Sicherheit… ein Faß ohne Boden.

Als Fernziel ist eine faire Zweistaatenlösung meiner unmaßgeblichen Meinung nach die beste Formel. Ich möchte, daß wir uns von den Palästinensern trennen, scheiden lassen, so daß sie uns nicht mehr verletzen können (wir sie natürlich auch nicht, aber daran hatten wir nie Interesse, wir schicken ja auch unsere Schulkinder nicht mit Messern, Araber abstechen). Und wie bereits gesagt – damit wir nach der Trennung ein neues, neutrales Verhältnis finden können. Zum Besten aller.

Ich möchte nicht noch meine Urenkel mit der Waffe durch Hebron trotten sehen. Allerdings befürworte ich auch keine ethnischen Reinigungen von Juden. Die Juden sind schon aus so vielen Orten vertrieben worden, warum auch aus ihrer ältesten Heimat, die so eng mit ihrer Überlieferung verknüpft ist? Sie sind von den Jordaniern daraus vertrieben worden nach 1948, und ich würde diese Vertreibung nicht wiederholt sehen wollen.

Aber ich würde für ein Modell Südholstein plädieren – so wie wir die Rechte der arabischen Mitbürger schützen, so sollte ein Staat Palästina die Rechte jüdischer Minderheiten garantieren.

Daß diese Selbstverständlichkeit von so vielen Deutschen, die sich als Demokraten empfinden, für unmöglich und unzumutbar erklärt wird, zeigt nur, wie gutgläubig sie sind – denn es gibt kein Argument dagegen außer einer heftigen Weigerung der Palästinenser. Und das reicht ja wohl nicht.

Ein nicht-demokratischer Staat Palästina sollte allerdings nicht errichtet werden, wir haben schon genügend Terrorstaaten, instabil und gefährlich. Aber ein demokratischer kann gar nicht anders als sowohl Minderheiten aufzunehmen und willkommen zu heißen als auch palästinensische Flüchtlinge aus anderen Ländern wie dem Libanon (was sie ja bisher verweigern). Ohne diese demokratische Offenheit für andere Religionen und Ethnien hat er keine Existenzberechtigung.

Aber wenn die Palästinenser es je schaffen werden, diesen demokratischen und offenen Staat auf die Beine zu stellen, der mit uns kooperiert und wirklich einen Schlußstrich zieht – dann wäre ich dafür, sie dabei zu unterstützen. Es spricht auch nichts dagegen, daß der andere Erbe des Palästina-Mandats der Briten, Jordanien, ein paar Quadratkilometer dazugibt, sie haben schließlich den bei weitem größten Brocken des Mandatsgebiets erhalten und haben Interesse daran, daß die Gegend stabil bleibt.

Niemand außer mir hat diese Idee je ins Spiel gebracht, und ich frage mich schon seit Jahr und Tag, warum eigentlich nicht? Jordanien und Israel sind die Erben des Mandats, das Palästinenserproblem ist unser gemeinsames, warum nicht es gemeinsam lösen?

Wenn Trump dazu Hilfestellung leistet, mit seiner Idee einer Nahost-Föderation, dann wäre ich positiv von ihm überrascht.

Und dann hätte Trump schon mal nicht umsonst gelebt.

So, ich siedle gleich mit meinem Ingwer-Zitronen-Getränk auf die Couch über und lasse mich überraschen.

 

 

Die Kinder Februar 15, 2017, 15:17

Posted by Lila in Persönliches.
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sind inzwischen endgültig erwachsen. Primus lebt im Ruhrpott mit seiner (israelischen) Freundin, beide studieren (die Freundin ist eine Heldin, sie hat in einem Jahr die deutsche Sprache bezwungen, daß man nur staunen kann). Es ist für Primus ganz interessant, unter Deutschen.

Natürlich lebt er in einer Gegend, in der Menschen aus aller Herren Länder wohnen. Manchmal sehr nett, so wie an dem Tag, als mein bärenstarker Sohn einer syrischen Familie beim Umzug half und hinterher von dem Mann, gelernter Bäcker, mit einer Platte orientalischer Herrlichkeiten beschenkt wurde. Manchmal weniger nett, wenn auf der Landkarte in der Sprachenklasse der Freundin eines Tages das Wort ISRAEL dick durchgestrichen ist und die Klasse, fast alles Flüchtlinge, alles Muslime und zumeist Männer, auf ihre Reaktion wartet.

Auch Amica primi kommt aus einer Flüchtlingsfamilie – ihre Familie ist zu Zeiten der Sowjetunion mehrmals geflohen, schließlich in Tashkent gelandet und von dort nach Israel ausgewandert. Aber sie hat natürlich keinen Flüchtlingsstatus in Deutschland, und wenn es heißt, Flüchtlinge zuerst, z.B. bei Plätzen für Sprachprüfungen, dann haben Ausländer wie sie eben das Nachsehen. Aber trotzdem fühlen sie sich wohl. Das ganze Jahr 2016 habe ich meinen Primus nicht gesehen, und bööö, das war ganz schrecklich.

Secundus hat drei Jahre im Kibbuz gelebt und war dort sehr zufrieden. Er hat es ja am schwersten genommen, als wir vor acht (acht!!!) Jahren aus dem Kibbuz weggegangen sind. Als er die Armee hinter sich hatte, hat er angefangen, im Kibbuz-Supermarkt zu arbeiten. Er hatte eine kleine Wohnung dort und zum Schluß war er stellvertretender Leiter des Supermarkts. Es war für uns immer schön, in den Kibbuz zu kommen, denn wir wurden geradezu mit Konfetti beworfen, so beliebt hat er sich dort gemacht mit seiner Emsigkeit (Secundus kann nicht untätig sein), seiner Freundlichkeit (alten Leuten hat er schon mal die Einkäufe nach Hause getragen, verlorengegangene Kinder nach Hause gebracht) und seinem unleugbaren Charme.

Da Secundus und seine Freunde sich auch im Kibbuzleben sehr engagierten, so haben sie mehrmals Purim auf die Beine gestellt, war er rundum zufrieden. Im Supermarkt arbeitete er am Ende mit zwei jungen Frauen, mit denen er seit dem Babyhaus befreundet  ist – eines davon ist ein Drillingsmädchen. Von den Drillingen habe ich ja schon öfter erzählt, wir Mütter waren auch sehr gut befreundet. Wenn ich also in den Laden kam, fielen mir die Mitarbeiterinnen eher um den Hals als mein Secundus mit seinem verlegenen kleinen Lächeln.

Seit zwei Wochen aber hat er sich aufregendere Aufgaben gesucht. Er ist nach London übergesiedelt, wo er für eine Security-Firma arbeitet, die u.a. jüdische Einrichtungen bewacht. Wie beruhigend für mich, nicht wahr? Von London ist er begeistert, er hat sich für die Arbeit einen schicken Anzug gekauft und Einzelheiten, wie stets bei Primus, wissen wir nicht.

Wer mir per Twitter folgt, weiß, daß er im letzten Juli in München war. Seine besten Freunde und er hatten sich einen billigen Flug rausgesucht – mit Pegasus Airlines, über Istanbul. Und was passierte, wenige Tage, bevor sie losfliegen sollten? Genau, der Putsch oder Umsturz oder Fake-Putsch oder was auch immer es war. Alle Mütter der Freundesgruppe flatterten per Whatsapp aufgeregt mit den Flügeln, ich auch, bis Secundus meinte, wir sollten das lassen. Einer der Freunde ist Vollwaise und es war bitter für ihn. Aber wir waren auch um ihn besorgt. Trotzdem mußten wir sie natürlich fliegen lassen.

Immerhin, in München passiert ja nie was, oder? Ich hatte mich gerade an seinen Bildern aus dem olympischen Dorf delektiert, da kamen (per Twitter natürlich, wo Nachrichten, ob richtig oder falsch, immer mit Adrenalincocktailkirschen serviert werden) die ersten Nachrichten über den Amoklauf. Nun kenne ich ja Mutters Jungen und seine Kumpel, alles gestandene IDF-Kämpfer, und war kein bißchen überrascht, daß sie an dem Abend noch auf eine Party gingen, wo sie es aber sehr leer fanden. Wirklich merkwürdig.

München gefiel ihm sehr, sehr gut. Er fand besonders die Preise beeindruckend (er hat ja einen guten Kopf für Zahlen). Alles so billig im Vergleich zu Israel! Also, daß ihr´s wißt, München ist eine richtig billige Stadt.

Noch eine Angewohnheit, die er aus dem Supermarkt mitgebracht hat: immer, wenn er nach Hause kam, hat er als erstes meinen Kühlschrank durchsucht auf der Jagd nach abgelaufenen Waren. Nun bin ich ja selbst empfindlich, besonders bei Milchprodukten, und in meiner Jugend schrien meine Eltern und mein Bruder immer, wenn ich die Hand nach etwas ausstreckte: paß auf, das ist bestimmt toal verschimmelt! Aber ich weiß auch, daß viele Sachen weitaus länger haltbar sind als aufgedruckt, und bei Senf oder ähnlichen Dinge achte ich überhaupt nicht drauf. „Mama, willst du uns alle vergiften! Diese Salatsauce ist seit drei Monaten abgelaufen!“ und er warf alles weg, was ich nicht vor ihm retten konnte.

Ja, jetzt steht er irgendwo gebügelt und geschniegelt in London im Eingangsbereich zu einem community center oder einer Synagoge oder sonst einer schützenswerten Einrichtung.

Tertia hat ihr Studium (Kriminologie) fast abgeschlossen, im Sommer macht sie den B.A. Ich kann nicht genug prahlen mit dieser erfolgreichen Tochter. Sie kommt mir immer vor wie ein Pfeil, der unbeirrbar nach vorn fliegt. Sie hat natürlich exzellente Noten, einen Preis als herausragende Studentin, ein Stipendium für Hochbegabte, einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft und zwei Jobs als Mitarbeiterin bei Forschungsprojekten, und beste Kontakte mit allen Professoren. Sie überlegt nun, wo sie den M.A. machen möchte, und mir wird es leidtun, wenn sie auszieht.

Sie kommt immer strahlend von der FH wieder, erzählt uns abends mit Feuereifer von den Büchern, die sie gelesen, den Referaten, die sie gehalten, und den Diskussionen mit dem großartigen Professor S., einer israelischen Koryphäe des Fachs, der den Studiengang aus der Taufe gehoben hat. Kriminologie ist ja tatsächlich ein hochinteressantes Fach, in dem sich Soziologie und Psychologie treffen. In Israel gibt es ja auch hervorragende Experten zum Thema Terrorismus, bei denen sie auch Vorlesungen gehört hat.

Ich bin zu einem Studientag auch mal mitgegangen, es war hochspannend. Meine eigene Bildung ist ja nicht sozialwissenschaftlich, aber durch mein Pädagogikstudium (das ja hier in Israel komplett sozialwissenschaftlich aufgefaßt wird) und auch durch manches historische Interesse haben wir doch eine ziemliche Schnittmenge, Tertia und ich. Sie freut sich immer, wenn sie mich fragt, ob ich vielleicht was von Foucault habe oder Nietzsche und na klar, hab ich. Tja, aber spätestens im Sommer ist sie weg.

Und meine Kleine? Ist mir über den Kopf gewachsen, wird nächste Woche achtzehn und steht mitten im Abitur. Während Tertia eigentlich nur ihr  Studium im Kopf hat und jedes Treffen mit Freunden damit endet, daß das nächste Referat schon mal durchgesprochen wird, genießt Quarta ihr soziales Leben. Den ganzen Sommer hatten wir eigentlich einen Jugendclub auf dem Balkon. Fast jeden Abend kam die Jugend des Orts (die natürlich alle auf einer Schule sind), um bei uns lange zusammenzusitzen. Manchmal  haben sie nachts um eins oder zwei Sushi gemacht oder Pasta. Wir haben nichts gesagt, denn uns ist es lieber, sie fühlen sich hier wohl, als daß Quarta immer verschwindet.

Ihre Noten sind trotzdem sehr gut, besonders, oh Wunder der Natur, in Mathe und Chemie. Außerdem hat sie ein echtes Talent zum Malen und Zeichnen, und das ohne Kunstunterricht seit der Grundschule! Sie hat sich das selbst beigebracht. (Ich misch mich da nicht ein, gelernte Kunstlehrerin hin oder her).

Also, im Sommer macht sie Abi, und was kommt dann? Ganz recht, die Armee. Die Briefe mit den dreieckigen Stempeln laufen hier schon seit Monaten ein, sie war auf mehreren Info-Tagen und hat natürlich die ganze Batterie von Tests und Befragungen schon durchlaufen, mit deren Hilfe die Armee sichergehen will, daß jeder Soldat und jede Soldatin genau da eingesetzt werden, wo sie sich am besten entfalten können und am glücklichsten sind.

Mal möchte sie zu einer kämpfenden Einheit und ihren Brüdern zeigen, daß sie kein bißchen verwöhnt oder zimperlich ist, mal möchte sie eine ganz ruhige Funktion finden… sie diskutiert das mit Tertia (die ja als Diagnostikerin Teil des Auswahlprozeß-Teams war und ganz gut weiß, welche Möglichkeiten es gibt) und den Brüdern. Auf den, der die Armee am besten und tiefsten kennt, ihren Vater nämlich, hört sie gerade weniger, denn der ist doch schon ein bißchen alt und veraltet… während ihre Geschwister schon wieder auf sein Wissen bauen.

Ja, ab Sommer ist hier also leeres Nest. Alle versuchen mir zu erklären, daß das total toll sein kann, daß Y. und ich dann richtig viel Zeit füreinander haben (wie denn? er ist doch immer aufm Pütt) und daß ich dann mehr Platz im Haus habe. Nicht mehr dauernd kochen und so viel Wäsche waschen muß (das werde ich allerdings genießen). Und Quarta kommt ja am Wochenende. Also manchmal wenigstens. Hoffentlich.

Ich bin irgendwie weniger begeistert. Mich zieht es total zu Kindern. Immer, wenn ich zum Briefkasten gehe (im Sekretariat des Moshav) und am Kindergarten vorbeikomme, den es hier gibt, dann bleibe ich stehen und höre zu und habe Freude. Dann würde ich da am liebsten reingehen. Ich denke an meinen ganzen beruflichen Weg mit seinen Wendungen und Windungen und Sackgassen, und manchmal würde ich gern in einem Kibbuz-Kinderhaus arbeiten. Die Ausbildung dafür habe ich ja (ich habe in meinem B.Ed. nicht nur Schwerpunkt Kunsterziehung, sondern auch musische Erziehung fürs Kleinkindalter gewählt).

Klar, meine Studenten werden auch immer jünger und ich unterrichte sehr gern, aber ich höre so gern Kinderlärm. Ich wußte es doch, vier sind zu wenig.

Jedoch, wenn ich dann mit meinen Kindern über ihre Kindheit spreche, bemerke ich ernüchtert, daß sie es gar nicht so toll fanden bei mir. Wenn ich tausendmal die gütige, nährende, geduldige, lächelnde Himmelskuh war und EINmal der fauchende Säbelzahntiger, woran erinnern sie sich? Richtig.

Ich hatte mir eigentlich immer eingebildet, eine relativ geduldige Mutter zu sein und habe auch immer gern gehört, daß ich von Mutter, Schwiegermutter und Freundinnen dafür gelobt wurde. Verglichen damit, wie nervig meine vier Dickköppe sein konnten, war ich geradezu ein Heiligenbild der Geduld. Jedoch, die Säbelzahntiger-Momente haben dieses Heiligenbild in der Erinnerung der Kinder angenagt. Hab mir sagen lassen, daß es sich nicht um einen Einzelfall handelt.

Von den vielen Bastelnachmittagen mit Kartoffelstempeln und Gips, Fingerfarben in der Badewanne, täglichen Spaziergängen zu Traktoren, in Schafstall und in den Kinderzoo des Kibbuz, von alldem ist ihnen auch nichts im Gedächtnis geblieben. Y.s Fazit: wir hätten sie bis zum Schulalter in Karnickelkäfigen halten können, sie wüßten es eh nicht mehr und wir hätten uns viel Mühe erspart. Immerhin gibt es viele volle Photo-Alben, die beweisen, was wir für supertolle Eltern waren und wie schön es  für Kinder im Kibbuz ist.

Aber sie sind, tfu tfu tfu, vergnügt und leben ihr eigenes Leben, je älter sie werden, und mehr kann man nicht verlangen.

Vom Krankenbett… Februar 15, 2017, 11:27

Posted by Lila in Bloggen, Persönliches.
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… bin ich heute endlich richtig aufgestanden. Als ich krank wurde, war das Haus tipptopp aufgeräumt und sauber, abgesehen von den exterritorialen Gebieten natürlich (sprich, die Mädchenzimmer), aber während meiner Krankheit sind sowohl Wäschetrockner als auch Spülmaschine kaputtgegangen. Da beide Töchter mit dem Gedanken, Geschirr per Hand zu spülen und Wäsche auf die Wäscheständer zu hängen, gänzlich unvertraut sind, stehen in der Küche und im Wirtschaftsraum Berge von dreckigem Zeug.

Aber der gute Y., der immer erst spät wiederkommt und der sich dann erstmal in die Spülmaschine gelegt hat, hat die Putzlappen, mit denen er die Überschwemmung aufgewischt hat, natürlich auf meine peinlich sauberen Wäscheständer gelegt. Die ich jetzt erstmal schrubben muß.

Oh, die Gasflaschen sind auch leer, und mein idiotischer Versuch, in der Mikrowelle Grießbrei für Quarta zu kochen, hat mir dort einen Vulkanausbruch beschert, der mich auch beschäftigt hält.

Gut, daß im Moment Semesterferien sind. Ich wühle mich langsam durch die Berge und bin froh, wieder auf den Beinen zu sein. Was alles in der Mailbox auf mich wartet, das wage ich nicht anzufassen. Erst die Katzenklos!

Ich hatte schon ganz vergessen, daß ich mal gebloggt habe, aber mal gucken, ob ich dafür noch ein Plätzchen finde in meinem Tagesablauf?

Wenn mich jemand fragte Februar 13, 2017, 12:01

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Heute in der Frühe vorm Aufwachen habe ich geträumt, daß Steinmeier zu mir ins Büro kommt. Er ist eifrig dabei, mit mir und meinen Kollegen eine Ausstellung von Studentenarbeiten zu kuratieren. Er trägt Tische hin und her, hämmert Nägel und unterhält sich mit mir auf deutsch.

Erst denke ich mir nichts dabei, dann fällt mir auf, wer er ist. Als er unter einem Garderobenregal steht, das er abschrauben will, geselle ich mich zu ihm. „Darf ich Ihnen gratulieren? Sie hatten ja gestern einen wichtigen Tag. Es ist nett, daß Sie schon heute wieder einfach arbeiten“. Er dreht sich um und sagt, „ja, das wird eine große Aufgabe“ und wendet sich wieder dem gräßlichen Ding zu, das er abschrauben will. Ich denke mir, jetzt oder nie, und hole Luft.

„Wissen Sie, Herr Steinmeier, wir hier in Israel haben schon viele deutsche Präsidenten kommen und gehen sehen. Deutschland genießt hier immer noch großes Prestige und könnte eine große Rolle spielen…“ Jetzt guckt er mich an durch seine Brille und sagt: „Ja? was würde Sie mir denn empfehlen, was können wir tun?“

In diesem Moment war der Traum vorbei, bevor ich meine Chance hatte, ihm zu sagen, was Deutschland tun könnte für einen stabilen Frieden zwischen uns und den Palästinensern. Es war aber so ein klarer und deutlicher Traum, und Steinmeier war so eifrig bemüht, mir einen Schreibtisch einzurichten, daß es mich tatsächlich wieder in diese Wüstung, die sich Rungholt nennt, getrieben hat.

Wenn mich jemand fragte, was die wichtigste Maßnahme ist, um dauerhaften, fairen Frieden zu schaffen, dann kann ich ihm nur eine Antwort geben: den palästinensischen, arabischen und muslimischen Terror gegen Israel bekämpfen.

Das würde kein deutscher Politiker hören wollen, weil die meisten an diese Geschichte mit den zwei Seiten glauben, die gleicherweise schuld sind, und daran, daß man nur genügend Druck auf Israel ausüben muß, und schon lösen sich alle Probleme.

Das quält mich seit Jahr und Tag und nicht nur mich. Wenn man weiß, wo dieses komplett verknotete Knäuel aufgelöst werden muß, und sieht, wie andere permanent an den falschen Enden ziehen, so daß es sich nur fester zusammenzurrt – dann ist das qualvoll wie ein böser Traum, Bloggen hilft nicht mehr, Zeitunglesen tut weh und man wird griesgrämig.

Doch ermutigt durch Steinmeiers interessierte Frage (und in dem leicht benebelten Zustand, in den einen fünf Tage Frauengrippe bringen) sage ich noch einmal, warum ich den Kampf gegen den Terror für zielführender halte als ausgeklügelte Landkarten, gezielte Boykottkampagnen oder mahnende Reden.

Wer den Terror konsequent und wirksam bekämpft, der verbessert auf der Stelle die Lebenssituation der palästinensischen Bevölkerung. Wenn nicht mehr unbeschränkt Gelder in terroristische Organisationen geleitet werden, sondern konsequent kontrolliert wird, wo sie ankommen, dann kann endlich mit dem Aufbau einer Infrastruktur begonnen werden, in allen Gebieten der PA, die diesen Namen verdient. So daß nicht mehr nach jedem Sturzregen die Kanalisation zusammenbricht (Israel kommt zu Hilfe, wird dann in den Medien mit nicht existierenden Schleusen angeschwärzt, die es angeblich geöffnet hätte), so daß es zuverlässige Stromversorgung gibt (ohne daß israelische Elektriker Leib und Leben dafür risikieren müssen) – statt dessen ein vernünftiges Bildungssystem (ohne Verherrlichung des Terrors), eine medizinische Versorgung, wie sie in Israel selbstverständlich ist (wo Araber und Juden zusammenarbeiten) – das wäre doch win-win.

Die Palästinenser könnten, von der brutalen Vorherrschaft der rivalisierenden und unproduktiven Terror-Organisationen und ihrer Paten befreit, mit dem Aufbau einer Zivilgesellschaft weitermachen, den sie ja an vielen Stellen schon begonnen haben. Sie könnten sich darauf konzentrieren, Hi-Tech-Parks wie in Israel aufzubauen, Start-ups, aber auch traditionelle Industrie. Die Zusammenarbeit mit Israel, die seit der Intifada II für kleine palästinensische Geschäftsleute zu einem tödlichen Risiko geworden ist, könnte bewußt gefördert werden.

Generationen, die mit dämonischen Fratzen von Juden in Medien und Schulen gefüttert wurden und Opfer einer Hetzpropaganda geworden sind, könnten ein realistischeres und umfassenderes Bild von Israel gewinnen. Das würde vielleicht ihre Gewaltbereitschaft im Laufe der Jahre verringern – ganz besonders, wenn Gewalt gegen Juden nicht mehr sozial und finanziell belohnt wird.

Die Zahlungender PA an Terroristen in israelischen Gefängnissen und ihre Verherrlichung in Postern und Liedern muß aufhören. Statt dessen könnten palästinensische Fußballer, Ärztinnen, Sänger, Erfinderinnen und Erzieher zu Objekten von Bewunderung und Nachahmung dargestellt werden. Statt Kinder von Anfang an dazu erziehen, im Erstechen, in-die-Luft-sprengen und Überfahren von Juden großartige Heldentaten zu sehen, könnte man sie dazu erziehen, ihre Talente sinnvoll für ihre eigene Gesellschaft einzusetzen, so daß individuelles Glück und sozialer Fortschritt möglich werden.

Wäre das nicht schön? Es wäre für die Geldgeber gar nicht mal so schwer. Auflagen an die eh schon reichlich fließenden Gelder knüpfen, diese konsequent überprüfen, die UNRWA ausmisten (in der sich Judenhasser und Terrorprediger tummeln, wie längst bewiesen ist), entsprechende Projekte unterstützen und das mal zehn oder fünfzehn Jahre durchziehen.

Die PA braucht Elektritzitätswerke, Meerwasser-Entsalzungsanlagen, Klärwerke, wie schön wäre auch eine Fortführung der israelischen Bahnstrecken! Sie brauchen Ingenieure, Ärzte, Lehrer, Künstler, die keine Angst haben müssen, von der vorgegebenen Linie des ewigen Kampfs gegen Israel abzugehen, sondern die einfach ihre Arbeit tun können, wie sie nötig ist.

Die alte Idee der gemeinsamen Industrieparks – wie schön wäre es, Stef Wertheimers Pläne umgesetzt zu sehen. Würde den Palästinensern der faule Zahn Terror endlich gezogen, dann wäre es möglich, zum Besten aller.

Ja, sagt ihr jetzt, oder würde Steinmeier sagen, aber was ist denn mit Israel? Es sind doch immer beide schuldig. Was ist denn mit den gräßlichen Siedlungen? mit dem dauernden Landraub? mit der Apartheid? Was sollen wir denn in Israel ändern?

Meine Antwort ist: sobald der Terror Israel nicht mehr bedroht, ist das alles kein Thema mehr. Israelis haben über Jahre hinweg starke Hoffnungen auf Frieden gesetzt und sind Risiken dafür eingegangen. Jeder, der mal hier reingelesen hat auf Rungholt, weiß, daß ich mehrere Brüche in dieser Hoffnung miterlebt habe: die Torpedierung des Oslo-Friedensprozesses durch die gezielt in Gang gesetzte Intifada – die destruktive Politik der Hamas seit der israelischen Räumung des Gazastreifens – und die Ablehnung der konstruktiven Vorschläge von Clinton, Barak und Olmert durch die Palästinenser.

Alle, die wie ich und meine Familie hier und mein ganzes soziales Umfeld zur israelischen zionistischen Linken gehörten (teilweise noch gehören) und große Hoffnungen auf Prozesse der Annäherung, Verhandlungen, Kompromiß und Austausch gesetzt haben, sind durch diese Nackenschläge davon überzeugt worden, daß es bestimmte, immer mächtigere Gruppen in der palästinensischen Gesellschaft gibt, der Terror lieber ist als Frieden.

Sonst hätten sie den Osloer Prozeß weitergeführt, sonst wären sie mit Barak in ernsthafte Verhandlungen eingetreten, sonst hätten sie die Räumung des Gazastreifens genutzt, um eine zivile, blühende Gesellschaft im Gazastreifen aufzubauen.

Kurz, sie hätten sich verhalten wie Menschen, deren Ziel tatsächlich Frieden ist.

Einerseits täglich tödliche Hetze gegen Israel zu treiben (die eure Medien euch ersparen, die wir aber natürlich kennen), andererseits in internationalen Gremien darauf zu dringen, die eigenen Forderungen zu 100% ohne Beteiligung Israels erfüllt zu sehen (eine Art Versailler Vertrag für die Angegriffenen inklusive ethnischer Reinigung) – das ist nicht der Weg zum Frieden, sondern zu einer Zementierung des Kriegs.

Und diese eindeutig zu beobachtende Entwicklung, die international immer noch beschönigt, wegerklärt oder als wildromantisch geradezu bewundert wird, die ist es, die der israelischen Gesellschaft den Glauben an Frieden geraubt hat. Und damit die Bereitschaft, weitere Risiken einzugehen.

Seit Netanyahus Wahl 2009 ist tatsächlich zu beobachten, daß die israelische Gesellschaft sich verschanzt. Fast tägliche Terrorangriffe oder -versuche, die international traditionell nicht berichtet werden, organisierter Rufmord Israels durch BDS, die ständige und nie hinterfragte Diskriminierung Israels in internationalen Gremien wie Rotes Kreuz, FIFA, Internationales Olympisches Komittee und natürlich der UNO, die nur Israelis vorbehaltenen Proteste, wenn sie irgendwo singen, Tennnis spielen oder Kosmetika verkaufen wollen – das alles hat Israelis verbittert und viele von ihnen in eine Art Wagenburg-Mentalität gedrängt, die eigentlich gar nicht typisch ist für Israel.

Bis dahin war es eigentlich bemerkenswert, wie Israel trotz ständiger Angriffe noch friedensbereit blieb, wie Mitte-Links-Politiker mit diversen Friedensplänen (Rabin, Olmert, Livni, Lapid) auch in den letzten Jahren noch Wahlerfolge landen konnten, wie diese unerklärliche Mischung aus jüdischen Optimismus, Fatalismus und Sarkasmus die jüdischen Israelis noch so putzmunter erhielt.

Ich habe ja schon oft erklärt, daß es für Mitteleuropäer wie mich gar nicht nachzuvollziehen ist, wie tief die Erfahrung jahrhundertelanger Verfolgung, Diskriminierung, Bedrohung und Trauer um Verlorene in den jüdischen Knochen steckt. Trotzdem bereit zu sein, einer Deutschen wie mir offen und unvoreingenommen zu begegnen, trotzdem aus Mitgefühl mit den gequälten Syrern tätige einzugreifen und zu helfen, trotz allem wie eine Eins Haß und Gewalt gegen Palästinenser (wie die tag-mechir-Verbrechen) energisch zu verurteilen – das würden andere nicht bringen, das bringen nur Israelis.

In Deutschland brennen Flüchtlingslager und die Bevölkerung ist geteilt in „sind sie nicht niedlich, diese Flüchtlinge – hier, nimm einen Teddy“-Träumer und „dunkle Haut und kräftige Augenbrauen – das muß ein Terrorist sein“-Paniker, so daß die vernünftige Mitte einem, von außen betrachtend, wie eine bedrohte Spezies vorkommt. Es mag unwissenschaftlich und unseriös sein, aber aus dem Umgang der Deutschen mit der Flüchtlingsproblematik kann ich mir ableiten, wie sie mit einer Bedrohung der Größenordnung palästinensischen Terrors umgehen würden – ich mag es mir nicht ausmalen, aber es würde der israelischen Flexibilität und ihrem Maßhalten nicht entsprechen.

Wie viele sind für Opfer des Gazakriegs auf die Straße gegangen, Opfer, die dadurch sterben mußten, daß sie gezwungen wurden, dort zu bleiben, wo vorher Raketen auf israelische Zivilisten abgeschossen wurden, und das, obwohl Israel Flugblätter abwarf, per SMS und Anruf vor bevorstehenden Bombardierungen warnte und sogar extra Methoden entwickelte, „aufs Dach klopfen“, um die Bevölkerung nicht zu überraschen? Trotzdem wart ihr alle empört und saht in Israel Schlächter und Schinder.

Daß anderswo NATO, Russen oder Assad ohne Flugblätter und ohne weiteres einfach bombardieren – hm, wann habt ihr dagegen das letzte Mal protestiert? Obwohl weder Bürger der NATO noch Russen von irgendwelchen Raketen getroffen wurden. Da geht es um reine Machtpolitik, nicht um den Schutz der eigenen Bürger, aber okay, die Rolle des Bösewichts hat Israel nun mal, da rollen die Tränen um Gaza, richtet der Goldstone und wabern die Todenhöfer. Israel fühlt sich  international unverstanden, unfair beurteilt und alleingelassen.

All diese Tatsachen sind es, die Netanyahu zu Wahlsieg nach Wahlsieg verholfen haben. War er zuerst Zipi Livni zahlenmäßig noch unterlegen und konnte es nur aufgrund seiner besseren Fähigkeit, eine Koalition zusammenzubasteln, zum PM bringen, ist diese Zeit längst vorbei und er hat eine Regierung deutlich rechts der Mitte aufgebaut, die eigentlich für das auf Kooperation und Koalation aufgebaute israelische System untypisch ist. Wie ernst er sein Bekenntnis zur Zweistaatenlösung meinte und die oft wiederholten Einladungen an die Palästinenser zu Verhandlungen, weiß ich nicht – aber ihm muß schon klargewesen sein, daß solche Worte verpflichtend sind.

Obwohl wir nicht zu Netanyahus Wählern gehören, haben wir seinen Aufstieg mit gemäßigtem Optimismus gesehen. Schließlich weiß jeder in Israel, daß nur ein rechter PM Frieden machen kann, weil die Opposition mit ihm stimmen würde – bei einem linken PM würde die Opposition sich natürlich dagegen stemmen. (Die Rechts-Links-Bezeichnungen sind übrigens wenig hilfreiche Metaphern und ich würde sie eigentlich gern weglassen, aber wie lang kann so ein Eintrag werden….)

Das ist nicht eingetroffen. Die Obama-Regierung hat, aus welchen Motiven auch immer, die Bringschuld fast ausschließlich bei Israel gesehen, was Israel weiter verbittert hat. Die Kooperation Obamas mit der traditionell anti-israelischen UNO (dirigiert von muslimischen Staaten) hat zum Gefühl geführt, nicht nur von der EU zum Sündenbock erkoren worden zu sein (die ihre eigene kolonialistische Schuld fälschlich und unverschämt auf Israel projiziert), sondern jetzt auch noch von den USA.

Psychologisch gesehen ist es ein Wunder, daß Israel nicht noch viel verbitterter und gewaltbereiter ist. Vom Iran-Schlamassel fange ich erst gar nicht an. Alle unsere Grenzen sind für uns unüberschreitbar, aber bedroht. Wie lebt man so? In einem ständig bedrohten, von der Welt mißtrauisch-besserwisserisch beäugten Ghetto?

Damit kehre ich zum Anfang zurück: ich bin überzeugt davon, daß bei einem wirklichen Aufhören der Bedrohung Israels durch Terror und Gewalt auch die innerpolitische Landschaft in Israel wieder kompromißbereiter und optimistischer wird. Wenn Israelis sehen könnten, daß die Welt endlich begreift, wo seit 1929 der Hase im Pfeffer liegt, und daß der Terror im Interesser ALLER Beteiligten endlich aktiv und wirksam bekämpft wird, dann fielen viele Argumente für Siedlungen und Sicherheitspolitik weg.

Selbstverständlich haben die jüdischen Israelis kein Interesse daran, ihre Heiligtümer im Stammland Judäa in den Händen von Vandalen zu hinterlassen – die Schändungen der Synagogen im Gazastreifen, die wiederholten Angriffe auf das Josefsgrab sprechen ihre eigene brutale Sprache. Auch das Trauma der Zerstörung der Synagogen durch die Jordanier ist noch nicht vergessen. Die Belgier erinnern sich noch daran, wie in ihrem Land vor 100 Jahren gehaust wurde, warum sollten ausgerechnet die Juden, das Volk mit dem längsten Gedächtnis, vergessen, wie ihre Heiligtümer zuerstört wurden? Wer garantiert Israel, daß in einem Staat Palästina nicht nach zwei Jahren ein Daesh-Ableger an die Macht kommt und dann den heiligen Stätten in Judäa das Palmyra-Treatment angedeihen läßt? Könnt Ihr das garantieren?

Nein, die Wurzel allen Übels hier liegt auf der Seite des Terrors und der Gewalt. Alles, was von Israels „wohlmeinenden Kritikern“ beklagt wird, hat sich als Reaktion auf Terror und Gewalt entwickelt und wäre nicht notwendig gewesen. Die israelische Unabhängigkeitserklärung war ernstgemeint und ist das Äquivalent einer Verfassung. Die dort garantierten Rechte sind auch heute noch in Kraft. Der Krieg von 1948 wäre nicht notwendig gewesen, und wären in arabischen Dörfer nicht Scharfschützen postiert gewesen, hätte es vielleicht keine Räumungen gegeben. Und wäre ein echter Frieden möglich gewesen, dann hätten die freiwillig Geflohenen zurückkehren können.

Auch 1967 war überflüssig wie ein Kropf. Warum jetzt nach den sog, Grenzen vor dem Sechstagekrieg (die natürlich gar keine Grenzen waren, sondern einfach die Waffenstillstandslinien des Unabhängigkeitskriegs) drängen, wenn sie damals aufs Spiel gesetzt wurden?

Die Golanhöhen wären längst schon wieder in syrischer Hand, hätte Assad in seinen Verhandlungen nur einen Funken Kompromißbereitschaft bewiesen. Aber man kann Verhandlungen nicht führen, indem man von Anfang an sagt: das sind meine Forderungen, take it or leave it – and if you leave it, wait for terror!

Aber so „verhandelt“ Assad und so „verhandeln“ die Palästinenser. Warum hat Abbas die Versöhnung mit der Hamas gerade gegen Ablauf der Verhandlungszeit inszeniert, als er wußte, daß jetzt Butter bei die Fische muß? Weil er wußte, daß Israel die Verhandlungen dann abbricht und alle Welt Israel als schuldige Partei sieht. Rechnung aufgegangen! (Netanyahu hätte damals mMn deutlich mehr Geschick zeigen können, aber vielleicht hatte er keine Chance.)

Sie wollen nicht verhandeln, weil sie immer das Hintertürchen Terror offen haben. Wenn die Welt dieses Hintertürchen verschlösse, würde nach einer genügend langen Zeit der Stabilität und wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf beiden Seiten eine Bereitschaft zu echten Verhandlungen entstehen.

Die Pläne sind alle schon da. Olmert, Clinton, Barak, sie alle haben Landkarten gemalt und es gibt auch noch die Pläne der Genfer Initiative und Ayalons Volksbefragung. Jeder weiß, wie der Frieden aussehen muß. Faire und realistische Aufteilung der Gebiete mit Entschädigungen und Übergangsregelungen, Garantien der Friedfertigkeit, Schutz der Minderheiten und heiligen Stätten, und vor allem Verzicht auf Maximalforderungen.

Ich sage euch aber: solange die palästinensische Gesellschaft sich an Gewalt berauscht, wie sie es seit Jahrzehnten zunehmend tut, solange werden auch Links-Mitte-Zionisten wie ich nicht das Risiko eingehen, unseren einzigen internationalen Flughafen (unser einziges Tor zur Welt! denn die Grenzen sind zu) in die Reichweite von Terroristen zu bringen. Danke, Ihr erinnert Euch nicht mehr an Mombasa 2002, aber wir schon. Und alle anderen Risiken, die eine kein bißchen risikobereite Welt ständig von Israel fordert.

Nein, geht IHR erstmal das Risiko ein, bekämpft Terror energisch, auch den gegen Israel, ohne ihn als gerechtfertigten Widerstand zu beschönigen oder zuzulassen, daß er in Euren Medien einfach weggelassen wird. Lest israelische Zeitungen, informiert Euch per MEMRI, lest mal ein paar Nasrallah-Reden und seht Euch die Feiern bei den Palästinensern an, wenn ein Terrorist empfangen wird.

Und wenn Ihr das getan habt, und wenn Ihr dann dafür gesorgt habt, daß Euer Steuergeld nicht in Terrortunnel oder Raketen fließt, dann sehen wir uns wieder.

Das alles hätte ich Steinmeiern gern gesagt, aber er hätte es vermutlich sowieso nicht geglaubt. Es ist ja immer einfacher, Israel zu mahnen als aktiv die Gefahren, in denen Israelis täglich leben und die ihre Weltwahrnehmung prägen, zu bekämpfen. Darum ist es vermutlich gut, daß ich vorher aufgewacht bin und die gute Stimmung zwischen mir und ihm nicht getrübt wurde.

PS: ich diskutiere nicht mehr mit Leuten, die nicht wissen, was die drei Neins von Khartoum waren, die nicht wissen, daß Arafats Umgebung gestanden hat, die Intifada II bewußt losgetreten zu haben, die keine Reden Nasrallahs kennen und nie vom Olmert-Plan gehört haben. Die an eine systematische Vertreibung der Palästinenser glauben, daran, daß die Juden hier nur zu Gast sind oder daß Israel Apartheid praktiziert. Leute, die nur in Schlagwörtern und Klischees denken, die aber keinerlei Kenntnis von Land und Leuten haben, sind keine Diskussionspartner.

Das ist Zeitverschwendung, die ich mir lang genug geleistet habe. Informiert Euch. Ich habe hier auf Runholt genügend Links gesetzt, und es gibt auch noch Onkel Google.