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Ich muss nicht mal heucheln…. April 30, 2007, 15:54

Posted by Lila in Land und Leute, Uncategorized.
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….wenn ich sage, mir ist der Zirkus um den Zwischenbericht des Winograd-Kommittees zur Klaerung der „fashlot“, wie man peinliche Pannen im Slang nennt, ganz egal. (Faellt mir sofort auf, wie viele Worte es fuer solche glitches im Hebraeischen gibt: fadicha, busha ve cherpa, bisayon, auch als Verb: hitbayaznu oder hitfadachnu…). Es wird also fuer einige unserer nationalen Wuerdentraeger ein recht unwuerdiges Fadicha-Spektakel, egal, wie im Einzelnen die Bewertung ausgeht.

Dabei ist unumstritten, dass die Aufruestung der Hisbollah gestoppt werden musste und ihre eindeutige Aggression gegen unseren Staat beantwortet werden mussten. So gern ich mich auch mit dem selbstgerechten Pazifistengesicht hinstellen wuerde, „NIE ist eine kriegerische Antwort angemessen!“, ich kann es nicht. Wir sind frech beschossen worden, und wir haben zurueckgeschossen.

Das Problem ist aber, dass die Ziele der kriegerischen Auseinandersetzung nicht erreicht wurden. Ich habe mit meinem Mann viele Aspekte der einzelnen Fehlentscheidungen durchdiskutiert (denn Y. bekommt jetzt all die Einladungen, an der Erneuerung des Northern Commands mitzuarbeiten, hat aber keine Zeit mehr dafuer….), d.h., er hat mit alles erklaert und ich habe mich gegraust und gegruselt…. und er ist nicht nur hinterher schlauer, er war es auch vorher schon, aber ich konnte im Krieg nicht alles schreiben und kann es auch jetzt nicht. Und weiss ja auch selbst nur Bruchteile.

Jedenfalls sind die tieferen Uebel nicht militaerisch, und kein noch so genialer Kommandant kann sie beheben. Wir haben eine Fuehrungskrise. Am Horizont draeuen die Meister der Selbstdarstellung, Bibi der Hammer (ich sah vor vielen Jahren im Bibi-Wahlkampf mal einen unvergesslichen Sticker auf einem Auto: Bibi – manhig patish le am dafuk) und Ehud von der neuen Morgendaemmerung (seine Wahlsieg-Rede: ein neuer Morgen fuer Israel daemmert heran! leider war es dann doch die Abenddaemmerung). Netanyahu und Barak / was fuer trostlose „Alternativen“. Wenn sie neben Olmert verlockend aussehen – dann haben wir hier echt ein Problem!

Bis wir es nicht schaffen, gute, engagierte, sachliche und integre Menschen ins Rennen zu schicken, koennen wir uns nicht beschweren, wenn die Selbstdarsteller wie blind ueber die Buehne tappen, immer auf der Suche nach einem blankpolierten Spiegel. Die Medien inszenieren hier einen riesigen Wirbel, den ich ignoriere. Um 16:00 sollen die Ergebnisse in einer rauschhaften (blutrauschhaften….) Pressekonferenz unter maximalem Medienaufgebot veroeffentlicht werden.

Das ist in zehn Minuten. Da gehe ich gerade in eine Sitzung rein, die x-te heute. Ich habe Tage des Wahnsinns vor und hinter mir, war noch nie in meinem Leben SO ausgefuellt. Arbeit und Haus sind mehr als genug fuer mich. Ich hab gestern abend meine Wisch-wasch-Abendrunde im Koma gemacht und haette fast das Klo mit der Spuelbuerste gereinigt, so stand ich neben mir. 

Ich bin also im Moment an Olmert etwa so interessiert wie er an mir. Ich will, dass er weggeht, aber weiss nciht, wer statt seiner kommen soll. Und Neuwahlen waeren eine Katastrophe. Also, keine Ahnung.

Visual DNA April 27, 2007, 8:05

Posted by Lila in Bloggen.
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Bei Savta Dotty gesehen – wer kann schon Bildern widerstehen? Ich nicht. (Das war eine kleine Ewigkeit in meinem Drafts-Folder – aber vielleicht gibt es ja noch mehr Leute, die für solche Spielchen Sinn haben. Man kann ja nicht pausenlos die Probleme der Welt wälzen, nicht wahr. Backlinks von anderen Spielkindern willkommen!

Read my VisualDNA Get your own VisualDNA™

(WordPress mag den Code nicht, eigentlich müßten da nun Bildchen kommen, hm.)

Und dann April 27, 2007, 8:04

Posted by Lila in Persönliches.
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hab ich heute auch noch Geburtstag. Ja, als ich angefangen habe zu bloggen, war ich eine Enddreißigerin (eine Woche vor meinem 40.), und jetzt fühle ich mich schon so richtig würdevoll als Mittvierzigerin! Da ich die die Matronen liebe, fürchte ich mich nicht vor dem Wort. Diese ganze Älterwerderei ist ein Tauschgeschäft. Was man körperlich verliert, gewinnt man intellektuell, mental und emotional. Also ich zumindest. Und das ist eigentlich ein gutes Geschäft.

Quarta hat mir einen Geburtstagsbrief geschrieben und vorgelesen, den ich eigentlich einscannen sollte, so schön regenbogenfarbig ist er.

Für Mama

Als erstes: Mazal tov!

Als zweites: Alles Gute zum Geburtstag!

Als drittes: ich hab Dich lieb!

Als viertes: sei Dein Leben lang glücklich!

Als fünftes: werd mehr als 300 Jahre alt!

Als sechsts: alle Deine Träume sollen wahr werden!

von Quarta

Ich war natürlich sehr gerührt. Aber ich mußte sagen: meine Träume sind eigentlich wahrgeworden, ja mehr als das. Ich bin sehr dankbar. Dann rettete Quarta ein kleines Vögelchen (chuchit), das ein Eichelhäher (urvani) in unserem Eingang erlegen wollte. Das Vögelchen war aber nicht so dankbar. Das Photo stell ich später ein, wenn ich die Federn aus dem Haus gefegt hab.

Ganz früh rief Secundus aus dem Bauernhof an, „ich mußte so früh weg, wir säen und pflanzen heute noch vor der Schule, tut mir leid, aber herzlichen Glückwunsch“. Im Hintergrund määähten die Ziegen und Zicklein. Sie wissen, daß Secundus der mit dem Eimer voller Leckerchen ist. Vielleicht wollten sie mir auch gratulieren.

Fällt mir gerade ein, April 26, 2007, 23:58

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ich blogge seit drei Jahren. Drei Jahre! Die sind aber schnell vorbeigegangen. Das Jubiläum ist schon zehn Tage her, doch ohne Riten und Tänze . Hier meine ersten beiden Einträge, die vermutlich kein Mensch je gelesen hat. Nicht als ob das so schade wäre…

 

Heute, wie passend,

ist Yom HaShoah, also der Gedenktag an den Holocaust. Warum wird in Deutschland dieser Tag nicht so begangen wie hier in Israel? Wenn die Sirene um 10 Uhr heult, steht das ganze Land still. Ich bin nicht zur Zeremonie gegangen, die ganz in meiner Naehe stattfand. Fuer mich ist das eine Minute, die ich ganz allein mit mir abmache. Ich habe aus dem Fenster auf den Himmel geschaut, der heute wolkig und grau ist wie nur selten. Ich habe an all die Menschen gedacht, die noch haetten hier sein muessen und es nicht sind. Und auch daran, wie stark der Wunsch ist, dass das Leid ein Ende haette…

Meine Nachbarin, die aus Ungarn eingewandert ist, als einzige Ueberlebende einer grossen Familie, kam gestern ganz traurig nach Hause geschlichen nach der Gedenkfeier im Kibbuz. Ich bin auch da nicht hingegangen, sass im Gartenstuhl, als sie kam. Ach, sagte sie nur leise, ist so ein schwerer Tag heute… und machte die Tuer zu.

Das ist also heute… ein vielleicht ganz passender Tag fuer eine Deutsche in Israel, einen Blog anzufangen. Soll ja auch ein bisschen der Rechenschaft dienen, fuer mich selbst, als Deutsche, als Israelin, als Frau, als Mutter, als Mensch…

Well….

… let’s have a try at it. Ich kann’s ja mal versuchen. Wenn alle Welt bloggt, warum nicht auch ich? I didn’t even decide which language to use. After all, I’ve been living in a number of languages for quite some time now. Wer wird das ueberhaupt lesen wollen, was mir so durch den Kopf schwirrt, in Bildern und Worten und Fetzen? Aber bloggen ist wohl etwas, das man fuer sich selbst tut und nicht unbedingt fuer ein Publikum. Ich nehm’s als Abenteuer…

Immer wieder April 26, 2007, 20:38

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Die Studenten streiken immer noch, die Lehrer an den Schulen mal ja, mal nein. Die Lehrer sitzen nur zuhause, oder wo auch immer sie sein mögen, die Studenten aber demonstrieren.

Und wieder werden sie von Polizisten brutal zusammengeschlagen. Auch Journalisten, darunter bekannte Figuren, die die Polizisten bestimmt erkannten, werden angegriffen. Die Bilder von Polizisten, die Studenten und Studentinnen regelrecht prügeln, kehren allzu oft wieder. Beim langen, legendären Streik vor neun Jahren, als Sara Netanyahu den Studenten Pizza anbot (damals war Bibi PM), wurden Studenten krankenhausreif geschlagen, und zwar systematisch. Die Polizisten weigern sich auch oft, ihren Namen anzugeben – obwohl sie dem Gesetz nach dazu verpflichtet wären.

Und nicht nur in Israel geht die Polizei auf Studenten los, als seien sie Staatsfeinde. Stimmt, unsere Polizei legt erstaunlichen Eifer an den Tag, wenn es darum geht, Demonstranten aller Art zu knüppeln oder zu schubsen. Man würde ihnen den gleichen Eifer wünschen, wenn es um die Aufklärung von Verbrechen aller Art geht – da gab es schon öfter peinliche Pannen. Gut, sie sind überarbeitet und unterbezahlt, und viele von ihnen tun ihre Arbeit in aller Stille und Treue, und manche haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um andere zu retten. Das weiß ich ja alles. Aber es gibt eben auch die Polizisten, die brutal auf Demonstranten losgehen.

Ob es demonstrierende Araber sind oder Siedler – wir haben immer wieder solche Bilder gesehen. Doch besonders gegen Studenten laufen sie zu großer Form auf, unsere hellblauen Freunde. Als wären Studenten und Polizisten Urfeinde.  Mir scheint, da braucht jemand ein paar Nachhilfestunden.

Des Slangs April 25, 2007, 22:16

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haben wir schon länger nicht mehr gepflogen, fällt mir gerade auf. Drum aufgemerkt, eifrige Studenten des Hebräischen.

Es gibt ein paar Ausdrücke, die einem im Gespräch mit Israelis ein ganzes Heftchen Vokabeln ersparen können. Jeder Schüler lernt ja als erstes, nach Shalom und Lehitraot, die Frage, ma shlomcha (bei weiblichem Gegenüber: ma shlomech). Wörtlich bedeutet das „welches ist dein Friede“, aber man fragt damit nach dem Befinden des werten Gegenübers. Im Lehrbuch wird als Antwort auf die Floskel Shalom, ma shlomcha gern tov, toda empfohlen – danke gut. Nun habe ich aber noch nie einen Israeli tov toda sagen hören, außer ein paar wunderbar höflichen Omas in der Nähstube.

Der echte Israeli antwortet rauh, al ha panim, wörtlich: auf dem Gesicht. Wie geht es uns, wenn wir auf dem Gesicht liegen? Genau. Und wie gehts bei der Arbeit? Al ha panim. Und prifat? Al ha panim. Und das Land, die Regierung? Al ha panim. Wie wird der nächste Krieg ausgehen? Al ha panim. Hm, klingt einleuchtend.

Die normale Betonung wäre eigentlich al ha paNIM, weil ja hebräische Worte auf der letzten Silbe betont werden. (So wird einen manche Shoshana anfauchen, nicht shoSHAna, sondern shoshaNA! Und kein yorAM freut sich, wenn man ihn YOram nennt – denn das heißt Trottel.) Aber bei al ha panim, damit es richtig ausdrucksvoll klingt, betont man das Wörtchen al (auf – wie in El Al – das heißt wörtlich HinAuf – wie hinauf eben). Also: AL hapanim. Wie findet ihr das? AL ha panim. Ohne Zweifel.

Und wenn der Israeli Anerkennung ausdrücken will, Bewunderung, wenn er beeindruckt ist? Was sagt er dann? Chaval al ha-sman  (sman mit weichem s, normalerweise z transkribiert, wie im Englischen). Und was heißt das? Schade um die Zeit. Das klingt aber nicht sehr positiv! Wie war das Konzert? Schade um die Zeit. Wieso ist das denn positiv?

Na ja, es war eben ein so tolles Konzert, daß es den ganzen Tag kosten würde, das zu beschreiben. Also ersparen wir uns weitere Lobesworte und sagen kurz, chaval al ha-sman, schade um die Zeit, denk dir den Rest. Aha. Chaval al ha-sman, beide Worte auf der letzten Silbe betont und das al zwischengeflutscht, ist ein Ausdruck höchster Anerkennung und wird wie ein Adjektiv benutzt, na ja, ein Attribut. Da hatten sie Bier, chaval al ha-sman… und Gefühle für dich, fragst du? Chaval al ha-sman, das müßte doch reichen.

Aber die ehrlichste Antwort, wenn man ma shlomcha fragt, lautet: al-tishal. Frag nicht. Was meist eine lange Rede einläutet.  Und da ist die Zeit dann wirklich zu schade für.

Es ist ja fies, April 24, 2007, 23:12

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denn Einzelheiten darf ich nicht verraten, alles vertraulich. Das Familienarchiv, das ich seit Jahren sichte, übersetze und ordne, enthält einige historische Bonbons, an denen ich vermutlich ersticken würde, wüßte ich nicht, daß eines Tages ein Buch daraus wird. Erzählen darf ich nichts, aber ach, meine Leser würden ihr Späßchen haben. Was für Lebensgeschichten diese deutschen Juden hatten, mit einem Bein humanistisch-kunstliebend-HeineGoetheKleist-zitierend durch ein Foyer wandelnd, mit dem anderen Bein in einem Moshav in der Gülle stehend.  Es ist unvorstellbar. Man lacht und weint beim Lesen.

Also, tut mir leid,  wenn ich hier nur so garstige Andeutungen mache. Aber es mußte raus. Ich liebe diese Arbeit einfach.

Die Zeit, Haaretz April 24, 2007, 13:57

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Jürgen Krönig über den neuen Haß auf Juden, der sich ausbreitet und nicht immer als solcher erkannt wird. Nichts umwälzend Neues, aber vielleicht findet der eine oder andere „kritische Freund“ Israels (man muß doch wohl als Freund sagen dürfen…) darin Nachdenkenswertes. Man darf auf die Leserreaktionen gespannt sein – da werden sich die üblichen Verdächtigen bald schon einfinden.

Die existentielle Bedrohung, der Israel ausgesetzt ist, wird in diesen Kreisen systematisch ignoriert. Zugleich wird die Gefahr, die der totalitäre Islam darstellt, entweder  heruntergespielt oder ganz verneint. Und während Israel, die  einzige liberale Demokratie des Nahen Ostens,  hyperkritisch unter die Lupe genommen wird, springen dieselben Liberalen und Linken mit dubiosen Regimen, die Menschenrechte systematisch verletzten, äußerst sanft um. So beschließen akademische Verbände in Großbritannien immer wieder den Boykott israelischer Wissenschaftler und Universitäten, nicht aber aus China, Sudan oder Russland, obwohl beispielsweise Russland sehr viel mehr Menschen in Tschetschenien getötet hat als Israel in Palästina.

Bradley Burston über das Glück, in Israel zu leben – eine Antwort auf die Leserbriefschreiber und Talkbacker, die ihm nahelegen, das Land zu verlassen („geh doch rüber“).

This my home. It is a place where everything is either much better or much worse than you expect, but is never what you expect.

In 20 years, or perhaps 200, this land will be carved up between the Israelis on our side and the Palestinians on the other. The grand dreams of today’s fanatics will be catalogued, archived. There will be a peace that no one loves, but that most of us can live with.

Those who cannot, who are too pure for that peace, too certain of their own private reality, will probably think about leaving.

The lucky ones among us, will live to see that peace.

Me, I’ve decided to give it one more year.

Yom atzmauth sameach.

Frohe Reise April 24, 2007, 9:48

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wünsche ich all den europäischen Politikern, die sich im Laufe der nächsten Monate herzlichster Kontakte mit der palästinensischen Regierung erfreuen. Vielleicht ist ein Boykott ja wirklich nicht die richtige Methode, vielleicht ist es nicht sinnvoll, die Palästinenser komplett zu isolieren. Aber sollten die lieben Europäer nicht mal zur Kenntnis nehmen, daß in der palästinensischen Regierung nach wie vor Hamas-Leute sitzen, und daß die Hamas nach wie vor Raketen auf Israel feuert, und damit auch noch strunzt…. auch wenn es in europäischen Medien nicht erwähnt wird? Das darf dann gern „Waffenstillstand“ genannt werden.

Hamas’s armed wing Izz el-Deen al-Qassam said in a statement it had fired up to 30 rockets and 50 mortar shells from the Gaza Strip „in reaction to the continued Zionist crimes against our people in the West Bank and Gaza Strip.“

As mourners gathered at military cemeteries across the nation, Palestinian gunmen fired a Qassam rocket at a Negev community north of the Gaza Strip.

Auch die innerpalästinensische Gewalt geht weiter, unbemerkt von der Welt. Solange sie nicht durch israelische Kugeln sterben, kräht kein Hahn nach toten Palästinensern.

Was sollen wir gegen diese Angriffe, diese Gewaltkultur tun? Stillhalten nützt nichts – das haben wir ja monatelang gesehen. Militärische Aktionen nützen auch nichts – das haben wir letzte Woche gesehen. Wenn wir nichts dagegen tun können, vielleicht wäre dann ein internationales Einschreiten nützlich? Und wenn nur, um die Palästinenser vom Wert von Verhandlungen zu überzeugen, und zu diesem Zweck endlich alle Gewalt einzustellen? Aber alles, was die internationale Gemeinschaft (was für ein verlogenes Wort) zu bieten hat, sind rote Teppiche für palästinensische Minister. O tempora o mores.


Und jetzt – der Übergang April 23, 2007, 19:58

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Härter kann er nicht sein. Den ganzen Tag habe ich, an eine dringende Arbeit im Computer gefesselt, im Wohnzimmer gesessen. So wie der Fernseher die herzzerbrechenden Geschichten von Gefallenen und Terroropfern ausspuckt, als hätte er das ganze Jahr darauf gewartet – so wie Menschen, die sonst nicht über ihren Schmerz sprechen, Worte finden – so höre ich alles an, muß mein schlechtes Gewissen beruhigen und den Schmerz an mich heranlassen.

Y. und Primus waren am Grab des unvergessenen Freundes, dessen Eltern sich freuten, Primus wiederzusehen. Und jetzt brechen wir zum Feuerwerk auf. Jetzt wird der Unabhängigkeitstag eröffnet. Man beginnt ihn mit tränenfeuchten Augen. Morgen ist dann Grillen angesagt – in meinem Kühlschrank warten schon die marinierten Fleischstücke – ich wende meine Augen davon ab – aber die Kinder lieben es.

Wir fahren nirgends hin, wir leben am schönsten Fleckchen des Landes und sehen nicht ein, wieso wir uns woanders mit anderen Feiernden um die Plätze kloppen sollten. Ganz Israel sucht grüne Idyllen, um dort zu grillen. Interessanterweise sind es immer die Männer, die grillen, und israelische Männer wedeln der Glut Wind zu. Sehr wilde Sache.

Der Übergang ist bitter und hart. Die Entscheidung, die beiden Tage zusammenzulegen, ist für mich schönstes Zeugnis der menschlichen Klugheit der Verantwortlichen. (Ruth weiß auch bestimmt, wer das so entschieden hat). Wie die Flagge hochgezogen wird – und dann das Feuerwerk losgeht – wer das einmal gesehen hat, weiß, wie dankbar wir sein können.

Und jetzt frohes Feiern. Die Kinder zappeln schon im Treppenhaus. Nu, Mama!

So sieht das aus April 23, 2007, 10:54

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in Tel Aviv. Das ist die kurze Sirene, abends. In zehn Minuten haben wir hier die lange Sirene – zwei Minuten, die sehr lang werden. Hab bei Youtube auch Bilder vom Holocaust-Tag gefunden,

So ist das. Gedenken mit dem Körper und ohne ausweichen zu können. Es schmerzt jedesmal.

Etwas später. Primus fährt mit Y. zum Grab des Freunds. Die Eltern werden sich freuen, daß auch die nächste Generation ihren Sohn nicht vergißt. Wie gut, daß Primus heute ein paar wichtige Stunden ausfallen, so daß er mitfahren kann. Die anderen Kinder sind in weißen Hemden zur Schule gegangen.

Vor der Feier April 22, 2007, 21:49

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habe ich schnell ein paar krumme Bilder gemacht. Ohne Leute, ohne Beleuchtung, ohne Musik wirkt es natürlich nicht. Na ja, aber so sieht es aus.

Die Zeremonie war sehr eindrucksvoll, kürzer als sonst aber sehr gut. Obwohl das Thema der Sechstagekrieg war und Erinnerungen unserer Mitglieder mit Musik und Gedichten vorgelesen wurden, schloß der Hauptredner mit Bezug auf den letzten Krieg.

Er stellte eine interessante Überlegung an. Wir feiern ja immer „runde“ Gedenktage: dieses Jahr 40 Jahre Sechstagekrieg. Er meinte, nur die 4 und die 5 sind noch übrig, alle anderen Zahlen sind „besetzt“. So viele Kriege. Man fragt sich unwillkürlich, wann kommt der nächste. Beim Verlesen der Liste von Kriegen lief es sicher nicht nur mir kalt den Rücken runter. „Milchemet Levanon ha shnia“, der zweite Libanonkrieg – den gab es vor einem Jahr noch nicht.

Ach ja. Und natürlich muß ich damit rechnen, daß sich wieder ein besonders schlauer Kommentator damit hervortun mag, wir seien es ja selbst schuld, wer so viele Kriege anfängt… ja ja. Damit müssen wir wohl leben.

Symbole April 22, 2007, 19:40

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Als ich heute nach der Feierstunde an meinem Arbeitsplatz langsam durch die Menge geschoben wurde, die sich von der Wiese in die Gebäude zurückbegab, hörte ich hinter mir einen abgerissenen Dialog zwischen zwei jungen Männern. „Also eigentlich sollten wir die Nationalhymne ändern oder ganz abschaffen. Nur von der jüdischen Seele zu singen, wo hier doch so viele Araber leben, das finde ich stillos.“ „Mach dir keine Sorgen, die haben bald ihre eigene Hymne…“ und ich verlor das weitere Gespräch aus den Ohren.

Unterwegs zum Einkaufen mit Y. (in unserem drusischen Lieblings-Sssuper) erzählte ich ihm von dem erlauschten Gespräch. Er sagte, „na, ja wenn wir singen, daß UNSERE Hoffnung noch nicht verloren ist, könnten man da auch raushören, vergeßt EURE Hoffnung. Ich würde die Hymne ändern, damit sich auch nichtjüdische Israelis damit identifizieren können. Schließlich steht in der Unabhängigkeitserklärung, daß alle Bürger gleichberechtigt sind“. Er hängt nicht an Symbolen, er sieht sie eher funktional.

Wir kamen mit dem Auto am Soldatenfriedhof des Drusendorfs vorbei – in Trauben strömten junge Soldaten und Soldatinnen heraus, Drusen und Juden gemeinsam. Wenn ein drusischer oder beduinischer Soldat stirbt, wird er wie alle anderen Gefallenen in der israelischen Flagge begraben – die den Davidstern und die Streifen des Tallit trägt. Y. würde Staatssymbole vorziehen, mit denen sich auch diese Bürger identifzieren können.

So sprachen wir also über Symbole. Ich habe mehr Geduld mit Symbolen. Der Status der nichtjüdischen Bürger in Israel bemißt sich für mich nicht an Flagge, Emblem oder Hymne. Diese Symbole widerspiegeln einen Nationalismus, der selbst schon wieder historisch ist und den wir heute so ungebrochen nicht mehr vertreten – aber seine Früchte ernten wir, und nicht nur wir in Israel. Ohne diesen Nationalismus wäre auch der deutsche Staat 1871 nicht vereinigt worden, und auch 1989 nicht (wir sind EIN Volk, wir sind ein VOLK). Auch in der deutschen Nationalhymne unterschreibe ich ja nicht jede Zeile.

Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang

sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang.

Ich als deutsche Frau habe also denselben Status wie ein Bocksbeutel oder der blau blau blau blühende Enzian? Als Genußobjekt, auf das die Sänger dieser Zeilen, nämlich die deutschen Männer, stolz sind? Na. Fühle ich mich wirklich vertreten in diesen Zeilen? (Auch Antialkoholiker und Sangesfeinde werden sich kaum darin wiederfinden 😉

Aber für ein Lied, das vor recht langer Zeit geschrieben wurde, werfe ich meine post-feministischen oder post-nationalistischen Dekonstruktionsmaschinchen nicht extra an. Das sind Dokumente ihrer Zeit. Ob Frauen in Deutschland gleichberechtigte Bürgerinnen, Drusen, Moslems, Christen und Tscherkessen in Israel gleichberechtigte Bürger sind, das messe ich nicht an einem Symbol.

Symbole fassen nie alle Aspekte eines abstrakten Sachverhalts – man muß sich immer was dazudenken. Die wirkungsvollsten Symbole sind gerade die schlichten, eingängigen – der Apfel, der Fisch, der Granatapfel, der Stern. Die mir so wohlbekannten Symbolsysteme des 17. Jahrhunderts dagegen, die in Fußnoten jede Bedeutungsnuance der braven Hausfrau oder Mäßigkeit noch erfassen wollten, fesseln viel weniger – oder wenn, dann eher intellektuell. Aber nicht emotional. Und letztendlich bindet uns ein Symbol emotional. Wenn wir es schaffen, Davidstern und Hymne zu einem Symbol friedlichen, gleichberechtigten Zusammenlebens werden zu lassen, dann können wir stolz sein, alle miteinander, ob jüdisch oder nicht.

Das ging mir nun gerade so durch den Kopf, als ich auf diesen Artikel von Gideon Levy stieß. Er hängt schon seit vielen Jahren die Flagge nicht mehr raus, weil sie für ihn durch den Gebrauch als Hoheitszeichen in den besetzten Gebieten beschmutzt ist. Auch er verengt das Symbol auf den einen Aspekt, der ihm mißfällt. Sollte es ihn nicht ermutigt haben, daß die Befürworter der Räumung der Siedlungen sich die blaue Farbe zumSymbol erkoren haben? Unter der israelischen Flagge ist Platz für viele Ansichten. Wer sie nicht mehr aufhängt, weil er sie von anderen benutzt sieht, verkleinert damit ihren Symbolwert. Vielleicht bedeuten ihm Symbole nichts. Aber wer ein Symbol liebt, der läßt es sich nicht so schnell wegnehmen.

Soweit habe ich aber beim Lesen gar nicht gedacht. Noch bevor ich den Artikel durch hatte, war ich schon an der Schublade und kramte die Flaggen hervor. Nun ist auch unser Haus blauweiß geschmückt. Auch wenn mit dieser Flagge, im Namen der Flagge sich politische Strömungen versammeln, deren Ziele ich nicht teile – das bedeutet nur, daß ich ihre Ziele nicht teile. Aber nicht, daß sie und ich nicht dieselbe himmelfarbene Flagge flattern lassen können. Für mich bedeutet diese Flagge die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft. Sie ist ein Zeichen der Selbstbehauptung eines kleinen, viel verfolgten und stets, auch heute, bedrohten Volks. Ich meine gewiß nicht, daß diese Selbstbehauptung auf Kosten anderer gehen sollte. Ich meine aber auch, daß man diese Selbstbehauptung ruhig zulassen könnte und sich die Welt mit unserer Existenz abfinden könnte. Es ist genügend Zeit vergangen, und wenn die Geschichte unserer Staatsgründung von Gewalt begleitet war, dann war ein Großteil dieser Gewalt gegen die Juden gerichtet.

Danke jedenfalls an Gideon Levy, daß er mich daran erinnert hat, die Flaggen aufzuhängen, bevor der Abend hereinbricht und die Trauerfeier beginnt.

Tage der Stille und Trauer April 19, 2007, 23:45

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Yom ha Shoah ist also schon vorbei, dieses Jahr liegen die Gedenk- und Festtage früh. Sie richten sich ja nach dem jüdischen Kalender und fallen darum im „bürgerlichen“ Kalender, wie wir den gregorianischen hier nennen, jedesmal anders. Yom ha Shoah wird am Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto begangen. Als nächstes steht nun Yom ha Zikaron an, der Gedenktag für die Gefallenen. Sonntagabend bis Montagabend.

Y. ist trotz seiner neuerdings exponentiell gestiegenen Arbeitsbelastung dem Team zur Vorbereitung dieses Gedenktags treugeblieben. Er macht die Tontechnik und gestaltet auch inhaltlich mit, wie jedes Jahr. Man muß sich vorstellen, daß an diesen beiden Gedenktagen überall in Israel in Gemeindezentren, Schulen, Stadthallen und ähnlichen kommunalen Einrichtungen Trauerfeiern abgehalten werden. Es ist also nicht wie der Volkstrauertag einfach nur ein Tag im Kalender. Es ist ein Tag, an dem sehr viele Israelis aktiv an diesen Gedenkfeiern beteiligt sind oder wenigstens als Zuhörer hingehen.

Der Yom ha Zikaron ist schwer zu ertragen. So schlimm Yom ha Shoah auch ist – wenigstens ist die Opferzahl konstant. Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen dagegen kommen jedes Jahr hinzu, dieses Mal wegen Libanonkrieg II besonders viele. Jeder von uns weiß, es könnte uns treffen. Jeder tote Soldat, jede Soldatin könnte mein Kind oder Nachbarskind sein, und in gewissem Sinne sind sie auch alle Nachbarskinder. Ich bin schon alt genug, Soldaten in Uniform zu sehen, die ich als Volunteer im Kinderhaus aufs Töpfchen gesetzt habe, anno dunnemal. Damals habe ich sie behütet und getröstet, wenn sie sich wehgetan haben. Heute setzen sie ihr Leben aufs Spiel, damit ich sicher leben kann – so sicher es sich hier im Nahen Osten eben leben läßt. Ohne SoldatInnen und PolizistInnen hätte zum Beispiel der Terrorist vorgestern in Haifa wer weiß was anrichten können. Ich spüre also die Auswirkungen am eigenen Leibe und kann die Schutzfunktion der Armee, ihren Einsatz, nicht einfach abstrakt wegschieben.

Für Y. kommt die Erinnerung dazu, die Erinnerung an fünf Jahre im Libanon, vom Kriegsausbruch (er wurde November 81 eingezogen, war also von der ersten Stunde an als 18jähriger Rekrut dabei und war bis ganz im Norden) bis zur absehbaren Verfestigung der ausweglosen Lage. Er war von seiner Erziehung und Einstellung her nicht vom Krieg überzeugt, auch wenn klar war, daß der Beschuß Nordisraels aufhören mußte. Wie viele Soldaten mißtraute er Ariel Sharon und glaubte nicht, daß seine Lösung die einzig mögliche war. Er hat Kampf und Tod miterlebt, hat seinen schwer kopfverletzten MP (Commander einer kleineren Einheit) auf den Schultern vom Schlachtfeld getragen (und sehen dürfen, daß nach jahrelangem Reha der Mann wieder läuft und sogar tanzt). Er hat seinen besten Freund begraben, den Unvergessenen. Y. gibt jedes Jahr bei dieser Feier alles. Es ist jedes Jahr dasselbe Team, das diese Stunden gestaltet. Mir fällt es schwer, dabeizusitzen und zuzuhören, die Trauer ist so mit den Händen greifbar.

Ich habe den Ablauf hier schon vor drei, zwei und einem Jahr beschrieben. Abends, weil der jüdische Tag abends beginnt, versammelt sich der ganze Kibbuz auf dem Platz vor der Turnhalle, wo die Namen der Gefallenen auf einer niedrigen Wand angebracht sind. Familienangehörige der Gefallenen entzünden die Flamme. Die Flagge wird gesenkt, mit Trompetensignal. Die Sirene. Ha tikva, alle singen mit, leise, nicht wie Fußballfans, sondern wie Leute, die jedes Wort aus einem Vorrat holen, der nicht jeden Tag angebrochen wird.

Dann gehen alle in die Turnhalle, die Trauerfeier beginnt. Die Bilder der Gefallenen des Kibbuz, ein großer Halbkreis. Eltern erklären den Kindern, „das war der Bruder von Gdalya, die sind schon nicht mehr im Kibbuz. Er ist in der Nacht der Brücken gefallen. Das war der Opa von Aviv, der ist ganz jung gefallen, im Sinai. Das war der Bruder von Miriam und Chana, er war Sanitäter und ist gefallen, als er anderen das Leben rettete…“

Jedes Jahr hat der Abend ein Thema. Es werden Texte dazu vorgelesen, Geschichten erzählt. Die Geschichten sind traurig. Der Gärtner erzählt, wie er als junger Soldat ins Zelt seines Commanders gerufen wurde und auf dem Weg wußte, sein bester Freund ist gefallen, jetzt sagen sie es ihm. Der Sohn des Sportlehrers erzählt, wie er um Haaresbreite den Hubschrauber verpaßte, der dann mit einem anderen kollidierte und abstürzte. Alle seine Freunde waren drin.

Eine Witwe liest aus den Briefen ihres Mannes vor. Er will keinen Krieg, er glaubt an Frieden, er haßt niemanden und will nicht einsehen, wieso man sich das geliebte Land nicht einfach friedlich teilen kann. Eine Woche später ist er tot, sie mit zwei Babies allein. Dieses Jahr ist das Thema Sechstagekrieg – er ist genau 40 Jahre her.

Es wird gesungen. Dieses Genre der traurigen Lieder, die ich von allen hebräischen Liedern am meisten mag. „Shirei Yom ha Zikaron“ nennt man sie, Lieder, die von Verlust, Trauer, Schmerz, Sehnsucht und offenen Fragen erzählen. Ma avarech, womit soll ich das Kind segnen, ist ein Lied, das die junge Sängerin mit der etwas rauhen Stimme besonders schön singt, hoffentlich kann sie dieses Jahr singen, sie ist jetzt selbst bei der Armee. Y.s Kollege singt sehr schön das Lied von den zwei Jungens aus demselben Dorf.

Das sind keine kitischigen und auch keine verlogenen Lieder, keine Propaganda und kein Aufruf zu Kampf und Militarismus. Es sind Versuche, mit einer Erfahrung fertigzuwerden, die das Leben hier begleitet. Es sind eher Friedens- als Kriegslieder. Dieses Jahr wird das Lied vom Givat ha Tachmoshet gesungen werden, auf den ersten Blick ein bißchen zu martialisch für unsere Feier… aber es ist eigentlich ein Lied über den helem krav, den Shell shock, unter dem so viele hier leiden. „I do not know why I got the medal of honor, all I wanted was to go home quietly.“

Man sagt ja scherzhaft, das Motto von Pessach, Purim, Chanukka und vielen anderen jüdischen Festen ist, „they tried to kill us, we live, let´s eat“, und ich denke, das Motto von Yom ha Zikaron ist, „they tried to kill us, we live but our friends died, let´s sing“.

Nach seinem harten, langen Arbeitstag, von morgens sechs bis abends acht, ist mein Mann nun in die Turnhalle gegangen, um die diesen Tag vorzubereiten. Die Abendsirene wird er mit uns hören, vor der Turnhalle, aber den langen Sirenenton vormittags wie jedes Jahr auf dem kleinen, idyllischen Friedhof des Moshavs. Dort liegt sein Freund begraben, schon länger, als er gelebt hat. Jedes Jahr versammeln sie sich dort, die Fallschirmjäger, sie werden älter, doch der Freund bleibt jung. Ich weiß, ohne daß er es mir sagt, daß Y. für seinen Freund mitlebt.

Wenn der Tag dann vorübergeht, versammeln wir uns wieder vor der Turnhalle. Trompetensignal, ha Tikva, Flagge wird hochgezogen. Dann – umschalten auf fröhlich, der Unabhängigkeitstag beginnt! Festtafel und danach Feuerwerk. Und der nächste Tag wird überall mit Grillfesten, Ausflügen und Kinderkirmes begangen. Damit wir nicht vergessen: unsere Unabhängigkeit ist nicht selbstverständlich. Sie ist schwer erkauft worden, und noch ist nicht der ganze Preis bezahlt. Jeder von uns kann morgen den Preis erlegen müssen. Darum legt sich ein Ring aus Eisen um unser Herz, wie beim Heinrich, damit es nicht springe.

Schulsaga II April 19, 2007, 21:52

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Primus: eigentlich sollte er ja heute lernen. Er ist in der 11, nächstes Jahr steht das Abi an und die meisten seiner Noten sind jetzt schon abi-relevant. Er ist also morgens abgezogen, nicht mal grimmig, weil er seine Lehrer mag und eigentlich, so peinlich es ihm sein müßte, auch gern lernt. Secundus kam mit, obwohl er keine Schule hatte – er ist so begeistert von der Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb (was früher einfach der Zoo war) und es hielt ihn nicht zuhause.

Primus kam früh zurück. Ob es stimmt oder nicht, weiß ich nicht, aber es läuft das Gerücht um, daß Leute vom Irgun Morim (einer der beiden Gewerkschaften) kamen und kontrollierten, ob Angehörige ihrer Organisation streiken. Eigentlich sollte die ganze Schule nämlich streiken, es war eine Initiative der Lehrer selbst, daß sie den zukünftigen Abiturienten nach Pessachferien und Streik mal wieder Unterricht erteilen wollten. Nun, es war anscheinend ein ziemliches Bahei, und die Oberstufenschüler gingen nach Hause. Er half mir im Haus, der brave Junge.

Secundus kam spät zurück, mit leuchtenden Augen. Noch eine Ziege hat geworfen, ein winziges Böcklein! „Wir brauchen aber mehr Weibchen“, meinte er, „bald ist die schwarze Ziege dran, hoffentlich noch ein Weibchen!“.  Er stürzte sich auf das Essen und ging schlafen. Er ist schon sonnenverbrannt von der vielen Arbeit draußen, obwohl es erst April ist. Seinetwegen könnte der Streik endlos weitergehen.

Tertia hat sich Bücher aus der Bücherei geholt und Klavier gespielt. Nur Quarta hat normal gelernt. Nun kommen wieder Feiertage – der April und Mai sind ja immer die traurigen, traurigen Tage. Dafür fange ich aber eine extra Post an.

Ach Irgun ha Morim, Histadruth ha Morim – hoffentlich kriegen sie bald ihren Akt zusammen und meine Kinder haben wieder normal strukturierte Tage.

Wechselnde Schicksale April 18, 2007, 22:38

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der Schülerseele in Israel. Regelmäßige Lehrerstreiks legen das Schulsystem lahm, aber in aufregend unvorhersehbaren Konstellationen. Mal nur die Lehrer der einen Gewerkschaft, dann die der anderen. Mal in den Städten, mal nur im Süden, mal in einer Art Fleckenteppich, der morgens in den Nachrichten durchgesagt wird und dem die Schüler hoffnungsfroh folgen. Mal sind es nur die Grundschulen und Kindergärten (für Eltern eine echte Katastrophe, denn die Kleinen kann man nicht allein lassen), mal die Mittel- oder Oberstufe. Bei diesem Streik gab es eine Unterbrechung für Yom HaShoah und noch eine als Vorbereitung für Yom HaZikaron – aber dann soll der Streik weitergehen.

Die Lehrer arbeiten in Israel unter schweren Bedingungen, kriegen wenig Geld und haben ein geringes Ansehen – gesellschaftliches Ansehen wird nun mal in Geld ausgedrückt. Weil der Lehrerjob so wenig lukrativ ist, reißen sich die Besten der Jahrgänge nicht darum – in der Lehrerausbildung, an der ich ja ein paar schöne Jahre mitarbeiten durfte, sammeln sich teilweise leider junge Leute ohne wirkliches Interesse am Lehren oder Lernen. Obwohl der Bildungsetat groß ist, fließt das meiste Geld nicht zu Kindern oder Lehrern, sondern in irgendwelche bürokratischen Monster – überall gibt es doppelt und dreifach gemoppelte Erziehungsausschüsse, die das Geld aufsaugen. Daß die Verwalter der Staatskasse sich frechweg nicht an Abmachungen halten, kommt noch erschwerend hinzu.

Ich kann die Lehrer verstehen, die ihrem Unmut Ausdruck geben – aber warum immer nur in Streiks, das verstehe ich nicht. Denn es hebt ihr Ansehen bei der Nicht-Lehrer-Bevölkerung nicht gerade. Und das tut mir leid. Mehr Geld und mehr Respekt gehen Hand in Hand, und ich fürchte, durch so viele Streiks erwirbt man sich weder das eine noch das andere.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Studenten, nur daß über deren ewige Streiks sich niemand auch nur ärgert. Sie streiken nun schon seit hm, zwei Wochen?, zehn Tagen?, ohne daß es jemanden kümmerte. Zu Anfang standen sie noch mit Schildern und Trööten am Uni-Eingang, jetzt ist der Campus voll mit strebsamen jungen Leuten in der UB, auch wenn sie die Veranstaltungen boykottieren – und es kümmert keinen Menschen. Dabei haben auch die Studenten durchaus Grund zur Klage. Gegen alle Versprechungen werden die Studiengebühren wieder erhöht – die auch so schon eine Hürde darstellen. Sollten wir nicht, als Vorsorge für die Zeit, in der unsere endlos erscheinenden Ölvorräte zur Neige gehen, nicht doch ein bißchen auf die Bildung der jungen Generation setzen…?

Aber wenn die Studenten schon in Festtagsstimmung den Verlust der hart bezahlten Unterrichtsstunden zelebrieren, kann man von Schulkindern erst recht kein Verständnis dafür erwarten, daß ein Streik ihnen schadet. Nur die Erstkläßler mit ihrer rührend ungebrochenen Begeisterung finden Streiks doof. Ich werde nie vergessen, wie mein Secundus erwartungsfroh auf die Eröffnung seines ersten Schuljahrs wartete und morgens fast weinte, wenn er hörte, daß der obligatorische Post-sommer-hols.-Streik wieder mal verlängert wurde. Man sollte nicht glauben, daß es dasselbe Kerlchen ist, daß sich heute triumphierend vor mir aufbaute, „morgen wird in der Oberstufe wieder unterrichtet, wegen Abi, aber bei uns nicht!“ Das hähä-hähähä in Richtung seines großen Bruders war unüberhörbar. Quarta findet es überhaupt eine Schweinerei, daß an der Schule der Großen gestreikt wird und bei ihr  nicht, „und das ist NICHT fair!“.

Primus arbeitet ein bißchen für sein Abitur, aber die meiste Zeit arbeitet er im Schafstall oder dem Dish wash im Dining Room, Stunden sammeln für Führerschein und Abschlußfahrt nach Polen. Secundus genießt den Streik, indem er stundenlang im landwirtschaftlichen Betrieb der Schule arbeitet, „jetzt haben wir schon vier neue Zicklein! und sooo viele Radieschen!“. Er bringt mir immer organisch gezogenes Gemüse mit, Babysalat oder Eisbergsalat. Ironie des Schicksals, denn er ißt nur beige! Tertia ist vom Streik weniger begeistert, ihr fehlen die Freundinnen aus der Umgebung, mit denen sie am Telefon das Kichern nachholt, das ihr in den Mathestunden nun entgeht. Nur Quarta ist noch eifrig dabei. Trotz ihrer Eifersucht auf die Großen und deren Privileg, bestreikt zu werden, hat sie noch Spaß an der Schule.

Eine echte Krise wäre hier eingetreten, wenn Secundus hätte zur Schule gehen müssen, während seine Geschwister in Saus und Braus schulfrei haben. Er behauptet, vor ein paar Jahren habe es mal so einen Fall gegeben – Geschwistergehirne speichern jede Ungerechtigkeit des Schicksals genau auf. Na ja, bei der Schul-Fortuna dieses Lands zieht jeder Schüler mal das Große Los und kann nach den Frühnachrichten Juhu schreien. Während die Eltern stumm auf dem Tische herumblicken.

Gestern war es das Wetter, April 18, 2007, 13:22

Posted by Lila in Land und Leute.
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heute ist es ein Terrorist, der durch Haifa gejagt wurde. Wir sitzen hoch ueber Haifa und hoeren den ganzen Tag Sirenen. Ich kriege natuerlich nichts mich, so Leute wie mich nennt man auf Ivrit „astronautit“, weil ich von der Erde abgekoppelt in anderen Sphaeren schwebe. Aber als es dann Entwarnung gibt, hoere ich es auch. „Wo haben sie ihn geschnappt?“ „In Neve Shaanan“ „Iiiih, da wohnt meine Schwester!“ Und sofort ab ans Telephon.

Gut, dass sie ihn gefasst haben. Und jetzt hoffe ich wieder auf ein paar ruhige, normale Tage.

Nach der Nachrichten-Pause April 17, 2007, 19:45

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lohnt sich das Lesen so richtig. Ich finde Bonbons.

In an interview with Washington Post columnist Robert Novak published on Monday, Hamas Education Minister Naser al-Shaer was quoted as saying that „previous attempts at peace were ruined by suicide bombers. Now, we look forward to a sustained peace.“

According to Novak, „Shaer signaled that the regime recognizes Israel’s right to exist and forgoes violence – conditions essential for talks about a viable Palestinian state adjoining Israel – even if Hamas does not.“

Donnerwetter. Ein Hamasmann, der nicht für alles Israel verantwortlich macht? Zusammen mit dem saudischen Journalisten macht mir das großen Eindruck. Tatsächlich, es scheint Leute zu geben, die bereit sind, auch mal die andere Seite der Medaille anzugucken und sich zu überlegen, was sie selbst dazu tun können, damit dieser unerträgliche Zustand ein Ende hat.

Ob Shaer sich aber klargemacht hat, daß er ja auch noch nach Hause zurückkehren muß? Er hat sich bestimmt nicht eben beliebt gemacht.

Boah, April 17, 2007, 18:33

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der Himmel ist braungelb. Alle Bäume haben sich eine schrillgrüne Tönung zugelegt.

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(Diese roten Blüten sind es übrigens, die die Papageien anlocken. Vorhin turnte doch mithilfe seines Schnabels wieder so ein Kerl durchs Geäst. Leider war die Batterie gerade alle.)

Man sieht nicht weit. Die Luft ist voll Sand.

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Ich werde mich, egal wie lange ich hier lebe, nie an diese faszinierend-gräßlichen Wetterlagen gewöhnen.

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Nein, die Kamera bringt diese Farbe nicht richtig raus. Es sieht aus, als hätte jemand per Photoshop unsere Welt orange-grün eingefärbt. Adjust color! Sand, geh weg!


Wenigstens weiß ich, was ich morgen machen werde. Staubwischen.

Nichts hinzuzufügen April 17, 2007, 17:04

Posted by Lila in Land und Leute.
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habe ich diesem Artikel von Amnon Rubinstein.

The abduction of the soldiers, the refusal of their captors to permit the International Red Cross to visit them, their complete isolation from the world and the lack of any knowledge regarding their health is one of the most serious crimes being perpetrated by the Palestinian terrorist organizations.

What could be more natural, then, than for the celebrated international human-rights organizations, who rush to condemn Israel for crimes real and imagined, to cry out in protest against this ongoing cruelty to the soldiers‘ families?

Doch Menschenrechts-Organisationen aller Arten haben sich bisher nicht zu einer eindeutigen Verdammung der Geiselnahme von Gilad Shalit, Ehud Goldwasser und Eldad Regev durchringen können. Tja, unter den Blinden ist der Einäugige vielleicht König – aber wenn man zufällig außerhalb des königlichen Gesichtsfelds liegt, kann einen das nicht trösten. Oder sagen wir mal so: als Täter machen uns die Menschenrechtsorganisationen mit großem Eifer aus. Als Opfer sind wir unsichtbar.

Was dem Ansehen besagter Menschenrechtsorganisationen natürlich weltweit keinen Abbruch tut.