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Ein Freund, ein guter Freund Februar 24, 2014, 12:13

Posted by Lila in Presseschau.
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Als ich diese Schlagzeile heute früh überflog:

Israel is not alone, has an abiding friend in Germany

da dachte ich: richtig, Israel hat einen Freund in Deutschland, vielleicht sogar mehr als nur einen, und vermutlich kenn ich sie alle 🙂

Ende einer Ära Februar 24, 2014, 3:57

Posted by Lila in Katzen.
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Im Kibbutz, 2008

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in Manot, 2011

2013-06-19 18.21.13

vor ein paar Monaten

Bis auf Secundus, der telefonisch dabei war, haben wir alle Mini zum Tierarzt begleitet. Das Ergebnis der Untersuchungen war eindeutig: die Nieren sind irreversibel geschädigt, Mini liegt im Sterben. Und wir haben einstimmig beschlossen, sie nicht länger leiden zu lassen.

Quarta, die ja jünger ist als Mini und ein Leben ohne sie nicht kennt, hat sehr geweint, Die Großen, von denen jeder auf seine Weise an ihr hängt, waren traurig. Für Y. und mich war es das erste Mal, daß wir so einen Enschluß fällen. Uns war wichtig, daß wir entscheiden, was für Mini das beste ist. Und daß es auf eine Art und Weise geschieht, mit der die Kinder umgehen können, besonders Quarta. Aber man kann nicht richtig helfen, wenn jemand so unglücklich ist. Wir konnten Quarta diese Tränen nicht ersparen.

Mini lag betäubt auf dem Behandlungstisch, und der Tierarzt gab uns viel Zeit, uns zu verabschieden. Dann meinte er, es ist besser, wenn nur ein Elternteil bei Mini bleibt, während er sie einschläfert. Er wollte Quarta wohl nicht direkt aus dem Raum schicken. Ich blieb bei Mini, und im letzten Moment sagte der Tierarzt mit einem Blick auf Tertia: „du kannst auch dabeibleiben“. Er benutzte ein Barbiturat, es ging ganz schnell und ohne Zucken.

Wir haben Mini im Garten begraben, unter einer hohen alten Zypresse. Hinterher haben wir lange in der Küche gesessen, Bilder angeguckt und Katzen-Erinnerungen ausgegraben. Von dem Apriltag im Jahr 1996, als wir Mini und Limon aus dem Wurf einer Nachbarskatze aussuchten, bis zu Minis letzter Nacht, als sie sich die Treppe hochschleppte, um auf ihren Lieblingsplatz in meinem Kleiderschrank zu kommen.

Seit meiner Kindheit haben mich Katzen begleitet. Ein Haus ohne Katzen ist für mich so undenkbar wie ein Haus ohne Bücher. Meine Eltern hatten nicht viel gemeinsam, aber beide liebten Katzen. Auch Y. hatte immer Katzen. Ich weiß noch, wie er mich zum ersten Mal zu sich nach Hause einlud – Kätzchen angucken. Mit jeder Katze sind Erinnerungen verbunden, aber mit Mini zweifellos die meisten. Achtzehn Jahre sind einfach eine lange Zeit.

Es wird noch dauern, bis ich nicht mehr automatisch nach meiner steten Begleiterin Ausschau halte.

Freude und Leid Februar 23, 2014, 13:23

Posted by Lila in Katzen, Kinder, Uncategorized.
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Am Wochenende hatten wir eine richtig große Familienfeier, mehrere Geburtstage zusammen und viele Gäste. Ich hatte alles richtig strategisch geplant und zwei Tage lang in der Küche gestanden. Nichts macht mich ja froher als um mich herum Leute zu sehen, die sich mit meinem Essen vollstopfen.

Die junge Generation hat ja inzwischen kleine Kinder bekommen, und zu meiner großen Freude fühlten die sich im Garten sehr wohl und buddelten fröhlich in der Erde herum. Daß der Garten (trotz fast regenloser Wintermonate) voller Unkraut ist, störte weder die Kleinen noch ihre Eltern und mich ehrlich gesagt auch nicht. Ich bemühe mich, jeden Tag eine halbe Stunde Garten einzuschieben, aber das klappt nicht immer.

In Y.s Familie ist es eigentlich üblich, sich zu einer festen Stunde zu treffen und auch relativ schnell wieder zu verschwinden – noch ein Überbleibsel aus Kibbuz-Zeiten, wo wir uns ohnehin jeden Freitagabend im Speisesaal und jeden Samstagabend bei der Oma trafen. Aber ich habe wegen der vielen jungen Familien und der langen Fahrtzeit flexible Zeiten angesagt. Ab mittags war offenes Haus, jeder kam, wann es seinen Kindern oder ihm selbst am besten paßte.

Ich hatte zwei Buffets vorbereitet, eins mit salzigen Sachen und eines mit Kuchen. Und weil wir endlich Platz genug haben, saßen überall die bereits erwähnten futternden Grüppchen. Zu meiner sehr großen Freude. Und zu meiner noch größeren war diesmal auch ein lieber Verwandter von mir dabei, der durch Zufall ausgerechnet an diesem Tag ein paar Stunden von einer Dienstreise abknapsen konnte.

Ja, das war ein schöner Tag und ich habe mir vorgenommen, daß wir jedes Jahr im Frühling so eine große Familien-Einladung machen.

Und das Leid. Ach, wer keine Haustiere hat, weiß nicht, wie man an so einem Tier hängen kann. So viele Menschen leiden in der Welt, daß man sich fast schämt, um ein Tier traurig zu sein – aber nur fast.

Achtzehn Jahre haben wir unsere Mini, treu und etwas barschen Charakters. Sie hat mehrere Umzüge gleichmütig verkraftet und jedes neue Revier ohne Anpassungsschwierigkeiten übernommen und beherrscht. Daß ihre Lieblingsmenschen einer nach dem anderen nur noch unregelmäßig auftauchten, noch dazu  in seltsam riechenden Uniformen, hat sie irritiert hingenommen, dann aber ihre Zuneigung auf mich übertragen.

In den letzten Jahren war sie immer in meiner Nähe. War ich in der Küche, dann saß sie auf dem Kratzbrett und guckte mir zu. War ich im Garten, saß sie unter der Bougainvillea und guckte mir zu. Saß ich am Schreibtisch, dann fläzte sie sich mit dem unfehlbaren Instinkt der wahren Katze genau über die Bücher, Artikel oder Blätter, die ich brauchte – oder über die Tastatur. Ja, sie hat sogar mehrmals Dokumente gedruckt, indem sie auf die entsprechende Taste gedrückt hat. Wenn ich Wäsche aufhänge, muß ich mich nicht umgucken, um zu wissen, daß sie hinter mir her stolziert.

Achtzehn Jahre. In dem Sommer, als wir sie adoptierten, kam Primus ins erste Schuljahr und ich fing mein Kunstpädagogik-Studium an. Heute ist Primus ein junger Riese von fast 24 Jahren, und ich unterrichte längst in den Sälen, in denen ich einst studiert habe. So vieles hat sich verändert, aber die bescheidene, manchmal etwas mürrische Tigerkatze, die den Katern im Haus von Anfang an zeigte, wer die Oberpfote hat, war immer dabei.

Wir haben über sie gelacht – wie jämmerlich sie uns anguckte, um zur Terrassentür rausgelassen zu werden, als hätte sie ihr Leben lang darauf gewartet. Und wie rasend schnell sie von der Terrasse nach vorne rannte, den Baum raufkletterte,  um auf den Balkon zu springen und dort ebenfalls mit sehr betrübtem Gesicht kläglich an der Tür zu kratzen, als hätte man sie ausgesperrt. Oft kamen wir die Treppe nicht so schnell hoch, wie die Katze vom „ach laßt mich doch raus“ zum „ach laßt mich doch rein“ wechselte.

Sie hat schon lange abgebaut, wurde magerer (obwohl wir für das ihr genehme Fressen pro Tag mehr ausgaben als für die anderen Katzen  in der Woche) und ruhiger, aber machte einen fitten und wachen Eindruck. In der letzten Woche aber ist sie ein Schatten ihrer selbst und es ist sehr traurig, sie so zu sehen. Der Tierarzt macht uns keine Hoffnungen mehr. Sie ist stoisch wie alle Katzen, aber wir haben den Eindruck, sie leidet. Heute abend fahren wir alle zusammen noch einmal mit Mini zum Tierarzt. Die Großen haben sich dafür freigenommen. Alle Optionen sind offen.

Majadra Februar 16, 2014, 17:08

Posted by Lila in Israelisches Essen.
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Vorhin habe ich wieder mal Majadra gemacht und mich daran erinnert, daß ich doch von Zeit zu Zeit israelisches Essen vorstellen wollte. Obwohl sich im Internet so viele Feinschmecker herumtreiben, daß ich mich mit meiner einfachen Kost etwas geniere.

Majadra habe ich zum ersten Mal bei einer Freundin gegessen, vor vielen Jahren, und sie hat mir auch erklärt, wie man das macht. Ganz einfach nämlich.

Majadra besteht aus drei Bestandteilen, die getrennt gekocht werden: Reis, Linsen und Zwiebeln.

Den Reis koche ich, mal mit Safran, mal ohne, die Linsen ohne alles. Salz kommt erst später dran, damit die Linsen nicht hart werden. Ich nehme normalerweise braune Linsen, obwohl ich lieber die kleinen roten mag – aber alle außer mir mögen die etwas größeren braunen gern.

Die Zwiebeln brate ich in Olivenöl an und würze sie mit Baharat (little goes a long way), Kurkuma und Zimt. Und natürlich Salz. Ja, Zimt klingt komisch, aber er schmeckt wirklich gut mit den Zwiebeln.

Reis und Linsen werden vermischt, die Zwiebeln häuft man sich nach Belieben drauf. Wenn man natürlich jemanden am Tisch hat, der NUR Reis oder NUR Linsen möchte, serviert man am besten alles getrennt, und jeder wählt, was er gern haben möchte. Dann kann man auch mit den Proportionen spielen.

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Das Bild ist schon was älter, der Reis war damals weiß (heute ist er Safran-Kurkuma-gelb).

Es ist ein gutes Winter-Essen, und angeblich ist es auch sehr gesund, wohl wegen der Reis-und-Linsen-Kombination. Man kann mit den Gewürzen sehr weit gehen oder eher dezent bleiben. Ich mag sehr gern Hülsenfrüchte und freue mich immer, wenn ich ein Rezept mit Linsen oder Kichererbsen finde. Weil die Zwiebeln ein bißchen Saft ziehen, ist das Gericht auch nicht trocken – im Internet steht, daß manche Leute dazu Joghurt servieren, das machen wir aber nicht, weil außer mir niemand im Haus Joghurt mag.

Guten Appetit. Bei uns ist das ein Gericht, das sehr schnell verschwindet.

Nach Wochen der Trockenheit… Februar 16, 2014, 0:31

Posted by Lila in Persönliches.
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… hatten wir dieses Wochenende tatsächlich Regen. Und Gewitter. Und natürlich weder Telefon noch Internet, das ist alles wetterbedingt ausgefallen…

Ab morgen wird es wieder wärmer und trocken. Ich hatte tatsächlich wieder angefangen, den Garten zu wässern – und das im Februar, weil alles zu vertrocknen drohte. Oh, und Y. hat am Donnerstag sein Auto gewaschen. Zweifellos haben wir damit den Regen herbeibeschworen. Hätte ich nur die Fenster geputzt – dann wäre die Regenfront vielleicht noch länger geblieben…?

Sind wir nicht alle irgendwie Palästinenser? Februar 10, 2014, 20:10

Posted by Lila in Presseschau.
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Ein interessanter Artikel auf der Seite der Tagesschau, über eine Bronze-Statue, die Fischer aus dem Gazastreifen im Meer gefunden haben. Wie das genau vor sich gegangen sein soll, ist unklar – schließlich schimmt eine Bronzestatue  nicht einfach so herum, sondern normalerweise braucht man Taucher-Ausrüstung, um diese Statuen zu bergen. So wie bei den Riace-Statuen oder dem Jüngling von Antikythera.

Soweit ich es nach den Abbildungen beurteilen kann, ist die in Gaza gefundene Statue älter – das Gesicht sieht archaisch aus. Aus der archaischen Zeit sind mir keine Bronzestatuen bekannt – was nicht heißt, daß es keine gegeben hat, denn 1. ist klassische Kunst nicht mein Spezialgebiet und 2. kann es welche gegeben haben, die eingeschmolzen wurden. Die Haartracht ähnelt dem Wagenlenker von Delphi, der schon strenger Stil ist. Vielleicht in Übergangswerk.

Die Qualität des Bronzegusses kann sich, wieder nur nach den Bildern betrachtet, nicht mit denen aus Riace oder Antikythera messen – die Statue sieht ja auch früher aus, und es kann wahrscheinlich, daß sie von weniger bedeutenden Künstlern gemacht wurde. Das müssen Experten für griechische Kunst beurteilen.

Wie dem auch sei, der Fund ist aufsehenerregend und wirklich wichtig.

Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, daß Israel, wie die Tagesschau suggeriert (Ägypten und Israel riegeln den Gaza-Streifen seit beinahe sieben Jahren ab…), Probleme machen würde, die Statue von Experten untersuchen und behandeln zu lassen. Wir haben Experten hier, ich kenne eine davon, Riki Gersht, die sich vermutlich darauf stürzen würde, die Statue zu begutachten.  Ich weiß nicht, ob es wirklich einen Versuch gegeben hat, die Statue aus dem Gazastreifen zu schaffen, der von Israel vereitelt wurde – das würde mich sehr wundern. Schließlich ist die Abriegelung nicht hermetisch, jeden Tag gehen Waren, Medikamente und Kranke hin und her. Als Gaza überschwemmt war, hat Israel mit Pumpen geholfen. Warum sollte Israel in so einem Fall nicht helfen, wo es um ein kulturelles Erbe des Mittelmeerraums geht, ein Bereich, in dem israelische Wissenschaftler sehr aktiv sind?

Auch die Sätze:

Aber kaufen und retten können Museen im Westen die Statue wohl nicht. Das Geld ginge an die in Gaza regierende Hamas-Organisation. Nach israelischer und westlicher Lesart wäre das Finanzierung des Terrors.

sind nichts weiter als eine haltlose Unterstellung. Ich sehe nirgends, auch im Guardian nicht, einen Hinweis auf eine solche Aussage von israelischen Behörden. Wollen sie uns als Barbaren hinstellen?

Eines aber kann ich garantieren: wer immer diese Statue gemacht hat, war kein Palästinenser.  Und wo immer sie gegossen wurde, war kein palästinensisches Gebiet.

Der Direktor des Ministerium für Altertümer und Tourismus, Ahmed Al Bursch, hat Fotos des Artefakts auf seinem Laptop„Es ist eine besondere und große Statue. Ein Zeugnis vorangegangener Zivilisation auf palästinensischem Gebiet. Ein kostbarer Schatz“, sagt Al Bursch.

Wie qualifiziert kann dieser Bursch sein, wenn er meint, es besteht irgendein Zusammenhang zwischen Palästina und dieser Statue?

So liegt er nun da auf seiner Schlumpf-Matratze und wundert sich bestimmt, wie sich die Welt verändert hat.

Ich habe mal ein bißchen rumgelesen. Anscheinend ist die Story mit dem Fischer, die mir gleich spanisch vorkam, nicht unumstritten und viele Details sind noch unklar. So jedenfalls heißt es auf Conflict Antiquities – sehr informativ. Ich bin mal gespannt, was dabei rumkommt.

Businessweek erzählt sehr spannene und farbenfroh von dem Fund.

Guardian scheint die Quelle für die Tagesschau-Schreiber gewesen zu sein – sehr ähnlich.

Aus einem Nest Februar 10, 2014, 18:43

Posted by Lila in Kinder.
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1.

Primus kam heute kurz nach Hause. Auf dem Weg sprang er schnell in die Buchhandlung. Die Buchhändlerin kennt ihn, Tertia und auch mich, obwohl ich keine hebräischen Bücher kaufe – aber irgendwie haben wir es an uns, daß Buchhändlerinnen uns in Erinnerung behalten. Primus und Tertia, meine Leseratten, sind Dauerkunden in der Buchhandlung, allerdings fast nie zusammen.

Heute also bezahlte Primus seinen Stapel Bücher, und die Buchhändlerin meinte: „am Freitag war deine Schwester hier und hat genau dieselben Bücher gekauft!“ Typisch meine Kinder. Tertia hat vier Bücher gekauft, Primus fünf – drei davon waren identisch. Was Primus allerdings mehr gewundert hat, ist, daß die Buchhändlerin ihn und Tertia als Geschwister kennt. Jetzt fachsimpeln sie am Telefon von ihren Büchern.

2.

Die Tage sind trocken und frisch, die Nächte aber richtig kalt. Freitagabend beschlossen die Mädchen, daß sie im Wohnzimmer schlafen, wo es schön warm ist. Auf einmal waren sie wieder wie früher, als sie klein waren, holten aus ihren kalten Zimmern Decken und Kissen, und richteten sich auf den Sofas ein. Sie legten sich so hin, daß sie mit den Köpfen nah beieinander waren und sich unterhalten konnten.

Als wir die Treppe hochgingen, hörte ich Wellen von Kichern, Quietschen und Flüstern. Ach, meine Mädchen, sie haben die halbe Nacht getuschelt und sind dann eingeschlafen, unter Bergen von Decken.

Just a slob like one of us Februar 8, 2014, 7:29

Posted by Lila in Ivrit.
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Bei uns werden die olympischen Spiele von einem extra Kanal übertragen. Heute früh geht es los, Snowboard – Slob style, erklären mir die Experten des israelischen Fernsehens.

Slob style? denke ich, eine Sportart die ich überhaupt nicht kenne.

Bis ich das Wort geschrieben sehe. SLOPE style. Ach so.

 

Zorn und Aufruhr Februar 6, 2014, 22:09

Posted by Lila in Land und Leute.
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„Wir haben die Inquisition überstanden! Wir haben Hitler überstanden! Dann werden wir auch den Staat Israel überstehen!“ Der Mann ist heiser und erschöpft. Er ist wirklich zornig.

Er demonstriert in Bnei Brak gegen die Zumutung, zur Armee gehen zu müssen (er sieht ohnehin zu alt dafür aus), gegen die Zumutung, ein lebenslanges Studium nicht mehr finanziert zu bekommen, gegen die Zumutung, arbeiten und Steuern zahlen zu müssen wie Ultra-Orthodoxe in anderen Ländern tun – oder Nicht-Ultra-Orthodoxe in Israel.

Der Streit um den Status quo mit den Ultra-Orthodoxen nähert sich einem neuen Höhepunkt. Lapid hat wahrgemacht, was er angekündigt hat (und was ein Gerichtsbeschluß festlegt). Die Subventionen für Yeshiva-Schüler, die sich der Armee entziehen, werden gestrichen.

Mit einem Gesetzesentwurf, der seit Jahrzehnten schon verschoben und vertagt wird, wird jetzt in der Knesset eine dauernde und faire Lösung gesucht. Er ist die Frucht der Zusammenarbeit der Parteien Ha-bayit ha-yehudi (das jüdische Haus unter Naftali Bennet) und Yesh Atid (Lapids Zukunftspartei). Der orthodoxe Jude Bennet und der säkulare Jude Lapid haben viel mehr gemeinsam als der Orthodoxe mit den Ultra-Orthodoxen. (Trotzdem wappne ich mich schon mental für die Artikel in der deutschen Presse, wo beide wieder mal verwechselt werden…)

Die Mehrheit der Ultra-Orthodoxen lehnt den Dienst in der Armee ab und viele mißtrauen dem Staat. Was nicht bedeutet,  daß sie das Geld nicht annehmen würden, das der Staat bisher überwiesen hat. Sie haben das Gefühl, daß ihre Lebensweise das Judentum am Leben hält. Sie demonstrieren und protestieren gegen die von ihnen gesehene Gefahr, so zu werden wie alle anderen. Wie die Säkularen, vielleicht wie Nichtjuden.

Je stärker der Druck der Säkularen auf die Ultra-Orthodoxen wird, sich zu beteiligen, desto mehr weigern sie sich. Sie wollen nicht zur Armee, sie wollen nicht arbeiten, sie wollen weiter Thora lernen und vom Staat unterstützt werden. Ob der Staat das weiter finanzieren kann, für so viele Männer so viele Jahre hindurch, fragen sie nicht.

Ich glaube nicht, daß die Armee alle jungen ultra-orthodoxen Männer wirklich braucht, so tüchtig und mutig die ultra-orthodoxen Soldaten auch sind, die in der Armee dienen. Aber was spricht dagegen, mit einem sozialen Dienst den Nächsten zu helfen? Der ultra-orthodoxe Sektor ist zu großen Teilen arm. Warum sollten junge Männer nicht helfen?

Zaka und Yad Sarah, das habe ich ja schon oft gesagt, sind Beispiele für ultra-orthodoxe soziale Einrichtungen. Was spricht dagegen, daß ein junger Mann, während seine Altersgenossen in der Armee sind, drei Jahre oder meinetwegen zwei Jahre alte Menschen betreut, Jugendprojekte leitet, Verletzte versorgt, Essen ausfährt oder sich sonst nützlich macht? Und warum können ultra-orthodoxe Juden in anderen Ländern (und teilweise auch in Israel) sehr wohl arbeiten und werden nicht ein Leben lang subventioniert – aber in Israel geht das irgendwie nicht?

Zwei oder drei Jahres ihres Lebens der Gemeinschaft schenken – arbeiten, nicht um Reichtümer anzuhäufen oder zu werden wie die Tel Aviver Boheme, aber um unabhängiger von einem Staat zu werden, an dem man so viel zu kritisieren hat – ist das wirklich unzumutbar? Säkulare Israelis wie wir, die nicht mehr wissen, wie sie von Monat zu Monat über die Runden kommen sollen, wenn die Lebenshaltungskosten steigen, die Einkommen stagnieren oder absinken – verlieren die Geduld und sehen in Ultra-Orthodoxen einen inneren Feind. Warum wird ihr Studium vom Staat finanziert, während unsere Kinder nach der Armee erstmal Geld verdienen müssen, um ihr teures Studium irgendwie zu bezahlen?

Die Auseinandersetzung wird nicht sachlich geführt, sondern von beiden Seiten mit Ungeduld und Härte, und auf Seiten der Ultra-Orthodoxen von einer schäbigen Hetzkampagne gegen ultra-orthodoxe Soldaten begleitet. Sie werden dabei als „chardakim“ bezeichnet, einem Mischwort aus charedim (Ultra-Orthodoxe), chayalim (Soldaten), charakim (Inseketen) und chaydakim (Bakterien). (Ja, ganz richtig, hebräisches Vokabel-Lernen ist ein Albtraum, weil sich viele Wörter sehr ähneln!). Die Plakate und Karikaturen, die dabei eingesetzt werden, sind häßlich und gemein. Der Gipfel ist dieses hier:

Oben steht: „Fabrik zur Herstellung von chardakim„. Und auf dem Müllcontainer steht: „der nationale Mülleimer“. Das erinnert mich natürlich an die ultra-orthodoxe Frau, die ich neulich mal kennengelernt habe, und die verächtlich meinte: „meine Söhne würde ich nicht in diesen Dreckhaufen Armee schicken“.

Das ist die Armee in den Augen der Leute, die sich auch zu Vergleichen mit Inquisition und Hitler versteigen. Wie der oben erwähnte Mann, den ich in den Nachrichten gesehen habe. Inquisition? Hitler? Hat er es nicht etwas kleiner?

Der Redner in diesem Bericht läßt zwar Hitler aus dem Spiel, aber auch er holt historisch weit aus: Titus. Antiochus! Lapidus!! Bennetus!!! Bei allem Respekt für Lapidus und Bennetus, ich bezweifle doch, daß sie Projekte der Größenordnung und historischen Reichweite eines Titus auf die Beine stellen wollen oder können.

Zyniker würden sagen: mit Bedacht hat die Knesset vor kurzem das Gesetz verabschiedet, das Nazi-Vergleiche unter Strafe stellt, bevor sie sich mit den Ultra-Orthodoxen angelegt hat, denn sie weiß, wie beliebt der Nazi-Vorwurf bei solchen Demos ist. Ich erschrecke ja immer, wie leicht manchen Leuten das Wort Holocaust über die Lippen kommt – als würden sie damit nicht den Holocaust aufs Taschenformat verkleinern, wenn es schon ein Holocaust ist, zur Armee gehen, arbeiten und Steuern zahlen zu müssen.

Ich glaube nicht, daß jemand die Absicht hat, das ultra-orthodoxe Judentum zu zerstören, zu zerschlagen oder unmöglich zu machen. Aber wir leben zusammen in einem Staat. Wir müssen uns verständigen. Ich hoffe, die Ultra-Orthodoxen, die arbeiten und vielleicht auch bei der Armee waren oder einen anderen Dienst geleistet haben, können vermitteln und jeder Seite die andere erklären. Ich finde den Anblick dieser Demonstrationen immer schrecklich – ich finde die Reden der Ultra-Orthodoxen schießen oft weit, weit übers Ziel hinaus, aber ich sehe auch mit Schrecken, wenn die Polizei Gewalt gegen sie anwendet. Und ich fürchte, wir gehen unruhigen Zeiten entgegen. Auf beiden Seiten hat sich viel Groll angestaut, der sich jetzt Luft macht.

Ganz süß Februar 6, 2014, 16:43

Posted by Lila in Kinder, Land und Leute.
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ist er, meinte meine Tochter. Na ja, wie alte Leute eben sind, aber echt nett.

Shimon Peres ist damit wohl (wer weiß für wie lange) ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen. Er hat 9000 Schüler gleichzeitig online unterrichtet, in Staatsbürgerkunde. Und meine Tochter war dabei. Sie hat keine Frage gestellt, aber sie meint, es war interessant.

Guinness official Marco Frigatti says Peres achieved the record Thursday morning when he taught the largest online civics class in the world.

Frigatti says Guinness liked the idea „because it combines civics, technology and a teacher who has seen the country from its origins to today.“

Das kann man wohl sagen. Und „von seinen Anfängen“ kann man auch recht weit fassen – niemand wäre überrascht, wenn sich herausstellte, daß Peres schon mit Jakob und Joseph durch Hebron getrottet ist.

Gelobtes Land Februar 5, 2014, 19:39

Posted by Lila in Bloggen, Presseschau.
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Das Thema taucht ja immer wieder hier auf: welche Bedeutung die göttliche Versprechung des Lands an die Juden heute hat („das gelobte Land“ – gelobt im Sinne von ausgelobt, versprochen, nicht im modernen Sinne). Eine interessante Stimme zum Thema habe ich heute bei Elder of Zion gefunden.

Ein jordanischer Scheich, Ahmad Adwan, erklärt, daß Allah den Juden das Heilige Land versprochen hat, und daß das Wort Palästina eine Lüge und Gotteslästerung ist (da es im Koran nicht vorkommt). Er bezieht sich dabei auf Sure 5, Vers 21,  und Sure 26, Vers 59 – vermutlich muß man den Koran auf arabisch lesen, um sie richtig zu verstehen. Aber Scheich Adwan kann das ja.

Und Wir gaben sie den Kindern Isrāʾīls zum Erbe.

Ganz interessant – auch der Koran anerkennt, daß die Juden ein Volk sind, Kinder Israels eben.

Der Scheich Adwan kommt dabei zu klaren Schlußfolgerungen:

„I say to those who distort their Lord’s book, the Koran: From where did you bring the name Palestine, you liars, you accursed, when Allah has already named it “The Holy Land” and bequeathed it to the Children of Israel until the Day of Judgment. There is no such thing as ‚Palestine‘ in the Koran. Your demand for the Land of Israel is a falsehood and it constitutes an attack on the Koran, on the Jews and their land. Therefore you won’t succeed, and Allah will fail you and humiliate you, because Allah is the one who will protect them (i.e. the Jews).”

Adwan war zu Besuch in Israel – sehenswert der angefügte Film, leider nur auf Hebräisch, von seinem Besuch mit dem Rav von Zfat in dieser heiligen Stadt. Das hat Adwan über die Juden zu sagen:

He (Adwan) added: “(The Jews) are peaceful people who love peace, who are not hostile and are not aggressors, but if they are attacked, they defend themselves while causing as little damage to the attackers as possible. It is an honor for them that Allah has chosen them over the worlds – meaning over the people and the Jinns until the Day of Judgment. I made the reasons for Allah’s choice clear in my books and pamphlets. When Allah chose them, He didn’t do so out of politeness, and He wasn’t unjust other peoples, it is just that they (the Jews) deserved this.”

Nun, wenn man jüdische religiöse Argumente aus der Politik heraushalten möchte (und ich bin dafür, sie herauszuhalten, weil man über religiöse Überzeugungen nicht streiten soll oder kann – man kann die des anderen respektieren, muß sie aber nicht teilen), dann gilt das auch für islamische religiöse Argumente. Aber immerhin interessant, zu wie vielen verschiedenen Ergebnissen eine Koran-Lektüre führen kann.

Und ermutigend, daß es auch solche Stimmen gibt. Von jüdischer Seite aus war der Rav Fuhrman, zu dessen Tod ich im Blog über ihn geschrieben habe, so eine Stimme des Respekts für die andere Seite.

(Mehr zu Adwan und seiner Interpretation des Koran hier.)

Narrativ oder Wahrheit? Februar 5, 2014, 17:57

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Elder of Zion, der Unermüdliche, hat einen kurzen Videoclip zum Thema „Saeb Erekat und sein Narrativ“ veröffentlicht.

Es sollte eigentlich so einfach sein, solche aus der Luft gegriffenen, mit großem Pathos vorgebrachte Lügen zu überprüfen und mit der Wirklichkeit zu konfrontieren. Erekats empört bebender Unterton, als er sagt, „you’re asking me to change my narrative“ ist verräterisch. Wenn Erekat die Wahl hat zwischen Narrativ und Wahrheit, verzichtet er gern auf die Wahrheit, damit das Narrativ stimmt.

Ich habe im Laufe der Jahre ich-weiß-nicht-mehr-wie-viele solcher Narrativ-Lügen abgeklopft. Nicht so viele wie EoZ und andere fleißige Kleinarbeiter im Dienst der Wahrheit, aber es läppert sich doch was zusammen. Aber manchmal möchte ich mutlos werden bei der Anhäufung der Lügen, die einfach so geglaubt werden.

Narrative sind schöne Dinge in der Literatur, Kunst, im Film, in der persönlichen Erinnerung. Aber wenn  Phantasiekonstrukte in einem politischen Konflikt eingesetzt werden, als wären es echte Argumente, und außer ein paar Bloggern überprüft es keiner, schert es keinen – dann haben wir ein echtes Problem.

Eigentlich brauche ich eine extra Blog-Kategorie für diese seltsamen Narrative: Lug und Trug.

Aus dem vollen Boot Februar 5, 2014, 0:01

Posted by Lila in Presseschau.
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Kanntet Ihr diese Geschichte? Ich nicht. In der ZEIT finde ich einen Artikel, der beleuchtet, wie die Situation der Juden nicht nur in NS-Deutschland war. Eine Schulklasse aus Rorschach, lauter Mädchen, schrieb 1942 einen geharnischten und empörten Brief an den Schweizer Bundesrat. Die Mädchen protestierten gegen die Abschiebung jüdischer Flüchtlinge. Es war damals schon bekannt, daß den Juden nur eines zugedacht war – der Tod.

„Sehr geehrte Herren Bundesräte!“, schrieben die Mädchen. „Wir können es nicht unterlassen, Ihnen mitzuteilen, dass wir in den Schulen aufs höchste empört sind, dass man die Flüchtlinge so herzlos wieder in das Elend zurückstösst.“

„Hat man eigentlich ganz vergessen“, schrieben die Rorschacher Schülerinnen nach Bern, „was Jesus gesagt hat: ›Was ihr einem der Geringsten unter euch getan habt, das habt ihr mir getan.‹ Wir hätten uns nie träumen lassen, dass die Schweiz, diese Friedensinsel, die barmherzig sein will, diese zitternden, frierenden Jammergestalten wie Tiere über die Grenze wirft!“

„Haben nicht alle diese Menschen noch die ganze Hoffnung auf unser Land gelegt“, schrieben die Mädchen am 7. September an die Bundesräte, „und was für eine grausame, schreckliche Enttäuschung muss es sein, wieder zurückgestossen zu werden, von wo sie gekommen sind, um dort dem sichern Tod entgegenzugehen.“

Der Brief der Schülerinnen war zwei Seiten lang. Er schloss mit der dringenden Bitte um „Aufnahme dieser ärmsten Heimatlosen“ und grüßte „in Vaterländischer Verbundenheit“. Eine Schülerin hatte den Text entworfen, einige hatten mitredigiert. 22 der 32 Mädchen der Klasse 2c unterschrieben.

Bis zur Bundesanwaltschaft und dem Chef des Justiz- und Polizeidepartements schlug der Brief Wellen. Die Mädchen kriegten Ärger, sie wurden vom Schulrat verhört und zum Stillschweigen verdonnert.  Statt daß einer der Politiker und Verwaltungshengste auf die Mädchen gehört hätte – nein. Das Boot war ja schließlich voll. So voll, daß wohl menschliche Werte und Anstand über Bord gingen.

Dieser Brief und seine Geschichte werfen ein trauriges Schlaglicht auf die Lage der Juden in Europa, auch außerhalb des direkten Einflußbereichs der nationalsozialistischen Regierung. Die so neutrale Schweiz unterstützte de facto die Vernichtungspolitik der Deutschen, indem sie den Juden kein Schlupfloch ließ, keine Zuflucht bot. Oh, und es zeigt natürlich auch, daß es eine Menge Menschen gab, die wußten, was mit den Juden gemacht wird. Daß keiner von ihnen übrigbleiben soll. Das war ihnen schon klar, den Grenzwächtern und Bürokraten.

Wir haben heute im Blog spekuliert und nachgedacht, was aus den Juden geworden wäre, wenn der Staat Israel nicht gegründet worden wäre, sechs Jahre, nachdem die Mädchen aus Rorschach ihren Brief verfaßt hatten. Glaubt jemand ernsthaft, es wäre möglich gewesen, ein „normales jüdisches Leben“ in Europa zu führen? Da war keine Basis mehr für Vertrauen. Daß überhaupt noch Juden in Europa leben, ist ein Kompliment für die Europäer, das nicht alle von ihnen verdient haben.

Ohne einen Staat Israel hätten die Juden keinen Biß. Mit dem Staat Israel haben sich schon viele angelegt und sein Abschreckungspotential ist nicht absolut. Aber kann man sich ausmalen, was den Juden geblüht hätte, wenn es den Staat Israel nicht gäbe? Die Unmenschlichkeit ist einfach unfaßbar und wahrhaftig empörend. Man hätte helfen können, sogar ganz einfach. Aber man hat es nicht getan.

Warum hätte man es ein paar Jahre später tun sollen? Für ein Volk von armen, heimatlosen Herumgestoßenen ohne Staatsangehörigkeit? Damals flößten die Juden im besten Falle bitteres Mitleid ein – aber ist widerwilliger Respekt nicht doch eine bessere Lebensversicherung? Und es lebt sich auch besser damit.  Wenigstens braucht kein Jude mehr zu hoffen, daß sich jemand seiner erbarmt. Er hat in Israel Rechte. Er braucht nicht mehr zu hoffen, daß menschlicher Anstand ihn rettet. Er weiß auch, dass Israel ihn im Zweifelsfall raushaut, wenn irgend möglich.

Man fragt sich aber auch im Stillen: was, wenn es mehr Menschen gegeben hätte wie die Mädchenklasse aus Rorschach? Hätte das nicht doch etwas bewirkt in der Schweiz, vielleicht auch in anderen Ländern? Warum gab es nicht noch mehr? Wenn ein Boot voll ist, hilft man Ertrinkenden eben mit Schwimmweste oder Floß. Man sucht nach einer Lösung, nach Hilfe. Aber sich einfach abwenden?

Ihr könnt mir sagen was Ihr wollt. Aber dieses Bild ist die einzige mögliche Antwort auf Auschwitz.

 

 

 

Tragischer Fehler Februar 4, 2014, 14:38

Posted by Lila in Land und Leute, Persönliches.
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Nie wieder gutzumachen.

Einundzwanzig Jahre alt – im Alter genau zwischen Secundus und Tertia. Soldat bei Givati, an der Grenze zum Gazastreifen stationiert. Ich nehme an, seine Eltern schlafen, so wie ich die letzten Jahre, mit dem aufgeklappten Laptop neben dem Bett, um nachts schnell Schlagzeilen checken zu können. Oder mit dem Telefon, oder dem Tablet, oder einem kleinen Radio. Es ist unerträglich, nachts im Bett zu liegen und zu wissen, daß der Junge (oder das Mädchen) irgendwo in den Stiefeln über staubige Wege trottet, mit Waffe und Weste und schwerer Ausrüstung.

Und die bebende Angst, zu lesen:

IDF officer killed by friendly fire near Gaza border

oder irgendeine andere Überschrift, die das Leben zerbricht, so daß es nie mehr heil wird.

Ja, man macht sich immer Sorgen um die Kinder, wenn sie im Straßenverkehr unterwegs sind und überhaupt. Das Leben ist so kurz, so vergänglich, so kostbar. Seit man irgendwann während der Schwangerschaft begriffen hat, daß man jetzt verantwortlich ist für einen richtigen, echten, präsenten kleinen Menschen, stellt man sich in Gedanken dem Schicksal in den Weg, winkt und ruft: ich! hier! nimm mich! nur nicht ins Kinderzimmer! lad alles hier ab! Und man ist froh und erleichtert um jeden Tag, der ohne Katastrophe vergeht. Gesund, munter, frech, Gott sei Dank.

Doch wie ich schon so oft geschrieben habe – die Sorge um ein Kind in der Armee hat eine besondere Schärfe durch zwei Dinge. Erstens ist die Armee im Gegensatz zu Schule und allen anderen Apparaten, denen man die Kinder anvertraut, eben nicht in erster Linie dem Kind verpflichtet. Sondern dem Wohl, dem Schutz anderer, dem die Armee im Notfall ohne zu zögern die Soldaten aufopfert. Aufopfern muß. Und ich muß es akzeptieren. Denn meine Kinder sind ja selbst aufgewachsen, behütet von den Söhnen und Töchtern anderer Eltern, die denselben Dienst geleistet haben. Aber es ist bitter und furchterregend zu wissen, daß die Armee selbstverständlich die Soldaten in Gefahr bringt, um die Gefahr von anderen abzuwenden. Denn das ist ihre Aufgabe.

Und dann: ich sorge mich nicht nur darum, was ihm geschehen kann, sondern auch darum, was er unter Umständen tun muß. Als Soldat kann man in Situationen moralischen Dilemmas kommen – und eine falsche Entscheidung kann fürs ganze Leben das Gewissen belasten. Einer der schlimmsten Ängste ist, daß ein Soldat ein Leben aus Versehen auslöscht. Ich kenne aus ziemlicher Nähe zwei Soldaten, denen so etwas passiert ist. Der eine hat ein palästinensisches Kind erschossen und ist über Jahre seines Lebens nicht mehr froh geworden. Er hat einen 13jährigen für einen jungen Erwachsenen gehalten und in einer bedrohlichen Situation geschossen. (Dafür auch von der Armee bestraft worden.) Er war damals jung und nervös.

Der andere war Offizier, ein gestandener Mann, der einen falschen Befehl gab und Artilleriefeuer auf den Hügel lenkte, auf dem alle seine Freunde standen. Y. hatte Glück, hinter einem Panzer zu stehen, sonst wäre auch er damals auf diesem Hügel gestorben. 1990 war das, Primus war ein Baby und ich ganz frisch in Israel. Y. hat nie erzählt, was er an dem Tag gesehen hat. Es waren alte Freunde und Reserve-Kameraden, die damals gestorben sind. Wie sein Freund, der dafür verantwortlich war, das verkraftet hat, wissen wir nicht. Er hat nie davon gesprochen und Distanz gesucht.

Ja, wir haben Angst als Eltern, daß so etwas passiert. Daß eines unserer Kinder eine unwiderrufliche Fehlentscheidung trifft, die eine Tragödie auslöst. Oder daß es selbst Opfer wird.

Mein ganzes Beileid mit der Familie von Tal Nachman, der noch so jung war und so viel vorhatte im Leben. In einer halben Stunde wird er beerdigt – und sein Vater wird Kaddish sagen. Etwas Herzzerreißenderes gibt es eigentlich nicht.

Und mein Beileid gilt auch der Familie des Soldaten, der durch ein Versehen Tals Leben beendet hat und seines eigenen vermutlich nicht mehr froh wird.

Was ist nur in Deutschland los? Februar 4, 2014, 0:05

Posted by Lila in Deutschland.
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Überall knirscht es im Gebälk. Auf nichts und niemand ist mehr Verlaß. Stiftung Warentest irrt – ADAC schummelt – jetzt noch die schrappige Alice Schwarzer – als nächstes wird jemand nachweisen, daß Miele-Waschmaschinen rosten! Da brechen Weltbilder zusammen.

(Und dabei krieg ich doch nur einen kleinen Teil  mit…)

Von Unrecht und seiner Tilgung Februar 3, 2014, 12:18

Posted by Lila in Land und Leute.
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Also sprach ein Kommentator:

 “So sehr ich den Juden diesen Staat gönne, so genau sehe ich die Tatsache, dass die Gründung Israels neues Unrecht begründete. Dieses Unrecht gilt es nunmehr zu tilgen. ”

Ich glaube nicht, daß der Komentator selbst willig oder imstande ist, meine Fragen sachlich zu überdenken und eine sachliche Antwort zu geben, aber ich frage trotzdem.

In welcher Hinsicht war die Gründung des Staats Israel mit größerem Unrecht verbunden als die Gründung der Staaten Syrien, Jordanien und Libanon?

In welcher Hinsicht war es unzumutbar für die arabischen Einwohner Israels (die Bezeichung „Palästinenser“ wäre unhistorisch, da sie erst in den 60er Jahren langsam gebräuchlich wurde), als gleichberechtigte Bürger in einem Staat Israel zu leben? Was genau war schlimmer an einer israelischen Regierung Israel als eine jordanische Regierung, ein britisches Mandat oder eine osmanische Provinzverwaltung?

Es ist ja nicht so, als wäre ein autonomes Volk der Palästinenser grausam unterjocht worden. In dieser Weltgegend gaben sich Jahrtausende lang verschiedenste Regierungen die Klinke in die Hand. Eine palästinensische war nicht dabei.

Auch wenn P.Bereit das glaubt. Und viele Leute es glauben. Das sind alles Leute, deren Bullshitometer anscheinend überhaupt nicht funktioniert, und statt mich hier im Blog abzuäschern, sollte ich lieber Olivenholz-Wunderkästchen aus dem Heiligen Land oder sonstige Wunderdinge verkaufen.

Noch einmal zum Mitschreiben: nach Ende des kolonialen Zeitalters wurden die kolonialen Reiche aufgeteilt und Einwohner dieser Reiche wurden autonom. Die sogenannten natives.

Im gesamten Nahen Osten lebten Juden, und niemand, der seine Sinne beisammen hat, kann bestreiten, daß Juden im Nahen Osten heimisch sind. Ungefähr die Hälfte der Bewohner Israels hat orientalische Wurzeln und kommt aus dem Nahen Osten bzw dem Maghreb. Juden sind natives des Nahen Ostens. Die Briten waren Kolonialisten, die Türken waren es, die Araber, die Kreuzfahrer und die Römer – sie alle kamen NACH den Juden.

Warum also sollten ausgerechnet die Juden, die im Nahen Osten seit Jahrtausenden heimisch waren, deren Anwesenheit archäologisch nachweisbar ist, kein Recht auf Autonomie haben? Warum war es ein himmelschreiendes Unrecht, ihnen einen Staat zuzugestehen, dagegen ganz selbstverständlich, in der andern Hälfte des Mandatsgebiets einen Staat Jordanien einzurichten und dort als Herrscher die Haschemiten zu etablieren, die überhaupt nicht dort heimisch sind?

Warum säen „Israel-Kritiker“ nach wie vor die Mär, daß alle Juden Rosenblum hießen und Intellektuelle in Wiener Kaffeehäusern waren, die sich auf einmal in den Kopf gesetzt hatten, einen Staat im Nahen Osten durchzusetzen? Warum kapieren sie nicht, daß die Hälfte der jüdischen Israelis Abutbul oder Buskila heißt, Maklouba und Mafroum ißt und im Nahen Osten heimisch ist? Daß die Hälfte der jüdischen Israelis aus Tunesien, Jemen, Irak, Syrien, dem Libanon kam, oder aus Familien, die seit Generationen in Zfat, Hebron oder Jerusalem leben? Woher hat Gustav Bauernfeind die Juden auf seinen Bildern genommen? Die haben  hier gelebt.

Die Staatsgründung Israels wurde von der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung begleitet. Zitat:

Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.

Und genau diesen Anspruch erfüllt der Staat Israel heute noch.

Warum ist das Zentrum des Bahai-Glaubens in Israel? Weil hier Glaubensfreiheit herrscht.

Warum sitzen arabische Abgeordnete in der Knesset? Weil hier politische Gleichberechtigung herrscht.

Warum gibt es Schulen und Hochschulen, in denen Arabisch Unterrichtssprache ist? Warum stehen Kirchen und Moscheen allen Gläubigen offen?

Weil der Staat Israel sich an die Regeln in der Unabhängigkeitserklärung hält.

Wo bitte ist das bittere Unrecht, das die Bewohner von Kfar Yasif und Nazareth erlitten haben?

Hätten die arabischen Nachbarstaaten die Gründung des Staats Israel als gleichwertig mit der Gründung des Staats Jordanien betrachtet (wozu sie Juden als gleichberechtigt hätten anerkennen müssen – aber dort liegt der Hund ja begraben), hätte es keinen Krieg gegeben, dann wäre die sog. Naqba nie passiert.

Doch gutgläubige Palästina-Anhänger wie P.Bereit werden nie einsehen, daß nicht die Gründung des Staats Israel ein großes Unrecht war. Sondern der aggressive Unwille der Nachbarstaaten, diese Staatsgründung als Teil der Ent-Kolonialisierung des Nahen Ostens zu begreifen und zu akzeptieren.

Und noch zwei Punkte: nachweislich kam der Islam NACH Judentum und Christentum in diese Gegend. Es steht zu vermuten, daß zumindest ein Teil der heutigen hier ansässigen Moslems jüdische Wurzeln hat und zum Islam konvertiert ist, als dieser hier Fuß faßte. Irgendwoher müssen die Moslems ja gekommen sein.

Zweitens sind viele der heute in Israel ansässigen arabischen Familien im Laufe des 18., 19. und 20. Jahrhunderts hier eingewandert, ebenso wie jüdische Familien eingewandert sind. Das schlägt sich in vielen arabischen Familiennamen nieder: al Masri, der Ägypter, oder Chalabi, der Mann aus Chalab (Aleppo). Die Gegend hier war noch im 19. Jahrhundert ziemlich leer, und nicht nur Juden sind aus anderen nahöstlichen Ländern und Europa hier eingewandert, sondern auch Araber. Übrigens auch Christen verschiedenster Provenienz und Tscherkessen. Auch viele Beduinen kamen von woanders her.

Daß die Nachweise jüdischer Präsenz im heutigen Staat Israel älter sind als die der anderen Gruppen, hat historische Gründe. Es ist eine einfache Tatsache. Jüdische Israelis leiten daraus keine größeren Rechte ab. Niemand spricht einem Araber aus Arab el Aramshe oder Baka al Garbiya das Recht ab, dort wohnen zu bleiben und alle Rechte des Staats Israel zu genießen. Aber den Verstand und Anstand sollte man schon haben, diese jüdische Präsenz nicht zu leugnen. Man sollte darauf verzichten zu behaupten, daß die Klagemauer immer schon islamisch war, daß nie ein jüdischer Tempel auf dem Tempelberg stand (der von Moslems mit einer Moschee ersetzt wurde), daß das Grab Rahels ein moslemisches Heiligtum ist und das Josefsgrab ebenfalls.

Wie gesagt, das Bullshitometer dieser Apologeten funktioniert einfach nicht, wenn es um Juden und Palästinenser geht. Manche glauben gern, daß die Juden den Tempel und die ganze jüdische Geschichte einfach erfunden haben.

Worin also bestand das gräßliche Unrecht von 1948? Und wie bitte ist es zu „tilgen“?

Al Jazeera über Syrien Februar 2, 2014, 8:11

Posted by Lila in Presseschau.
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