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Von Zerstörung und Aufbau Dezember 3, 2023, 23:26

Posted by Lila in Land und Leute, Uncategorized.
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Es kann mich nicht freuen, wie es jetzt im Gazastreifen aussieht und noch aussehen wird. Ich gebe es zu, ich war genau wie fast ganz Israel in dem seligen Irrtum befangen, ein besseres Leben würde aus den Bewohnern dort friedlichere Menschen machen. Und wenn es hieß, „die Hamas ist nicht unser Problem, unser Problem sind der Jihad und andere Gruppen, aber Hamas übernimmt langsam Verantwortung für die Menschen und ist mehr an Arbeitsgenehmigungen als an Terror interessiert“ – dann habe ich das gern geglaubt. Weil ich es glauben wollte.

Ich habe zwar das krasse Wohlstandsgefälle im Gazastreifen kritisch gesehen, aber trotzdem gehofft, daß sich das irgendwann mal osmotisch verteilt und zu einem guten Leben für die Allermeisten entwickelt. Wie es in so vielen Gesellschaften passiert ist. Heute komme ich mir mit diesem Glauben vor wie der größte Idiot der Welt, aber bis zum 6.10. hätten die meisten Israelis gesagt: ja, so sieht es aus. Weil wir an das Gute im Menschen glauben wollen.

Wäre ich nun konsequent, dürfte ich mich nicht über andere ärgern, die ihre eigenen Wünsche und Ambitionen (Friede, Freude, Gerechtigkeit) den Palästinensern unterstellen und mir in den Ohren liegen damit, daß der ganze Terror nur aus Sehnsucht nach 2staatenlösung stattfindet. So doof war ich nun doch wieder nicht, und ich habe schon begriffen, wie brutal und vernichtend der Terror ist. Ich habe ihn ja nun oft genug gesehen, eine endlose Kette blutiger, verstörender Vorfälle, und ich weiß auch, daß hier jede Woche Dutzende Anschläge vereitelt werden. Ihr hört ja nur von einem Bruchteil der Dinge, die wir kennen. Es ist keine Meldung wert, und wenn, dann unter der Überschrift „Israel greift an“.

Aber ich hätte immer gern einen zufriedenen, friedlichen Nachbarn im Süden gesehen. Einen Nachbarn, der endlich seinen Haß vergißt und hinter sich lässt, in zehn, zwanzig Jahren vielleicht?, und endlich in Gaza wirklich ankommt, ohne Illusionen auf eine Rückkehr in ein Land, das sie seit Generationen nicht mehr kennen.

Einen Nachbarn, der Tourismus für sich entdeckt, vielleicht High-Tech, intelligente Landwirtschaft, so daß das gute Leben für viele möglich wird. #TheGazaYouDontSee war deswegen so ein guter Hashtag, weil er einerseits die Idiotie der Leute aufzeigte, die wirklich glaubten, Gaza sieht aus wie ein einziger Trümmerhaufen. Gaza sah ähnlich aus wie Städte in Israel.

Aber andererseits waren es einfach sehr fröhliche Clips. Die Leute in den Clips, besonders die Kinder, hatten Spaß. Beim Einkaufen, beim Spielen. Die jungen Leute hatten Spaß, wenn sie mit ihren schicken Autos die Straße am Meer entlanggebrettert sind.

Vor fast zehn Jahren liefen alle möglichen Variationen von „Happy“ durchs Netz, und als ich es mir jetzt noch einmal angeguckt habe, habe ich gestaunt, an wie viele Gesichter ich mich noch erinnere. Das sind keine Bilder aus richtig dickem Wohlstand so wie bei #TheGazaYouDontSee, aber fröhliche Gesichter. Und ich sehe solche Gesichter jeden Tag im Bus und auf der Straße. Das sind keine Fremden.

Und das gönne ich jedem, Spaß und alltägliche Freuden und tanzen und lachen… Die ganzen idiotischen Vorwürfe, mit denen mich Trolle auf Twitter ständig überziehen, ich würde Völkermord o.ä. gutheißen, sind voll daneben. Das ist den Trollen natürlich egal, und für die schreibe ich auch nicht. Sie schreiben das einfach bei allen hin, die ihnen pro-israelisch vorkommen. Während palästinensische Politiker uns auf allen Kanälen den Genozid androhen, klagen ihre Sympathisanten, Israel würde Genozid an ihnen vollziehen. Klassische Projektion.

Welcher vernünftige Israeli, und ich kenne eigentlich nur solche, würde nicht lieber in Frieden mit seinen Nachbarn leben, als in Sorge zu leben, daß dort ein haßerfülltes Regime jederzeit noch einmal eine Leute über die Grenze schickt, um zu morden? Welches Interesse hätten wir daran, einen Konflikt zu schüren, der sowieso schon viel zu lange dauert?

Wen freut es, wenn Häuser, in denen Familien gelebt haben, zerstört werden? Natürlich bin ich erleichtert, wenn die Waffenlager unschädlich gemacht werden, und ich glaube auch nicht, daß die Bevölkerung von Gaza davon nichts gewußt hat. Der Vater, der seiner Tochter Waffen unter die Matratze geschoben hat, wußte, was er tat. Trotzdem tut es mir um das Mädchen leid, das von seiner Umgebung nur als Schutzschild mißbraucht wird, und an dessen wahre Interessen niemand denkt.

Dieses Kind hat ein Recht auf ein Zuhause ohne Waffen, ohne Bedrohung, die von seinen Angehörigen heraufbeschworen wird, die sich nicht abfinden will mit dem Lebensrecht eines legal gegründeten, demokratischen, wehrhaften aber friedensliebenden Nachbarstaats.

Und wenn ich die zerstörten Häuser sehe, weiß ich, daß sie aus gutem Grund beschossen wurden, denke aber trotzdem: wie schön wäre es, wenn das einfach nur Wohnhäuser wären, von Familien, die sich ihren Wohlstand erarbeitet haben und ihn nun zusammen genießen. Und ich wünsche mir so, Gaza hätte nicht die Hamas gewählt, hätte nicht den Weg von Unversöhnlichkeit und Haß und Terror gewählt.

Ich sehe den Happy-Clip an und frage mich, wo die tanzenden Kinder jetzt sind, und die Studentin mit dem offenen Haar, und die tanzenden jungen Männer. Und ich kann nicht anders als mich zu fragen – waren sie beteiligt am 7.10.? Fanden sie es gut? Haben sie auf die Toten gespuckt? Aber auch: sind sie vielleicht innerlich wütend auf die Hamas? wurden sie von Hamas verfolgt und eingeschüchtert, weil sie nicht angepaßt genug waren, und halten darum den Mund? Sitzen sie jetzt auf den Trümmern ihrer Existenz, und wenn ein Al-Jazeera-Korrespondent ankommt und sie interviewen will, reden sie sich den Frust von der Seele – was der Korrespondent natürlich abwürgen muß.

Nein, ich sehe nicht gern Zerstörung, nicht von Häusern, nicht von Leben. Das alles hat Hamas über uns gebracht, aber auch über ihre eigenen Bürger. Kaltschnäuzig erklären die Hamas-Anführer, daß sie es jederzeit wieder tun würden, jederzeit wieder israelische Bürger abschlachten wollen, und damit Krieg und Zerstörung über ihre eigenen Bürger bringen werden.

Auf die Frage, warum sie nicht für Infrastruktur und Ernährung ihrer Bürger sorgen, sie sind ja schließlich die Regierung, erwidern sie, daß sie dafür nicht verantwortlich sind. Das hat die UN zu verantworten.

Gleichzeitig stehlen sie von den Gütern, die Israel durchläßt, die UNRWA, die EU, die USA und andere spenden. Je mehr Elend im Gazastreifen, desto besser für sie. Sie wissen, daß die öffentliche Meinung allein Israel dafür verantwortlich erklärt.

Zerstörung wohin man sieht. Eine zerstörte, verhetzte Jugend, die im Kindergarten Geiselnahmen drillt, statt mit Klötzchen und kinetischem Sand zu spielen.

Ich sehe keinen Ausweg. Die Zerstörung wird weitergehen. Israel hat daran kein Interesse. Unser Interesse ist eine friedliche, blühende Nachbarschaft, die sich endlich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren kann. Landwirtschaft, Umweltschutz, Erziehung, Gesundheitswesen, Artenschutz, Wasseraufbereitung, aber auch Literatur, Tanz, Kunst, Forschung und der schlichte Genuß des alltäglichen Lebens.

Ich persönlich sehe mit Grausen, wie die Zerstörung immer weiter geht und alles mit sich reißt.

Kommentare»

1. Silvi - Dezember 3, 2023, 23:43

Herzlichen Dank für den Artikel!

2. Yael Levy - Dezember 4, 2023, 9:39

Das Happy Video aus Gaza ist der Wahnsinn. Ich möchte weinen, wenn ich die Menschen dort sehe. Man denkt, „happiness“ könnte so einfach sein.

3. slowphil58b8228e17 - Dezember 4, 2023, 13:33

Gaza ist praktisch Orwells Oceania aus 1984, wie jede radikalislamisch geführte Gesellschaft.

4. 23-12-06 Fourteen words: Blumenladen – iberty.de - Dezember 5, 2023, 20:35

[…] Lila über einen verlorenen Traum von friedlicher Koexistenz zwischen Israel und Gaza. […]


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