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Erleichtert Juli 12, 2020, 23:06

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Heute war ein Kindergarten-Tag ohne Kinder. Alle Kinderhäuser hatten die Anweisung, einen Putz-und-Desinfizier-Tag einzulegen. Ich weiß nicht, wie dieser Tag in anderen Kinderhäusern begangen wurde, bei uns war es eine Art Putzorgie, von der man normalerweise nur träumen kann. Wir haben den Kindergarten auseinandergenommen, gewienert und wieder zusammengesetzt. Eine 2-Liter-Flasche Chlorreiniger haben wir verputzt. Meine Methode, Legosteine und andere Spielsachen sauberzumachen (in ein großes Becken mit Reinigungsmittel legen, 2 Stunden in Ruhe lassen, dann abspülen und in der Sonne mit viel Schütteln trocknen lassen), kam zur glorreichen Anwendung, aber auch die Methode meiner Kollegin (Tuch in Spülmaschine legen, Spielzeug drauf, kurzer Spülgang) ist nicht schlecht, und sämtliche Dinosaurier, Spielfiguren etc sind durch unsere Hände gegangen.

Ich habe mich erboten, die Wäsche für den Kindergarten zu übernehmen, weil die Kolleginnen mit der bisherigen Wäscherei nicht zufrieden waren, und habe jetzt neun Säcke Textilien im Flur, die ich morgen in Angriff nehmen werde – Verkleidungen, Tücher, Stofftiere, aber auch Putzlappen und Handtücher.

Wir haben die ganze Zeit Musik gehört, eine Kollegin hat ein üppiges Frühstück vorbereitet, aber bis auf die Frühstückspause haben wir durchgearbeitet. Jetzt ist die Puppenecke umgebaut, die Wände sind abgewaschen, und mein besonderes Steckenpferd: sämtliche Tische, Stühle und Hocker habe ich umgedreht und auch von unten geputzt. Überflüssige Sachen haben wir entsorgt, und alle Arbeiten, für die man sonst nie Zeit hat, haben wir uns geteilt. So hat das Spaß gemacht.

Wir haben uns sämtliche Sorgen von der Seele geputzt, und ich war die letzte, die am Ende den Schlüssel umgedreht hat.

Vorhin kam dann die Entwarnung: bisher sind alle Tests negativ, und bis auf ein Kinderhaus, wo Angehörige der Kinder noch auf ein Ergebnis warten, kann das gesamte System am Dienstag wieder geöffnet werden. Da der Montag sowieso mein freier Tag ist, verliere ich also kaum Arbeitsstunden.  Mal gucken, wie wir die Kinder nach dieser Krise und Aufregung auffangen und schnell zur gewohnten Routine übergehen. Wir haben uns dazu heute schon Gedanken gemacht. Das besondere Sommerprogramm wollen wir nicht sofort wieder aufnehmen, sondern erstmal ein paar ganz ruhige Tage vergehen lassen. Und dann machen wir viel Kunst.

Hoffentlich ist bald nicht nur in meinem Umkreis, sondern im ganzen Land der Spuk vorbei. Leider steigen die Zahlen weiter an. Busfahren ist zum Albtraum geworden – nur noch 20 Fahrgäste pro Bus, man kann also Stunden damit verbringen, Busse vorbeifahren zu sehen, die einen nicht mitnehmen. Klimaanlagen dürfen nicht mehr benutzt werden, die Busse fahren mit offenen Fenstern, im israelischen Hochsommer kein Vergnügen. Maskenpflicht ist selbstverständlich. Inzwischen sieht man wirklich kaum noch Leute ohne Mundschutz. Sogar im Kibbuz, wo bis vor kurzem nur wenige Menschen mit Mundschutz rumliefen, sind inzwischen alle umgeschwenkt.

Sollte die Regierung tatsächlich kleine Freiberufler wie mich für Einkommens-Einbußen entschädigen, wäre das zu schön, um wahr zu sein. Bisher habe ich nichts bekommen, und das Ausfüllen der Anträge war wie ein Hürdenlauf: nur Gründe, warum ich keinerlei Anrecht habe. Und das, obwohl ich seit 32 Jahren fast ununterbrochen arbeite und bituach leumi bezahle (die Nationalversicherung, die u.a. Arbeitslose unterstützen soll). Im Februar bin ich in unbezahlten Urlaub geschickt worden und hatte bis Mai null Einkünfte. Aber wie mein Mann sagt: der Staat Israel ist gut im Nehmen, weitaus weniger gut im Geben. Wie gut, daß ich wieder arbeite. Sowohl die Arbeit mit den Kindern als auch die schlichte physische Arbeit wie heute tun mir gut. Und morgen unterrichte ich sogar wieder.

Kommentare»

1. Myriade - Juli 12, 2020, 23:47

Wie läuft es denn mit den Ultra-Orthodoxen in Israel? Sind sie zum Maskentragen zu bewegen?

2. Julia Reth - Juli 13, 2020, 0:52

So viel man hier im Österreich mitbekommt: Übertragung über Oberflächen ist vernachlässigbar, es geht um Kontakt, ca 10-15 min in geschlossenen Räumen. Und wenn man mit Maske und ohne zu reden unterwegs ist, gibts auch fast kein Risiko, auch nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Es wird in geschlossenen Räumen übertragen, wenn geredet wird, auch wenn man Abstand hält.

3. Lila - Juli 13, 2020, 5:26

Ich sehe im Alltag kaum Ultra-Orthodoxe – und die, die ich beim Busfahren sehe, tragen Masken.

Auch hier wissen wir, daß die große Gefahr Tröpfchen sind, aber sicher ist sicher. Kinder tragen keine Masken, niesen trotz guter Vorsätze in die Luft oder in die Hände, mit denen sie dann alles anfassen. Wir haben so saubergemacht, als wäre eins der Kinder infiziert.

4. David - Juli 13, 2020, 9:32

Liebe Lila, ich bewundere Sie für Ihr Engagement und Ihre uneingeschränkt positive Art, mit den komplizierten Situationen umzugehen. Das ist vorbildlich. Ich kann mir nicht vorstellen, hier in den europäischen Ländern auf ähnliche Einstellungen zu treffen.

Myriade - Juli 13, 2020, 21:21

Ich dachte, es wäre in Israel vielleicht ein Thema … herzliche Grüße

5. Lila - Juli 13, 2020, 22:28

Das ist es bestimmt. Leider bin ich im Moment nicht informiert über solche Themen. Ich werde aber mal die Ohren offenhalten 🙂 es interessiert mich nämlich auch.

Insgesamt hat der relativ hohe Anteil an ultra-orthodoxen Infizierten mehrere Gründe. Viele von ihnen boykottieren „säkulare“ Medien, und bis die ultra-orthodoxen Zeitungen das Thema Corona aufgriffen, war es schon ziemlich spät (es kam wohl über Umwege: über Gemeinden in den USA).

Viele Ultra-Orthodoxe sind sehr arm, leben in kleinen Wohnungen mit vielen Kindern. In den Synagogen und Schulen sitzt man eng zusammen und diskutiert, die Kinder spielen draußen mit Kindern aus anderen Familien, Fernsehen und Computer haben sie nicht.

Viele Ultra-Orthodoxe behaupten auch, daß der Staat sie diskriminiert und daß ihre Wohnviertel abgeriegelt werden, säkulare oder modern orthodoxe Gegenden dagegen nicht. Weiß nicht, ob das stimmt.

Aber wie es jetzt konkret aussieht, weiß ich nicht. Das habe ich noch von der 1. Welle im Kopf behalten.

6. Heimo Geske - Juli 13, 2020, 22:31

Hatte vor einiger Zeit gelesen, daß sich diese Viren nur so & so viele Stunden, je nach Oberflächenart überleben, die unter 24 Stunden lagen & dachte somit, am nächsten Tag sind die eh abgestorben, aber bin wohl einer Fehlinformation aufgelaufen, wie ich gerade entdeckte:
„Die ausgewerteten Arbeiten, die sich unter anderem mit den Erregern SARS-Coronavirus und MERS-Coronavirus befassen, ergaben zum Beispiel, dass sich die Viren bei Raumtemperatur bis zu neun Tage lang auf Oberflächen halten und infektiös bleiben können. Im Schnitt überleben sie zwischen vier und fünf Tagen. „Kälte und hohe Luftfeuchtigkeit* steigern ihre Lebensdauer noch“, so Kampf.“

7. jim11111 - Juli 16, 2020, 22:34

Sollte die Regierung tatsächlich kleine Freiberufler wie mich für Einkommens-Einbußen entschädigen, wäre das zu schön, um wahr zu sein. Bisher habe ich nichts bekommen, und das Ausfüllen der Anträge war wie ein Hürdenlauf: nur Gründe, warum ich keinerlei Anrecht habe.

Grade gefunden – eigentlich arg das Ganze, und wenn das mit der Steuerbefreiung für Netanjahu wirklich stimmt – sogar sehr arg!:

https://www.hagalil.com/2020/07/corona-krise/

Die Luft brennt
16. Juli 2020 – 24 Tammuz 5780
Von Ralf Balke

8. jim11111 - Juli 18, 2020, 22:20

Noch etwas gefunden, beeindruckend schön:

Adopt-A-Doc

Ich liebe Israelis. Man kann viel über Israelis sagen, aber ich glaube, sie haben viel Leidenschaft und Liebe, …

9. Regina - August 10, 2020, 22:58

Wie schön dass es hier so viele neue Artikel in der Rubrik „Kinder, Katzen und Kibbutz“ gibt. Das war immer meine Lieblings-Rubrik. Ich freue mich, dass du im Kindergarten im Kibbutz so viel Freude hast und so spannend darüber berichtest.


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