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Von Asche und Erde Dezember 2, 2019, 20:28

Posted by Lila in Deutschland, Uncategorized.
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Bisher hatte ich nicht von ihnen gehört, war vielleicht besser so. Das Zentrum für politische Schönheit rühmt sich seiner Aktionen – politische Aktionen, die sich als konzeptuelle Kunst ausgeben, meinetwegen.

Als ich heute früh über ihre neuste Aktion las, erstarrte ich innerlich so eiskalt, daß ich nicht reagieren konnte, es auch nicht wollte.

Eine Gedenkstätte mit der „Asche der Ermordeten Hitlerdeutschlands“ haben die Aktionskünstler des „Zentrums für politische Schönheit“ (ZPS) nach eigenen Angaben am Montag in Berlin gegenüber dem Reichstag errichtet.

Dazu habe man, so die Aktivisten in einer Pressemitteilung am Montag, „Knochenkohle, sedimentierte Asche und menschliche Fragmente“ unter anderem aus der Nähe von Auschwitz zusammengetragen und in einer Säule sichtbar gemacht. Es handele sich um Überreste der Opfer, die von den Nationalsozialisten überall hinterlassen worden seien. An 23 Orten in Deutschland, Polen und der Ukraine seien von den Aktivisten Proben entnommen worden. Laboruntersuchungen hätten „in über 70 Prozent Hinweise auf menschliche Überreste“ ergeben.

Die Gedenkstätte im Berliner Regierungsviertel sei, so die Aktivisten, ab sofort zugänglich, „offiziell“ aber nur bis Samstag genehmigt, hieß. An diesem Tag soll es dort einen „zivilgesellschaftlichen Zapfenstreich gegen die AfD“ geben.

Ich bin noch immer so entsetzt und zornig, daß ich es schwierig finde, zu schreiben.

Sogar eine Karte zeigt an, wo z.B. solche Erde entnommen wurde.

Auch wozu sie dienen soll, wird erläutert.

Es werden also die Leichenteile der brutal Ermordeten, denen das Grab verweigert wurde, jetzt zum Zapfenstreich gegen die AfD eingesetzt? Wie weit kann man tote Juden noch instrumentalisieren?  Bürgerrechte, Menschenwürde, Haare, Schuhe und Goldzähne wurden ihnen genommen, die Kinder entrissen, die Arbeitskraft ausgenutzt, sie wurden brutal gedemütigt und entwürdigt, bevor sie ermordet wurden – und sie haben keine Gräber. Die Erde, in der ihre Asche ruht, ist für Juden aus aller Welt ein Ort, an dem sie der Toten gedenken.

Leichen toter Juden, denen man alles genommen hatte, wurden noch geschändet, indem man Experimente mit ihrer Haut und anderen Körperteilen machte.

Das alles ist bekannt.

Wie wichtig die Totenruhe für Juden ist, habe ich mehrmal erläutert. Jüdische Friedhöfe werden nicht eingeebnet, Gräber bleiben für die Ewigkeit, Kremation ist unüblich.

Als Y.s Oma starb, begruben wir sie im Kibbuz. Sie war die Älteste von vielen Geschwistern, alle im Warschauer Ghetto gestorben, bis auf die Jüngste. Y.s Großtante konnte sich durch die Kanalisation retten und wurde von einer polnischen katholischen Familie gerettet. Sie stand also am Grab ihrer ältesten Schwester und sagte leise: „wenigstens hat sie ein Grab“. Denn weder ihre Eltern noch Geschwister, noch die vielen Vettern und Kusinen, über die sie in Yad VaShem Zeugnis ablegte, hatten ein Grab.

Nach einigen Stunden sah ich, daß bei Twitter kritische Nachfragen kommen.

Und jetzt seht Euch diese Antwort an. Wo waren die Opfer des Holocaust, bevor diese selbstzufriedenen, kaltschnäuzigen, gewissenlosen „Künstler“ sich daran erinnert haben, daß man ja mit ihnen den Aufmerksamkeitsfaktor für eine Aktion in die Höhe treiben könnte?

Gab es tatsächlich kein Gedenken?

Gedenken, an dem das Zentrum für politische Schönheit nicht beteiligt ist, von dem es nichts weiß und auch nicht wissen will, gilt nicht.

Ich habe mich dann natürlich in die Diskussion eingemischt, was ich schon heute früh hätte tun sollen.

Immerhin bekam ich nur eine dummdreiste Antwort, was mir den Glauben an die Menschheit wiedergab. Die meisten waren entsetzt oder zumindest skeptisch. Bei Facebook geben sich einige Kommentatoren tatsächlich beeindruckt.

Einen Moment des Innehaltens, ob man tatsächlich bis zum Gebrauch von Leichenteilen den Holocaust für die eigenen politischen Zwecke mißbrauchen darf, scheint es bei diesem Zentrum nicht zu geben – sie haben den Holocaust schon mehrmals für sich vereinnahmt, wie die Wikipedia-Seite zeigt. Die Frage, ob es Nachkommen der Täter zusteht, sich Knochen und Asche der Opfer anzueignen, um sie als Waffen in einem innenpolitischen Rundumschlag gegen Konservative, Faschisten, Nazis, Rechte und AfD (ist ja alles irgendwie dasselbe) (Sarkasmus-Flagge gehißt) einzusetzen, scheint ihnen nicht gekommen zu sein. Auch jetzt sehe ich keinen Ansatz von Einsicht.

Es ist dieselbe Mentalität. Wir bestimmen, wo die Juden leben, wie sie leben, ob sie leben, wann und wie sie sterben. Nicht mal über ihre Knochensplitter haben sie Autonomie.

Und was, wenn diese „Künstler“ gar nicht in der Erde gescharrt haben, sondern einfach im Gartencenter Kompost gekauft haben und den jetzt in einer Säule zur Schau stellen?

Auch das würde nichts an der Dreistigkeit ändern, mit der sich an Leid und Trauer anderer vergriffen wird. Es würde mich nicht wundern, wenn das von A bis Z nur eine einzige morbide Show ist, unter dem Mäntelchen der politischen Korrektheit und selbstgerechten Arroganz. Verstören wollen sie – aber warum die Opfer verstören, warum nicht die Täter?

Eine Aktion, die paßgenau mit der wachsenden Judenfeindlichkeit in Europa zusammengeht, dem Unwillen, der jüdischen Perspektive auch nur einen Gedanken zu schenken. Corbyn, der sechs Gelegenheiten verstreichen läßt, sich gegen Antisemitismus auszusprechen. Umfragen, die bezeugen, wie übel Europäer es den Juden nehmen, zu viel über den Holocaust zu reden (den doch das komische Zentrum gerade erst aufgedeckt hat!). Ich bin entsetzt, hoffe aber, daß sich Protest dagegen regt.

FR gibt die Meldung unkommentiert weiter, ebenso die Welt. Sehr guter Kommentar: Aschfahl  

Die SZ findet es natürlich gut.

Doch, die Aktion ist gelungen. Das ZPS kann sich, trotz eventueller Vorwürfe der Pietätlosigkeit, darauf berufen, dass es Opfern des Holocausts und Widerstandskämpfern wie dem 1944 ermordeten Salmen Gradowski, zu Lebzeiten noch gelang, Notizen zu hinterlassen, in denen sie die Nachwelt instruierten, nach ihrer Asche zu suchen und mit ihr das Gedenken an die Millionen Ermordeten wachzuhalten. Die Frage wäre heute wohl eher, ob die Nachfahren jüdischer Holocaust-Opfer Anstoß daran nehmen könnten, dass die Überreste ihrer Vorfahren hier, eingegossen in von innen beleuchtetem Klarsichtharz, auch deutlich an eine katholische Reliquienmonstranz erinnern? Vielleicht ist das Haarspalterei.

Haarspalterei, wie man sie von Juden ja kennt.

Pfui Teufel.

Ein weiteres Twitter-Bonbon:

Die Vorstellung, daß jüdische Leichenteile mehr bedeuten könnten als ideologisch-aktivistische Manövriermasse, die man von Ort zu Ort schafft, scheint manchen Leuten sehr fern zu liegen. Da hat einer die moralische Selbstgerechtigkeit mit Spaten gefressen.

Weitere Stimmen dazu: Ruhrbarone und Ramona Ambs. Auch sehr lesenswert: Enno Lenze. 

Kommentare»

1. BarbaraT (@SoraBarbara) - Dezember 2, 2019, 20:31

Unerträglich.

2. madeleine - Dezember 2, 2019, 21:26

Einfach nur abscheulich….

3. Marius - Dezember 2, 2019, 23:37

Indem du nicht mit einem Deut auf die Tragweite und Aussage der Aktion eingehst, muss ich herauslesen, dass du sie schlicht nicht verstanden hast (vll weil zu wütend?).

Im Gegensatz zum ZPS scheinst du nicht zu verstehen, dass Konservative eben nicht das gleiche sind wie Nazis, denen aber leider schonmal zur Macht verholfen haben. Genau da stehen wir grad wieder. Es kann kaum ein Mittel geben, dass du drastisch gewählt wäre, um eine Koalition aus CDU/CSU und AfD zu verhindern.

Ich denke die Aktion ist angemessen und mehr als richtig in einer Zeit in der Faschisten im Parlament sitzen, die offen mit Holocaustleugnern und weiteren Strammrechten paktieren. Wenn diese nämlich mit den Schwarzen zusammen gehen, dann würde offenbar werden, dass niemand von den Toten der Shoa etwas gelernt hätte.

4. Lila - Dezember 2, 2019, 23:42

Was haben Deine Großeltern in den 30er und 40er Jahren gemacht? Wie stark ist das Ressentiment gegen Juden in Deiner Umgebung, wie stark war es in Deiner Erziehung?
Oder bist Du auch anderen Gruppen gegenüber nicht fähig, genug Empathie aufzubringen, um einzusehen, daß man Leichenteile nicht als politisches Demonstrationsobjekt einsetzt?

Ich habe diesen Kommentar durchgelassen, weil er exemplarisch aufzeigt, wie ein komplett empathie- und respektloser Mensch tickt, der meint, daß der Zweck jedes Mittel heiligt.

Ein Fanatiker, wie seine Vorfahren. Die haben nämlich genauso gedacht.

5. Lila - Dezember 2, 2019, 23:44

(Auf den lächerlichen Vorwurf, ich würde diese Aktion nicht verstehen, gehe ich gar nicht erst ein. Das ist ja wohl die dämlichste Ausrede aller Zeiten. Ich verstehe sie leider nur zu gut.)

6. M. N. Marx - Dezember 2, 2019, 23:56

Es ist eine widerwaertige Aktion. Ich bin entsetzt.

7. Marius - Dezember 3, 2019, 0:19

Nur weil du fragst: Mein Stiefvater war selber Jude, das letzte was wir zusammen erlebt haben letztes Jahr war ein Besuch in Ausschwitz, wo teile seiner Vorfahren umbegracht wurden. Wir haben uns jahrelang intensiv ausgetauscht. Andere Familienteile waren zur Hälfte Allierte und zur anderen Hälfte Täter. Glücklicherweise ist es dennoch so, dass Sippenhaft der NS-Zeit angehört und im modernen Recht keine Bedeutung mehr spielt. Zur persönlichen Verantwortung, die aus der Schuld erwächst, die mir Teile meiner Familiengeschichte auflasten zum Schluß mehr.

Erstmal nochmal zur Aktion:

Wenn bis heute (!) Leichenteile einfach überall in der Landschaft verstreut herumliegen, ohne dass sich jemand um sie kümmert, dann trifft genau die Beobachtung der Berliner Zeitung zu: „Wenn das Gedenken uns nicht hilft, eine Wiederholung der Verbrechen von damals zu verhindern, ist es ganz und gar sinnlos, nichts als ein überflüssiges Ritual.“

Wo war der Aufschrei, als auf den Leichenteilen Ackerbau betrieben wurde, Menschen in Seen und Flüßen schwammen, in denen die Asche einfach versenkt wurde? Schau dir doch mal an, wo die Asche entnommen worden ist. Das war auf keinem Friedhof, auf dem selbsverständlich die Totenruhe gilt, sondern auf ganz normal genutzten Flächen.

Glücklicherweise ist die Kunst in diesem Land frei – und ja, frei auch zu drastischen Mitteln zu greifen. Und ich denke du hast den Ernst der Lage einfach nicht begriffen: In den USA regiert ein Neo-Faschist, in halb Europa sind sie schon an der Macht, in manchen Teilen der EU war es nur haarscharf davor, wenn die Bundesrepublik fällt, dann sehen wir düsteren Zeiten entgegen und Ich könnte sie alle verstehen, wenn sie flüchten würden. Das es niemals wieder dazu kommt, das mahnen uns die Toten und diese Verwantwortung bürden sie uns auf. Das ist mein Verständnis davon was aus Teilen meiner Familiengeschichte für mich heute abzuleiten ist: Es gibt eine historische Schuld. Doch wer lernt und versucht zu verstehen, der kann diese Schud in Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft transfomieren.

Was haben denn deine Vorfahren denn in Hitlerdeutschland gemacht? Und noch wichtiger was tust Du eigentlich gegen den aufkeimenden Faschismus in Deutschland? Beziehungsweise gegen das Wiedererstarken faschistischen Gedankenguts weltweit?

8. Lila - Dezember 3, 2019, 0:43

Weißt Du, daß es nicht wenige Orte gibt, an denen Opfer nicht nur der Shoah, sondern auch aller möglichen Kriege liegen? auf Feldern, im Wald, an allen möglichen Stellen.

Wenn jemand auf so eine Leiche oder Leichenteile stößt, was tut er dann damit?

Es wäre ja durchaus eine Möglichkeit, eine solche Fundstelle zu melden, nicht wahr? Z.B. der örtlichen jüdischen Gemeinde, wenn man sicher ist, daß dort eine Massenexekution stattfand. Man könnte sich auch an Historiker wenden, die die jüdische Geschichte der Gegend erforschen, und an Archäologen, die den Fundort fachmännisch erschließen.

Dann könnten die gefundenen Toten einer würdigen Bestattung zugeführt werden. So wie es an vielen Orten immer noch geschieht.

Findest Du tatsächlich, und ich frage Dich jetzt nicht rhetorisch, sondern von Mensch zu Mensch, findest Du es tatsächlich angemessen, nach dem Aufspüren des Orts die dort liegenden Toten als eine Art Rohstoff für politischen Aktivismus zu gebrauchen? Einen Bohrer durch das Leichenfeld zu stoßen, einen Bohrkern zu entnehmen, worin sich angeblich ein hoher Prozentsatz menschlicher Überreste befindet, und sie nach Berlin zu bringen?

Weißt du, daß viele Shoah-Überlebende nicht nach Deutschland wollten? Ist es richtig, sie als pulverisierte Tote dorthin zu tragen, um deutsche AfD-Wähler, denen die Aktion vermutlich ganz egal ist, zum Umdenken zu bringen?

Warum sind die „Künstler“ nicht nach Halbe gefahren und haben dort Wehrmachtsoldaten ausgegraben? Verführte, Täter, wie immer man sie nennen mag. Dort liegen im Wald noch viele Tote, und obwohl sie die Uniform mit dem Hakenkreuz getragen haben, werden sie sorgsam bestattet.

Warum sollen die Vorfahren und Angehörigen Deines Stiefvaters diese letzte Ehre nicht erfahren?

Findest Du es richtig, daß das ZPS auch noch Würfel mit Erde verkauft?

Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand, der ernsthaft darüber nachdenkt, das gutheißt.

9. jim11111 - Dezember 3, 2019, 1:30

„Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand, der ernsthaft darüber nachdenkt, das gutheißt.“

Die Verfehlung ist derart monströs, dass man das gar nicht denken, nicht ausdrücken, womöglich auch nicht debattieren kann, obwohl man das unbedingt sollte, ja muss!

Allein die Vorstellung, welch Grauen vor allem Holocaustüberlebende und deren Nachkommen aber auch jeder andere, einigermaßen empathiefähige Mensch, angesichts dieser perversen Instrumentalisierung, dieser schamlosen Zurschaustellung, angesichts dieser Hemmungslosigkeit bei der Störung der Totenruhe, dieser abgrundtiefen Rücksichtslosigkeit der Würde des Anderen gegenüber, angesichts dieser himmelschreienden Selbstherrlichkeit dieser „Künstlergruppe“ ergreifen muss, erschreckt und macht hilflos und tut weh.

10. Marius - Dezember 3, 2019, 1:39

Ich machs kurz: Ja, ich finde es richtig. Von letzter Ehre zu sprechen, wenn die Asche einfach behilfsmäßig irgendwo verscharrt wurde zeugt von einem ekelhaften Zynismus, den es zu verurteilen gilt.

Denn in meinem Verständnis würde jede Person, die in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager gefangen war oder gleich umgebracht wurde, es als ihr Interesse ansehen, dass niemals wieder so etwas an anderen Menschen vollbracht werden darf.

Kunst muss weh tun, sie muss reizen und darf verstören.

Du hast drei Videos gepostet in deinem Blogbeitrag, die sind schön und wichtig. Aber erreichen werden die nunmal nur eine verschwindend geringe Anzahl an Menschen.

Die Aktion vom ZPS wird morgen in allen großen Medien besprochen werden, Journalisten und Politiker werden sich Gedanken dazu machen und diskutieren müssen.

Weisst du wer Wehrmachtssoldaten erinnert und deren Geschichten erzählt wissen will? Das sind Gauland, Höcke und die Konsorten der AfD, sowie die Trottel von NPD, Drittem Weg, und wie sie alle heißen. Es gilt aber vielmehr die Erinnerung an die unschuldigen Toten aufrecht zu erhalten, anstatt Wehrmachtssoldaten, die den Irrwegen des Nationalsozialismus erlegen sind, posthum irgendeine Form von Anerkennung zuteil werden zu lassen.

Wir erinnern zu Recht heutzutage den Opfern Hitlerdeutschlands und den Menschen die sich im Widerstand dagegen befunden haben. Georg Elser, Sophie und Hans Scholl oder den Edelweißpiraten.

Du beweist noch einmal, dass du die Aktion nicht verstanden hast, wenn du denkst es ginge um AfD-Wähler, die hier eines besseren belehrt werden sollten. Die Menschen wählen in Thüringen nicht zu 24% aus Protest die AfD, sondern weiul sie genau wissen, wen sie wählen, einen Mann der offiziell als Faschist bezeichnet werden darf. Die wollen das. Die denken, es sei jetzt endlich schluß mit Multikulti und am liebsten alle wieder in den Graben. Wenn dich die Fantasien der Faschisten im Jahr 2019 nicht erreichen, dann nur weil du sie entweder ausblendest oder sie in deiner Bubble nicht vorkommen. Schau mal genau hin, was da los ist in den rechten Bubbles auf Facebook usw.. In Halle werden Juden von einem Neo-Nazi angegriffen, in Kassel wird der Regierungspräsident von einem Neo-Nazi erschossen, trotzdem fantasieren Teile der CDU/CSU davon mit der AfD zu koalieren.

Kann ja sein, dass man in Israel ein anderes Bild der Lage bekommt oder du einfach nicht richtig zugehört hast die letzten Jahre.

Ich beschäftige mich seit Jahrem mit dem Rechtsextremismus in Deutschland und die Einschläge kommen näher.

Du könntest dich zum Beispiel hier informieren über den Mann der geradein Thüringen 24% bekommen hat: https://www.youtube.com/watch?v=5r1bzvO4E6k&t=2282s

Oder dich einfach mal eingooglen in die unzähligen Skandale und Leaks, welche ein deutliches Bild davon zeichnen was für eine Partei die AfD ist und vorallem was sie vor hat, wenn sie endlich wieder an die Macht dürfen.

Was meiner Meinung nach wirklich pietätlos und empathielos wäre, wäre es, wenn wir die Ängste von Millionen Menschen in Deutschland vergessen würden, deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland eingewandert sind und die unter der Rigide einer AfD wirklich leiden würden.

Die Lebenden zu schützen, dass muss die Aufgabe der Toten an uns alle sein.
Und wenn es dazu der Exhumierung bedarf: Bitte.
Wenn es den Lebenden ihre Leben rettet, dann bin ich sicher, werden unsere Liebsten im Himmel uns die kurze Störung sicherlich verzeihen.

11. jim11111 - Dezember 3, 2019, 1:51

Die Opfer des Holocaust werden so und auf diese Weise ein zweites Mal zum Opfer, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt. Hilf- und wehrlos und ungefragt einer Gruppe profilierungssüchtiger „Künstler“ ausgeliefert, deren einziges Ziel, angesichts der offensichtlichen Kontraprodiktivität solch einer zu jeder menschlichen Ethik in absolutem Widerspruch stehenden Aktion, die eigene Profilierung, die eigene Besonderheit, die Alleinstellung zu sein scheint.

12. jim11111 - Dezember 3, 2019, 1:58

„Die Lebenden zu schützen, dass muss die Aufgabe der Toten an uns alle sein.
Und wenn es dazu der Exhumierung bedarf: Bitte.
Wenn es den Lebenden ihre Leben rettet, dann bin ich sicher, werden unsere Liebsten im Himmel uns die kurze Störung sicherlich verzeihen.“

Entschuldigung, aber ich empfehle Ihnen, hier nicht weiter zu schreiben. Sie haben sich von Anfang an verrannt, und machen es von Beitrag zu Beitrag nur schlimmer!

Der Kampf gegen Rechts kann und muss gewonnen werden, aber nicht so, nicht auf diese Weise.

13. Laura - Dezember 3, 2019, 2:14

Im Grunde ist es einfach: „Instrumentalisierung“ ist ein leerer Vorwurf.
Natürlich Instrumentalisiert man die Geschichten der Opfer -> damit sie nicht aussterben.

Man könnte auch einfach aufhören sie zu erzählen/instrumentalisieren und könnte wie von Lila vorgeschlagen, wieder Wehrmachtslieder singen.

Wie komisch Geschichtsvergessen und Falsch das wäre und obendrein den Toten einen Bärendienst erweisen würde, sollte klar sein.

Die Nazis haben den Menschen in den Lagern gesagt, dass die Welt niemals mitbekommen wird, was mit ihnen passiert. Deshalb wurden diese Menschen erst zu Asche.

Und deshalb müssen wir sie erinnern, mit allen Mitteln.

14. Georg B. Mrozek - Dezember 3, 2019, 7:37

@Lila – Es ist und war schon immer sinnlos, mit Fanatikern zu diskutieren. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ihnen fehlt es nicht nur an Empathie, sie haben den unbedingten Willen, ja, man kann ihn auch als einen unbändigen Trieb bezeichnen, zur Macht. Wie du siehst, sie gehen im wortwörtlichen Sinn dafür sogar über Leichen.

Das aktuelle Thema ist bei ihnen komplett austauschbar. Solche Leute sind aber die geborenen Anführer für Herden. Sie „glänzen“ geradezu in Jobs wie die der politischen Kommissare oder von den Kanzeln wütenden Pfaffen.

15. (((Arnold))) #noPAG #wirsindmehr (@ArnoldSchiller) - Dezember 3, 2019, 7:40

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ und das #ZPS @politicalbeauty
hat wohl, wie es den Anschein hat, den Satz auch nicht verstanden. Zwar halte ich den Art des Spiegels den das Zentrum für politische Schönheit manchmal aufstellt für richtig und wichtig
doch wer hält den Spiegelaufstellern den Spiegel entgegen in unserer Aufmerksamkeitsökonomie. Ich befürchte niemand. Nach Durchlesen der diversesten Zeitungswebseiten und Tweets dazu, ist es ein beeindruckender Spiegel unserer verrotteten Gesellschaft.
Obwohl ich in der Zwischenzeit die Befürchtung habe, dass möglicherweise doch menschliche Überreste in der #ZPS-Säule in Berlin sind, unterstelle ich jetzt, dass dies nicht der Fall ist. Gehe also davon aus, dass die Würde des Menschen nicht in der Form verletzt wurde.
Ich nehme also hypothetisch an, dass diese Behauptung eine Behauptung ist, die genau mit dieser Provokation diesen Spiegel aufmachen sollte ohne tatsächlich die Totenruhe gestört zu haben und die Würde der Opfer durch zur Schaustellung verletzt zu haben
So wäre zumindest diese Verletzung der Menschnwürde vom Tisch. Nun ist es aber so, dass die Würde des Menschen nicht durch die Täter bestimmt wird. Um die Würde des Menschen zu wahren versichert man sich bei demjenigen um dessen Würde es geht

Um ein Beispiel zu geben: Wenn es um die Würde eines hohen Staatsgastes geht, der aus einer uns fremden Kultur kommt, dann ist nicht entscheiden, was wir denken, was für den Bundespräsidenten würdevoll wäre, sondern um die Würde zu wahren, ist entscheidend
was für diese Kultur würdevoll ist. Die höchste Würde erweist man also dadurch, dass im Umkreis des Besuchers sich erkundigt, was denn für das Protokoll notwendig ist um die Würde zu wahren.

Bei Lebenden ist es noch relativ einfach sich dessen zu versichern, was denn nun genau die würdevolle Behandlung ist. Bei Toten ist das sicherlich schwieriger. Aber der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ kommt genau daher.
Diese Würde des Menschen gilt auch über den Tod hinaus und zwar genau wegen der Asche der Juden und dem würdelosen Umgang mit den Toten. Insofern ist es auch für eine politische Aktion unabdingbar, sich im Umkreis des Würdenträgers zu erkundigen.

Liest man nun die Stellungnahmen diverser jüdischer Organisationen, dann ist dies wohl nicht geschehen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ ist also nicht respektiert worden. Die Freiheit der Kunst ist in dem Fall ein niederrangiges Gut.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ gilt auch für @politicalbeauty
und erst dann kommt die Freiheit der Kunst zum Tragen, aber die Würde des Menschen und gerade der Holocaustopfer steht an erster Stelle.

Cut&Paste aus diesem https://twitter.com/ArnoldSchiller/status/1201676186130276353 Thread

16. Hermann - Dezember 3, 2019, 8:39

Sie haben mit Ihrem Kommentar und der Wut über diese Aktion, die das völlige Unverständnis zur jüdischen Totenruhe zeigt, vollkommen Recht.
Hier wird politisch fragwürdige Leichenfledderei betrieben. Schade nur, dass manche Leute auch hier in den Kommentaren das nicht erkennen und diesen Mist verteidigen!

17. Jens - Dezember 3, 2019, 11:20

Ich bin unglaublich geschockt von dieser Aktion.

Eine Kunstwerk aus der Asche von industriell Ermordeten zu fertigen ist Menschenverachtung in ihrer reinsten Form.
Warum sind es immer wieder Deutsche denen solche perverse Dinge einfallen?
Warum muss ich mich immer wieder für das Land in dem ich aufgewachsen bin so schämen.
Wie kann es sein die Stadt Berlin so etwas genehmigt – die Stadt in der ich 14 Jahre gelebt habe?

18. Schon wieder Leichenfledderei vom Zentrum f. politische Schönheit – Ampelmaennchen und Todesschuesse - Dezember 3, 2019, 11:30

[…] Angemessener ist der Text von Lila: […]

19. A.mOr - Dezember 3, 2019, 14:08

Die kalte und grausame Gleichgültigkeit der Nazis hat sich ganz offenbar bei jenem „Zentrum für politische Schönheit“ unangetastet (im Erbgut?) erhalten. Sie handeln als Nazis, wenn sie die leiblichen Überreste von ermordeten Juden für ihre Experimente mißbrauchen.

Mag sein, daß man in Deutschland an den Schulen über Juden nichts weiter lernt, als daß Juden industriell der Vernichtung zugeführt wurden, aber wenigstens lernt man in Deutschland, daß Nazis die leiblichen Überreste von Juden „weiter verwendeten“.
War (also) wohl („nur“) Kunst?

Daß sie ihr Handeln für eine vermeintlich größere Sache als erforderlich betrachten unterscheidet sie nicht im Geringsten von den Nationalsozialisten (oder anderen Mördern im Gewande einer „höheren Religion/Ideologie“).

Daß sie Ermordete nicht nochmals ermorden können macht die Leichenschändung selbst nicht zu einer guten Sache, die Original-Nazis haben schlicht „gute“ Vorarbeit für solche geleistet, wie etwa dem „Zentrum für politische Schönheit“.

Statt ihre Vettern im Geiste als Geister zu jagen (und den Lebenden das Leben zu verderben) sollten jene „Künstler“ wenigstens so ehrlich sein und den Nazis für die gelungene Vorlage danken.

Ein wenig lustiger Treppenwitz, wenn Nazi-Methoden damit gerechtfertigt werden, daß sie im „Kampf gegen die (vermeintlichen) Nazis“ notwendig seien.

20. A.mOr - Dezember 3, 2019, 14:17

Einem Freund:

21. Leono - Dezember 3, 2019, 16:54

Sehr zutreffende Stellungnahme. Danke.

22. Josef - Dezember 3, 2019, 18:13

Guten Tag zusammen
ich bin auch über den berichtenden Spiegel-Artikel und dessen provokanten Inhalt auf diesen Blog gestoßen und versuche mich mal dem Gegenstand zu nähern.
Dazu muss ich erst meine Postion klären. Ich bin Enkel eines Täters.
Ich weiß nicht inwieweit mir dieser Umstand anzulasten ist, denn darum geht es hier nicht, es geht auch nicht um angeblich im deutschen Erbgut oder Gen verankerten Rassismus oder Antisemitismus, der auch schon eine semantische Augenwischerei war, da dies ja alle semitischen Sprachfamilien und deren Angehörigen als potentielle Opfer einer Verfolgung einschließen müsste. Auch die Diskreditierung von „political correctness“ wagt sich auf ebenso dünnes Eis, im Sinne, dass Sprachumdeutung hierzu genutzt wird, um den Gegner zu verunglimpfen, anstatt Argumente anzuführen.
Ich bin in der moralischen Beurteilung der genannten Aktion zwiegespalten. Zwischen der Furcht vor neuem drohenden Faschismus, hier einerseits und der postulierten oder gefälschten „Instrumentalisierung“ von Menschenasche andererseits.
In jedem Falle, hat allerdings das „Zentrum für politische Schönheit“,
seinen Zweck erreicht und eine provokante Aktion initiiert unabhängig von deren moralischer Bewertung.
Ich finde die Legitimität dieser Aktion nicht so eindeutig zu entscheiden, wie dies manchem anderen fallen mag.

Mit freundlichen Grüßen

Josef

23. Christian - Dezember 3, 2019, 18:24

Unfassbar ist das Ganze! Ich bin geschockt.

Diese sog. „Künstler“ haben der AfD einen Bärendienst erwiesen.

Dass die das noch nciht einmal kapieren, zeigt nur wie selbstverliebt und selbstherrlich diese lächerlichen „Künstler“ sind.Hauptsache im Mittelpunkt stehen.

Sowas von respektlos. Und dann noch behaupten, man hätte nur die Opfer im Sinn. Alles klar!

24. Tobi - Dezember 3, 2019, 18:42

Hallo,

Die Botschaft gegen AFD und Co. sollte man untestützen

aber…
man sollte andere Kulturen schon respektieren, gerade wenn es um jüdische totenruhe geht.
Gut gemeint aber trotzdem naiv bis dämlich von diesen „Künstlern“.

Zur Bloggerin, wer Konservative mit Nazis gleichsetzt hat aber ehrlich gesagt auch den Knall nicht mehr vernommen.

25. Lila - Dezember 3, 2019, 18:49

Meinst Du mich? Das „ist doch sowieso alles dasselbe“ war sarkastisch, weil der ZPS-Text alles in einen Topf wirft. Ein Zwinker-Smilie schien mit nicht kontext-kompatibel. Habe aber eine Warnung hinzugefügt.

26. olaf - Dezember 3, 2019, 19:24

Es gibt neben der Pietätlosigkeitsdebatte eine weitere Frage, die die Aktion aufwirft, und die meines Erachtens nicht so leicht zu beantworten ist: Wie ist jetzt mit den Fundorten umzugehen?

Ich möchte dem ZPS darin zustimmen, dass die Verwendung der Asche und Gebeine in einem Mahnmal nicht pietätloser und grausamer ist als ihre Verwendung als Düngemittel und Deichmaterial. Finden wir also das Mahnmal inakzeptabel, dann sicherlich auch den Status Quo in der Gegend um Auschwitz — und wenn eine Bohrung, welche belegt oder widerlegt, ob menschliche Überreste vergraben sind, die Totenruhe unangemessen stört, dann wird die Totenruhe natürlich auch gestört, wenn der Bauer den entsprechenden Acker umgräbt. Wie ist also in Zukunft mit dem Gebiet um Auschwitz zu verfahren? Sucht man dort nach Überresten und erklärt die Fundorte einfach zu Grabstätten, die dann nicht mehr angefasst werden sollen? Exhumiert man großflächig und transportiert die Überreste an einen bereits bestehenden oder extra dafür zu schaffenden Friedhof? Den Toten in irgendeiner Form gerecht zu werden, ist selbstverständlich unmöglich. Wir werden ja nicht einmal wissen können, um wen es sich bei den Opfern handelt und können die Überreste nur statistisch zuordnen: Der Großteil wird von ungarischen und polnischen Juden stammen, aber etwa 10% dürften auch nicht-jüdische Überreste sein; darunter sicherlich auch einige Antisemiten, die die Nazis aus anderen Gründen umbrachten.

Es sieht nicht so aus, als wäre es dem ZPS schwer gefallen, menschliche Überreste zu finden. Das ZPS wird nur einen winzigen Teil davon ausgegraben haben — wie gehen wir mit dem Rest um?

27. Lila - Dezember 3, 2019, 19:38

Wie wäre es, wenn sich ZPS an Yad VaShem gewandt hätten? Das Problem wird bekannt sein, vielleicht machen die polnischen Behörden Schwierigikeiten, je nachdem wem der Grund und Boden gehört. Der pdf-Text von Hendrik Höfling, den ich nur überfliegen konnte, der aber auf der Seite von ZPS veröffentlich ist, sieht informativ genug aus. Hätte ZPS tatsächlich an den Opfern gelegen, hätten sie mit Yad VaShem zusammengearbeitet, oder der jüdischen Gemeinde in Polen.

Aus Höflings Text geht übrigens hervor, daß es durchaus Grabungen und Forschung gab. Es ist also keineswegs so, als hätte ZPS jetzt etwas entdeckt, das bis dato unbekannt war. Der Holocaust hatte so enorme Ausmaße, daß es noch lange dauern wird, bis er gänzlich aufgearbeitet ist. Es gibt Menschen, deren Beruf das ist: Archäologen, Historiker, Einrichtungen wie Yad VaShem.

Als „Künstlerkollektiv“ da reinzupreschen und von Bohrkernen zu reden, die dann dahin verbracht werden, wo das wahre Interesse liegt, ist unerträglich.

28. Annett - Dezember 3, 2019, 19:54

Ich hätte das nicht gewusst. Ich weiß auch nicht, ob ich mich vor einer solchen Aktion informiert hätte. Wahrscheinlich nicht. Aber jetzt würde ich die Aktion sofort abbrechen. SOFORT.

29. olaf - Dezember 3, 2019, 21:08

Woran dem ZPS gelegen ist, ist eine Frage, die ich bis zum Abschluss der Aktion – vermutlich am kommenden Samstag – für mich noch offen lassen werde, weil es zu viele Aspekte gibt, die ich bisher nicht verstehe. Der Text von Höfling (entstanden für die Aktion des ZPS) ist in der Tat interessant; direkt in der Einleitung schreibt er:

„In Auschwitz, dem Symbol für die industrielle Massenvernichtung, wird bis heute weder der Asche der 1,1 Millionen ermordeten Menschen gedacht, noch wurden innerhalb des Interessengebiets professionelle archäologisch-forensische Grabungen und Untersuchungen durchgeführt.“

Er beantwortet aber nicht die Frage, warum die Datenlage und Aufarbeitung bei den anderen Vernichtungslagern ungleich besser ist. Auch später schreibt er dazu nur:

„Die historische und archäologische Wissenschaft muss sich ebenso, wie die polnischen, deutschen und österreichischen Regierungen der Nachkriegszeit das Versäumnis vorwerfen lassen, die Spuren der Verbrechen, die überall in Auschwitz als (menschliche) Tradition vergraben wurden, nicht gesichert zu haben.“

Die Frage, wie es weitergehen wird, wenn die Aktion am Wochenende ihr mehr oder weniger ekelhaftes Ende gefunden haben wird, wird mich noch eine Weile beschäftigen.

30. Marc - Dezember 3, 2019, 21:11

Nach Aussage des ZPS wurde KEINE Asche aus der Umgebung von Auschwitz für das Denkmal verwendet. Auf der Webseite heißt es weiter:

„Wurde in Auschwitz gegraben?

Ja, im Rahmen von Dreharbeiten. Im Film zu „Sucht nach uns“ sind Baumaßnahmen auf dem Damm von Harmense zu sehen. Hierzu heißt es in einem Aufsatz der Historikerin Anna Zieba: „An der Grenze des Dorfs Harmense und Plawy schütteten Häftlinge aus Asche einen Damm auf.“
Wir hatten uns im Vorfeld entschlossen, das gesamte Gebiet um das Vernichtungslager Auschwitz nicht zu beproben. Im Rahmen unser umfangreichen zweijährigen Recherchen fanden wir heraus, dass der Damm vor einigen Jahren höher aufgeschüttet wurde. Diese Baumaßnahmen wurden nach EU-Richtlinien öffentlich ausgeschrieben (siehe Bild). Bei den zuständigen Behörden haben wir uns die Unterlagen der Baumaßnahmen besorgt, um sicherzustellen, dass wir unter keinen Umständen bei den Dreharbeiten in den Altdamm vordringen bzw. die Ascheschicht der Ermordeten berühren und damit versehentlich eine forensisch und historisch hochrelevante potenzielle Grabungsstätte beschädigen könnten.
Die Wahl auf den Drehort „Damm Harmense“ fiel, um der internationalen Öffentlichkeit in klarer Bildsprache zu demonstrieren, dass die Nazi-Verbrecher noch nicht einmal davor zurückschreckten, die Überreste ihrer Opfer als Baumaterial zu missbrauchen.“

Somit kann ich mich nur Arno Widmanns Einschätzung aus der heutigen FR anschließen.

31. Lothar - Dezember 3, 2019, 23:05

Zunächst mal, ich bin nicht persönlich betroffen, meine Großeltern waren nach meiner Kenntnis weder Opfer noch Täter. Was natürlich aus meiner Perspektive reiner Zufall ist, man sucht sich seine Ahnen schließlich nicht aus. Ich kann gut nachvollziehen, dass sich bei Nachfahren der Ermordeten der Mageninhalt umdreht bei dem Gedanken, dass die Überreste Verwandter möglicherweise für eine politische Aktion in eine Säule gegossen wurden. Auf der anderen Seite versuche ich mich gedanklich in die Rolle eines Opfers des NS-Regimes zu versetzen, welches kurz vor seinem Tod steht, sein Schicksal kennt und hypothetisch gefragt würde, was 75 Jahre nach seinem Tod mit der Asche geschehen soll, die von den Tätern in alle Winde verstreut wurde. Soll sie in der Erde belassen oder Bestandteil eines Mahnmales werden, welches aus aktuellem Anlass Politik und Öffentlichkeit daran erinnert, dass man niemals wieder Nazis an der Macht beteiligen soll? Spontan würde ich mich für letzteres entscheiden, um somit auch nach meinem Tod noch etwas gegen die Täter bzw. deren geistige Erben bewirken zu können. Daher halte ich die Aktion des ZPS für sinnvoll und richtig. Denn leider bedarf es heutzutage auch grenzwertiger Aktionen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln und vor Wiederholungen damaliger Fehler zu warnen. Ohne Zweifel mag diese Aktion für die Nachfahren befremdlich wirken, sie scheint aber meiner Ansicht nach zumindest in ihrer Intention im Sinne der Ermordeten zu sein.

32. jim11111 - Dezember 4, 2019, 1:47

Danke A.mOr, auch passts gut her, dieses Lied.

Hab auch zwei Lieder, zum Thema, irgendwie, die aber so traurig sind, dass ich sie nicht zu verlinken wage, nun ja, beide gesungen von Bente Kahan:

Undser Shtetl Brennt
Friling.

33. Lila - Dezember 4, 2019, 6:32

Lothar – angsichts der jüdischen Reaktionen hältst Du daran fest, daß die Deutschen besser wissen, was mit der Asche ihrer Vorfahren geschehen soll, als sie selbst? Warum haben ZPS nicht Knochen ihrer eigenen Vorfahren ausgegraben und zur Schau gestellt?

Ich habe es hier schon x-mal geschrieben, trotzdem akzeptieren es einige nichtjüdische Leser einfach nicht: für Juden ist die Totenruhe ein sehr hoher Wert. Niemand darf sich an Toten vergreifen, ganz bestimmt nicht die Nachkommen der Täter. Tote werden bestattet, nicht zur Schau gestellt.

Wollt ihr ein Mahnmal gegen das Erstarken bestimmter politischer Kräfte in Deutschland errichten, dann tut das bitte mit Materialien, die Ihr benutzen könnt, ohne damit den jüdischen Opfern und ihren Nachkommen ein weiteres Mal Gewalt anzutun.

Ist das tatsächlich so schwer zu verstehen?

Die Nachkommen der Opfer sind nicht daran interessiert, wieder einmal politischer Spielball zu werden.

Wollt Ihr etwas gegen Antisemitismus tun? Großartig, dann engagiert euch dagegen, schreibt Leserbriefe, geht zu Demos, es gibt so viele Möglichkeiten.

Wollt Ihr die verstreute, bisher nicht bestattete Asche der Opfer ehren? Sammelt Geld, damit sie würdig bestattet werden können, und übt Druck auf Eure Politiker aus, damit sie es in Gang bringen können.

Habt Ihr Informationen über bisher unentdeckte Massengräber? Wendet Euch an Yad vaShem.

Seid Ihr Euch unsicher, was das Richtige ist?

HÖRT JUDEN ZU

Jeder, der für diese Aktion ist, projiziert seine eigenen Werte schlicht auf die Opfer, ohne sich für einen Moment um die Worte derer zu scheren, um die es geht.

Wie kann es jemand wie Lothar oder Laura wagen, sich über Aussagen von Juden aus aller Welt einfach hinwegzusetzen? Romana Ambs oder Charlotte Knoblochs Worte schlicht zu ignorieren, mit einem „ich weiß es besser, ich weiß, was die Opfer gewollt hätten“? Warum ist Arno Widmann ausschlaggebender als eine jüdische Stimmme?

Kommt Ihr Euch selbst nicht kaltschnäuzig dabei vor?

Der Führer hat den Juden eine Stadt gebaut – baut Ihr Ihnen jetzt ein Mahnmal aus der Asche ihrer Vorfahren???

Juden wollen für ihre Totenruhe ein kever Yisrael, ein Grab, an dem man Kaddish sagen kann.

Hat jemand, der die Asche gesucht und angeblich gefunden hat, dafür gesorgt, daß jemand darüber Kaddish sagt?

Nein?

Das sagt alles, absolut alles, über den Respekt der Deutschen vor den jüdischen Opfern der Shoah.

ETA:

Dieser Satz ist so ungeheuerlich, daß er mir keine Ruhe läßt:

Daher halte ich die Aktion des ZPS für sinnvoll und richtig. Denn leider bedarf es heutzutage auch grenzwertiger Aktionen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln und vor Wiederholungen damaliger Fehler zu warnen. Ohne Zweifel mag diese Aktion für die Nachfahren befremdlich wirken, sie scheint aber meiner Ansicht nach zumindest in ihrer Intention im Sinne der Ermordeten zu sein.

Ich versuche noch einmal, in eine Mentalität einzudringen, für die die politischen Fragen Deutschlands wichtiger sind als der Respekt vor der Totenruhe eines anderen Volks, und zwar mithilfe eines Vergleichs. Drastisch, aber vielleicht hilft es ja.

Du gehst im Wald spazieren und findest eine unbestattete Leiche. Offensichtlich Opfer eines Verbrechens.

Was tust Du?

a) Du wendest Dich an die Polizei und Behörden, so daß das Verbrechen aufgeklärt werden kann und die Leiche bestattet werden kann, und die Angehörigen einen Ort zum Trauern haben.

b) Du nimmmst die Leiche mit nach Berlin und stellst sie aus, um gegen Verbrechen dieser Art zu protestieren.

34. Macke - Dezember 4, 2019, 9:42

Die Anmaßung Lothars, die Intention der ZPS im „Sinne der Ermordeten“ zu begründen, liegt mir echt schwer im Magen.

Als Humanist kann ich nur noch einmal betonen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Und es ist vom Menschen die Rede, nicht vom Deutschen! Es sind tatsächlich alle gemeint. Ohne Zusatz! Ohne Einschränkung!
Wir leben in einer Demokratie. Wir vergessen nur leider immer mehr, sie auch zu leben. Besinnen Sie sich und leben Sie sie auch.

Ich danke Ihnen Lila für Ihren Beitrag. Mein Mitgefühl gilt den Opfern dieser abscheulichen Aktion.

35. jim11111 - Dezember 4, 2019, 13:22

„Wie kann es jemand wie Lothar oder Laura wagen, sich über Aussagen von Juden aus aller Welt einfach hinwegzusetzen? Romana Ambs oder Charlotte Knoblochs Worte schlicht zu ignorieren, mit einem „ich weiß es besser, ich weiß, was die Opfer gewollt hätten“? Warum ist Arno Widmann ausschlaggebender als eine jüdische Stimmme?“

Die Frage ist doch, wie kann jemand sich derart erhaben fühlen, um über Andere verfügen zu können. Wie kann jemand, sich derart erhaben fühlen, um im Holocaust Ermordete benutzen zu können, diese eigenen Ansprüchen entsprechend einzusetzen, zu verwenden, einem Kalkül zu unterwerfen, zu instrumentalisieren, deren Würde einem Zweck unterzuordnen, mit einem Wort, diese, ganz einfach so, zu manipulieren.

Handelt es sich bei solch Bestreben, sich über die Ansprüche, die Bedürfnisse, die Kultur als Teil der Persönlichkeit des Anderen einfach hinweg zusetzen, bei dieser ganz besonderen Art der Superiorität, nicht zuletzt auch angesichts unserer gemeinsamen Geschichte, womöglich um eine ganz besondere Art der Entlastungsbemühung?

Es ist wie so oft in letzter Zeit, zutiefst menschliche Empfindungen und Gefühle des Miteinander dürfen keine Rolle spielen, die irritieren doch nur, stören bloß und werden deshalb abgespalten, um die Verfolgung eigener Ziele der Verdrängung von Schudgefühlen möglch, vertretbar zu machen, das Ego steht im Mittelpunkt jeglicher Bestrebung und so fallen grundsätzliche Tabus.

Dieses Künstlerkollektiv dürfte nicht und nicht kapieren, wie sehr sie sich mit dem was sie hier machen, der AfD angleichen, im Grunde genau den gleichen faschistoiden Intentionen frönen.

36. Anna - Dezember 4, 2019, 16:03

Ich kann nachvollziehen, dass man die Aktion geschmacklos finden mag oder sonstige inhaltliche Einwände dagegen hat, und die kann und soll man selbstverständlich auch artikulieren. Der Text hier spaltet aber in „Opfernachkommen vs. Täternachkommen“ (warum konnte der Holocaust nochmal passieren? Achja richtig, „wir“ gegen „die“…). Der Text beschimpft, beschämt und verurteilt Leute, die mit guten Intentionen verhindern wollten, dass der Holocaust vergessen wird oder nochmal passiert und dabei machen sie vielleicht halt auch mal Fehler. Nur wer nix macht, macht keinen Fehler. Genau wegen solcher Nixtuer*innen konnte aber der Holocaust überhaupt nur stattfinden.

Um es etwas genauer zu begründen:
Ich mit meiner naiven Gutmenschen-Erziehung dachte immer, der Kern der Sache, warum man keine anderen Menschen ermordet, ist das Verständnis, dass die Spaltung „wir gegen die“ Bullshit wäre und uns Menschen mehr verbindet als trennt, und dass Antisemitismus genau deswegen ebenso spaltender Bullshit ist. Warum forcieren Sie diese Spaltung also so vehement in Ihrem Text? Und nein. Ich habe diese Spaltung nicht angezettelt, 1933 war 50 Jahre vor meiner Geburt. Hätte ich da schon gelebt, wäre ich vielmehr aufgrund anderer Merkmale, die hier nichts zur Sache tun, selber vergast worden.

Im Übrigen ist die AfD tatsächlich all das, was Sie hier indirekt in Abrede stellen: Konservativ, faschistisch, Nazis und Rechte. Und alle ihre politischen Aktivitäten und Äußerungen lassen darauf schließen, dass definitiv alle Register gezogen werden müssen, solchen bösartigen Menschen nie wieder einen kleinsten Millimeter Macht in die Hände zu spielen. Genau das wird aber innerhalb Teilen der CDU/CSU ernsthaft diskutiert, wie Sie vielleicht mitbekommen haben. Stichwort Sachsen, Stichwort Werteunion.

Ich verstehe, dass man die Aktion des ZPS geschmacklos und unsensibel finden mag, bis zu dem Punkt kann ich die hier zum Ausdruck gebrachte Sichtweise und Emotionalität respektieren. Die Argumentation hier halte ich persönlich jedoch für wenig hilfreich, anständige Menschen in ihrem Engagement gegen die Nazis und gegen Ausgrenzung und Antisemitismus und Menschenhass zu bestärken. Die bisherigen Protestformen lassen viele im besten Sinne engagierte Mitmenschen, die für Sie pauschal und unkritisch einfach qua Nationalität alle Täter zu sein scheinen, mit einem hilflosen Gefühl des Scheiterns zurück, denn die Rechten gewinnen weiterhin immer mehr an Land. Das sollte der Kern der Sache sein, das zu verhindern. Wenn die Toten diesbezüglich keine Mahnung sind, wozu denn bitte dann?

Schönen Tag noch.

37. Lila - Dezember 4, 2019, 16:05

So blind so empathielos so tunnelblickend. Es tut weh, wirklich.

Die AfD ist Euer Problem, nicht meins, sie ist mir egal, und ich habe sie mit keinem Wort reingewaschen oder sonstwas.

Aber zu glauben, daß im Kampf gegen sie Leichen von Shoah-Opfern zu Mahnmalen verwurstet werden dürfen – das bringen nur Proto-Faschisten. Und da zähle ich Dich zu, Anna.

38. Cleo - Dezember 4, 2019, 17:42

Ich wollte eigentlich nur mitlesen, aber einige Reaktionen machen mich fassungslos. Die geistige Anmaßung, sich hypothetisch in einen Todgeweihten hineinzuversetzen und damit zu argumentieren, Empathie und Imagination derart abzuspalten. Wäre der Anlass nicht so furchtbar, könnte man sagen, dass es kitschiger einfach nicht geht.

Sicher ist es im Gesamtzusammenhang nachrangig, aber dass ZPS sich unwidersprochen in der Nachfolge von Emmanuel Ringelblum und Oneg Shabat sieht, ist an Obszönität fast nicht zu überbieten.

Ich war in der Gedenkstätte Auschwitz, als eine Gruppe israelischer Jugendlicher mit einem Rabbiner hinzukam, und ohne zu stören, wäre ich aus dem Raum nicht herausgekommen. Seit Montag fühle ich mich wieder so wie damals.

39. Julia - Dezember 4, 2019, 18:22

Ich stimme dir zu, was für eine unendlich widerliche Aktion. Immerhin gibt es jetzt eine Reaktion der Verantwortlichen, sie scheinen ein bisschen was gelernt zu haben.
https://politicalbeauty.de/?fbclid=IwAR0GrJYHuRna56hL26WiqT2LcxiC5HYAxtuJYVjHKgFFz4HA2aKdqG60CPg

40. Lila - Dezember 4, 2019, 18:29

Ja, ich finde das grundsätzlich lobenswert und habe sie auf Twitter schon mit zwei Adressen versorgt: Yad va Shem und das Museum in Auschwitz. An die sollen sie sich jetzt am besten wenden, um mit den menschlichen Überresten, die sie gefunden haben, würdig umzugehen (Bestattung) und auch die Fundorte professionell und respektvoll aufarbeiten zu lassen.

Ich hoffe sehr, sie tun das. Sie haben jetzt Verantwortung sowohl für die Leichenteile, die einmal Menschen waren, als auch für die Gefühle der Hinterbliebenen, die sie mit ihrer unglaublich respektlosen Aktion verletzt haben. Es spricht für sie, daß sie erkannt haben, wie weit sie über ihre Intention (gegen die AfD zu protestieren) hinausgeschossen sind.

Wenn sie sich jetzt dieser Verantwortung jenseits deutscher Politik menschlich stellen, dann würde ich das sehr begrüßen.

Gegen die AfD können sie sich dann gern was einfallen lassen, das ohne Leichenfledderei auskommt.

41. Pavel - Dezember 4, 2019, 18:42

Hallo Lila, falls es Dich interessiert: Dein Beitrag war die Grundlage für eine Debatte im Fan-Forum des FC St. Pauli: https://www.stpauli-forum.de/viewtopic.php?f=11&t=81129&start=255#p4582100

Vielen Dank dafür!

42. Eva - Dezember 4, 2019, 20:02

Danke für Deine Wut und Deine Erklärung! Ich habe Angst, zu kommentieren, tu es aber trotzdem. Ich wusste bis zu der Aktion nicht (wirklich), dass es noch so viele solcher Stätten gibt. Es (und auch die Tatsache, dass „man“ das nicht weiß) ist schrecklich! Ich schäme mich, schon immer, dass ich Deutsche bin – lange Zeit im Ausland tragen dazu bei. Ich habe große Angst, dass wir als Nation wieder auf dem rechten Weg sind – es wird niemals meiner sein und ich tue auch soviel ich im Alltag kann, dass ich deutlich Stellung beziehe, wann immer möglich. Die Schuld nimmt das nicht, die Verantwortung nicht und es macht gar nichts ungeschehen.

Den Aspekt der Totenruhe habe ich bedacht, als ich von dieser Aktion gehört habe. Und ja, ich verstehe die Ansicht, dass das nicht ungefragt geschehen darf, dass es Instrumentalisierung ist – und was das bedeutet und nach sich zieht.

Ich kann mir nicht vorstellen, Angehörige zu haben, die das durchleiden mussten. Ich kann eigentlich gar nichts wirklich sagen – da ich ein Täter bin, schon allein durch meine Hautfarbe und meine Nationalität (Immerhin bin ich wenigstens eine Frau). Ich habe aber zwei Kinder und Familie. Und wenn jemand sie ermordet, verbrannt, im Boden verscharrt und dann nach 70 Jahren wieder ausgegraben und Ihnen ein Denkmal gesetzt, plus die Welt auf diese Tat hingewiesen hätte – denke ich, dass ich froh gewesen wäre, auch wenn niemand fragt. Und wenn mir selbst das passiert wäre, auch.

Aber ich bin nur ein Einzelner, ich habe eine andere „Sichtweise“ auf die Heiligkeit der letzten Ruhe und ich bin alt genug, zu verstehen, dass sich Menschen extrem von Dingen verletzt fühlen, die ich gar nicht schlimm finde. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun. Kann ich was tun? Kannst Du mir sagen, was ich tun kann, um irgendwas besser zu machen? Ich danke Dir.

43. Lila - Dezember 4, 2019, 20:39

Immerhin versuchst Du, die andere Seite zu verstehen, das ist das Beste, was man überhaupt tun kann.

Zu Deinen Worten:

Ich habe aber zwei Kinder und Familie. Und wenn jemand sie ermordet, verbrannt, im Boden verscharrt und dann nach 70 Jahren wieder ausgegraben und Ihnen ein Denkmal gesetzt, plus die Welt auf diese Tat hingewiesen hätte – denke ich, dass ich froh gewesen wäre, auch wenn niemand fragt. Und wenn mir selbst das passiert wäre, auch.

Eines der großen Probleme mit der Aktion (wenn ich jetzt von der Totenruhe absehe, dazu komme ich noch) ist ja, daß es in erster Linie eben nicht um ein Denkmal geht – es gibt Denkmäler, es gibt eine ausgeprägte Erinnerungskultur im jüdischen Volk, die Toten sind nicht vergessen, sie werden intensiv betrauert, so intensiv, wie ich es gar nicht schildern kann. Ich habe ein paar Videos verlinkt, um die Wolke der Trauer zu zeigen, die über einem Volk hängt, das über Jahrhunderte verfolgt, diskriminiert, ausgegrenzt, vertrieben, beraubt wurde – bis zum Holocaust, wo die systematische, industrialisierte Vernichtung umgesetzt wurde.

Aber diese unsägliche Aktion richtete sich gegen ein damit verglichen wirklich lächerliches Problem. Deutsche Wähler haben die AfD in Parlamente gewählt, das ist ein deutsches Problem, und ein Symptom für ein sehr tiefgehendes Problem.

Aber es ist ein DEUTSCHES Problem. Meinst Du, es kümmert die polnischen, französischen, griechischen, norwegischen, russischen Juden, die in die Vernichtungslager geschickt wurden, die in Massenerschießungen hingerichtet wurden, die in Synagogen verbrannt oder einfach vergraben und mit ungelöschtem Kalk bestreut wurden? Meinst Du, daß das deutsche Problem mit Parteien wie der AfD rechtfertigt, sich an solchen Stätten zu vergreifen?

Ja, die Nazis haben Asche von Juden verstreut, und seit Jahrzehnten arbeiten jüdische und nichtjüdische Wissenschaftler und Einrichtungen daran, so viel wie möglich zu dokumentieren, aufzuklären, und die Leichen zu bergen.

Aber es besteht keinerlei Proportion zwischen dem Leid der Opfer und dem inner-deutschen Problem mit der AfD. Wirklich. Leg Deine eigenen Knochen dafür hin, daß die AfD nicht mehr gewählt wird, aber nicht die eines anderen Volks, das schon vorher instrumentalisiert und dehumnanisiert wurde.

Die Selbstverständlichkeit, mit der ZPS über diese Überreste verfügte, ist einfach gruselig. Juden müssen das deutsche Problem nicht lösen. Sie müssen ihre Knochen nicht dafür hinhalten, den deutschen Wähler zu erziehen.

Und zur Totenruhe.

Im Judentum ist die Bejahung des Lebens deutlich stärker als im Christentum. Um ein Leben zu retten, darf jedes Gebot gebrochen werden – das oberste Gebot ist Menschenliebe. Leben ist heilig, weil es als Schöpfung gesehen wird. Und auch der menschliche Körper ist Teil der Schöpfung, und darum wird im Judentum mit Toten anders umgegangen als z.B. im Christentum.

Tote werden weder sichtbar aufgebahrt wie zB in den USA, prächtige Särge gibt es nicht, jüdische Tote werden traditionell in Leichentüchern begraben, und zwar so schnell wie möglich, am besten vor Sonnenuntergang. Über dem Toten wird das Totengebet, das Kaddish, gesagt.

(Amerikanischer Clip, es kommen Särge vor – die sind in Israel außer bei Soldaten nicht üblich).

In regelmäßigen Abständen wird dieses Gebet wiederholt. Trauerzeiten werden auch von säkularen Juden ganz selbstverständlich eingehalten. Ein Grab wird nie eingeebnet, es ist für die Ewigkeit.

Nach Terroranschlägen und schweren Unfällen werden sorgsam kleinste Überreste der Leichen eingesammelt. Die Männer, die das tun, gehören einer besonderen Organisation an, ZAKA. Sie sind Rettungssanitäter, aber auch fromme Juden, die es als religiöse Pflicht ansehen, jedes kleinste Gewebeteil einzusammeln, damit es begraben werden kann.

ZAKA-Freiwillige fliegen auch ins Ausland, um dort nach Anschlägen jüdische Tote zu bergen.

Das Andenken an die Toten der Shoah ist hier lebendig, ich habe im Laufe der Jahre und auch gestern ausführlich darüber geschrieben. Ein großer Schmerz für die Überlebenden ist, daß es kein Grab gibt.

All das sollte wissen, wer sich daran gibt, jüdische Leichenteile zu exhumieren.

Wer es nicht weiß, der sollte einfach die Finger davon lassen. Yad va Shem, die israelische Behörde für das Gedenken an die Shoah, dessen Museum und Archiv sehr bekannt sind, kennt sich besser damit aus. Es gibt Museen, Forscher, Wissenschaftler.

Fändest Du es wirklich gut, wenn irgendwann nach 70 oder 80 Jahren jemand Deine Leiche ausgräbt und für ein Projekt benutzt, das Dich weder interessiert noch angeht?

Woher kommt dieser Glaube, daß der Kampf gegen die AdF von universaler Bedeutung ist?

Entschuldige, daß es lang war, ich hoffe, Du liest es. Danke, daß Du gefragt hast. Viele andere tun das nicht.

Und dabei habe ich schon sowieso zu viel dazu geschrieben.

44. Lothar Tenzer - Dezember 4, 2019, 23:08

Lila, Du begründest die Ablehnung der ZpS-Aktion insbesondere mit der Bedeutung der Totenruhe. Mir war beim Verfassen meines Beitrages bereits bekannt, dass das ZpS keine menschlichen Überreste verwendet hat und bin davon ausgegangen, dass Dir dies auch bereits bekannt war. Man hat also keine Leichen „verwurstet“, wie Du schriebst, sondern durch ein „So-tun-als-ob“ die Öffentlichkeit aufgerüttelt. Ich muss wie das ZpS anerkennen, dass man hierbei unterschätzt hat, welche emotionalen Verletzungen dieses Vorgehen bei den Nachfahren der Opfer auslösen kann.
Du wirfst mir eine Mentalität vor „…für die die politischen Fragen Deutschlands wichtiger sind als der Respekt vor der Totenruhe eines anderen Volks…“. Da muss ich Dir widersprechen, ich bewerte Menschen und die Wichtigkeit ihrer Anliegen nicht nach sogenannten Volkszugehörigkeiten, Abstammung oder Religion. Viele der ermordeten Juden waren Deutsche, also Teil des selben Staatsvolkes wie die Täter es waren und ich es heute bin. Die Machtergreifung der Nazis war damals auch keine rein deutsche politische Angelegenheit, schließlich hatte sie schrecklichste Auswirkungen quer durch ganz Europa und sogar in anderen Kontinenten. Zu verhindern, dass Menschen dieser (Un-)Geisteshaltung wieder Regierungsverantwortung erlangen, kann daher so wie der Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus nicht nur eine „deutsche politische Frage“ sein, sondern ist von internationaler Bedeutung.
Es ist für mich schlichtweg naheliegend, dass wir in diesem Punkt eigentlich übereinstimmen müssten. Und so habe ich die Schlussfolgerung gezogen, dass es wohl auch im Sinne der damaligen Opfer gewesen sein dürfte, wenn wir alles dafür tun, dass ihre Nachfahren in einer Welt ohne einflussreiche Nazis leben können.
Liege ich falsch?

45. G. - Dezember 5, 2019, 0:04

Erinnert hier irgendwie an eine in vivo Probe des Inhaltes vergangener posts. Nie erfolgte Aufarbeitung hierzulande betreffend.

Und @lila, es ist die Stimme der Mehrheit.

Da wird das Traumata der Hinterbliebenen aus Kalkül reaktiviert, knochen- und aschegewordene Angehörige aus letzten Ruhestätten gebuddelt und dem politischen Gegner im Grabenkampf ins Gesicht geschleudert.

Bar jedes Verständnisses eigener Geschichte. Bar jeder Verantwortung. Bar jeder Empathie. Geschweige denn hieraus folgender Solidarität. Juden gegenüber. Juden, zwischen den Fronten, Manövriermasse, einmal mehr.

Und unsere Seite hebt sich da nicht wesentlich ab. Bereitschaft eigenem Spiegelbild standzuhalten scheint gleichermassen rar auf beiden Seiten.

Und eben diese, MEINE SEITE, das ABSOLUT BÖSE innerhalb dieser dichotomen Denkstrukturen: Konservative, Basisdemokraten, Wirtschaftsliberale, Radikale, zusammengestampft zu einer dichten, kompakten Reihe durch politisch dominante Partialinteressen … nicht zuletzt mittels des Rammbocks des `Haltungsjournalismus‘ – wird sicher nicht nachgeben. Kein fussbreit Boden mehr, auf den wir noch weichen könnten.

Dem Exzess entgegen. Zurück zur Weimarer Republik. Ja. Selbst wirtschaftliche Rahmenbedingungen werden – ohne Not – zusehends in diese Richtung geschoben. Für die „Umwelt“ und wieder einmal alles, was „gut“ ist und gegen das absolut Böse. Gegen uns.

Sollte diese Aktion(en) irgendeinen politischen Sinn haben, abgesehen von eigener Vorteilsnahme, sehe ich den allein darin, als weitere Stimme Konservative davon abzuhalten, die Allerletzten zu wählen, die ihnen noch handbreit Boden zum Atmen gewähren. Kein Raum mehr.

Angesichts dieses bestehenden riesigen Potentials, die AfD kann sich nur noch selbst verhindern. Die Mehrheit, die Macht, so, wie es derzeit läuft, ist es nur eine Frage der Zeit.

Was mich noch erstaunt, manch prominente jüdische Stimme! Ist es wirklich vorteilhafter in diesem hierzulande sinn- und politisch Gegenstands entleertem Grabenkampf Stellung zu beziehen? Ist die andere Seite in ihrem Antijudaismus … irgendwie … vorteilhafter? Habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen.

Das einzige, was mir dazu einfällt: Nur das dümmste aller Kälber, wählt … Aber und das ganz aufrichtig:Toi,toi, toi!

An andere Seite: Egal wieviele und welche jüdischen Gräber ihr auch entweiht oder was sonst ihr auch immer anstellt, für meinen Teil des ABSOLUT BÖSEN gesprochen, nichts und niemand wird uns davon abhalten, dem Volk eine Stimme, ein Mitspracherecht zu geben:

DEMOKRATIE anstelle von „… Demokratie“: Zur Sanierung der Staatsfinanzen. Gestaltung einer Bildung, die den Namen angesichts unserer fulminanten(!) Möglichkeiten tatsächlich verdient und nicht zuletzt Verwaltungsreduzierung, Sanierung der Sozialversicherungen und Infrastruktur. Themen über die lange nicht mehr gesprochen wird. Gesprochen werden kann. (Was dem `Pöbel‘ so einfallen mag.)

Angesichts Eurer Alternative, der monolithischen Beschäftigung mit dem auszeichnenden Kampfes gegen das ABSOLUT BÖSE. Gegen mich.

Keinen Millimeter mehr. Und wenn Euch der Sinn nach Aktionen steht, für die Leichenfledderei ein unzutreffendes, viel zu feines Wort ist, die deutsche Ignoranz eigener Verantwortung gegenüber international geradezu permanent manifestieren, beruft Euch dabei nicht auf das ABSOLUT BÖSE, auf uns. Fahrt zur Hölle mit Eurer (geistigen) „Armut für alle“.

Vor die (mittlerweile vorstellbare) Alternative gestellt, einen Kartoffelsack, Mahatma Gandhi, Adolf Hitler oder Euch zu wählen, seid Euch meiner Wahl bitte sicher!

Sorry, @lila, gewiss nicht in Deinem Sinne, ich weiss.

Viel angebrachter, gelassener, souveräner und persönlicher war der post von @Georg B. Mrozek. Souveränität, die mir (auch hier) fehlt. Dir noch einmal ans Herz gelegt. Mag sein, dass eher niemand so vermitteln kann, wie Du. Aber achte bitte auf Deine Psychohygiene. Dass Du es kannst, heisst noch lange nicht, dass Du es musst oder irgendeine Verantwortung hättest für die Verantwortungslosen, für den Rest, für uns.

Kann nicht anders, just my 2 cents. 😦 Ein Stück Musik, den Gewohnheiten hier folgend:

46. Lila - Dezember 5, 2019, 0:49

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Statt eigener Projektionen – einfach mal ein paar jüdische Stimmen hören und ernstnehmen.

Lothar, angeblich haben sie nun doch gebohrt und sitzen mit menschlichen Überresten da, mit denen sie nicht wissen, was anfangen. Ob die in der Stele sind oder nicht, ist unwichtig – die Kränkung ist da, und keiner weiß beim Stand der Dingen nach so vielen widerstreitenden Behauptungen, was nun wahr ist und was nicht.

Ein unwürdiges Spiel mit dem Schmerz der Überlebenden, so oder so.

Erstaunlich, daß alle Erklärungen nichts erreichen. Traurig.

47. Anna - Dezember 5, 2019, 10:37

Proto-Faschistin?! Wow. Ich weiß gerade nicht, was ich damit jetzt anfangen soll. Tut mir leid, dass Sie offenkundig so verletzt sind, und tut mir leid wenn Sie das so aufgefasst haben.
Um es zu wiederholen: ich kann die inhaltliche Kritik an der Aktion des ZPS nachvollziehen (scheinen Sie – das Duzen find ich übrigens unangemessen – überlesen zu haben – kann schon mal passieren). Ich tu mir ganz einfach schwer mit der Tonalität und der Generalunterstellung, dass man den Fehler, weil Deutsche, nicht mit guten Absichten sondern mit der Intention, gegen Juden zu treten, gemacht haben müsse. Ich bin vielleicht gerade nicht so mega super darin, meine Gedanken auf den Punkt zu bringen. Ich habe nie gesagt, dass aus dem Holocaust keine Verantwortung für uns als Gesellschaft erwachsen würde. Selbstverständlich tut es das. Und dass das Leid, dass unsere Vorfahren den Juden angetan haben nicht wieder gut gemacht werden kann, ist mir übrigens auch klar und ich weiß ebenso, dass daraus eine riesige Verantwortung erwächst für uns, und dass diese Verantwortung auch bedeutet, dass man sich Mühe gibt denjenigen, die als Nachkommen vermutlich noch unzählige Generationen lang unter den erlittenen unfassbarenTraumata leiden, das Leben nicht noch zusätzlich schwer zu machen und stattdessen für sie da zu sein. Und es tut mir leid, wenn ich das in meinem vorherigen Kommentar vielleicht nicht klar genug hatte. Aber diese Haltung an den Tag zu legen, obwohl man pauschal beschuldigt und beschämt wird für Dinge, die man selbst nicht getan hat, für Haltungen mit denen man sich nicht identifiziert und für Vorfahren die man sich nicht ausgesucht hat, ist jetzt auch nicht immer sofort die natürliche Reaktion. Scham, Schuld und Empathie unter einen Hut zu kriegen, muss man sich erst erschließen, vor allem wenn die Fehler keine eigenen waren, sondern „ererbte“. Mich hat die Aktion des ZPS bestürzt weil mir nicht klar war, dass die Asche und anderen menschlichen Überreste da als Baumaterial und Untergrund zum Draufrumlaufen weiterhin sind, was ich unendlich würdelos finde, während bei uns die Leute mit der gleichen Geisteshaltung wie 1933 wieder ihren menschenfeindlichen braunen Hass versprühen. Ich kann verstehen, dass man die Aktion des ZPS trotzdem scheiße findet, zum Beispiel weil sie über die Leidtragenden ohne vorherigen Einbezug der Leidtragenden konzipiert wurde und dass das ein Fehler war. Dass man aber nicht drauf aufmerksam machen darf, dass ein Text allen Deutschen pauschal schlechte Absichten unterstellt (oder hab ich das falsch verstanden?) und ihnen aufgrund der Tatsache, dass ihre Vorfahren Täter waren, mit einer krassen Absolutheit abspricht gute Intentionen gehabt haben zu können, …damit habe ich ein Problem. Wenn Sie es veröffentlichen, steht ja Ihrerseits ein Bedürfnis dahinter, dass Menschen wie ich das lesen und dadurch sensibilisiert werden und ich gehe davon aus, dass es anderen vielleicht ähnlich ergeht wie mir und habe deswegen – wie ich dachte sachlich, anscheinend nicht gut genug – versucht zu erklären, warum das bei mir Abwehr erzeugt hat. Das können Sie meinetwegen inhaltlich kritisieren. Aber deswegen jemanden als Proto-Faschistin zu beschimpfen….. Puh. Tut mir leid, wenn ich mich doof ausgedrückt und Sie offenkundig verletzt hab. Das war nicht meine Absicht. „Proto-Faschistin“ find ich trotzdem nicht so angebracht. Ich bin jetzt jedenfalls raus aus der Diskussion. Meinetwegen können Sie meine Kommentare löschen.

48. jim11111 - Dezember 5, 2019, 12:43

Hallo liebe Anna,

Ich muss Ihnen leider sagen – Sie liegen falsch, grundsätzlich und von vorne bis hinten. Es geht hier nicht um persönliche Befindlichkeiten und schon gar nicht um die Ihrigen. Den Weg, sich als Nachkomme der sogenannten Tätergeneration zu verorten, muss schon jeder selbst für sich finden. Auch geht es im Kern gar nicht um das von diesen „Künstlern“ behauptete Anliegen, gegen den Rechtsextremismus in Deutschland etwas unternehmen zu müssen. Es geht hier, neben der Störung der Totenruhe, ein Tatbestand der für alle Verstorbenen dieser Welt Geltung haben sollte, eben darum, dass hier über Andere verfügt wurde, diese in einer bis dato unvorstellbaren Weise missbraucht wurden, hilf- und wehrlos ausgeliefert um ungefragt heutigem politischen Aktionismus, der sinnvoll wäre oder auch nicht, dienen zu müssen.

Es geht hier also um die Kritik an einer Geisteshaltung, die sich ganz einfach über den Anderen hinwegsetzt, die den Anderen, den Fremden, nicht als gleichwertig akzeptiert, ihn, den Mitmenschen und dessen unveräußerliche Rechte, dessen Anspruch auf Menschlichkeit, auf Empathie, auf bedingungslose Anerkennung, auf Liebe, in extrem überheblicher Weise missachtet, indem er zur Manipulationsmasse, der Erreichung eigener Ziele dienen zu müssen, zum Zwecke der eigenen Profilierung degradiert wird und das ist unmenschlich und aus!

Es geht hier also um die Kritik an dem Versuch einer Gruppe, die mit den Mitteln der Unmenschlichkeit versucht, gehört zu werden, sich Geltung, sich Deutungshoheit zu verschaffen und damit über Macht zu verfügen, bzw. Macht auszuüben.

Und jetzt, bitte nicht böse sein, aber das ist per definitionem – faschistoid, wenn nicht Faschismus in Reinkultur!

Verschärft wird das Ganze nun aber durch die Besonderheiten jüdischer Ethik, also um den Anspruch auf Unversehrtheit auch im Tode, auf den unverrückbaren Anspruch auf die Totenruhe bis in alle Ewigkeit, ein Anspruch, über den sich schon die Nazis hinweg gesetzt haben, ein Anspruch, von dem auch die Nachkommen der Tätergeneration auf dem Weg sich selbst zu verorten, zumindest schon einmal gehört haben müssten.

Sie sehen, weil Sie von „guten Intentionen“ dieser Leute und davon, dass „Wenn die Toten diesbezüglich keine Mahnung sind, wozu denn bitte dann?“ gesprochen haben, hier kommt, neben der Negation entsetzlichen, unvorstellbaren Leides durch den Holocaust, so einiges zusammen. Und jetzt bin ich mir allerdings sicher, dass all dies mit einer verkrampften, über das Internet gespielten Entschuldigung, nicht so einfach aus der Welt zu schaffen sein kann.

Die Reputation dieser Künstlerguppe ist zerstört, logischer Weise und zwar nachhaltig!

49. jürgen - Dezember 5, 2019, 21:05

Lila , mal ganz unbedarft gefragt, ist das der Grund, wieso IL bereit ist so militärisch völlig sinnlose Austauschaktionen mit den diversen Terrorgruppen zu machen nach dem Motto, Eure Mörder gegen unserer Toten?
Hab ich nie so richtig verstanden, erschiehn mir immer irgendwie militärisch falsch, aber nun verstehe ich – glaube ich – wieso!?

50. Lila - Dezember 5, 2019, 21:09

Ja, lieber Jürgen, genau deswegen. Ich freue mich, daß Du die Verbindung gesehen hast, wollte das nicht auch noch in meine ohnehin schon zu langen Ausführungen reintun.

Jeder Israeli kennt die Namen der Soldaten, deren Leichen nicht nach Israel zurückgekommen sind. Und sollte Eli Cohens Leiche gefunden werden, würde ganz Israel daran teilnehmen.

„Wir lassen keinen zurück“ bedeutet auch: keinen Toten.

51. jürgen - Dezember 5, 2019, 22:37

Es ist und bleibt dennoch ein schwieriges Thema:

als ich von der Sache erfuhr hab ich das meiner Frau erzählt und Sie nach Ihrer Meinung gefragt. Für die sind Vorstellungen wie ewige Totenruhe völlig fremd und sie fand es eigentlich erstmal prima vista eine gute Sachen, weil sie politisch doch eher links und grün und so tickt 😉
Die kann sich durchaus vorstellen nach ihrem Ableben als Diamant gepresst Familienschmuck zu werden… (Finde ich gräßlich und werde ich zu verhindern suchen…). Aber sie ist wirklich und definitv alles andere als ein wie-auch-immer-Faschist sondern mehr so der Typ „Grüner-Gutmensch“. In dem Fall war dann, nachdem ich Ihr die Problematik aus der anderen Sicht darlegte der übliche Einwand ich sei dann doch wieder mal so israelfreundlich und andere Leute wüssten das ja gar nicht…
Nun unterstelle ich ihr, dass sie das wirklich nicht gewusst hat. Und so vielleicht auch viele andere Deutsche und viele finden dass es wirklich eine große Gefahr gibt, dass wir wieder Verhältnisse wie in den 30ern bekommen…und finden damit irgendwie alles gut was dem entgegenwirkt.

Die Initiatoren hätten es, bei etwas gutem Willen aber vermeiden können. Mal ganz abgesehen von unser ganz spezifisch problematischen Geschichte werden in den Museen der Welt die Schrumpfköpfe und Mumien zurückgegeben und bestattet, weil man erkannt hat dass es doch irgendwie nicht okay sein kann den toten Opa vom anderen Weltende zu bestaunen, das würde man beim eigenen ja auch nicht wollen. Man hätte es also wissen können…

Und eine alternative Form der Tatbeschreibung wäre doch auch denkbar gewesen, Fotos aus Auschwitz bspw. Da wäre aber der provokative Effekt ausgeblieben, vielleicht war es eben nicht Blödheit sondern brutale Absicht und dann entschuldige ich mich bei allen Opfern und deren Verwandten dass es solche Idioten gibt, die dummerweise in meiner Sprache sprechen.

Was bleibt: hoffentlich Wissensgewinn und Besserung

UND – die (viel zu gering verbreitete) Einsicht, dass man das Unrecht nicht gutmachen kann, dass die eigenen Großeltern begangen haben, indem man die Enkel der Opfer absichtlich schädigt.

Also die Forderung nach Solidarität – und damit Am Yisrael Chai!

52. A.mOr - Dezember 6, 2019, 17:17

jim,
toda lecha. Traurige Lieder sind leicht zu finden. Die (auch rohen) Angriffe gegen jüdische Versehrtheit haben sehr zugenommen, die Tendenz ist steigend. Jemanden wie mir hilft es kein wenig mich in Deutschland politisch zu engagieren, die Judenhasser sind überall, rechts, links, Mitte, nicht zu reden von (auch integriertem) moslemischen Judenhass. Oder eben doch, wenn die Ablehnung des Islams je nach Auslegungsart selbst schon strafbar sei. Leben und leben lassen ist keine Einbahnstraße. „Nazis“ zu erfinden, und solche Funde mit einer Weltuntergangsstimmung zu verbinden ist genauso „hilfreich“ wie die antisemitische Karikatur selbst, auf die es am Ende auf die Weise ohnehin hinausläuft. Die selbsternannten Faschistenjäger (wie das bei ideologisierten Menschenjägern so ist) scheren sich nicht um jüdisches Leben. Die Kälte in den Herzen bei solchen Uber-zeugten ist es, die Shoah erst ermöglicht. Natürlich sollte ich das nicht sagen; mein bescheidener Beitrag zur Aufklärung war offenbar nur „Privatvergnügen“, umsonst.

Großartige und engagierte Aufklärer wie Lila lassen hoffen, daß viele aus ihrem Taumel erwachen. Sie schreibt es doch so leicht und klar hier auf, geduldig und fair (Engl.: just) gegen Einspruch oder Kritik. (Vielleicht: meist? 😎 let’s be a mensh.)

Doch letztlich sind wir nur eine kleine Nische, die ein paar Interessierte herbeilockt. Wir können uns „muchachohaft“ (jane) auf die Schulter klopfen, oder uns im Mikrokosmos mit Blindschleichen zoffen.

Und; es war nicht umsonst. Es ist wichtig nicht die Nächsten über Bord zu werfen, wir suchen uns nicht aus, ob wir zu diesen oder jenen geboren werden, wir leiden am Unterschied. Das ist Leben.

Warum ist es nicht umsonst.
Du kennst meine Sicht; ein ergänztes Sprichwort: „Ideale sind wie Sterne, schön anzusehen, und doch nicht greifbar.“ Und doch lohnt sich der Versuch die Sterne/Ideale zu greifen, tikun olam, die Welt ist nicht vollkommen.

Die (vermeintliche, sicher…) Sicht- und Denkweise, die (mindestens scheinbare) Charakterlosigkeit solcher „Aktionisten“ ist mir vertraut, kreuzte nicht nur einmal meinen Weg. So sehe ich von dem was ich weiß, daß Freunde Freunde morden; oder Hollywood-Filme (Happy End) lieben, so wie ich.

Ab einem gewissen Alter (wenn nicht bereits viel früher) verstehen wir gewöhnlich den Schmerz mit den Lieben die unser Leben nicht mehr teilen.
Das, denke ich, das „mitl(i)eben“ mit dem Gedenken an die Verstorbenen ist sehr jüdisch. Auch unsere Feste, so wie Chanuka, bedeuten uns eine „Teilnahme“ an den vergangenen Ereignissen, denn sie sind, und wir leben mit den Verstorbenen. Und wir leben.

jim, sei umarmt alter Freund,
leben, lieben, lernen, lalala… 😉

Schabat schalom.

ps/an Lila:
„lifnej sche-radu bach“: bevor sie über dich herrschten oder: die Herrschaft übernahmen; „rodan“ (selbe Wurzel) heißt „Tyrann“. (you remember Ori?) Hoch inhiml fligt a shwelbl.;)

pps/ auch’n freundlichen Gruß an absolutely bösen G.!
Und’n Stück Musik, für die netten Gewohnheiten.

53. jim11111 - Dezember 7, 2019, 3:59

Hallo A.mor,

Hast wieder mal, wie fast immer recht, mit den Faschistenjägern, dazu fällt mir ein wunderbarer Erzähler, mit einer sehr bewegten politischen Geschichte ein, nämlich Ignazio Silone, mit dem berühmten Zitat: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus‘. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus‘“

Zum Thema Islam, mit dem Du mich zuletzt so sehr erschreckt hast, möchte ich Dir gerne empfehlen, doch besser nicht so sehr auf Leute wie Broder, Küntzel oder gar Sarrazin zu hören, ich empfehle in diesem Zusammenhang sehr gerne Lévinas, Emmanuel Levinas, oder auch Rumi, Djallaledin Maulana Rumi, Du erinnerst Dich? War ein guter Ort, eine schöne Zeit:

http://www.hagalil.com/2011/01/muslimische-religioesitaet/

Alles Liebe

54. Lila - Dezember 7, 2019, 11:11

Weitere Artikel von Leo Fischer und auf Friedensdemo-Watch.

55. jim11111 - Januar 6, 2020, 16:16

Mit dem Vorschlaghammer gegen den Vorschlaghammer

https://www.sprachkasse.de/blog/2020/01/06/mit-dem-vorschlaghammer-gegen-den-vorschlaghammer/

Um 12 Uhr am Mittag des 5. Januar 2020 zog das »Aktionskünstler-Komitee« (kurz AKK) vor der Säule auf, die das »Zentrum für politische Schönheit« (ZPS) in Sichtweite des Reichstags aufgestellt hatte. Übrigens hatte das ZPS den Betonsockel bei »Nacht und Nebel« gegossen. Es hieß, die Stele soll Asche von Schoah-Opfer enthalten haben. Die Aktion des »ZPS«, die auf die AfD zielte, erreichte diese nicht unbedingt. Statt dessen war sie ein ziemlich derber Tiefschlag in die Magengrube der Nachkommen von Schoahopfern. Oder wenn man so will: Man agierte mit dem Einfühlungsvermögen eines Vorschlaghammers.
Nicht nur jüdische Verbände verurteilten die Aktion, sondern auch zahlreiche Einzelakteure….


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