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Zwei Jahre Oktober 5, 2019, 17:10

Posted by Lila in Land und Leute.
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dienen die jungen Frauen in der Armee, und das ist gerade genug. Das dritte Jahr, das die jungen Männer mehr dienen, zieht sich furchtbar lang hin – aber zwei Jahre für die Allgemeinheit geben, das ist vertretbar.

Die IDF hat zwei Arten von Laufbahnen, ganz grob eingeteilt: kämpfende und nicht kämpfende Einheiten. Der Dienst bei den kämpfenden Einheiten ist deutlich härter, die Grundausbildung länger und die Bedingungen spartanischer. Meine Söhne haben in kämpfenden Einheiten gedient (beide als Sanitäter), und ich habe ja im Laufe der Zeit genug darüber geschrieben, wie schwierig das war. Für mich (im Leben keine Uniform getragen außer Arbeitsklamotten als Volunteer im Kibbuz)  – für meinen Mann (der als ganz frischer Rekrut in den Libanonkrieg I eingezogen wurde und insgesamt fünf Jahre im Libanon verbracht hat und nicht darauf brennt, daß seine Kinder Ähnliches mitmachen) – und für die Söhne natürlich am allermeisten. Ich bin froh, daß die Zeit hinter uns liegt. Secundus macht noch ziemlich viel Reservedienst, aber zum Lohn dafür bekommt er auch ein Stipendium an der Uni, und außerdem macht es ihm auch Spaß.

Es gibt auch Frauen in kämpfenden Einheiten, und Quarta hat sich eine Zeitlang überlegt, sich für eine solche Laufbahn zu bewerben. Aber auch nicht-kämpfende Truppen haben wichtige Funktionen, und an ihrer Schwester konnte sie sehen, wie viel man bei der Armee lernen und machen kann. Mir kommt es manchmal vor, als wäre die Armee der Jungens und die Armee der Mädchen etwas vollkommen Verschiedenes. Die Jungen kamen erschöpft, verschwitzt und übermüdet wieder – die Mädchen voll Erlebnisse von Kursen, Freundschaften und Verantwortung.

Weil mir diese ganze Armee-Welt immer noch fremd ist, im Gegensatz zu fast allen anderen, die ich hier kenne, habe ich mit großem Interesse eine Doku-Serie über eine gemischte Einheit gesehen, die auch so heißt: Gemischte Einheit, Yechida Me-urevet, leider nicht mit englischen Untertiteln.

 

Trotz der kritischen Kommentare meiner Familie habe ich die ganze Serie angeguckt. Mein Mann hat über die Anforderungen in der dargestellten Einheit nur gelacht – bei den Fallschirmjägern anno 1981 ging es wohl in der Grundausbildung ganz anders zur Sache. Meine Töchter haben nur gestöhnt, daß sie froh sind, nicht zu einer kämpfenden Einheit gegangen zu sein. Und die Söhne meinen, diese ganze Riesen-Motivation, mit der auch sie angefangen haben (rabak nennt man das auf Ivrit, oder mur´al), ist nur eine Illusion, aus der die Soldaten schnell aufwachen.

Trotzdem fand ich es interessant zu sehen, mit wie viel Vorurteilen die Mädchen zu kämpfen haben, bis sie sich dann durchsetzen. Ich hätte nicht erwartet, daß so viele junge Israelis noch immer glauben, die Frauen können es eben nicht, denn gerade hier haben Generationen von Frauen doch bewiesen, daß sie es können. Natürlich, einige geben auf, genauso wie die Männer. Ich bewundere gerade die, denen es schwerfällt, und die doch durchhalten.

Die Serie zeigt die Grundausbildung, die einzige Zeit, in der die IDF eine Distanz zwischen Befehlsgebern und -empfängern aufbaut. Diese Distanz fällt nach Ende der Grundausbildung, und dann sind die Hierarchien deutlich flacher und der Umgangston ohne Formalitäten. Aber der Übergang vom zivilen zum militärischen Leben ist harsch und deutlich, wie wohl in allen Armeen.

Für Quarta war es natürlich ganz anders. Ihre Grundausbildung war kurz und hat ihr großen Spaß gemacht. Wir waren beim feierlichen Abschluß, und die Atmosphäre war nett und locker. Danach machte sie eine Ausbildung, wo dann nur noch Mädchen waren, und das ging Quarta auf die Nerven. Sie fand es in der Grundausbildung, wo Jungen und Mädchen zusammen waren, viel entspannter. Ihren Job machte sie dann sehr gut und wurde auch befördert, aber ein Angebot, noch ein Jahr dabeizubleiben, hat sie abgelehnt. Sie hatte genug von Bürojob, egal wie interessant, und einer Arbeitsumgebung von fast nur weiblichen Mitarbeiterinnen.

Die Basis, in der sie gedient hat, ist ganz neu. Sie heißt Base Ariel Sharon und wurde innerhalb weniger Jahre aus dem Boden gestampft, im Negev, und die vielen verschiedenen Ausbildungsbasen aus ganz Israel wurden dort zusammengelegt.

Hier auf Englisch dargestellt in einem Film für die amerikanischen Friends of the IDF, und auch auf Hebräisch gibt es Clips.

Sieht ja soweit alles ganz schick und neu aus, bestimmt kein Vergleich mit den schäbigen Unterkünften, in denen wir die Söhne manchmal besucht haben… Tertia, die bei der Luftwaffe gedient hat und bestimmt nicht über die Bedingungen dort klagen konnte, meinte, so einen luxuriösen Dienst wie Quarta hätte sie auch gern gehabt. Aber Quarta meint, das Essen ist gräßlich und die Fahrt so lang. Und überhaupt.

(Es ist mir ein Rätsel, wieso IDF bei einer Familie, die so weit im Norden lebt, alle vier Kinder südlich von Beer Sheva schickt, während die Kinder von Bekannten aus Beer Sheva hier oben an der Grenze  zum Libanon dienen – vermutlich gibt es extra ein Team von drei mürrischen Offizierinnen, die dafür sorgt, daß die jeweils maximale Kilometerzahl zum Elternhaus erreicht wird, was bei einem kleinen Land gar nicht so einfach ist.)

Quarta hat aber trotzdem nicht viel Grund zur Klage. In der Riesen-Basis dienten ihre Schulfreundinnen mit ihr und eine Zeitlang auch ihre gleichaltrige Cousine. Sie hat viel gelernt, Verantwortung getragen und ihren Freundeskreis erweitert.

Die bohrende Sorge, die ich um die Söhne hatte, hatte ich um sie nicht. Selbst wenn sich hier wieder mal die Wolken zusammenzogen und man mit Angriffen aus Syrien oder Libanon oder Schlimmerem rechnen mußte, dachte ich immer: in ihrer Basis ist sie besser aufgehoben als hier bei uns. Bei den Söhnen dagegen hatte ich immer Ynet aktuellste Nachrichten auf dem Internet offen, oft neben dem Bett, und habe immer Radio gehört. Einfach weil ich wußte, besonders im Fall von Secundus: wenn es heißt, „Unruhen in Hebron“, dann ist er dabei, „Unruhen an der Grenze zum Sinai“, dann ist er dabei, und „Armee versammelt sich am Übergang in den Gazastreifen“, auch dann ist er dabei. Um die Mädchen habe ich die Normal-Sorge, diese Währung, in der man für jede Freude zahlt, die man an Kindern hat. Bei den Söhnen kam während ihres Wehrdiensts eben noch diese ganz besonders unerträgliche innere Unruhe hinzu. Daß Quarta mir das erspart hat, kann ich nicht bedauern.

Ich erinnere mich noch gut, wie wir sie vor zwei Jahren zum Marine-Museum in Haifa gebracht haben, wo eine kleine Feier stattfand, für die neuen Rekruten. Es gab Kaffee an kleinen Tischen. Quarta und ihre beste Freundin stiegen dann zusammen in den Bus, die Eltern winkten und die Busse fuhren. Wir wußten damals nur ungefähr, wie es für sie weitergehen würde. Dann kam die Zeit der Grundausbildung, die für Quarta wie eine Art Sommercamp war, und dann die fachliche Ausbildung. Keine Härten, jedes Wochenende zuhause, oft auch mitten in der Woche ein freier Abend (wo sie oft bei einer Freundin in Tel Aviv war, weil der Weg bis nach Hause zu lang gewesen wäre).

Donnerstags bis Shabat frei heißt bei der Armee übrigens chamshushyom chamishi ist der 5. Tag, also Donnerstag, shishi ist der 6., also Freitag, und Shabat. Chamishi, shishi, shabat – zusammengezogen zu chamshush. „Sie hat chamshushim„, meinten die Geschwister bedeutungsvoll, denn sie hatten es nicht so gut.

Überhaupt ist die Armeesprache voll mit solchen Abkürzungen. Sofash ist ein Wochenende (sof shavua), sakash ein Schlafsack (sak sheyna), galchaz ist die gründliche Reinigung (giluach rechaza), pazam hat man, wenn man länger dabei ist (perek zman memushach – eine längere Zeitspanne), und bahad ist die Ausbildungsbasis (basis hadracha) – weswegen Quartas Basis auch Ir ha-bahadim genannt wird, die Stadt der Ausbildungsbasen.

Ich habe jetzt also auch pazam als Soldatenmutter. Und morgen lassen sie mich zum ersten Mal rein in die Ir ha-bahadim, bin sehr gespannt.

 

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