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Wie es war Juli 30, 2010, 8:45

Posted by Lila in Deutschland.
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Es war wunderbar, und Berlin ist eine Stadt, die selbst auf den widerstrebendsten Besucher sehr stark wirkt. Ich habe vieles neu entdeckt, auch durch die Augen der Studenten, die sehr beeindruckt waren von der Vielfalt der Erinnerungskultur. Das war ja unser Thema.

Ich weiß, daß Broder meint, mit dem Mahnmal an der Ebertstraße kauft das offizielle Deutschland sich frei, und kann jetzt nach Löschung der Sündenkartei getrost weiter sündigen. Das klingt zwar schön zynisch und einleuchtend, erklärt aber nicht, warum weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen. Und es erklärt auch nicht, warum junge und ältere Besucher auf eigene Faust (also ohne Gruppe oder Klasse) ins Dokumentationszentrum kommen, sich dort ernsthaft in das Material versenken und sehr, sehr nachdenkliche Gesichter haben. Mein geschätzter Kollege, dessen Familie von der Shoah schwer gezeichnet ist, war jedenfalls von den Gesichtern der jungen Deutschen an diversen Gedenkstätten positiv berührt und meinte, das hätte er nicht erwartet.

Und es waren nicht nur Gedenkstätten zum Thema Holocaust, die wir besucht haben, sondern auch zu anderen Punkten der deutschen Geschichte. Die ist ja mit schmerzenden Punkten gespickt wie eine Voodoo-Puppe. Die Studenten waren beeindruckt, und ich auch. Auch davon, daß die meisten dieser Gedenkpunkte sich ins alltägliche Leben integrieren lassen und dem Betrachter die Wahl lassen, wie er sie betrachtet.

Für mich war es auch ein herrliches Gefühl, wieder gesund zu sein und laufen zu können. Ich bin ja schon seit einiger Zeit wieder fit, aber ich habe nicht vergessen, wie deprimierend es war, durch Schmerzen in meiner Bewegungsfreiheit eingeengt zu sein. Zu diesen Zeiten habe ich immer mit großer Sehnsucht und Selbstneid daran gedacht, wie ich früher durch Berlin eilen konnte, ohne müde zu werden. Und jetzt war es wieder so – aber diesmal habe ich es nicht als  selbstverständlich hingenommen, sondern mich gefreut. In Berlin laufe ich immer schnell, und da wir eine große Gruppe waren, war das auch gut so – sonst wären wir nirgends angekommen. Wir sind täglich viele, viele Kilometer gelaufen, ich mit Büchertasche und Madonna-Mikrophon, und es ist mir überhaupt nicht schwergefallen, im Gegenteil.

Ich habe natürlich im Nachhinein das Gefühl, überhaupt nichts über Berlin vermittelt zu haben. Da sind wir am Nollendorfplatz so oft vorbeigekommen und ich habe Erwin Piscator und Gründgens nicht erwähnt…. Außerdem haben die Studenten viele Fragen gestellt, auf die ich nur antworten konnte: weiß ich leider nicht. Wo kann man Zeugs kaufen, das man in der Nargila raucht? (Gegenfrage: WAS raucht man eigentlich in der Nargila?) Ich habe die Frager in Richtung Sonnenallee geschickt, da werden sie schon das Gewünschte finden. Warum ist diese Fassade so und nicht anders restauriert worden? Leider kenne ich nicht jedes einzelne Gebäude in Berlin, sonst hätte ich die Frage gern beantwortet… aber trotz meiner wie stets ätzenden Selbstkritik meinten beide Kollegen, daß ich ganz gut erklärt hätte. (Mir graut natürlich vor den Bilder und vor allem vor dem Film – ach wäre man unsichtbar!)

Ein irrwitziger Zufall bescherte mir das Zusammentreffen mit einer geschätzten Leserfamilie, die mir am ersten Tag mitten in Berlin auf einem U-Bahnhof über den Weg liefen. Viel Zeit hatte ich nicht für sie, aber dafür hat der Sohn der Familie auf meine Studenten großen Eindruck gemacht – nicht nur wegen seines jugendlichen Charmes, sondern weil er ein T-Shirt mit der hebräischen Aufschrift Shalom trug. Ob er das ungefährdet tragen könnte, meinten die Studenten. Und er meinte, ja, klar. Das hätte ich authentischer nicht planen können.

Im Laufe der Zeit werde ich bestimmt noch vieles aufschreiben, denn ich bin sowieso damit beschäftigt, die Studienfahrt-Website mit weiteren Informationen zu füllen. Meine neu erworbenen Bücher habe ich bei MyLibrary schon notiert (JA, ich mußte eine neue Tasche kaufen….) und jetzt räume ich sie langsam ein. Und oh, das Haus ist so leer….

Wir kamen am 28. morgens früh um 3:20 zurück, und ich schleppte mich sofort mit Sack und Pack zur Bahn und fuhr bis Carmel Beach. Dort befindet sich nämlich ein Sammelpunkt für Rekruten. Ich war gegen halb sechs da, und keine zwei Stunden später kamen Y. und die Jungens. Primus vergnügt und weltläufig (wie lang ist es doch her, daß er eingezogen wurde! anderthalb Jahre… für ihn eine Ewigkeit), Secundus mit gestutztem Haar und gespanntem Gesicht. Wir begleiteten ihn und nahmen vor den Bussen, mit denen die Jungens in ihre Basen fahren mußten, Abschied. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört und kann nur hoffen, daß er einen halbwegs erträglichen Anfang macht – nette Leute um ihn herum ist erstmal das Wichtigste. Ich habe ja an Primus gesehen, wie schwer der Übergang ist, die Fremdbestimmung und der verplante Tag. Das ist ja nichts für die Jungen und Mädchen. Auch Secundus, bei allem Engagement für Gruppe und Internat, ist es nicht gewöhnt, von morgens bis abends von anderen verplant zu werden und keine persönliche Sphäre mehr zu haben.

An Primus sehe ich aber auch, daß diese erste Schockphase vorbeigeht (nicht umsonst nennt man die neuen Rekruten „shockistim“…) und man sich sein eigenes kleines Reich erobern kann. Primus ist jetzt mit seiner Aufgabe sehr zufrieden und hat auch Leute gefunden, mit denen er sich gut versteht. Es war aber sehr schwierig für mich, meinen coolen Secundus so blaß und angespannt zu sehen. Ich mußte mich sehr beherrschen, um nicht wie viele andere Mütter meiner eigenen Spannung mit Tränen Lauf zu lassen. Aber das hätte dem Jungen nicht geholfen. Wir konnten nicht viel tun, außer ihn daran zu erinnern, wir gut er vorbereitet ist, und über das nächste Wochenende (das er zuhause verbringt) zu sprechen. Schritt für Schritt, und so normal wie möglich, so ging es. Ich warte jetzt mit großer Spannung auf seinen Anruf, hoffentlich kann er auch kommen.

Die Mädchen sind bei meiner Mutter. Germanwings hat sich zwar nicht geweigert, unsere Buchung für die Mädchen und auch unser Geld entgegenzunehmen, aber sie wollten Quarta trotzdem nicht befördern. Sie ist noch keine 12 Jahre alt, und Begleitung bieten sie auf internationalen Flügen nicht an. Und Tertia mit ihren fast 17 Jahren galt nicht als Begleitung. Ich war zu dieser Zeit noch unterwegs, aber Y. beschrieb mir hinterher die Szene, wie Quarta weinte und flehte, mitfliegen zu dürfen – schließlich flog Tertia allein, und Quarta mußte zurückbleiben. Sie war sehr enttäuscht. Y. hatte nicht mal Zeit, sich richtig um sie zu kümmern, weil er ja Secundus zu seinem Sammlpunkt bringen mußte – das war ja alles in derselben Nacht bzw am Morgen darauf. Mein Bruder hat sich aber sofort ans Telefon gehängt und für Quarta einen Tag später einen Lufthansa-Flug ausfindig gemacht, mit Begleitung – und so ist das Kind gestern gut bei meiner Mutter angekommen.

Wir aber sind seit gestern allein. Die Söhne bei der Armee, die Töchter bei der Oma – und wir sind, nachdem wir Quartas Flugzeug hinterhergeguckt hatten, erstmal in Nahariya Salat kaufen gegangen, haben uns dann an den Strand gesetzt, Salat gegessen, und sind dann lange am Strand entlanggegangen. Gut, daß wir uns gut verstehen und uns die Themen nicht ausgehen. Wir hatten einen schönen Abend. Aber noch schöner wäre er, wenn ich endlich wüßte, wie es meinem Secundus ergeht….

Kommentare»

1. Anne - Juli 30, 2010, 11:09

Natürlich wäre ich an Deiner Stelle auch angespannt, aber ich denke, nach allem, was ich so über die Jahre über Secundus mitbekommen habe, dass er bestimmt auch dort klar kommen wird. Er ist, so empfinde ich es, einfach jemand, der sich überall zurecht finden kann und wird. Dass ihn die totale Unfreiheit in der Tageseinteilung nerven wird, ist klar, aber das teilt er ja mit allen anderen, oder zumindest den meisten.

2. Marlin - Juli 30, 2010, 23:23

Schöner Bericht. Und es gibt einen Film? EINEN FILM??

WO?

🙂

Und Eure Mädels wolltet ihr alleine losschicken? Das hab ich nicht ganz verstanden. Aber offenbar ist auch da alles gutgegangen.

Und schön, dass Berlin Euch gefallen hat.

3. Lila - Juli 30, 2010, 23:38

Wir wollten beide Mädchen allein losschicken, ja. Nachdem ich mich dem Gedanken jahrzehntelang verweigert habe…. haben die Kinder letztes Jahr zu Weihnachten zum ersten Mal allein einen Flug absolviert: die drei Jüngeren. Diesmal also nur die Mädchen.

Meine Mutter hat bei GermanWings für beide einen Flug gebucht, in der Nacht, als ich aus Berlin zurückflog. Y. war also mit beiden Mädchen am Flugplatz. Und dort eröffneten die Leute von GermanWings, was sie eigentlich schon vorher hätten sagen können (nämlich bei der Buchung): daß Kinder unter 12 Jahren nicht unbegleitet fliegen dürfen, sondern nur mit über 18jährigem Familienmitglied. Wir wollten ja eine Begleitung bestellen, wie bei allen Fluglinien, die wir bisher kennen, möglich, aber nicht bei GermanWings. So mußte Quarta zurückbleiben, unter großem Herzeleid.

Aber einen Tag später haben wir sie dann doch, unter Begleitung von sehr netten Stewardessen, per Lufthansa nach Deutschland geschickt. Von GermanWings werden wir wohl kein Geld erstattet sehen – sie haben die Buchung anstandslos durchgehen lassen, das Geld eingesackt, dann aber die Beförderung verweigert…. mit denen fliegen wir bestimmt nicht wieder.

Aber beide Mädchen sind nun bei meiner Mutter und haben mich vorhin angerufen. Tertia läßt sich von meiner Mutter die letzten Feinheiten des Deutschen erklären (auf DEN Tisch vs auf DEM Tisch… „Mama, das ist echt verwirrend“), Quarta beschwert sich, daß wir mit Secundus essen waren („mit mir geht ihr NIE essen, NIE!!!“) und meine Mutter ist froh, daß sie das Haus voll mit jungem Volk hat. Mein kleiner Bruder hat alle Fahrräder repariert und es ist hell bis gaaanz spät nachts!

Ich bin rappelig ohne meine Kinder aber was soll´s, irgendwann sind sie alle ausgeflogen, ich kann sie nicht bis alle Ewigkeiten unter meine Flügel stecken. Immerhin habe ich Spaß mit meinem Y., das ist auch gut. Irgendwie geht uns der Gesprächsstoff nie aus, so eine Ehe ist schon eine feine Sache.

Über Berlin werde ich noch mehr schreiben. Es war ein sehr intensives Erlebnis, ganz anders als Berlin privat, und es hat sich manchmal ganz anders angefühlt als die Stadt, die ich sonst besuche.

Ein Student hat gefilmt, aber nur für die abschließende Besprechung, sonst wird mit dem Film nichts gemacht. Sehr konsequent war er nicht mit dem Filmen, Gott sei Dank 🙂

4. Dorothee - Juli 31, 2010, 0:46

Lesenswerte Ergänzung zum noch unvollständigen Berlin-Bericht:

Mit dem Schriftsteller Chaim Be’er an den Schauplätzen seines Berlin-Romans
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/8252

…“Die Hauptstadt der Buchausstattung, der Erfindung von Buchstaben. Die bekannteste israelische Schrifttype, in der noch heute die meisten Zeitungen und Bücher in Israel gedruckt werden, die FrankRuehl, ist in Berlin von jüdischen und deutschen Künstlern erfunden worden.«

5. Lila - Juli 31, 2010, 1:18

Alle Bilder – abgehakt, da waren wir auch 🙂 in derselben Reihenfolge…

6. Marlin - Juli 31, 2010, 9:32

Humpf. Wenn ihr Druck macht bei den „Dschörmen-Wings“ müsstet ihr das Geld eigentlich zurückbekommen. Immerhin war es einseitige Nichteinhaltung des Vertrags.

Naja, wird aber wohl etwas Nerven kosten.

Aber ist schön, dass die Kinder bei Oma waren. 🙂

Und schade, dass es keinen Film gibt. 😛

7. grenzgaenge - Juli 31, 2010, 21:04

Ein interessanter Bericht, liebe Lila. Also ehrlich. Das Chaos mit den Fluggesellschaften scheint eher zur Regel zu werden. Wenn ich das hier so lese …

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/dem-himmel-so-fern/1894386.html

Ich selbst habe mit EL AL immer gute Erfahrungen gemacht. Pünktlich. Kompetent. Sicher. Aber vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Jedenfalls fühle ich mich bei EL AL immer gut aufgehoben und auch der Buchungsservice bedi Diesenhaus in Frankfurt/Main ist sehr gut. Das sind meine subjektiven Erfahrungen.

8. gingit - August 1, 2010, 11:20

Liebe Lila,
schön, dass du wieder heil zu Hause bist und die Mädchen im Rheinland urlauben!
Aber zum Flug-Chaos befürchte ich, dass ihr nicht viele Chancen habt, euer Geld zurückzuerhalten. Die ABBs von German Wings sind da sehr eindeutig, und bei der Buchung gibt man an, dass man diese zur Kenntnis genommen hat – was man auch tatsächlich tun sollte, erst recht, wenn man alleinreisende Kinder bzw. Jugendliche auf Reise schicken will. Insofern – etwas altklughaft -: wahrscheinlich müsst ihr diese Erfahrung in die Kategorie „Lehrstunde über das Zustandkommen von Beförderungverträgen“ abspeichern und in Zukunft immer brav das lesen, von dem man bisher durch das Setzen des Häkchens behauptet hat, man habe es gelesen 😉
Viele Grüße!

9. Manfred - August 1, 2010, 19:09

Liebe Lila, ich hoffe, ich schockiere Dich nicht zu sehr, wenn ich sage, dass ich Deine Begeisterung über die „Vielfalt der Erinnerungskultur“, darüber, dass „weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen“ und über die „sehr, sehr nachdenkliche(n) Gesichter“ der Besucher des Holocaust-Dokumentationszentrums nicht nur nicht zu teilen vermag, sondern die beiden entsprechenden Absätze auch mit einiger Beklemmung gelesen habe.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mit dieser „Erinnerungskultur“ täglich konfrontiert und von ihr entsprechend genervt bin. Du gehst zum KaDeWe und wirst mit den Namen von einem Dutzend Konzentrationslager erschlagen („Orte des Schreckens, die wir nie vergessen dürfen“); du gehst in Spandau am Lindenufer spazieren und erfährst, dass hier bis 1938 eine Synagoge stand; du gehst irgendwo und siehst Messingklötze ins Pflaster eingelassen, auf denen steht, dass hier der und der deportiert worden ist; Gedenktafeln, Mahnmale, Denkmäler an allen Ecken und Enden; du schaltest den Fernseher ein, und wenn du keine Daily Soap sehen willst, landest du auf Phoenix und damit nicht selten bei Guido Knopp und seiner Endlosschleife von Geschichtsklischees.

Wäre das alles nur nervig, man könnte es ertragen. Es ist aber weitaus mehr als das.

Es ist schon etwas dran an dem Spruch, wer sich der Geschichte nicht erinnern wolle, sei gezwungen, sie zu wiederholen. Nähme man ihn ernst, so würde man sich bemühen, blinde Flecken im eigenen Geschichtsbild nicht zuzulassen. Was bei uns aber als „Erinnerung“ zelebriert wird, ist im höchsten Maße selektiv:

Nicht nur, dass „Geschichte“ auf zwölf Jahre Nazizeit und alles andere zur bloßen Vorgeschichte schrumpft; selbst diese Geschichte und Vorgeschichte beschränkt sich auf den Krieg und den Holocaust, und für diese beiden werden rein ideologische Faktoren verantwortlich gemacht, speziell ein angeblich spezifisch deutscher Hang zu Militarismus, Nationalismus und Rassismus.

Würde man der breiten Öffentlichkeit ein etwas komplexeres Bild der Zusammenhänge vermitteln, dann würde eine Rolle spielen, dass die Demokratie von Weimar an der Unfähigkeit einer politischen Klasse scheiterte, Probleme zu sehen und in Angriff zu nehmen, die in der jeweiligen Parteiideologie nicht vorgesehen waren und deshalb nicht existieren durften. (Die Millionen, die NSDAP wählten, taten es nicht zuletzt deshalb, weil die Inkompetenz aller anderen Kräfte bereits offen zutage lag.) Man könnte sonst Parallelen zur heutigen politischen Klasse ziehen, wo der einzige Unterschied zu Weimar darin besteht, dass sie alle dieselbe realitätsblinde Ideologie vertreten.

Es würde eine Rolle spielen, dass mit den permanenten Umwälzungen und Katastrophen von 1914 an Millionen von Menschen der Boden, auf dem sie gestanden hatten, unter den Füßen weggezogen und eine politische, ökonomische, aber auch sittliche und kulturelle Orientierungslosigkeit erzeugt wurde, die eine Umwertung aller Werte, wie sie von den Nationalsozialisten propagiert wurde (und die im Kaiserreich undenkbar gewesen wäre) erst möglich machte. Würde man sich daran erinnern, so wäre man womöglich zurückhaltender mit Sozialexperimenten wie der Zersetzung der Familie, der Banalisierung des Christentums und der multikulturellen Entdeutschung des eigenen Landes.

Man würde sich daran erinnern, dass diese Katastrophen allesamt in dem seit der Jahrhundertwende betriebenen Politik der Westmächte wurzelten, Deutschland kleinzukriegen. (Selbst wenn man diese These, die ich selbst für richtig halte, nicht teilt – entscheidend ist, dass sie von den damaligen Deutschen aus guten Gründen geglaubt wurde.) Und eine Öffentlichkeit, die sich dessen bewusst wäre, würde wohl kaum hinnehmen, dass eine – pardon – völlig verblödete Kanzlertrutsche nach Paris fährt, um dort den Waffenstillstand von 1918 zu feiern.

Es würde eine Rolle spielen, dass die Unterstützung für Hitlers Aufrüstungsprogramm nicht etwa aus irgendeinem „Militarismus“ resultierte, sondern aus der Erfahrung, dass Wehrlosigkeit ausgenutzt wird, und womöglich würde sich an eine solche Erkenntnis die Frage knüpfen, ob es eine gute Idee ist, die eigenen Streitkräfte so umzubauen, dass sie noch als internationale Polizeitruppe, aber kaum mehr zur Verteidigung des eigenen Landes taugen. Man würde sich auch fragen, welcher Teufel eine politische Klasse reitet, die die Souveränität und Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes zur Disposition eines Westens stellt, dessen Deutschfeindlichkeit schon vor 1933 evident war.

Und wenn man die Dinge in einem größeren europäischen Zusammenhang sieht, würde einem auffallen, dass die Demokratie zwar nicht in Deutschland, wohl aber in etlichen anderen europäischen Ländern an der Unmöglichkeit gescheitert ist, ethnisch heterogene „Bevölkerungen“ zu staatstragenden Nationen zu formen – was zu der Frage führen würde, ob Demokratie mit solcher Heterogenität überhaupt vereinbar ist.

Vor allem aber würde eine solche Sichtweise dazu führen, dass man begänne zu verstehen, worauf der Erfolg der Nationalsozialisten beruhte, und dass dies nicht einfach die Dummheit oder Bösartigkeit unserer Großeltern war, und speziell nicht einfach eine angeborene, mindestens aber kulturell verinnerlichte ideologische Verblendung. Dann wäre auch der neurotischen Selbstverdächtigung der Deutschen der Boden entzogen, auf dem jetzt der Kampf gegen Rechts geführt wird, dessen psychologische Grundlage eben diese Selbstverdächtigung ist. Wer sich nämlich selbst verdächtigt, qua Nationalität vom „Ungeist“ des Nationalismus und verwandter Ideologien infiziert zu sein, wird alles tun zu beweisen, dass er zu den nichtinfizierten „Guten“ gehört. Und genau dies ist auch der Sinn der Sache.

Es wird keine historische Aufklärung betrieben. Stattdessen konfrontiert man Kinder und Jugendliche mit Bildern von Auschwitz und Bergen-Belsen, die ob ihrer Schock- und Horrorwirkung auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften stünden, wenn sie in irgendeinem andern Zusammenhang entstanden wären. Man erklärt Auschwitz zum „Gründungsmythos der Bundesrepublik“ und kommt nicht auf die Idee, dass bereits an der Formulierung irgendetwas krank sein könnte. Das Monstrum von einem Mahnmal, das man nicht zufällig direkt ans Brandenburger Tor geklotzt hat, enthält just diese Ideologie, buchstäblich in Stein gehauen. Man baut eine ganze Staatsideologie auf einem „Nie wieder“ auf, so als ob es für ein Volk und ein Staatswesen andere Gefahren nicht geben könnte, und verdächtigt als rechtsextrem, wer auf solche Gefahren hinweist.

Wenn man sich die Politik der deutschen – aber weiß Gott nicht nur der deutschen – Eliten ansieht, dann ahnt man auch, warum das geschieht. Da werden die Schleusen für Einwanderer geöffnet, deren Kultur mit unserer unvereinbar ist und die selbst bei engstirnigster ökonomischer Betrachtung alles andere als eine Bereicherung darstellen. Angeblich brauchen wir sie aus demographischen Gründen, sprich weil wir nicht genügend Kinder bekommen. Letzteres trifft zu.

Wenn aber dieselben Eliten, die dies feststellen (und damit die „Notwendigkeit“ von Immigration begründen) eine Politik treiben und eine Ideologie verbreiten (um nur zwei Beispiele zu nennen), wonach Frauen unbedingt Karriere machen müssten, weil sie sonst „benachteiligt“ seien, und wonach Homosexualität eine in jeder Hinsicht gleichberechtigte Lebensform sein müsse (obwohl sie das für ein Volk, das auch in Zukunft existieren möchte, erst recht für eines, das sich in einer demographischen Krise befindet, schlicht und einfach nicht sein kann), dann wird deutlich, dass die demographische Krise nicht gelöst, sondern benutzt werden soll, um die einheimischen Völker Europas in ihren eigenen Ländern in die Minderheit zu drängen.

(Es geht an dieser Stelle nicht um die Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die Karriere machen wollen und können, daran nicht durch ihr Geschlecht gehindert werden sollen, sondern dass man mit massivster Propaganda und Quotenregelungen einen Sog erzeugt, der Frauen vom Familienleben fernhält. Im Einzelfall mag Familie und Karriere vereinbar sein, in der Masse ist sie es garantiert nicht. Es geht auch nicht um die Selbstverständlichkeit, dass ein freiheitlicher Staat sich nicht in das Intimleben seiner Bürger einmischt, sondern darum, dass man Jugendliche systematisch zur Homosexualität ermutigt und sie als attraktive Lebensform propagiert.)

Dieselben Eliten arbeiten daran, die Souveränität des Nationalstaats auf supranationale Organisationen zu übertragen, deren Daseinszweck darin besteht, alle Staaten, die ihnen angehören, einem einheitlichen Regelwerk zu unterwerfen, das damit zwangsläufig der demokratischen Kontrolle entzogen ist. Der Anwendungsbereich solcher Regeln, die angeblich auf internationaler Ebene notwendig sind, wird dabei zielstrebig immer mehr erweitert.

Nimmt man das alles zusammen: die systematische Verschärfung der demographischen Krise, die „Lösung“ durch forcierte Masseneinwanderung und die Selbstentmündigung der demokratischen Nationalstaaten, so lautet die Quintessenz, dass Völker als soziale Gegebenheiten wie als politische Einheiten aufhören sollen zu existieren – und das ist keine durchgeknallte rechte Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik: Man muss nur die wohlklingenden Phrasen von der „europäischen Integration“, der „Weltinnenpolitk“, von der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, von der „kulturellen Bereicherung“, den Segnungen der „Diversität“ und von der „Offenheit“ (eines Scheunentors) auf ihren rationalen Kern hin befragen und sich die Implikationen und Konsequenzen vor Augen halten, die es haben muss, wenn die westlichen Staaten einer solchen Ideologie folgen, dann liegt auf der Hand, dass hier die Utopie eines Weltsystems verfolgt wird, in dem Völker so wenig existieren werden wie Demokratie.

Nun steht einer solchen Politik die natürliche Neigung des Menschen entgegen, sich in Völkern zu organisieren (oder, abstrakter gesprochen: in Gruppen, die größer sind als die Familie, aber kleiner als die Menschheit), und deren Erhaltung und Entfaltung als hohen Wert zu empfinden. Da man dieses Empfinden nicht totkriegen kann, muss man es mit einem negativen Vorzeichen versehen. Da die Identifikation mit dem eigenen Volk eine anthropologische Konstante ist, sollen die Menschen wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei haben und ihre eigenen, als „böse“ markierten Gefühle umso eifriger auf Andersdenkende projizieren, die ihres Patriotismus wegen als angebliche „Rechtsextremisten“ zur inquisitorischen Hexenjagd freigegeben sind.

Damit sie dieses schlechte Gewissen haben, sollen sie die unauslöschliche Schlechtigkeit und unvergebbare Schuld des eigenen Volkes als Ideologie verinnerlichen. Hier in Deutschland geschieht dies mithilfe der „Erinnerungskultur“, die sich auf den Holocaust bezieht, die Völker der ehemaligen Kolonialmächte sollen glauben, dass es nie etwas Schlimmeres gegeben habe als den Kolonialismus, die Amerikaner sollen sich für Sklaverei und Indianerausrottung schuldig fühlen, die Australier für das Schicksal der Aborigines usw., und das ganze wird zum Gedankenkomplex der „white guilt“ zusammengerührt, nach der sich auch Deutsche für den Kolonialismus, Engländer für den Holocaust, Franzosen für die Sklaverei irgendwie mitverantwortlich fühlen sollen. Das alles soll sich nun ein- für allemal nicht wiederholen, und dieses „Nie wieder“ soll jeden anderen Gesichtspunkt verdrängen.

Wer eine solche Ideologie verinnerlicht, kann die Existenz des eigenen Volkes nicht als etwas ansehen, das zu verteidigen sich lohnte. Er wird, ganz im Gegenteil, mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass das eigene Volk sein Existenzrecht verwirkt habe, dass es also, wie die Nazis das genannt hätten, lebensunwert sei. Der Schuldkult soll die Gegner des liberal-globalistischen Paradigmas nicht nur ideologisch mattsetzen, sondern den Völkern des Westens die für ihre Fortexistenz notwendigen psychologischen Voraussetzungen entziehen. Völker, die nicht existieren wollen, die können und werden auf die Dauer nicht überleben.

Der Schuldkult ist also Teil eines Völkermordes mit anderen Mitteln. Die Nazis mit ihren Einsatzgruppen und Gaskammern waren in jeder Hinsicht blutige Amateure des Genozids, verglichen mit Ideologen, die ganze Völker dazu bringen, den Autogenozid zu wollen.

Versteh mich bitte richtig: Ich werfe weder Dir noch den Angehörigen Deiner Reisegruppe vor, dass Ihr diese Gesichtspunkte nicht gesehen habt. Ich kann nachvollziehen, dass man sich aus einer jüdischen Perspektive, die als solche auch völlig legitim ist, dafür interessiert, wie die Deutschen mit der Holocaust-Vergangenheit umgehen, und sie daran misst, dass sie ihn wenigstens nicht rechtfertigen oder beschönigen. Ich verstehe auch, dass man von diesem Standpunkt nicht auf die Frage kommt, ob die Deutschen mit ihrem masochistischen Übereifer womöglich nicht alle Tassen im Schrank haben?

Ich weise aber doch darauf hin, dass dieser Schuldkult von einem israelischen Standpunkt im höchsten Maße bedenklich sein sollte: Ihr beschwert Euch zu Recht, dass die Deutschen, und erst recht andere europäische Völker, zu wenig Verständnis für Eure Situation aufbringen und Euch mit Ratschlägen traktieren, deren Verwirklichung für Israel auf den nationalen Selbstmrod hinausliefe. Nun frage ich Dich: Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?

Das war ein langer Kommentar; ich hoffe, ich habe Deine Geduld nicht zu sehr beansprucht, aber angesichts des Themas ging es nicht kürzer.

10. Ein Brief nach Rungholt: Warum der Schuldkult uns umbringt. | Manfreds politische Korrektheiten - August 1, 2010, 19:34

[…] from Rungholt”) war vor einigen Tagen mit einer Gruppe israelischer Studenten in Berlin und schreibt in ihrem Blog über ihre Erlebnisse unter anderem dies: Es war wunderbar, und Berlin ist eine Stadt, die selbst auf den widerstrebendsten Besucher sehr […]

11. Lila - August 1, 2010, 21:00

Die eine Sichtweise widerspricht der anderen nicht mal, das ganze Thema Erinnerungskultur ist ja sehr komplex. Wir haben übrigens auch die Erinnerung an 1848 und den Mythos Königin Luise als Thema gehabt – ich komme überhaupt nicht dazu, das alles aufzuschreiben…. aber für die Nachkommen von Holocaust-Überlebenden ist es interessant zu sehen, wie die Nachkommen der Holocaust-Betreiber damit umgehen.

Es ist ja ein großer Unterschied, ob man ein Yad-va-Shem baut mit dem Motto „seht, was uns angetan wurde“, oder aber ein Mahnmal wie in Berlin mit dem Motto „seht, was wir getan haben“. Das stellt den jeweils Ausführenden vor ganz andere Probleme.

Wir haben die Unterschiede in der Symbolik bemerkt – und die israelischen Studenten, denen die israelische Erinnerungskultur teilweise genauso nervig, vorhersehbar, instrumentalisiert und stereotyp vorkommt wie Dir die Berliner, fanden das verlassene Zimmer oder den Hausvogteiplatz-Standspiegel eben sehr interessant und auch beeindruckend.

Besonders die Symbolik der Leere, des Verschwindens und der Nicht-Anwesenheit sind besonders und viel schwerer, auch formal, zu bewerkstelligen als relativ simple Evokationen von Präsenz.

Natürlich ist entlarvend, daß sich diese Flut der Mahn- und Denkmale erst in den letzten c. 15 Jahren entwickelt hat – also seitdem man sich historisch schuldfrei fühlt in Deutschland.

Ich habe von unseren Gesprächen und Themen nur einen kleinen Teil wiedergegeben, und mit Absicht den positiven. Denn der hat mich überrascht. Aber wer auf der Spurensuche ist in Deutschland, Spuren jüdischen Leben sucht, der wird Spuren finden. Und das ist erstmal grundsätzlich positiv. Such mal in Österreich Spuren – ich war lange nicht mehr da, habe mir aber sagen lassen, daß das „Wir-Opfer“-Narrativ nach wie vor hervorragend sitzt.

Keiner reißt sich darum, Mahnmale unter der Überschrift „da schaut her, das waren wir“ zu erbauen. Daß die Motive dafür teils trübe sind, ist klar und von vielen, vielen Kritikern oft genug hervorgehoben worden. Aber daß etwas Tröstliches daran ist, daß Mendelssohns Grabstein steht und man Steine darauf legen kann, die man aus Israel mitgebracht hat, das sollte auch mal erwähnt werden.

Und was das deutsche Verständnis für die israelische Situation angeht – tja, da können wir sowieso nicht drauf zählen, wenn es hart auf hart kommt. Wer Beweise brauchte, der konnte sie in der rasend schnellen, von Fakten unberührten, scharf und einseitig verurteilenden Medienreaktion auf die türkisch-islamistisch initiierte Flotille sehen. Wie leicht sich da die gesamte deutsche öffentliche Meinung vor einen zweifelhaften Karren spannen ließ, das war schon erschreckend.

Aber ich kann das eine kritisieren und doch Anerkennung dafür empfinden, daß jüdische Besucher Berlins nicht mit dem Gefühl wieder wegfahren, daß ihre Vorfahren vergessen worden sind, daß alle Narben geflickt und übertüncht worden sind, und daß alles wieder sababa läuft in Deutschland, als wäre nichts gewesen. Für unsere Studenten, die mit starken inneren Vorbehalten nach Berlin gefahren sind, war das wichtiger.

Das andere sind in erster Linie deutsche Probleme. Wenn man sich die deutsche Geschichte anguckt und die Rolle, die die jüdische Minderheit darin spielt, dann kann man wirklich den Versuch, alles in diese 12 Jahre zu kanalisieren, nur als Versuch der Ablenkung verstehen. Die NS-Jahre als Blitzableiter.

Und doch, Manfred. Wäre Dir etwa wohl, wenn am Bahnhof Grunewald nichts daran erinnerte, was dort mal geschehen ist? Wäre Dir wohler, wenn keine Plakette am Haus von Regina Jonas angebracht wäre? Wo doch sonst so viele Häuser bekannter Leute so bezeichnet sind?

Wie soll jemand reagieren, der weiß, daß in seiner Wohnung eine jüdische Familie gelebt hat, die irgendwann abgeholt wurde? Ignorieren? Die Geschichte ist nun mal da – die Frage ist, wie geht man damit um?

Eine unserer Studentinnen fährt demnächst noch einmal nach Berlin, diesmal mit Familie. Sie stammt aus Berlin, und eine Reihe von Stolpersteinen wird zum Gedenken an ihre Familie enthüllt. Das macht das Geschehene nicht ungeschehen, aber es gibt der Familie das Gefühl, daß es in Deutschland auch noch Menschen gibt, die das kümmert.

Ich kann das nicht negativ sehen. Es ist wie das Aufstellen eines Grabsteins – ein magerer Trost, aber eine Art Abschluß.

PS: am KaDeWe steht dieses Schild schon ewig, weil U-Bahnhof Wittenbergplatz einer der Sammelpunkte war, von denen aus Juden abtransportiert wurde. Daß das Schild das nicht erwähnt, sondern sich in schwammigem Allgemeinplatz ergeht, ist typisch für eine ganz bestimmte Erinnerungskultur – eben NICHT punktgenau und präzise, wie es zB die Spiegel am Hausvogteiplatz sind. Noch dazu kann man dabei wählen, ob man sie als Spiegel nimmt oder als Denk-mal.

12. Piet - August 1, 2010, 21:18

… dass man Jugendliche systematisch zur Homosexualität ermutigt und sie als attraktive Lebensform propagiert. (#9)

So ein Blödsinn, wirklich! Als würden Jugendliche Homosexualität als eine Marotte „annehmen“ oder „ablegen“ (können) wie eine Mode, selbst wenn Sie mit Ihrer Verschwörungstheorie Recht hätten! Man ist homo- / hetero- / bi- / trans- oder sonstwie sexuell orientiert oder (gar nicht soo selten) als Zwitter geboren, und jeder Mensch muss seine Natur leben können dürfen, nicht mehr, nicht weniger! Diese Normalität gibt es leider noch immer nicht. Obiger Satz ist schlicht unlogisch, und wenn man dann noch mit irgendwelchen Reproduktionsquoten argumentiert, auch brandgefährlich! Übrigens, wenn Sie Nicht-Heterosexuelle mal fragen: Niemand war als Jugendliche/r froh, „anders“ als die Anderen zu sein, niemand sucht sich seine sexuelle Identität aus — schon deswegen ist Ihr Satz Blödsinn. Sie können es verdammen oder könnten dafür werben, das einzige, was sich ändert, ist die Art des öffentlichen Lebens: Selbstverständlich oder eben versteckt.

Homosexualität ist weder eine Krankheit, noch wider die Natur! Vielleicht (obwohl, wer weiß; geht aber auch niemanden etwas an) nur eben nicht ihre. Gehen Sie mal auf einen der derzeit reichlich stattfindenden CSD-Demos (in Hamburg am 7.8. übrigens ausdrücklich mit israelischer Repräsentanz) und REDEN Sie mit den Menschen.

13. willow - August 1, 2010, 21:21

@Manfred:

„Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?“

so ist das wohl…. leider.

14. Dorothee - August 1, 2010, 23:21

@MANFRED
..“Nun steht einer solchen Politik die natürliche Neigung des
Menschen entgegen, sich in Völkern zu organisieren (oder,
abstrakter gesprochen: in Gruppen, die größer sind als die Familie,
aber kleiner als die Menschheit), und deren Erhaltung und Entfaltung
als hohen Wert zu empfinden. Da man dieses Empfinden nicht
totkriegen kann, muss man es mit einem negativen Vorzeichen
versehen. Da die IDENTIFIKATION MIT DEM EIGENEN VOLK eine
anthropologische Konstante ist,..“
Was für ein UNSINN!
Gemeinsame Kultur, Sprache ist nicht = Volk! Natürlich gab es das Zugehörigkeitsgefühl zur Horde, zum Stamm. Aber die Begriffe Volk (besonders problematisch im Deutschen, schon im 19. Jahrhundert) oder Nation sind eine relativ späte Erfindungen der Menschheit und setzen auch MACHT voraus.

15. Manfred - August 2, 2010, 0:26

Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt, vielleicht ist es auch von außen – und Dein Blick ist nun einmal einer von außen – zu schwer zu verstehen, wo mein Problem liegt.

…daß jüdische Besucher Berlins nicht mit dem Gefühl wieder wegfahren, daß ihre Vorfahren vergessen worden sind, daß alle Narben geflickt und übertüncht worden sind, und daß alles wieder sababa läuft in Deutschland, als wäre nichts gewesen. Für unsere Studenten, die mit starken inneren Vorbehalten nach Berlin gefahren sind, war das wichtiger.

Nochmal: Das verstehe ich. Ich habe auch ausdrücklich nicht kritisiert, dass Deine Studenten das so sehen und empfinden. Ich habe auf die Kehrseite der Medaille aufmerksam gemacht, auf den Preis, den wir Deutschen dafür bezahlen: Mit der ubiquitären „Gedenkkultur“ wird eine ideologische Botschaft ausgesandt, nämlich dass es kein Ereignis in der deutschen Geschichte gebe, das an Bedeutung dem Holocaust gleichkomme, und dass deswegen auch der öffentliche Diskurs unter dem kategorischen Imperativ eines „Nie wieder“ zu stehen habe.

Ich bestreite entschieden Deine These, dass man sich seit 15 Jahren in Deutschland historisch „schuldfrei“ fühle. Im Gegenteil hat gerade die geschichtstheologische Überhöhung des Holocausts dazu geführt, dass mittlerweile zwei Generationen ihn als eine Art Erbsünde verinnerlicht haben, von der man sich durch demonstrative Selbstbestrafung freikaufen zu müssen glaubt – und dies eben nicht nur auf symbolischem, sondern sehr wohl auf praktischem Gebiet. Ich meine damit nicht – um einem denkbaren Missverständnis vorzubeugen – die Solidarität mit Israel (mit der es ja in Wahrheit nicht weit her ist); ich meine vielmehr, dass die Verfolgung völlig legitimer Eigeninteressen des eigenen Volkes als unmoralisch verdächtigt wird:

Wer nicht begeistert ist von der „kulturellen Bereicherung“ durch Menschen aus aller Herren Länder, trägt die Beweislast, dass er kein „Rassist“ ist; wer kein begeisterter „Europäer“ ist, muss eilfertig versichern, er sei nicht etwa Nationalist; wer gegen Frauenquoten, Migrantenquoten, Islamunterricht an Schulen, Regenbogenflaggen an Rathäusern und sonstigen Unfug ist, will bestimmt irgendjemanden „diskriminieren“ usw.

Das Ganze funktioniert nur deshalb, weil man es geschafft hat, stabile Gedankenverbindungen herzustellen: Rassismus – Auschwitz. Nationalismus – Auschwitz. Diskriminierung – Auschwitz. Es würde nicht funktionieren, wenn man sich seriös und ohne ideologische Vorgaben mit historischen Zusammenhängen auseinandersetzen würde. Es funktioniert, weil man gerade nicht an den Verstand appelliert, sondern genau den zugunsten eines Appells an die „Betroffenheit“, also an Gefühle umgeht, die nicht verarbeitet werden und auch gar nicht verarbeitet werden sollen. Was uns da injiziert wird, ist ein lähmendes Gift.

Es ist dieser Kontext der mir die sogenannte Erinnerungskultur so unerträglich macht. Wenn wir ein Volk wären, das nicht an seiner Selbstauslöschung arbeitete, dann fände ich es gut, dass man der Opfer des Holocausts gedenkt, um ihnen so etwas wie symbolische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihre von Nazis vollzogene Ausstoßung aus der deutschen Gesellschaft wenigstens nachträglich und symbolisch rückgängig zu machen.

Da der Kontext aber so ist, wie er ist, empfinde ich diese „Erinnerungskultur“ als Teil eines Krieges, den die sogenannten Eliten gegen das eigene Volk führen, und jeden dieser „Stolpersteine“ als ein gegen mich persönlich und gegen die Zukunft meiner Kinder geschleudertes Geschoss.

16. Piet - August 2, 2010, 11:06

Wer nicht begeistert ist von der „kulturellen Bereicherung“ durch Menschen aus aller Herren Länder, trägt die Beweislast, dass er kein „Rassist“ ist; wer kein begeisterter „Europäer“ ist, muss eilfertig versichern, er sei nicht etwa Nationalist; wer gegen Frauenquoten, Migrantenquoten, Islamunterricht an Schulen, Regenbogenflaggen an Rathäusern und sonstigen Unfug ist, will bestimmt irgendjemanden „diskriminieren“ usw.

Dass das auch richtig ist, haben Sie in #9 ja auch gezeigt: Selten so homophobes Zeug gelesen. Zu den anderen Punkten: Es ist nicht die Kritik, es ist die Art der Kritik, die jemanden zum Rassisten oder Nationalisten werden lassen. Es könnte also an Ihren Argumenten liegen, dass Sie stets in Rechtfertigungsdruck geraten.

Das Ganze funktioniert nur deshalb, weil man es geschafft hat, stabile Gedankenverbindungen herzustellen: Rassismus – Auschwitz. Nationalismus – Auschwitz. Diskriminierung – Auschwitz. Es würde nicht funktionieren, wenn man sich seriös und ohne ideologische Vorgaben mit historischen Zusammenhängen auseinandersetzen würde.

Sie haben eigenartige Assoziationen. Mit Auschwitz assoziiere ich grauenhaften Massenmord, Entmenschlichung, Antisemitismus. Mit Rassismus assoziiere ich vielfach ungerechten, vorurteilsbehafteten Umgang mit Einwanderern, zum Beispiel. Und ich betrachte Antisemitismus v.a. nicht als eine Unterart von Rassismus. Ach, und: „weil man es geschafft hat“ — wer ist ‚man‘?

Es würde nicht funktionieren, wenn man sich seriös und ohne ideologische Vorgaben mit historischen Zusammenhängen auseinandersetzen würde.

Was Sie als „ideologische Vorgaben“ bezeichnen, ist die ideengeschichtliche, politische, u.s.w. Einordnung historischer Zusammenhänge. Man kann sie nicht weglassen, weil sie bewusst oder unbewusst stets vorhanden ist. Sie kennzeichnet den Blickwinkel, aus dem Sie Geschichte betrachten. Auch vermeintlich „unideologische“ Betrachtung (gerne auch als „unpolitisch“ bezeichnet) ist letztlich ideologische.

Wenn wir ein Volk wären, das nicht an seiner Selbstauslöschung arbeitete…

Hierzu müssten Sie ersteinmal definieren, was Sie als „unser Volk“ definieren. Und wie Sie dann „Selbstauflösung“ definieren. Waren die italienischen und griechischen Gastarbeiter der 60er schon „Selbstauflösung“, oder war der Schuldige der Asylbewerber mit dunkler Hautfarbe, oder ist es ein Mensch mit anderer (oder überhaupt einer) Religion? (Das z.B. würde ich als rassistische Betrachtungsweise bezeichnen, und Sie begeben sich — zu Recht — auf sehr, sehr dünnes Eis.) Aber vielleicht sind Sie auch keiner und haben sich nur unglücklich ausgedrückt.

17. Thomas - August 2, 2010, 13:10

Nun Piet, Sie haben recht, sowohl Homosexualität als auch andere „Spielarten“ liegen innerhalb der normalen genetischen Streuung und sind daher per se nicht krank oder gar „unnormal“.

Ich erlaube mir jedoch, Sie darauf hinzuweisen, dass auch eine „natürliche“ Behandlung solcher genetischen Streuungen demnach nicht „unnormal“ ist – derartige fortpflanzungsverhindernde Ausprägungen sterben in der Natur einfach ab, pflanzen sich nicht fort, werden in vielen Kulturen aktiv vernichtet (z.B. im islamischen Kulturkreis oder in vielen Naturkulturen).

Wenn Sie also schon darauf hinweisen, dass dieses oder jenes nicht abnorm sei oder keine Krankheit, dann möchten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass die gleiche Argumentation, mit der Sie hier gesellschaftliche Normvorstellungen auszuhebeln versuchen, auch verwendet werden kann, die Homo-Präferierung nicht nur abzuschaffen, sondern auch den evolutionären Weg zu gehen.

Zu Ihren Ergüssen zum Deutschen Volk möchte ich anmerken, dass das Deutsche Volk keineswegs homogen ist, schon aufgrund seiner Geschichte. Deutschland war schon immer ein – Neudeutsch – Melting Pot; gemeinsamer Nenner waren Sprache UND Identifikation mit dem Deutschen Volk. Es mag sicherlich den einen oder anderen Rassentheoretiker vor den Nationalen Sozialisten gegeben haben, jedoch war sich das Deutsche Volk immer schon bewußt, dass es ein Mix verschiedenster Stämme und Abstammungen ist.

Die Deutsche Rechte (da zähle ich nationale Sozialisten nicht dazu) ist sich überwiegend einig, dass das Deutsche Volk in seiner Kultur zusammengehalten wird und diese sozio-kulturelle Basis durch Zuwanderung fremdkultureller Nichtintegrationswilliger aufgeweicht wird – genau das meinen wir mit „Selbstauflösung“.

Die Ablehnung Israels (genaugenommen der Juden, aber das geben die Ablehnenden nicht zu) ist heute in den Deutschen viel stärker durch ihr Gerechtigkeitsempfinden verwurzelt, als durch sachliche ökonomische Gründe oder Erinnerungen an solche: „Wenn WIR böse sind, sofern wir unsere Kultur erhalten wollen, dann steht das den Juden auch nicht zu.“ Aber das hat Manfred ja schon geschrieben.

Dahingehend werden die Mohammedaner nicht offen abgelehnt (wohl aber privat), weil die sowieso ein zerstrittener Haufen sind und deren Kultur im wesentlichen ethno-sozialer Unrat ist. Das merken auch manche von denen selbst, werden jedoch durch die Fundis zurückgehalten, etwas zu ändern (Strafen für Shirk, Fitna, Apostatie).

Zur Threaderstellerin und dem Berlinbesuch: Die „Erinnerungskultur“ verdrängt im öffentlichen Leben zunehmend unsere kulturelle Identität. Das finde ich natürlich unschön, aber wenn es den Besuchern gefallen hat, dann ist das schonmal was, war es nciht vergebens.

Ich finde Solidarität mit Israel wichtig, wobei es schon eine Verbesserung der MEinung wäre, wenn die offenen unsachlichen Anfeindungen gelassen würden und man sich neutral ggü. Israel verhält.

18. willow - August 2, 2010, 15:34

@Piet

„Wenn wir ein Volk wären, das nicht an seiner Selbstauslöschung arbeitete…“

Dann vielleicht so: Wenn immer und überall betont wird, wie überwindenswert und kritikwürdig -vulgo, wie „schlecht“- die hiesigen Sitten und Gebräuche doch sind, wie schlimm eine traditionsverbundene nationale Identität – wie kommt dies bei sowieso schon „integrationsunwilligen“ Migranten an?

…und bitte, es geht nicht darum, Süditaliener zum Verzehr von Grünkohl & Pinkel zu zwingen – oder Vietnamesen zu Schweinhaxen …

19. willow - August 2, 2010, 15:43

Im Übrigen: Wenn ich Diskriminierung und Rassismus zum k*tzen finde, dann bedeuted dies doch nicht, daß ich „umgekehrte“ Diskriminierung und „positiven „Rassismus bejubeln muß… eine gesunde Normalität wär in den meisten Fällen wesentlich wünschenswerter, vielleicht noch „bei gleicher Qualifikation werden bevorzugt xyz eingestellt“ – aber doch nicht massive Bevorzugung trotz fehlender Voraussetzungen, wie häufiger gefordert!

Fragen sie doch mal Frauen in leitenden Positionen, wie sie zur leistungsunabhängigen „Frauenquote“ stehen – sie werden fast immer die Antwort bekommen „Es wär mir extrem peinlich, wenn ich den Job nicht wegen meiner Leistungen sondern wegen irgendeiner Quote bekommen hätte“. Ähnlich äußern sich auch auffallend viele „Erfolgreiche“ aus schwierigen sozialen Verhältnissen und/oder als problematisch geltenden Migrationshintergründen.

20. Piet - August 2, 2010, 16:45

@ willow: In der Kritik an positivem Rassismus oder der Ablehnung westlicher Werte, etc. sind wir uns vollkommen einig.

Homophobe Ergüsse und Rassismus aber lehne ich deutlich ab. Und wenn Thomas schreibt (was immer er unter „natürliche“ Behandlung solcher genetischen Streuungen versteht), es gäbe „gesellschaftliche Normvorstellungen“ (also so eine Art von ihm definierte Normall Null), die Homosexualität ablehne (statt das schlicht homophob zu nennen), ja sogar als Maßstab anführt, dass solche Pflanzen abstürben und Homosexuelle im Iran und vielen anderen Ländern gefoltert und ermordet würden (statt dieses aufs Schärfste zu verurteilen) und von „Homo-Präferierung“ schwadroniert (wo auch immer er solche festgestellt haben mag, außer in der Partnerwahl), obwohl es schlicht um das Anerkennen menschlichen Lebens geht, um Toleranz!, dann geht mir die Hutschnur hoch! Intoleranz toleriere ich nicht.

Dann merkt er ganz richtig an, dass Deutschland schon immer ein Melting Pot war. Das Deutsche Volk macht er an Sprache und Identifikation (mit was?) fest, um sodann in Rassismen („fremdkultureller Nichtintegrationswilliger“) abzugleiten (statt auszudifferenzieren, was er unter Integration (oder Assimilation?) in einem Melting Pot versteht und wie er „Nichtintegrationswilligkeit“ von Einwanderern von solcher mit Deutschem Pass unterscheidet, also: Wo liegt die — vermutlich nicht fixe — Grenze zwischen dem (Aus-)Leben verschiedener Wertvorstellungen (religiöser oder kultureller Art: Vom Punk bis zum religiösen Fundamentalisten), die eine Gesellschaft zu tolerieren hat? Von der Frage nach gesellschaftlichen Ursachen von Nicht-Integration sowohl in der Deutschen, als auch in Herkunftstraditionen ganz zu schweigen.

Wir gehen vermutlich aber völlig d’accord, was Integrationsbemühungen von Einwanderern und die Ablehnung von Rassismus (oft seitens moslemischer Einwanderer) gegenüber Deutschen angeht (was aber etwas anderes als positiver Rassismus ist, aber das weist du vermutlich).

LG, Piet

21. Wolfram - August 3, 2010, 23:12

Ich habe Manfreds Einlassung (N°9) zunächst mit Interesse gelesen. Tatsächlich ist nicht nur der Nationalsozialismus, sondern auch der Antisemitismus keineswegs eine deutsche Eigenheit. Und auch nicht die einzige Periode deutscher Geschichte, über die es sich zu reden lohnt. Aber der Sprachstil und die dadurch vehikulierten Gedanken mißfallen mir – und nach einem Viertel etwa habe ich aufgehört zu lesen. Warum nicht schon früher?!?

Der Kommentar und die gesamte Folgediskussion gehören m.M.n. eigentlich nicht hierher: man kann Lila gewiß nicht vorwerfen, deutsche Geschichte in dieser Engführung zu sehen, und auch nicht die Engführung des Antisemitismus auf Deutschland.


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