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Yom ha zikaron, Eindrücke Mai 7, 2008, 13:47

Posted by Lila in Uncategorized.
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Dieses Jahr ist Quarta mit Y. zum Friedhof gefahren, auf dem sein Freund begraben liegt. Sie hat darum gebeten. Viele der alten Freunde bringen ihre Kinder mit.

Secundus: „Hm, also im Kibbuz ist die Feierstunde wirklich gut. Ich denke immer, bevor ich hingehe, uäh, noch ne Feierstunde, überstehen wir es irgendwie. In der Schule ist die Feierstunde auch immer langweilig, da tut sich bei mir gar nichts. Aber im Kibbuz… das ist anders.“

Bei den offiziellen Feiern, die ich heute im Fernsehen verfolge, fällt mir der junge Soldat auf, der die Nationalhymne singt und auch ein Lied. Ronen Ben Shmuel heißt er. Er singt ganz schlicht und wunderschön. Mal gucken, ob ich irgendwo eine Aufnahme finde. Ganz unpathetisch, er singt in Uniform aber gewissermaßen zivil. Überhaupt so un-zackig, so wie die Nationalhymne. Fast alle anderen Nationalhymnen handeln von Krieg und Sieg, aber nicht die israelische.

Es ist komisch, Olmert, den Politiker mit den vermutlich schmutzigsten Händen in dieser versuchten politischen Klasse, als Ehrenmann sich aufführen zu sehen. Hält salbungsvolle Reden, legt Kränze nieder. Y. vorgestern abend: „Zum Kotzen, der ganze Dreck hier in der Regierung. Ich hoffe, im Kalifat wird das besser.“

Es ist, wie ich gestern schon gesagt habe, der totale mediale Overkill, wenn das Wort nicht zu makaber ist. In einem Schwall regnen die Filme über Terroropfer und gefallene Soldaten und Soldatinnen über uns nieder. Bis sie sich fast gegenseitig neutralisieren. Ich würde lieber sehen, daß im Laufe des Jahres solche Filme besser verteilt auftauchen. Wenn die Trauer Teil des Lebens hier ist, dann soll man sie auch nicht auf einen Tag im Jahr verweisen.

Das Forum Parent Circle besteht aus Eltern, die ihre Kinder durch Krieg oder Terror verloren haben – Israelis und Palästinenser. Sie treffen sich und haben gemeinsam Hoffnung auf Frieden. Ich bewundere diese Menschen, die aus der größten Verzweiflung nicht in Haß und Hoffnungslosigkeit abgleiten, sondern einander Halt geben. Ich wünschte, alle Menschen hätten ihr Format. Und ich hoffe, daß ihre Hoffnungen noch zu ihren Lebzeiten wahrwerden. Auch wenn es manchmal so schwer ist, daran zu glauben.

Nir Hods Bild „Verlorene Jugend“ fällt mir dabei ein, es war vor zwei Jahren in Berlin ausgestellt. Das Begräbnis eines Fallschirmjägers, vielleicht Michael Levins?

Ich wünschte, wir müßten unsere Jugend nicht mehr durch diese Mühle schicken, ich wünschte so, es wäre endlich ein Kompromiß auf dem Tisch, zu dem alle sagen, „na meinetwegen, unterschreiben wir es eben“, und es ehrlich meinen, und den Konflikt begraben. Das wäre das einzige Begräbnis, das ich noch ertragen könnte.

Und auch seltsam, wie ich im Hintergrund die traurigen Lieder höre, während ich für morgen schon mal das Fleisch in die Marinade packe. Morgen wird gefeiert und gegrillt. Verrückter Übergang. Auf dem Weg vom Friedhof geht Y. einkaufen, damit wir morgen futtern und feiern können.

Ein paar der Lieder, die uns heute begleiten. „Klassika israelit“.

Chava Alberstein singt das Lied „…und der Weizen wächst wieder“, zur Erinnerung an die Gefallenen des Kibbuz Bet HaShita im Yom-Kippur-Krieg.

Das Lied „Ma avarech“ von Rahel Shapira und Yair Rosenblum (den Y. mal bei einem Konzert kennengelernt hat, das er bei uns im Kibbuz gegeben hat). Gesungen von einer der Gruppen der Armee, im typischen Sound der 60er Jahre. Es wird jedes Jahr bei uns im Kibbuz gesungen, eine junge Sängerin bei uns liebt das Lied und singt es sehr schön jedes Mal. (Text hier).

Noch ein altes Lied, von einer anderen Armee-Gruppe gesungen, „Wir kamen aus demselben Dorf„. Das war das Lied, das einer von Y.s Freunden jedes Jahr gesungen hat, er hat nie öffentlich gesungen, nur einmal im Jahr dieses Lied. Schade, er meint, er hat seine Stimme verloren. (Der Text von Noemi Shemer hier.)

Etwas neuer ist das Lied von Poliker, das für Mädchen und wird: Perach, Blume. (Text hier).

Ganz schön traurig, nicht wahr. Und dann heute abend das Feuerwerk. Dieses Jahr wird noch heftiger gefeiert als sonst, 60 Jahre sind doch eine schöne runde Zahl, wenn auch die Stimmung nicht mehr so optimistisch ist wie vor zehn Jahren.

Das Interview mit Shimon Peres ist in dem Zusammenhang sehr interessant, er sagt ehrlich, daß er sich nicht hätte vorstellen können, was für ein Chaos aus dem Gaza-Rückzug erwachsen würde. Das ist eher selten, daß ein Politiker ehrlich sagt: Leute, da lag ich total daneben. Und mit ihm viele Bürger, wir auch. Also ich bestimmt.

Die Frage ist nur, welche Konsequenzen ziehen wir für die Zukunft aus den Debakeln der Vergangenheit. Hoffentlich haben wir bald eine vernünftige, stabile, kompetente und zuverlässige Regierung. Wo die herkommen soll, keine Ahnung… aber es wäre doch mal ein guter Anfang.

Kommentare»

1. hendrik - Mai 7, 2008, 14:42

Erleichterung! Einen Tag vorm Unabhängigkeitstag ist Lila zurück. Da fällt mir erst mal zum Thema gar nichts sinnvolles zum Kommentieren ein. Außer: So traurig gerade heute an Yom Hazikaron die Hintergründe sind, ich habe niemals und nirgends auf Straßen, Plätzen oder im Kibbutz ein stärkeres gesellschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl beobachten dürfen wie in Israel an diesem merkwürdigen Feiertags-Zweigestirn.

2. grenzgaenge - Mai 7, 2008, 20:12

hallo lila,

schoen das du wieder bloggst 😉

du hast schon recht: yom ha sikaron ist ein schrecklich trauriger tag. aber dann kommt yom ha´atzmaut. auch wenn dieser tag nicht unbedingt anlass fuer wilde feierlichkeiten bietet kann er doch ein anlass fuer stolz ueber das sein was in nur 60 jahren aufgebaut worden ist. trotz aller feindseligkeiten.

liebe gruesse,
der grenzgaenger


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