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Angriff in dreifacher Formation Dezember 13, 2006, 1:22

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Heute also — Elternsprechtag an der High school unserer drei Großen. Innerhalb von zwei Tagen werden sämtliche Eltern durchgeschleust! Wir haben uns einen genauen Plan erstellt, wie wir die Attacke am besten reiten, und haben Primus als Assistent angeheuert. Er hat mir beim Schlangestehen in einem Gebäude geholfen, während Y. im anderen Gebäude die LehrerInnen belagerte. Alle anderen Gebäude, ebenfalls voll mit Lehrkörper aller Arten, haben wir gestrichen. Eine effiziente Truppe konzentriert sich auf die Hauptlinien.

Nach zweieinhalb Stunden konnten wir die Listen vergleichen. Unentschieden: er sechs, wir sechs geschafft. Die Klassenlehrerinnen und Hauptfachlehrerinnen haben wir gesprochen. Als ich neben mir zwei Mütter reden hörte, „und zur Kunstlehrerin gehen wir gar nicht erst, was kann die schon erzählen“, wollte mein Puls schon steigen, als ich mir beschämt eingestand: auch wir lassen Kunst-, Musik- und Sportlehrer an diesem stressigen Tag links liegen. Wieso eigentlich? Ich nehme mir vor, das nächste Mal NUR die sogenannten Nebenfach-Lehrer zu beglücken.  Da ist nicht so viel los, denke ich mir mal.

Die Ausbeute? Wir haben, oh danke!, drei sehr nette Große. Primus und seine Geschichtslehrerin (die ich ebenfalls sehr schätze) haben sich richtig gern, und er ist auch gut in Mathe und Geschichte. Hausaufgaben? Fehlanzeige, verbale Brillanz hilft ihm durch. Ja nein, wo hab ich das bloß schon mal gehört…? Secundus ist zwischen seinem schulischen Ehrgeiz und dem Bedürfnis, bei seinen Kumpeln beliebt zu sein, hin- und hergerissen. Wie kann man ihm helfen, beliebt zu bleiben, ohne daß seine Leistungen leiden? Und Tertia ist die Fleißigste von allen, macht stets ihre Hausaufgaben (hört nur gut zu, ihr Söhne!), kichert nur manchmal mit ihren Freundinnen.

Der Schulleiter ist ein netter Kerl, er unterrichtet unsere Kinder und kennt Y. noch von früher, aus der Schulzeit. Überhaupt, wer kennt ihn nicht? Überall klingt sein Name, sobald er erscheint. Die Lehrer erinnern sich noch an ihn, entweder als Schüler oder als Mitschüler. Die Sekretärin hat mit meinem Schwiegervater in einer Klasse gelernt. Für Y. ist die Schule, in der er ja auch gewohnt hat, heimischer Boden. Ich dagegen bin ziemlich überfordert mit der komplexen Struktur der Gebäude und der Organisation. Was ist noch mal der Unterschied zwischen Chonchut (Erziehung) und Chinuch chevrati (Sozialerziehung)? Wieso wird Geschichte im Lernzentrum Eretz Israel unterrichtet? Was bedeutet „drei Einheiten Mathe im Abitur“?

Doch wenn wir erstmal mit den Lehrern zusammensitzen, kommt meine Stunde. Pädaogenjargon habe ich naturgemäß besser drauf und dementsprechend ergiebig sind die Gespräche. Y. stöhnte auf der Rückfahrt, „das ist der Unterschied zwischen Müttern und Vätern! Die Väter kommen rein, na, wie macht sich der Junge, irgendwelche Probleme, danke, tschö. Die Mütter quasseln erstmal mit der Lehrerin über die seelischen Zustände ihres Sprößlings, entdecken dann, daß sie gemeinsame Freunde haben, tauschen die Adresse vom Frisör aus… und vergessen, nach den Noten zu fragen!“ Der arme Mann, er hat immer hinter Müttern in der Schlange gestanden, ich dagegen hinter Vätern. Die Zeit aber, die ich dadurch gewonnen habe, habe ich durch intensiven Austausch mit den LehrerInnen wieder verloren. So kam es zum Gleichstand.

Übrigens fällt mir bei solchen Gelegenheiten wieder auf, wie mutter sich im Lauf der Jahre verändert. Als Primus im Kleinkindergarten war, habe ich jedem Gespräch mit seiner Erzieherin mit respektvollem Bangen entgegengesehen. Lobte sie ihn, so hatte ich die Prüfung bestanden. Gab es Probleme, glaubte ich ernstlich, die pädagogisch ausgebildete Frau könnte sie viel besser in den Griff bekommen als ich pfuschende Mutter. Auf Ratschläge hörte ich, und ich hatte das Gefühl, diese ganze Elternschaft und Erziehung ist ein schwieriges Geschäft. Man kann ja so viel verkehrt machen!

Heute bin ich selbst Pädagogin und lasse mich nicht mehr so leicht beeindrucken, was für meinen Seelenfrieden nicht immer gut ist. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Lehrer, aber ich erwarte keine Wunderlösungen von ihnen. Ja, die junge Lehrerin an der Grundschule, die in Quartas zweitem Schuljahr ihre Feuertaufe absolviert, sieht mich als absolute Respektsperson an – sie hat bei mir studiert.  Aber da ich ja nun weiß, daß auch Pädagogen nur mit Wasser kochen, lasse ich mich von mir selbst nicht mehr als von anderen beeindrucken.  Was weiß ich schon?

Machen keine Hausaufgaben, die Blagen. Wäre Karma nicht humorlos, würde es kichern.

Kommentare»

1. Lars Strojny - Dezember 13, 2006, 1:27

Das mit den Hausaufgaben, das weiß ich aus eigener Erfahrung, das wird bis zum Schluss gewaltig überschätzt.

2. Lila - Dezember 13, 2006, 1:38

Aber ja. Ich habe nie welche gemacht, „und es hat mir nicht geschadet“. Das meinte ich mit dem Karma.

3. grenzgaenge - Dezember 13, 2006, 1:46

na ja, wenn die sache mit den hausaufgaben das einzige problem meiner schulzeit gewesen waere haetten einige lehrerInnen und leidgepruefte eltern ein paar graue haare weniger :-))

lila, ich mag deinen leisen zynismus (wirklich !), vielleicht kann ich ja noch was von dir lernen :-))

4. Carsten - Dezember 13, 2006, 4:05

Hausaufgaben? Da war doch mal was… Nee, doch nicht, ist zu lang her. Muss wohl in der fünften Klasse gewesen sein;)

Aber an Elternsprechtage erinner ich mich noch lebhaft, da hatten meine Eltern fast immer Einladungen. Und fast immer hieß es: „Was sollen wir denn machen? Wir sitzen ja im Unterricht nicht dabei und er weiß ja, was Sache ist.“

5. Anna - Dezember 15, 2006, 0:24

Liebe Lila, das ist mal wieder so einer Deiner Eintraege, bei dem ich immer wieder geschmunzelt habe. Ausserdem koennte ich jede einzelne Zeile unterschreiben, die Hausaufgabenfrage natuerlich auch. Meine Mutter seufzte immer: „Dir wuensche ich mal sone Tochter wie Du eine bist.“ Was ist denn nun der Unterschied zwischen Chonchut und Chinuch Chevrati? Mein Sohn ist erst in der ersten Klasse, aber ihm das Schreiben auf Hebraeisch beizubringen ist schon etwas eigenartig … die deutschen Buchstaben hinken noch hinterher … Heute war unsere erste Chanukka Feier in der Schule. Da hatte ich richtigen Nachat, stand da mit stolzgeschwellter Brust und dicker Traene im Auge da genau wie all die anderen Imahot. Mann, was das schoen.

6. Loco - Dezember 20, 2006, 15:35

Elternsprechtage… aus über 35 Jahren Schuldienst mit zwei bis drei Elternsprechtagen im Jahr zog mein Vater kürzlich die Bilanz: die Eltern, die kommen, sind die, die nicht zu kommen bräuchten. Die, mit denen man dringend sprechen müßte, die kommen auch nicht.
Du hast übrigens ganz richtig eingeschätzt: beim Musiklehrer stehen keine Schlangen… mein Vater sorgte immer dafür, daß er eine zu korrigierende Arbeit hatte, damit er die Zeit einigermaßen sinnvoll herumbrachte.


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