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Ein paar Fragen an Ali Maarous August 30, 2012, 13:35

Posted by Lila in Presseschau.
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In der Welt lese ich soeben ein paar Reaktionen zum brutalen Angriff auf den Rabbiner Daniel A. vor den Augen seiner kleinen Tochter. Dabei finde ich es ausdrücklich ermutigend, daß Menschen wie der Chef des Deutsch-Arabischen Zentrums, Ali Maarous, diesen Angriff verurteilen. Aber trotzdem rutschen ihm dann wieder ein paar Phrasen heraus, die zeigen, wie tief verwurzelt das anti-jüdische Denken ist, selbst bei denen, die sich frei davon wähnen.

Das Deutsch-Arabische Zentrum sieht den Ursprung des Antisemitismus in den arabischen Ländern, aus denen die Mitglieder der arabischen Gemeinde kommen. „Die Eltern verfolgen tagtäglich den Konflikt in ihrer Heimat, auch wenn sie hier in Deutschland leben“, sagte Zentrumschef Ali Maarous. Sie seien wütend über das, was in ihrer Heimat geschehe.

„Diese Wut und der Hass überträgt sich dann auf die Kinder“, sagte Maarous. Das Zentrum arbeite daran, die Jugendlichen aufzuklären. In zahlreichen Seminaren erklärten sie den Jugendlichen, sich bei politischen Auseinandersetzungen zurückzuhalten und rational damit umzugehen.

Von welchem Konflikt bitte ist hier die Rede? Sind alle Araber automatisch Palästinenser? Und was ist mit den Türken? Welcher Konflikt quält sie so, daß sie Hand an Juden legen müssen? Der mit den Kurden? oder der auf Zypern? oder welcher?

Es ist schön, daß Maarous Jugendlichen hilft, mit Konflikten rational umzugehen. Aber dann soll er sich erstmal klarmachen, was er da gesagt hat. Er hat jeden Juden für Israels Politik verantwortlich gemacht und jeden Araber, jeden Moslem zum Palästinenser gemacht. So kann der israelisch-palästinensische Konflikt also von Stellvertretern ausagiert werden.

Das ist wirklich lächerlich, denn die Palästinenser werden weiß Gott nicht nur von Israelis diskriminiert – in Syrien, Jordanien und vielen anderen arabischen Ländern werden sie grundsätzlich als Menschen zweiter Klasse behandelt. Ich wüßte ja gern mal die Herkunft dieser Täter – vielleicht kommen sie ja selbst aus einem Land, das Minderheiten oder Migranten mit brutaler Gleichgültigkeit und Verachtung behandelt?

Maarous wird seinen Jugendlichen hoffentlich erklären, daß kein zivilisierter Mensch sich auf andere stürzt und sie zusammenschlägt, egal wie „wütend und haßerfüllt“ er ist. Und daß es keinem schadet, sich die Konfliktlinien mal genauer anzugucken und sich zu fragen, ob die arabisches Seite nicht auch das ihre zu der Situation beigetragen hat, und sich zu überlegen, was man dazu beitragen kann, damit statt Haß und Wut auf der einen, Ratlosigkeit und Sorge auf der anderen Seite, sich gegenseitiges Verständnis und Respekt verbreiten.

Und nicht noch irgendwelche Vorwände für Wut und Haß aus dem Ärmel ziehen.

Meine Hoffnung, daß einem der deutschen Leserbriefschreiber diese Passage irgendwie auffiele, war natürlich unbegründet.

Kommentare»

1. Barbara - August 30, 2012, 13:52

Es gibt offenbar bösen und verständlichen Judenhass, wie schon der Frankfurter Magistrat festgestellt hat: http://freie-waehler-frankfurt.de/artikel/index.php?id=370 Frage mich bitte nicht, wie man so viel geistigen Dünnpfiff verzapfen kann, ich kann es dir nicht sagen.

2. anti3anti - August 30, 2012, 14:25

Muslime in D. versuchen vergeblich zwischen guten Juden und schlechten Israelis zu scheiden. Es soll sogar Juden geben, die dies versuchen. Da diese Unterscheidung in Europa Staatsraison ist, wird sie in Zeitungen unterstützt. Eine Gegenmeinung ist nicht möglich.

3. Lila - August 30, 2012, 15:17

Judith Butler tut soeben in der ZEIT dasselbe.

Daß Israel und der Zionismus von vornherein verdammenswert sind, ist ein Axiom, das sie nicht mal hinterfragen muß.

Meiner Ansicht nach gibt es starke jüdische Traditionen, sogar frühe zionistische Traditionen, in denen Wege eröffnet werden, um sich allen Formen von Gewalt, einschließlich der staatlichen, zu widersetzen.

Nota bene: SOGAR. Daß das jüdische Volk ein legitimes Anliegen haben könnte in seiner Forderung nach einem souveränen Staat, denn nichts anderes heißt Zionismus, ist für Butler von vornherein gar nicht erst denkbar. Wieso die Palästinenser hingegen ein solches Recht haben, wenn es die Juden doch nicht haben…? Tja, so genau werden es die begeisterten Butleristen unter den ZEIT-Lesern nicht wissen wollen.

Die ZEIT scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, spätestens alle zwei Wochen einen richtig tendenziösen anti-israelischen Artikel zu veröffentlichen, um auch noch den letzten nicht-konditionierten Leser davon zu überzeugen, daß ER der Geisterfahrer ist, dem alle entgegenkommen.

4. Malte S. Sembten - August 30, 2012, 15:33

Das Deutsch-Arabische Zentrum sieht den Ursprung des Antisemitismus in den arabischen Ländern …

Es sieht den Ursprung des Antisemitismus in Israel. Genau das besagt die zitierte Äußerung verklausuliert, und genau das ist gemeint.
Es kommt recht häufig in unterschiedlichen Zusammenhängen vor, dass scheinbar selbstkritische Statements von moslemischer Seite in Wahrheit nur wieder Anklagen sind. Das ist Strategie und wird selten durchschaut.

5. celestine42 - August 30, 2012, 15:46

Liebe Lisa, ist dir eigentlich klar, wie stark die Kommentare, insbesondere diejenigen, die sachliche und berechtigte Kritik an Moslems und am Islam äußern, in den Foren zensiert werden? Nur die erkennbar dummen Kommentare dürfen stehen bleiben. Extrem rassistische Kommentare werden natürlich zu Recht gelöscht. Aber die intelligenten berechtigten Aussagen zur Zuwanderung, zum Islam, zu Multikulti etc. werden auch gelöscht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

6. Piet - August 30, 2012, 15:49

Aber, aber, liebe Lila. Natürlich gibt es ein berechtigtes Anliegen der Juden, sich zu schützen. Nur: Wenn die keinen Ausweg mehr sehen, als sich nach Palästina zu flüchten (selbstverständlich sitzt das Böse im imperialistischen Westen, wo sonst!), was können die armen Palästinenser dafür?! So werden die Juden zu Schuldigen am Palästinensischen Volk. Weiste doch. 😉

Andere Deutung: Das Böse sitzt bekannterweise an der amerikanischen Ostküste und diktiert den armen Amerikanern und seinen abhängigen Europäern, wie der Hase läuft. Das gebiert einen Widerstand (das wusste Galtung schon), der sich in Antisemitismus entlädt. Wiederum sind die Palästinenser leidtragende.

Du kannst es also drehen und wenden wie du willst…

7. Lila - August 30, 2012, 16:37

Ja ja, lieber Piet, ich weiß schon. Trotzdem merkwürdig, wie schnell Maarous den Dreh zu Israel-Palästina fand (wohlgemerkt ohne das Kind bzw den Wechselbalg beim Namen zu nennen…).

Sind es denn NUR Palästinenser, die Juden in gerechtem Zorn das Jochbein zu Mus hauen? Oder gilt es hier „wir sind alle Palästinenser“, gewissermaßen als Nachfolger des Panarabismus ein Pan-Palästinenismus…?

Daß die Juden selbst schuld, wenn sie so verhaßt sind, weil sie eben an allen Strippen ziehen und man sie gar nicht hassen DARF, das ist schon klar. Glasklarer Beweis: jede kritische Äußerung über Israel wird sofort totgeschwiegen. Sowas hörst Du gar nicht.

Und jetzt geh ich doch mal meinen Ärger über Susanne Knauel lüften, gestern geschrieben und in den drafts folder verbannt…

8. flx - August 30, 2012, 20:17

Irgendwie lustig, dass Butler nur ein Kriterium braucht, um die Hamas als „Teil der globalen Linken“ zu identifizieren. Nehmen wir einen zweiten Punkt hinzu, zum Beispiel… das Bestreben Juden zu töten, steht die Hamas noch ungefähr so weit links wie die NSDAP oder habe ich hier etwas übersehen/ falsch verstanden?

9. heplev - August 30, 2012, 22:19

Das ist vielleicht der sich schließende Kreis. Die Nationalsozialisten waren eben auch Sozialisten und Stalin war eben auch Antisemit. 🙂

10. silver price - August 31, 2012, 14:15

Oder, und das ist etwas wahrscheinlicher, liegt es etwa an Israel, dessen schiere Existenz auf Araber – egal ob aus Ramallah oder Berlin – ungeheuer provozierend wirkt? Denn schließlich hielt auch Mohammed Merah den kaltblütigen Mord an vier in Toulouse lebenden Juden (darunter drei Kinder) für ein probates Mittel, um den Tod palästinensischer Kinder zu rächen. Sowohl der Berliner Rabbiner als auch die vier französisch-jüdischen Opfer haben zwar mit Israel nix am Hut. Aber das spielt keine Rolle, wenn Deutschland gerade der Frage nachgeht, warum (!) Juden gehasst werden – und damit über kurz oder lang die Schuld beim Juden bzw. in seinem Verhalten auszumachen meinen, sowie Motive für Antisemiten nachliefern. In dem Fall waren es eben die arabischen Konflikte, morgen ist es das schlechte Wetter, und beides liegt im Verschulden des Weltjudentums. Das wussten übrigens schon die Nazis.

11. Tiefpunkte | Chajms Sicht - September 3, 2012, 18:37

[…] Man kann nur hoffen, dass wir den absoluten Tiefpunkt nun tatsächlich erreicht haben: Auf der einen Seite die Diskussion um die Beschneidung und Strafanzeigen gegen zwei Rabbiner. Auf der anderen Seite wird in Berlin ein Rabbiner von arabischstämmigen Jugendlichen verprügelt, wie es formuliert wird. Geschnappt haben sich die Schläger Rabbiner Alter, weil er eine Kippah trug, nicht wegen seiner Profession. Es reicht also aus, als Jude erkennbar zu sein, um sich Sorgen um seine Gesundheit machen zu müssen. Antisemitische Übergriffe sind keine Einzelfälle mehr. Und die Leute, die sich gestern noch um die Gesundheit der jüdischen Babys gemacht haben, zucken heute mit den Schultern, wenn es um die Eltern dieser Babys geht. »Das waren doch die Anderen«. Perfide, aber noch perfider ist es, wenn Andere, die damit unmittelbarer zu tun haben, auch die Schultern heben und seltsame Dinge sagen: Das Deutsch-Arabische Zentrum sieht den Ursprung des Antisemitismus in den arabischen Ländern, aus denen die Mitglieder der arabischen Gemeinde kommen. “Die Eltern verfolgen tagtäglich den Konflikt in ihrer Heimat, auch wenn sie hier in Deutschland leben”, sagte Zentrumschef Ali Maarous. Sie seien wütend über das, was in ihrer Heimat geschehe. Aus: Die Welt, Der alltägliche Judenhass auf Deutschlands Straßen, via Lila […]

12. Wolfram - September 4, 2012, 19:34

Möglicherweise steht auch die Bezeichnung „Heimat“ für den panarabischen Raum, grob geschätzt von Marokko bis Pakistan… für einen Alaskesen ist Miami eben auch „bei uns“, obwohl das weiter von ihm weg ist als Jerusalem von Paris oder Berlin.


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