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Artikel, Januar 29, 2008, 0:35

Posted by Lila in Land und Leute, Presseschau, Uncategorized.
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die mir am Ende dieses schrecklichen Tages ins Auge stechen, bei meinem kurzen Blättern in der Presse.

Ulrike Putz erzählt im SPon von ihrem Besuch bei den Qassambauern im Gazastreifen. Bemerkenswert, daß sie als bekannt voraussetzt, daß diese Raketen fliegen. Die jungen Männer schlagen vor ihr heftigst das Rad und kokettieren mir der Todesgefahr, der sie sich aussetzen.

„Seid ihr bereit?“, fragt er sie. „Ab jetzt können wir jede Minute ins Paradies eingehen.“

„Ich hätte meine Frau anrufen sollen“, sagt er nach einer Weile. „Sie soll schon mal nach einem neuen Ehemann Ausschau halten.“

Die Männer reißen Witze über die Jungfrauen, die sie nach islamischem Glauben im Paradies erwarten: Galgenhumor.

Na ja, man kann verstehen, daß Putz keine Lust hatte, kritische Fragen zu stellen. Schließlich muß sie sich in dieser Situation ziemlich ausgeliefert gefühlt haben.

Einer hält der Fremden eine Pistole ins Gesicht: „Ich wollte nur mal sehen, ob du dich erschrickst.“

Zum Einkaufs-Tourismus nach Ägypten:

Ob sie da Zutaten für den Kassam-Bau besorgen würden? „Von wegen“, erwidert der Gruppenälteste lächelnd. „Die kaufen Kartoffelchips. Wir haben noch genug Rohmaterial für die nächsten Jahren.“

Dass es an Nachschub niemals mangele, dafür sorge der Schmuggel durch die Tunnel unter der ägyptischen Grenze hindurch. „Das TNT zum Beispiel kommt aus dem Sudan über Ägypten zu uns.“ Andere Bauteile gelangten per Boot übers Meer nach Gaza. „Wir beziehen einiges aus Osteuropa.“

Bis zu 500 Dollar koste das Rohmaterial für eine große Kassam. Das Geld, mit dem sie finanziert würden, nehme denselben Weg die Materialien. „Die Blockade der Israelis trifft uns nicht, die soll nur die Bevölkerung ins Elend stürzen.“

Und die Begründung für dieses sinnlose Heldenspiel:

„Wir sind bereit, zu sterben, das ist der Preis unserer Freiheit.“ Es bliebe den Palästinensern keine andere Wahl, als den Kampf gegen Israel mit der Waffe zu führen. „Entweder wir gehen in den Widerstand, oder sie behandeln uns wie Sklaven.“

Ich kann dazu nur seufzend anmerken, daß die Israelis sich die Besatzung nicht ausgesucht haben. Und ob die Räumung des Gazastreifens als Versklavung gemeint war…? Welchen Zuwachs an Freiheit können die Bastler seit Einsatz der Raketen feststellen? Ich würde ja eher sagen, alle Terrorakte haben dazu geführt , daß Israel Schutzzäune baut, Checkpoints, niemanden mehr reinläßt… wogegen man sich dann wiederum mit Terror wehrt. Seltsame Logik.

Putz fragt aber nicht nach. Sie gibt ihren Gastgebern die Möglichkeit, ihre rührende Menschlichkeit zu unterstreichen.

Er mache sich schon Gedanken, wer von seinen Geschossen getroffen würde. „Wenn wir Soldaten töten, sind wir mehr als glücklich“, sagt er. „Wenn es ein Kind trifft, sind wir natürlich nicht froh.“

Wieso schießen sie dann auf Kinder? Da mit Qassams auf Städte und Dörfer und Kibbuzim geschossen wird, also zivile Ziele, muß es schon mit dem Teufel zugehen, wenn man ein Soldat getroffen wird. Und welchen Grund gibt es, isrealische Soldaten auf israelischem Staatsgebiet anzugreifen? Sowas gilt normalerweise als casus belli. Es ist nur logisch, wenn man Israels Existenzrecht als souveräner Staat nicht anerkennt. Keine Frage zu diesem Thema von Putz.

Die erste Kassam-Rakete dieser Nacht ist so gut wie fertig, Abdul ist ruhiger geworden. „Heute schützen uns die Wolken vor den Drohnen der Israelis.“ Die Witwen- und Waisenkasse des „Islamischen Dschihad“ wird wohl erstmal nicht für seine Hinterbliebenen sorgen müssen. Seine Mutter, die sich so oft Sorgen um ihn macht, darf sich morgen früh freuen, dass ihr Sohn in seinem Bett aufwacht. „Sie ist ja einerseits schon stolz auf mich“, sagt Abdul, der Raketenbauer. „Aber letzten Endes ist sie eben doch eine Mutter.“

Ja ja. Wenn Abdul seinen Heldentod erleiden sollte, werden wir seine Mutter in den Abendnachrichten jubeln sehn… Aber es ist schon eine fragwürdige Wahl, daß Pütz ihre Reportage mit diesen rührenden Worten über die Mutter schließt. Paßt irgendwie gut zu den oft gesehenen Bildern von den Müttern der Selbstmordattentäter, die durch die Presse gehen – manchmal ist ja schon vorgekommen, daß sie von ahnungslosen Redaktionsknechten zu Angehörigen von Opfern erklärt wurden…

Mich dünkt, daß die Empathie der Erzählerin auf Seiten von Abdul, dem Raketenbauer, und seiner stolz-besorgten Mutter liegt. Ein Wort zu den Opfern findet sich nicht – aus der Perspektive der Raketenbauer sieht man sie ja auch wirklich nicht. Ob eine Journalistin sich die Sichtweise dieser Männer so eindeutig zu eigen machen muß – das ist wiederum eine andere Frage.

Zu dem Thema findet sich einiges in einem alten Artikel von Sahm, der sich auf Fernsehberichte bezieht, aber auch das beliebte Thema „Mutter des Selbstmordattentäters“ aufgreift:

Problematisch ist zum Beispiel der »Schmerz einer Mutter« nach einem Selbstmordanschlag mit zahlreichen Toten, wenn allein die Mutter des palästinensischen Massenmörders gezeigt wird, nicht aber die ebenso trauenden israelischen Mütter. Der ungeübte Fernsehzuschauer wird bei den Aufnahmen der Mutter des Selbstmordattentäters kaum bemerken, dass ihre »Trauer« möglicherweise inszeniert ist. Nach einem Anschlag in Jerusalem im November 2002 standen neben einer solchen »trauernden« palästinensischen Mutter lachende Kinder.

Solche Szenen werden von palästinensischen Kameraleuten gedreht. Die machen keinen Hehl aus ihrer »Verpflichtung« zum palästinensischen Kampf. Solange weder israelische noch ausländische Korrespondenten bei den Filmaufnahmen der »trauenden Mutter« anwesend sein können, lässt sich die »Echtheit« der Szenen nicht nachweisen.

Die lachenden Kinder neben der Mutter sind ein Hinweis dafür, das an der Szene etwas nicht stimmte. Unglaubwürdig wird die »Trauer« dieser Mutter zudem, wenn man später in Nachrichtenagenturen lesen kann, wie sie die »Heldentat« ihres Sohnes lobt und sich wünscht, dass auch ihre anderen Kinder zum »Schahid« (Märtyrer) werden mögen.

»Ich habe den Auftrag, ein emotionales Stück zu machen« sagte die Redakteurin eines deutschen Fernsehsenders. Deshalb waren für sie nur die Bilder der gestellten »Trauer« brauchbar. Der Wunsch, andere Kinder in den Tod zu schicken, passte »nicht ins Konzept«.

Ganz interessant. Zwar hat der eine Artikel nichts mit dem anderen zu tun, aber die Erwähnung der Mutter als Schlußakkord kam mir sentimental vor.

Das war also das eine, das ich gelesen habe, auch wenn es mich etwas ratlos zurückließ.

Das zweite war ein Artikel in Haaretz. Da ja der zweite Teil des Winograd-Berichts zum Libanonkrieg mit Spannung erwartet wird, karten wir alle nach – ein Volkssport wie die Beobachtung des See Genezareth-Wasserspiegels. Es überrascht mich kein bißchen zu hören, daß gegen Ende des Kriegs in der UN ein bißchen gemaggelt wurde, wie man das bei uns nennt.

The former U.S. ambassador to the United Nations, John Bolton, accused Secretary of State Condoleezza Rice of giving in to French and Lebanese demands over the terms of the cease-fire that halted the 2006 Second Lebanon War, according to a document recently obtained by Haaretz.

Natürlich dient dieses Dokument dazu, Olmerts höchst umstrittenen militärischen Entscheidungen gegen Ende des Kriegs zu rechtfertigen, der viele Menschenleben zum Opfer fielen. Trotzdem – es kann sein, daß Bolton die Wahrheit spricht und Olmert trotzdem falsch entschieden hat. Dieser Waffenstillstand war, wie die meisten Waffenstillstände, die Israel durch die UN aufgezwungen wurden, höchst unvorteilhaft für uns. Zu einem früheren Zeitpunkt gab es mal bessere Karten für einen Waffenstillstand. Noch weiß niemand, was wirklich los war – es schwirren viele Theorien, Anklagen und Verteidigungsreden herum.

In the letter, Carmon emphasized that Rice had agreed that the draft cease-fire resolution would stipulate that the international peacekeeping force in southern Lebanon would operate under Chapter VI of the UN charter, which would give it observer status only.

Mal sehen, ob wir in ein paar Tagen mehr wissen. Aber für den Waffenstillstand, dessen Konditionen die Wiederbewaffnung der Hisbollah zuließen, könnten wir in Zukunft noch einen hohen Preis zahlen. Unberufen.

Kommentare»

1. Mia - Januar 29, 2008, 2:29

„Mich dünkt, daß die Empathie der Erzählerin auf Seiten von Abdul, dem Raketenbauer, und seiner stolz-besorgten Mutter liegt.“

Ich hab den Artikel auf Spon heute angelesen, dann aber wieder aufgehört, weil ich eben dieses Gefühl hatte, welches Du auch beschreibst.

Schön, wenn man Artikel über die „Heldentaten“ von Terroristen verfassen darf, und dabei auch noch schön Mitgefühl erweckt …

2. Olli - Januar 29, 2008, 3:16

Viel schlimmer wirds, wenn man noch die Kommentare dazu liest. Da wird wieder Israel die Schuld gegeben und die Israel-Lobby bemüht und so getan als stände Spon für eine pro-israelische Meinung.

Noch kam nicht der Vergleich der Opfer des europäischen Antisemitismus und iher Kinder, insbesondere der Opfer des Holocaust, mit den Täter, aber dass ist nur eine Frage der Zeit.

Fakten werden in Deutschland ignoriert, sobald es um den nahen Osten geht, und man lernt nichts dazu, ich sag nur: Mölleman-Flyer, komisch, dass die Leute, die ihn sonst wahrscheinlich ablehnten, da genau seiner Meinung sind. Ein Jude, der einen heiligen Ort seiner Religion betritt, ist Schuld daran, dass die Palästinenser Israel angreifen, so begann diese Intifada, obwohl beginnen ja falsch ist, die Angriffe der Nachbarn auf Israel hören ja seit Gründung des Staates nicht auf, und begannen schon davor.

Jetzt kann sich der nächste Kommentator über meine pro-israelische Haltung aufregen.
Viel Spaß

3. grenzgaenge - Januar 29, 2008, 9:01

„Noch kam nicht der Vergleich der Opfer des europäischen Antisemitismus und iher Kinder, insbesondere der Opfer des Holocaust, mit den Täter, aber dass ist nur eine Frage der Zeit.“

stimmt, leider. das totschlagargument linker und rechter antisemiten (antizionisten). spaetestens da sollte man eine diskussion dann abbrechen. es ist ohnehin sinnlos ….

4. willow - Januar 29, 2008, 10:13

Ehrlich gesagt vermisse ich ja den Vorwurf, die Juden hätten nicht die richtigen Lehren aus der Weiterbildung in Auschwitz gezogen und beharren weiterhin verstockt darauf, sich nicht „ins Meer treiben“ zu lassen… sinnlos.

Aber was bitte hat es mit dem Volkssport „Beobachtung des See Genezareth-Wasserspiegels“ auf sich!?

5. Lila - Januar 29, 2008, 11:15

Aaah, darüber wollte ich heute schreiben, aber ich kann es auch hier loswerden…

Unsere Wasserversorgung hängt davon ab, wie viel es regnet, und vom Wasserpegel des See Genezareth. Gerade stürmt und plästert es draußen, wie herrlich! das haben wir hier so selten!!!, und wir zählen die Niederschlagsmenge. Schnee auf dem Hermon ist auch gut, der schmilzt dann irgendwann und fließt in den See.

Auch im Kibbuz ist eine Wetterstation, unterhalten von einem Landwirt. Er veröffentlicht zu Regenzeiten täglich die Niederschlagsmenge.

Wenn es im Winter nicht regnet, wissen wir, daß wir im Sommer unsere Gärten nicht wässern dürfen. Oder freiwillig darauf verzichten. Wir sind auch alle große Wassersparer.

Ich wette, nicht nur bei uns sagt man mahnend zu Kindern, die beim Baden Wasser verplanschen und immer nachlaufen lassen: „denk an den See Genezareth! laß Wasser für die anderen übrig!“

Und in den Abendnachrichten, nach der Wettervorhersage (zu der im Sommer auch die Quallen-Vorhersage hinzukommt), wird regelmäßig beobachtet, wie hoch das Wasser im See Genezareth steht. Und Wasser-bezogene Artikel finden sich täglich in der Zeitung, heute auch:
http://www.haaretz.com/hasen/spages/949211.html

Und die Google-Suche kinneret water level bringt massenhaft Artikel ans Licht, die diese nationale Obsession belegen. Wenn der Kinneret leer ist, starren wir verzweifelt die steinigen Ufer an, die vorher von Wasser überspült waren. Wenn er voll ist, sind wir begeistert.

Es ist nicht nur meine persönliche Vorliebe für Regenwetter, die mich beim Geräusch der ans Fenster prasselnden Wassermengen glücklich macht. Sondern auch das Wissen darum, wie kostbar Wasser für uns ist.

Y. könnte hier genau erzählen, wie es mit Wasserquellen, -abkommen, -leitungen und -lösungen im Nahen Osten aussieht, ich weiß es von ihm aber erspar es mir hier…….

Es gibt diese ältlich aussehende, aber ganz nette Seite mit Webcams von wettermäßig interessanten Orten in Israel, http://www.isracamera.co.il/

Da kannst Du klicken, und guck mal, wie es heute an der Bucht von Haifa stürmt! Selbst bei der miserablen Bildqualität kann man es erkennen… In Caesarea ist eine bessere Kamera, auch da sieht es heute grau und stürmisch aus….

6. david - Januar 29, 2008, 21:01

Ulrike PUTZ. hmm, Putz – gut getroffen.

7. Dr. Dean - Januar 30, 2008, 0:44

Ehrlich Lila, ich bin doch etwas erschrocken, dass Du diesen Bericht als völlig unkritisch empfindest und anprangerst. Praktisch jeder Leser, der diesen Bericht liest, denkt sich bestensfalls „Diese Idioten!“, zumeist ärgeres, und ganz gewiss entstehen da keine Sympathien mit angeblichen Widerstandskämpfern. Deren Anliegen wird in diesem Bericht, der versucht, genau zu beobachten – was ja lobenswert ist -, auf das Gründlichste diskreditiert.

Und Du glaubst, wer solche Berichte schreibt bzw. veröffentlicht, der betreibe etwas in der Art von lebendigen Antisemitismus, Antiszionismus, Israelfeindlichkeit, oder Terroristenliebhaberei.

Nee, Lila. Sorry: Du liegst ganz schön weit daneben. Natürlich ist es empörend, wenn irgendwelche bekloppten und hassgetriebenen Raketenbauer ihr Terrorgewerbe betreiben. Aber deshalb muss man doch nicht in jeden Bericht (daher auch das Wort: Bericht) die Bewertung gleich mit reinschreiben.

Ein wenig Urteilsvermögen darfst Du den deutschen Lesern schon zubilligen. Was ist eigentlich bei Dir los, dass Dir nicht einmal eine sachlich gute – und notwendige – Berichterstattung akzeptabel erscheint?

Was Sahm dazu schreibt, ist mitunter auch jenseits von Gut und Böse. Völlig irrsinnig wird von ihm Frau Ulrike Pütz angegriffen. Das möchte ich sehen, den Artikel, wo sie solche Sachen geschrieben hätte:

Problematisch ist zum Beispiel der »Schmerz einer Mutter« nach einem Selbstmordanschlag mit zahlreichen Toten, wenn allein die Mutter des palästinensischen Massenmörders gezeigt wird, (…)

Was für ein Mist! Was für eine Verdrehung! Frau Pütz hat noch nie heulende Mütter von Terroristen gezeigt, um Sympathie mit anti-israelischen Terrorismus zu erzeugen.

Aber, Hauptsache, man kann sich wieder mal über „die“ deutschen Medien aufregen. So läuft das Spiel.

8. Dr. Dean - Januar 30, 2008, 0:47

Übrigens, ich finde: Ziemlich deutlich wurde in diesem Bericht, zwischen den Zeilen – und doch deutlich erkennbar, wie sich die Terroristen anzubiedern versucht haben. Der Irrsinn, den diese Terroristen mit ihren Raketen-Attentaten veranstalten, wurde damit noch deutlicher.

9. Anne - Januar 30, 2008, 1:58

@ Dr Dean: aber Sahm hat sich doch gar nicht auf den Artikel von Frau Pütz bezogen! Und Lila hat das auch gar nicht behauptet – sie hat das doch nur hinzugezogen, um zu zeigen, dass zum Teil das Bild der schmerzerfüllten Mutter zu Propagandazwecken missbraucht wird.

Allgemein zu dem Artikel meine ich noch, dass ich diese beiden Sätze doch etwas befremdlich finde:
„Tag für Tag landen ihre archaischen Bomben in israelischen
Dörfern, Feldern, Kibbuzen. Israel antwortet, indem sie (sic!)
die Mitglieder der Kassam-Kommandos per Luftschlag tötet.“
Also wenn ich das so im festen Glauben an die Neutralität der Spiegel-Berichterstattung lesen würde, würde ich doch durch die Wortwahl das Gefühl kriegen, die armen Palästinenser kämpfen mit hoffnungslos veralteten Waffen und treffen dabei irgendwohin (Menschen anscheinend kaum), die Israelis dagegen töten! Das finde ich schon sehr auffällig.

10. Lila - Januar 30, 2008, 3:37

Dr. Dean – Anne hat bereits darauf hingewiesen – der Artikel von Sahm war eine alte Scharteke, aber er zeigt ein paar beliebte Denkfiguren in der Berichterstattung über den Nahen Osten, darunter die Beliebtheit der „Mutter des Selbstmordattentäters“. Mir stieß es unangenehm auf, daß Putz, ja ja sie heißt Putz!!!, nun mit dieser sentimentalen Beschwörung der Mutter ihren Bericht beschloß.

Was das Vermögen mancher Leser angeht, zwischen den Zeilen zu lesen… hm, manchmal reicht es, ins Forum reinzugucken, um zu sehen, was man aus einer solchen Vorlage machen kann. Ein großer Teil der Leser sucht die Schuld bei Israel, übernimmt also genau Abduls Denkweise. Egal was die Palästinenser tun, die Israelis werden es schon irgendwie so gedreht haben.

Natürlich weiß ich auch, daß nicht ein Artikel eine Meinung bildet. Kein Mensch liest so einen Artikel und ändert dadurch seine Meinung zu irgendwas, egal, ob das eine meisterliche Insider-Berichterstattung von Ulrike Putz oder ein unprofessionelles Gequake von mir ist.

Jeder liest ins eine oder andere das rein, was er ohnehin schon denkt. Wer in jedem schluchzenden Kind im Gazastreifen ein Opfer von Israels brutaler Politik sieht, der wird den Artikel identifikatorisch lesen, ach der arme Abdul, den Israel zum Äußersten treibt! Wem die palästinensische Besessenheit mit Gewalt unheimlich ist, dem werden beim Lesen jede Menge kritische Fragen kommen, die Putz zwar nicht beantwortet, aber vielleicht braucht sie es ja wirklich nicht.

Ich habe so meine Fragezeichen zu dem Artikel, habe aber weder mit antizionistischen oder sonstwelchen großen Kanonenkugeln geschossen. Ich fand ihn beim dritten Durchlesen einfach befremdlich empathisch mit „Abdul, dem Raketenbauer“.

Sagen wir so: wenn ich so einem Artikel konkret was vorwerfen kann, dann, daß er die typisch deutsche (jawohl, ich verallgemeinere! gib mir die Breitseite!) Angwohnheit von der egalitären Betrachtung des Nahostkonflikts nährt. Diese Haltung des „da sind beide Seiten verrückt und mörderisch, die werden sich nie einigen, beide sind vom selben Haß genährt, Spirale der Gewalt, gesät und geerntet“ etc, die m.E. dem Konflikt insgesamt nicht gerecht wird, aber sich als Grundlage für eine hochmoralische Pseudo-Neutralität trefflich eignet.

Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt.

Und entschuldige das Mißverständnis mit Sahm, er bezieht sich auf ganz bestimmte Fernsehberichte, die von europäischen Sendern kritiklos palästinensischen Kameraleuten abegekauft werden und die teilweise gestellte Szenen zeigen, Stichwort Pallywood.Man hat sie so oft gesehen und gezeigt, daß sie ein Eigenleben bekommen und geglaubt werden, obwohl sie manipulativ und manipuliert sind. Ich habe mir erlaubt, in den ursprünglichen Quak von mir reinzueditieren, um das Mißverständnis auszuräumen. Ich habe aber schon im ursprünglichen Text „mich dünkt“ und „ratlos“ geschrieben, weil es mir hier nicht um ein exaktes Festnageln ging, sondern eher um das berühmte „diffuse Mißbehagen“.

Jetzt klarer????

Hier ein Link zu den Ergebnissen der Arbeit von Abdul und seinen Freunden, gefunden hier. Ich erinnere daran, daß die Menschen dort seit sieben Jahren mit den Dingern leben. Die Kinder im westlichen Negev erinnern sich nicht mehr an eine Zeit ohne Beschuß. Ähnlich den Kindern im Norden, die jahrelang den Beschuß durch Katyushas so gewöhnt waren, daß sie gar nicht wußten, daß es ein Leben ohne gibt.

11. beer7 - Januar 30, 2008, 10:32

Die „ruehrende Menschlichkeit“ ist natuerlich eine platte Luege und leicht widerlegbar.

Als im September das neue Schuljahr begann, wurden die Kassams auf Sderot intensiviert und besonders in der Zeit, wenn die Kinder zur Schule muessen. Das wurde auch ganz offen zugegeben:

Schulbeginn in Sderot

12. willow - Januar 30, 2008, 11:58

Nun, gemessen an dem, was sonst so in deutschen Zeitungen zu lesen ist – oder im Fernsehen zu sehen – ist dieser Artikel tatsächlich fast „neutral berichtend“ zu nennen.

Aber das ist es ja, die vorgefassten Meinungen entstehen eben durch eine neutrale bis empathische Berichterstattung über die Palästinenser und eine in der Regel offen feindseelige Berichterstattung über Israel.

Wer dem wiedersprechen möchte möge mir doch einfach mal für das letzte Jahr Beispiele dafür nennen, daß in einer ganz normalen Zeitung oder eben dem Fernsehen mal ein wirklich positiver Beitrag über den ganz normalen Alltag und das Leben in Israel gebracht wurde. Daß im Gegensatz dazu viele der Berichte über Israel und die „besetzten“ Gebiete eindeutig als Propaganda zugunsten Hamas, Fatah & Co. eingestuft werden müssen, dürfte kein Geheimniss sein.

Und vor diesem Hintergrund sind dann die Ansichten „im Volk“ über den nahen Osten keine Überraschung mehr.

13. willow - Januar 31, 2008, 0:48

iss natürlich auch für die Islamophoben ein Thema:

http://www.pi-news.net/2008/01/spiegel-abenteuer-judenmord/

von wegen, du bist kein Alphablog – kommt ja nich auf die Zugriffszahlem an, sondern wieviele von den Mupilikatoren dich lesen 😉

14. Lila - Januar 31, 2008, 0:58

Lustig, andere Schreiber sind wesentlich unbarmherziger mit Frau Putz als ich 😉

Aber die sind nicht durch mich drauf gekommen, der SPon wird von genügend Leuten gelesen und bietet immer gute Ernte, wenn man auf der Suche nach dem Absurden ist.

Übrigens ist mir bei diesem Deutschlandbesuch aufgefallen, daß Palästinensertücher der letzte Schrei sind. Kaum ein Schüler oder eine Schülerin ohne kokett gefärbte Zierden. Ich hätte ja fast ein Projekt gestartet und Leute einfach mal befragt, ob sie wissen, was das bedeutet – habe ernsthaft erwogen, dafür ein paar Stunden meines kostbaren Weihnachtsurlaubs zu opfern.

Woher kommt diese Mode bloß???? Hat mich leicht verstört. Auch wenn es die reine Ahnungslosigkeit ist – seltsam ist es schon.

15. Marlin - Januar 31, 2008, 1:50

Tja.. diese Frage gabs im Ärzte-Forum (Die Band 😉 ) Es sind erstens fast nur Minderjährige ohne Ahnung und zweitens nimmt es bei rechtslastigen wohl immer mehr zu.

Zwar behaupten viele, es würde supi aussehen, das kann ich aber nur belächeln..

TJa.. ist halt ein Überbleibsel aus unreflektierten Linksprotestlern etc.

Kapieren tu ich das auch nicht.

(Und es sieht nunmal Scheiße aus.)

16. Georg - Januar 31, 2008, 2:08

Och, das trug ich vor 25 Jahren auch. Es besaß den groteskerweise Nimbus der Befreiungskrieger ähnlich wie das Poster Che Guevaras oder die Mao-Bibel. Natürlich ist das alles bescheuert, aber es gehört dadurch trotzdem zur Kultur, zur Pop-Kultur, ist längst Popart. Kann man sich drüber aufregen, muss man aber nicht.

17. Lila - Januar 31, 2008, 2:14

Ja aber ich dachte eben, diese heute junge Generation hat weder mit Mao- noch sonst einer Bibel was am Hut, und findet politisch beladene Symbole eher uncool.

Natürlich nehme ich nicht an, daß die Schülerinnen mit rosa Tuch auf die Charta der Hamas schwören. Aber irgendwie wüßte ich gern, wie so eine Kaufentscheidung fällt.

Ist ja auch mein Beruf, mich sowas zu fragen 😉

18. Georg - Januar 31, 2008, 2:21

Tja, in Zeiten, in denen Werbespots für Autos mit Donovan und Dylan, in denen die Telekom mit den Roling Sones und „Paint In Black“ wirbt, wundert mich diese Popart eigentlich eher weniger 😉

19. willow - Januar 31, 2008, 10:09

Jaja, die Generation Pisa… – Zitat „Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich die Palästinenser selbst für die Kufiya schämen … die deutsche Fashion-Fraktion dürfte irgendwann sogar dem hartgesottensten Fedajin zu peinlich sein.“

VIDEO: Taff (v)erklärt das Palituch

http://www.israeli-art.com/satire/palituch.htm

Aber es ist schon irgendwie symptomatisch, daß Symbole des „roten Terrors“ oder eben auch des Antisemitismus so hoch im Kurs stehen. Wobei ja der Feudel auf „wunderbare“ Weise das „Antiwestliche“ mit dem „Antizionistischen“ verbindet…

20. willow - Januar 31, 2008, 10:51

Zurück zum Thema, hier

Uli im Wunderland

eine „wunderschöne“ Besprechung des Artikels 🙂

21. Lila - Januar 31, 2008, 11:10

Danke für die Links. Ich dachte mir schon, daß ich nicht die Einzige bin, die diese Mode seltsam findet. Daß die Mädchen nicht wissen, was sie sich da um den Hals hängen, meinetwegen – Allgemeinbildung ist nicht jedermanns Sache und vielleicht auch altersgebunden. Aber daß eine Fernsehredaktion so ein Ding sendet, wie das, das der David da verlinkt hat…. – oh je oh je, da vergeht mir jedes Heimweh nach Deutschland auf der Stelle….

22. BillBrook - Februar 3, 2008, 21:18

Auf telepolis, wo sonst viel Müll steht, war da ein guter Artikel, unter dem Titel „Die Rückkehr des schwarz-weißen Elends“

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26709/1.html


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