Ungern Juli 10, 2020, 18:40
Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.trackback
sieht man einen geschlossenen Kindergarten, sagt das alte Lied.
Gestern hatten wir noch einen besonderen Tag – den Pyjama-Tag. Ich bin zwar nicht im Nachthemd aufgekreuzt, aber ich hatte Erdmann, den Maulwurf dabei, außerdem das Buch vom kleinen Häwelmann. Ich war nicht sicher, ob die alte Geschichte bei Kindern ankommt, die nachmittags Fortnite spielen, aber sie nahmen großen Anteil und mochten besonders das Ende. Die Kinder sind Vorlesen gewöhnt, aber freies Erzählen ist nochmal was anderes.
Der Kindergarten war verdunkelt, auf dem Boden lagen Picknick-Matten und Kissen, statt Frühstück gab es Abendessen, und obwohl zwei Kolleginnen fehlten, haben wir den Kindern einen schönen Tag gemacht.
Aber in der Nacht wurde bekannt, daß es im Kibbuz und seiner Umgebung noch mehr Menschen gibt, die sich mit dem Virus angesteckt haben, und jetzt ist alles zu. Auch der Kindergarten. Die düstere Prophezeiung einer Mutter ist also eingetroffen, leider, aber ich hoffe natürlich, daß es schnell vorbeigeht und wir wieder zurück an die Arbeit können. Ich bin wieder in unbezahltem Urlaub, und da ich knapp unter den zwei Monaten liege, die man braucht, um Arbeitslosenunterstützung zu bekommen, geht mein Einkommen wieder in den Keller. Mal gucken, ob ich einen anderen Job an Land ziehen kann, ein paar Übersetzungen oder so. Ich unterrichte nach wie vor einmal die Woche. Aber das füllt mich nicht wirklich aus. Vielleicht kann ich mir ja einen Ruck geben und trotz Hitze ein bißchen im Garten arbeiten….
Ich denke mit großer Sehnsucht an die Kinder, die netten Eltern und Kolleginnen, den ausgefüllten Tag und den Kinderlärm. Die Kinder hatten sich gerade wieder unbeschwert gefühlt, die Gruppen waren schon fast wieder vereinigt, und dann diese schnelle Entwicklung. Hoffentlich werden die Betroffenen (keine Ahnung, wer sie sind) bald wieder gesund, und hoffentlich nehmen die Kinder es nicht zu schwer, daß ihr Kindergarten nun geschlossen ist.
Es ist rational nicht mehr fassbar, was wir als Gesellschaften mit unseren Kindern machen. Kinder ohne Vorerkrankungen sterben nicht an Corona, doch wir zerstören deren Welt und lassen ihre Seelen leiden – aus lauter Angst um sie. Wie absurd.
Millionen Kinder sterben jedes Jahr, 6,3 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahre waren es 2017. Die meisten starben aufgrund fehlender Impfungen, mangelnder medizinischer Versorgung, verschmutzten Wassers oder fehlender Nahrung – mit dem Geld, mit dem wir unsere Corona-Angst befeuern, wäre eine ganze Menge gegen diese Kindersterblichkeit möglich. Aber nein … Stopp, ich lass es, mich regt dieses groteske Herdenverhalten viel zu sehr auf.
Oh je, das tut mir sehr leid. Ich hoffe, dass sich die israelische Regierung am Riemen reißt und nun wirklich die Pandemie als größtes Problem anpackt. Weiterhin die allerbesten Gedanken und Wünsche.