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Was ich dazu sage? Mai 30, 2020, 8:54

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Wie, was, irgendwas mit Bibi? Regierung? Trump? Weiß ich nichts von. Ich habe, als die Regierungsbildung feststand, einerseits tief durchgeatmet, denn endlich haben wir eine funktionierende Regierung, und ohne ging schon nichts mehr. Dann habe ich noch einmal tief durchgeatmet, als ich gesehen habe, wie viele Operetten-Ministerien errichtet werden, um politische Trostpflaster zu verteilen, das alles auf Kosten der ohnehin schon überlasteten Steuerzahler, und zwar auf Jahrzehnte. Eine gigantische Regierung mit 36 Ministern! und das in Zeiten, wo kleine Geschäfte und auch größere Unternehmen pleite gehen und viele Arbeitnehmer arbeitslos sind.

Nach diesen Atemzügen habe ich das Gesicht abgewandt und endlich auf Quarta gehört. „Mama, keine Nachrichten mehr, du ärgerst dich bloß, und machen kannst du sowieso nichts“. Also bin ich mal wieder im Nachrichten-Moratorium, hüte mich vor Webseiten, Radio und Fernsehen, und ach, das tut eigentlich sehr gut.

So gut, daß ich letzte Nacht einen kleinen Albtraum habe, nämlich daß ich bei deutschen Freunden bin und höre, wie die in der Küche über Israel herziehen. „Wenn Israel mal einen kranken Palästinenser zu fassen kriegt, hängen sie ihn zur Warnung aus dem Krankenhausfenster, sie würden nie einen behandeln…“ und solche Sachen. Irgendwann bin ich wie eine Hornisse in diese Küche geschwirrt und wollte meine „Lügen! Lügen! alles Lügen!“ sagen. Dann fiel mir auf, daß es nur ein Traum war, und es war mir im Traum sehr peinlich, daß ich auf einen Traum reingefallen bin, und habe mich entschuldigt. Aber noch beim Aufwachen war ich etwas grimmig. Ich weiß nicht, was so ein Traum nach dem Traumbuch bedeuten würde, vermutlich irgendwas noch Peinlicheres.

Also werde ich mich demnächst mal nur meinem im Moment sehr ausgefüllten Privatleben widmen. Zwei Wochen Arbeit im Kindergarten habe ich schon hinter mir, die Abläufe sind mir klar, die Regeln auch, und ich kenne inzwischen alle Mitarbeiterinnen. Wir sind ein großes Team, jeden Tag ist die Zusammensetzung anders, was auch daran liegt, daß jede einen anderen Tag als freien Tag wählt (da wir freitags auch arbeiten – der Kindergarten hat die 6-Tage-Woche, alle Mitarbeiterinnen aber nur eine 5-Tage-Woche).  Mein freier Tag ist nicht frei, da ich online unterrichte und schon die Stunde für nächste Woche vorbereite, außerdem unser vernachlässigtes Heim ein bißchen beputze und entstaube. Oh, und die Katzen entschädige, für viele einsam verbrachte Stunden. Eine Vielzahl von Kuhlen in Kissen und Decken zeigt, daß sie sich von Plätzchen zu Plätzchen schlafen.

Am Sonntag werden die beiden Kindergruppen vereinigt, und der Kindergarten, der bisher in zwei Teile geteilt war, wieder so aufgeteilt wie früher. Für mich also alles neu. Insgesamt spürt man in ganz Israel, daß die Leute das Gefühl haben, Corona liegt hinter uns, und so schlimm war es doch eigentlich gar nicht. Ob es nun die Maßnahmen waren, die dazu geführt haben, daß die berühmte Kurve tatsächlich relativ flach blieb, oder ob sowieso nichts passiert wäre, weiß man nicht. Ob nun die gefürchtete zweite Welle kommt, weiß ich nicht – trotz Nachrichten-Boykotts werde ich wohl mitbekommen, wenn tatsächlich die Zahlen wieder hochgehen und die Einschränkungen wiederkommen.

Ich lese auf dem Weg zum und von der Arbeit auf dem lieben Kindlechen viele feine Dinge, das sind meine Erholungszeiten, obwohl in den Bussen immer noch die vordersten Sitze gesperrt sind und alle Mundschutz tragen müssen. Wir hatten eine üble Hitzewelle, da war der Mundschutz wirklich eine Qual und ich hätte in Alco-Gel baden mögen, um mich abzukühlen. Aber jetzt ist es wieder ganz angenehm, nachts sogar etwas kühl, wie herrlich. Natürlich ist das Grün am Wegesrand längst gelb und grau, das Austrocknen der Erde hat angefangen, und obwohl offiziell noch Frühling ist, fühlt es sich an wie Sommer.

Ab morgen werden hoffentlich auch wieder Ausflüge gemacht, dann kann ich mit den Kindern den Kibbuz erkunden, von dem ich bisher nicht viel kenne. Die Kinder sind wunderbar, und wenn ich ihnen zuhöre, spüre ich so richtig, wie ich Kinder in meinem Leben vermißt habe. Ich hoffe, mein Rücken hält durch – aber auch die jungen Kolleginnen sagen, sie haben Rückenschmerzen.

Die Kolleginnen sind übrigens größtenteils nicht vom Kibbuz selbst, nur eine ist eingeheiratet. Nur die Sonderpädagogin, die zweimal die Woche kommt, ist so richtig Kibbuznikit von Geburt an, und sie kommt aus einem Kibbuz, den ich gut kenne, aus derselben Kibbuzbewegung. Ich habe also die „und was ist mit Ron und Arielle, sind die noch in den USA?“-Gespräche nur mit ihr, ihre Eltern kennen meine Schwiegereltern und ihre Großeltern haben mit Y.s Großeltern in der Fabrik gearbeitet, als die gerade gegründet wurde.

Wenn es nur eine Person ist, mit der man so viele Verbindungen aufspüren kann, ist das nett und interessant – aber als ich noch in unserem alten Kibbuz gelebt habe, war es manchmal schon etwas überwältigend, daß jeder Mensch Y. und seine Familie drei Generationen weiter kannte. Manche alten Chaverim waren mit Y.s Oma in Deutschland zur Schule gegangen, da waren dann die Urgroßeltern schon befreundet. Interessant, ja, und auch oft komisch. Ich erinnere mich noch, als Primus ganz klein war und mal furchtbar schrie in seinem agalool-Kinderwagen*. „Ganz der Opa“, meinte eine ältere Frau etwas spitz, als sie vorbeikam. Ja, mein Schwiegervater war auch ein Schreikind, Y. dagegen gar nicht. Das habe ich aus sehr vielen sicheren Quellen erfahren.

In dem Kibbuz, wo ich jetzt arbeite, sind keine Kinder „von draußen“, also alle Eltern (die mir wie große Kinder vorkommen…. viele sind in Primus´ Altersgruppe) sind Kibbuzniks und kennen sich wohl auch sehr gut. Die Eltern dürfen nicht in den Kindergarten, wegen Corona, sie warten also draußen auf ihre Kinder, stehen dort in Gruppen mit größeren Kindern auf Fahrrädern und Kinderwagen. Das ist diese 16-Uhr-im-Kibbuz-Atmosphäre, die ich immer genossen  habe. Der Höhepunkt des Tages – die Familien sind wieder zusammen. Vielleicht müssen manche Eltern später noch eine Runde arbeiten, aber alle bemühen sich, zu diesem Zeitpunkt am Kinderhaus zu sein. Kibbuz-Leben hat zwei Mittelpunkte: die Arbeit und die Kinder. Ich bin froh, daß ich diesen Arbeitsplatz gefunden habe.

 

 

*  Zu diesen Kinderwagen: ich kenne die Gründer von Baby Space seit vielen Jahren, sie sind aus Kibbuz Bet HaShitta. In allen Kibbuzim wurden und werden solche Kinderwagen hergestellt, die eine Mischung aus Ställchen (lool) und Wagen (agala) sind. Kleine Kinder liegen drin, große Kinder stehen, und man kann problemlos mehrere Kinder transportieren. In Kibbuzim macht das Babyhaus seine Ausflüge mit solchen Wagen. Die Kinder haben Aussicht in alle Richtungen. In der Stadt nicht praktisch, aber für ländliche oder eben Kibbuz-Familien ideal.

Ich hatte für Primus und Secundus normale agalool-Wagen aus dem Fundus des Kibbuz. Zur Geburt von Tertia schenkten uns die Freunde aus Bet HaShitta einen selbstgebauten – damals hatten sie die Firma noch nicht gegründet, bauten aber schon selbst solche Wagen. Es war ein knallroter, absolut genialer Wagen, der sich leicht steuern ließ. Wir haben ihn geliebt. Quarta hat ihn auch noch benutzt, danach meine Schwägerin mit ihren dreien. Ich bin sicher, wenn ich vor dem alten Babyhaus nachgucke, steht mein alter Wagen immer noch da und wird genutzt.

Irgendwann haben die Freunde aus Bet HaShitta aus ihrem Können eine Firma gemacht und ich kann sie von ganzem Herzen empfehlen.

 

Kommentare»

1. Hanna Ringena - Mai 30, 2020, 22:52

Im März noch war ich im Kibbuz Givat Brenner und nun weiß ich edlich, wie diese wunderbaren Kinderwagen heißen, diese Laufställe auf Rädern, genial.


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