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Und da ist sie wieder… März 18, 2012, 7:29

Posted by Lila in Kinder, Persönliches.
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… die Tertia. Und ist auch schon wieder weg. Den Eintrag habe ich Freitag geschrieben, aber erst jetzt, wo sie wieder weg ist, stell ich ihn hier rein.

Ihr erster Besuch zuhause seit zwei Wochen – letztes Wochenende scheute sie vor lauter Müdigkeit den ellenlangen Heimweg, aber am Freitag nahm sie die vier Stunden Fahrzeit mutig auf sich. Wir holten sie in Nahariya ab, an der Bushaltestelle. Ich hielt nach ihr Ausschau, und für den Bruchteil einer Sekunde war ich verwundert, daß da nur eine kleine Soldatin… ach je, das ist sie ja, meine Soldatin! Die Uniform steht ihr gut, die warme Jacke aber, die sie ihr gegeben haben, ist mindestens zwei Nummern zu groß für sie.

Sie kletterte ins Auto und fing gleich vergnügt an zu erzählen. Von den 45 anderen Mädchen, mit denen sie in der Grundausbildung ist – nicht alle werden nachher mit ihr den Kurs machen. Sie sind zu achtzehn Mädchen im Zimmer, sie haben zehn Duschen für 46 Mädchen und müssen sehr schnell duschen. Eine Offizierin ist nett und muß sich manchmal das Lachen verbeißen, wenn die Gruppe rausplatzt und kichert – Tertia, weise durch die Erfahrungen ihrer Brüder, weiß, wozu die Distanz dient, die in der Grundausbildung aufgebaut wird, und nimmt auch die andere, wesentlich weniger nette Offizierin nicht sehr ernst. Die ganze Fahrt über lachen wir. Sie hat so eine lustige, etwas spöttische Art zu erzählen, man sieht alles sofort vor sich.

Eigentlich sollten die Mädchen ja nur die Grundausbildung 01 machen, die aller-einfachste, aber wegen der Sicherheitslage wurde ihnen mitgeteilt, daß in allen Ausbildungsbasen die Grundausbildung 02 Pflicht ist. Na ja, Tertia findet es nicht schlimm. Sie findet die Grundausbildung bisher überhaupt nicht schlimm. Ja, ein paar Mädchen haben wohl geweint und hatten Heimweh und fanden alles schrecklich, aber sie nicht. Sie ist nicht verwöhnt und sie ist gut vorbereitet und hat ja schon mal zwei Monate allein gelebt, als sie im Kibbuz gejobbt hat, und sie ist gern selbstständig. Das erklärt sie uns sehr selbstbewußt.

Inzwischen sitzt sie in der Küche, am Tisch mit Y. und Quarta, während ich schnell Essen koche (die sehr beliebte orange Suppe  – Kürbis, Süßkartoffel und Möhre, das wärmt schön). Wir hören alle zu. Ich sehe wieder mal vor meinem inneren Auge das winzige Baby, das sie war – wie sie sich Gramm für Gramm hochgekämpft hat, bis sie die zwei Kilo nach sechs Wochen endlich voll hatte und dann mit nach Hause durfte. Wie wenig sie geweint hat als Baby – aus der Frühgeborenenstation war sie vielleicht gewöhnt, daß Weinen nichts nützt, denn so liebevoll die Schwestern auch waren, sie waren überarbeitet. Und wir konnten immer nur für ein, zwei Stunden bei ihr sein.

Als sie das erste schwierige Jahr hinter sich hatte, wußten wir schon, daß sie einen ungeheuer starken Charakter hat. So zart und lieblich sie aussieht mit ihren Rehaugen, ihren langen Wimpern und Locken – sie ist zäh, energisch, hat den kühlsten analytischen Verstand der Welt von ihrem Vater geerbt und strebt nach Selbständigkeit. „Allein!“, war ihr Motto. Sie war wirklich ein winziges Pünktchen, als sie mir erklärte, daß sie von jetzt an ALLEIN in den Peuton geht, den Kleinkindergarten. Wie alt war sie da – zweieinhalb, drei?

Ich rief also die netten Metaplot an und erklärte ihnen die Lage. Dann schlich ich also hinter dem Kind her, daß ALLEIN mit der Tasche auf dem Rücken den Hügel hochstapfte und dann ALLEIN über das Sträßchen durch den Kibbuz mußte. Auf der anderen Seite lauerten schon die Betreuerinnen, wie zufällig, um sie in Empfang zu nehmen. Und ich lugte durch die Büsche, ob sie auch gut ankommt. Hätte sie mich entdeckt  – sie hätte mir das nie verziehen. So ging das eine ganze Weile, bis sie mir erlaubte, sie wieder zu begleiten.

Während diese alten Geschichten mir also durch Kopf und Herz zogen, erzählte sie weiter und wir verglichen ihre Erlebnisse mit denen der Brüder. Wir stellten fest, daß für sie die Fallhöhe der Erwartungen viel weniger hoch war als bei den Jungen. Viele junge Männer gehen zur Armee mit einer riesigen Erwartungshaltung, mit brennender Motivation – was wir hier rabak nennen. Auch wenn sie in Schule und Elternhaus vollkommen friedfertig sozialisiert werden und sie keinerlei Aggressionen gegen andere hegen, steigern die jungen Männer sich gegenseitig in einen Rausch der Kampfbereitschaft. Ich schieb es ja immer auf das Testosteron.

Sie messen sich an anderen, rennen und springen und üben und bereiten sich vor…  und wenn sie dann in die Armee kommen, dann heißt es: stellt euch im U auf. Und da stehen sie dann. Und sie merken, daß die Armee ihren ganzen rabak nicht will und nicht braucht. Sondern daß die Armee nüchtern ist, gern effizient wäre, aber es oft auch nicht ist, und daß sie keine Helden braucht, sondern disziplinierte, gut ausgebildete, pragmatische und geerdete Soldaten.

Ich weiß, daß es auch jede Menge junger Männer gibt, die kühlen Herzens zur Armee gehen und jobnik werden und ihre drei Jahre irgendwo ableisten, wo sie sich nicht übermäßig abäschern müssen. Und daß es eine wachsende Zahl junger Frauen mit rabak gibt, die ebenfalls fit und durchtrainiert und tatendurstig in die kämpfenden Einheiten strömen.

Bei mir zuhause jedoch war rabak bei beiden Söhnen festzustellen – bei Primus verflüchtigte er sich einfach und wurde durch eine große Begeisterung für seine Aufgabe als Sanitäter ersetzt, die ihn ausfüllte und die er ausfüllte. Und bei Secundus ist gerade noch so viel vorhanden, daß er seine Arbeit als mefaked kita gut erfüllen kann und seine Soldaten versteht – die er ja nun erden muß. Ich habe dieselbe Ernüchterung bei vielen hochmotivierten Neu-Rekruten beobachtet und sehe heute den rabak nur mehr als eine Hilfe beim Übergang vom zivilen ins militärische Leben. Solange sie nicht genau wissen, was die Armee von ihnen will, füllen sie die Leerstelle mit gespanntem rabak.

Meine Tochter jedoch ist vollkommen rabak-frei und neugierig an die Sache herangegangen. Sie amüsiert sich über manche Absurditäten bei der Armee, wie sie sie auch in der Schule und bei ihren verschiedenen Arbeitsplätzen wahrgenommen hat. (Und im Elternhaus natürlich, ja ja.) Sie ist mit niedrigen Erwartungen, aber ohne Horror oder Furcht, in die Armee gegangen und findet es nun sehr interessant und lustig. Ja, sie schlafen zu wenig, und längere Duschzeiten wären schön. Aber die Schuhe sind bequem, das Bett annehmbar, das Essen eignet sich zu witzigen Schilderungen, und die Mädchen, die sind sehr nett. Ja, eine, die ist doof, die hilft nie mit beim Putzen und Bettenmachen, die sitzt nur da und feilt sich die Nägel, aber eigentlich ist das auch gut, denn da hat Tertia eine Quelle der Heiterkeit.

Die meiste Zeit am Wochenende hat sie mit Schlafen verbracht, und bei einem Familienfest stand sie im Mittelpunkt des Interesses, zu ihrer eigenen Überraschung. Ihre Oma säumte ihr die Uniformhosen, der Opa gab ihr ein Bündel guter Ratschläge und die Eltern guckten stolz. Wir wußten es doch – Tertia macht das schon.

Sie ist vorhin mit Y. losgefahren, zum Bahnhof. Statt um 9:00 muß sie erst um 12:00 in ihrer Basis sein. Tertia hat um diese drei Stunden Kulanz wegen der großen Entfernung kämpfen müssen, denn unser winziges Yishuv ist nicht auf den Listen der „abgelegenen Orte“ der Armee. Aber Tertia hat sich durchgesetzt. Ich bin optimistisch, daß sie auch weiterhin ihr Dasein als Soldatin leicht nehmen wird. In einer Woche ist die Grundausbildung für sie schon vorbei, dann fängt der Kurs an. Und dann wird es richtig interessant.

Tertia the next generation

Kommentare»

1. Carina - März 18, 2012, 8:04

Schön das es ihr so gefällt. Mein Mann und ich waren ja schon ganz gespannt wann wir zum ersten mal davon hören werden. Wir freuen uns auf ganz viel anderer Geschichten mit deinen Kids, Mann und auch den Tieren (Dir natürlich auch 🙂 )
Liebe Grüße Carina mit Mann

2. cadovius - März 18, 2012, 14:06

Ein tolles, sympathische Mädchen. Irgendwas habt ihr gut gemacht mit euren Kindern… 🙂

3. Ragna - März 18, 2012, 18:04

Was kommt noch in die orange Suppe?
Intuitiv würde ich Zwiebeln, Knoblauch und etwas Ingwer sowie Salz und Pfeffer verwenden, bin aber sehr gespannt auf dein Rezept.

4. Lila - März 18, 2012, 18:10

Na klar, ich fang mit ordentlich Zwiebeln an, Knoblauch geht auch. Wenn die schön glasig sind und gut riechen, kommen die orangen Gemüse in Stücken dazu, und wenn sie warm werden, kommt kochendes Wasser dazu und Gemüsebrühe (hab ich im Gefrierfach, oft nehm ich auch Knochenbrühe, obwohl ich die Supp dann nicht mehr esse, Fleisches wegen). Ordentlich würzen, und wenn alles weich ist, mit dem Brrrr-Stab pürieren. Ein paar Stücke laß ich übrig. Und dann Sahne rein.

Den Reis mach ich parallel, der ist gut als Einlage.

Die Suppe wird jedesmal anders, aber immer lecker. Am zweiten Tag ist sie noch besser.

Ich hab das Rezept von der Mutter meiner besten Freundin im Kibbuz.

5. Ragna - März 18, 2012, 18:25

Danke! Diese Suppe passt so wunderbar in mein Kunst-und-Kochbuch: neben den Feuervogel von HAP Grieshaber.
Das Bild habe ich schon lange eingeklebt, nur ein passendes Rezept hat noch gefehlt…

6. Lila - März 18, 2012, 18:58

Oh ja, das wird gut passen.

Ich benutze dafür entweder diesen Birnenkürbis (dalorit):
http://en.wikipedia.org/wiki/Butternut_squash

oder diesen „normalen“ (dlaat):
http://he.wikipedia.org/wiki/%D7%93%D7%9C%D7%A2%D7%AA

Schmeckt beides gut. Und dazu eben die Möhren und Süßkartoffeln. Ich nehme die Mengen ungefähr gleich, also wie es gerade kommt.

Gibt es in Deutschland Süßkartoffeln? Wußte ich gar nicht. Die sind ja so lecker. Kartoffeln und Süßkartoffeln in Viertel geschnitten, mit Meersalz, Olivenöl und ein paar Kräutern in den Ofen geschmissen – da reißen sich bei uns alle drum.

7. willow - März 18, 2012, 20:19

Ja Lila, in Deutschland gibt es Süßkartoffeln … sogar Orangen und Bananen wurden schon gesichtet 😉

Ich koche für meine Lieben eine ganz ähnliche Suppe, gebe allerdings zusätzlich noch etwas geriebenen Ingwer, eine Spur Kreuzkümmel und etwas Muskatblüte dazu – als Basis nehme ich gern eine Hühnerbrühe.

Butternut ist eigentlich die einzige Kürbissorte, die ich wirklich mit Genuss esse 😉

8. Ragna - März 18, 2012, 20:33

Hier im Süden (Offenburg) wachsen viele Pflanzen, die in anderen Regionen Deutschlands nicht so gut wachsen. Meine Großeltern haben Tabak angebaut (das war in der ganzen Ortenau so, es gibt viele ehemalige Tabakfabriken und in den alten Ortssippenbüchern finden sich Berufe wie Zigarrenmacher). Bei meinen Eltern im Garten wachsen Feigen, Kiwis, Pfirsiche und Aprikosen ganzjährig im Freien.
Ob Süßkartoffeln angebaut werden können, weiß ich nicht. Es wäre einen Versuch wert (allerdings im Garten meiner Eltern, als Studentin habe ich nur einen sehr kleinen Balkon). Kaufen kann man sie auf alle Fälle, in Läden für asiatische Lebensmittel, aber auch bei Edeka oder Marktkauf.
Als Kürbis werde ich wohl Hokkaido-Kürbisse verwenden, davon haben wir im Herbst immer ganz viele und ich finde den Geschmack toll.

Unsere Samen beziehen wir übrigens hier: http://www.garten-pur.de/153/Garten-pur_Portal/Gemuesebeet/Samenarchiv_Bohl.htm

9. mibu - März 19, 2012, 0:25

„Meine Großeltern haben Tabak angebaut (das war in der ganzen Ortenau so, …“

… und zieht sich rauf bis in die Südpfalz. Einer meiner Großväter hat das bei Bruchsal gemacht. Wein und Tabak – und wenn’s unbedingt sein muss auch Spargel. Das badische Rheintal ist wirklich gesegnet. Na dann … drenggemer oinr, Ragna ?

10. mibu - März 19, 2012, 0:33

“ … sogar Orangen und Bananen wurden schon gesichtet“

willow, also zumindest so ein Experiment mit Orangen habe ich schon erlebt … naja, erdulden müssen passt eher, da ich das Ergebnis (Orange) kosten sollte. Schon beim Gedanken daran zieht’s mir wieder alles zusammen. Das „wir können alles ausser Hochdeutsch“ hat dann doch noch ein paar zusätzliche klimatische Grenzen …

11. Corinna - März 19, 2012, 12:24

Bei uns kommen die Süßkartoffeln im Supermarkt immer aus Israel. So eine Suppe kommt hier ziemlich oft auf den Tisch. Ich mache immer noch Lauch und Sellerie dazu.

12. Karl Eduard - März 19, 2012, 15:24

Sehr schön warmherzig geschrieben. Gefällt mir.

13. Phillip - März 19, 2012, 15:41

Lustig wen mensch hier so alles trifft :-). Erstmal ein groszes Kompliment an Lila… ich lese dein Blog jetzt seit knapp über einer Woche und bin begeistert :-). Ich wünsche euch alles gute und bin über weitere Einträge gespannt.

Dann noch liebe Grüße an Ragna (Offenburg) aus Freiburg :-D.

14. Krachmachermama - März 19, 2012, 18:15

Ich koche die Suppe so ähnlich mit Möhren, Süßkartoffeln, Zwiebel, Knoblauch, Gemüsebrühe und vor allem viel frisch gepresstem Orangensaft und frischem Thymian dazu ein Klecks Cottage. Superlecker!

15. Ragna - März 19, 2012, 21:24

Ach ja Lila,wo wir gerade beim Gärtnern sind und nicht bei anderen, etwas spannungsgeladeneren Themen:
Aus älteren Blogeinträgen weiß ich, dass du einen Kräutergarten hast.
Man darf zwar vermutlich keine Pflanzen importieren, aber der Katalog von Rühlemann’s ist auch so ein hervorragendes Nachschlagewerk, in dem man sehr viel über Kräuter aus aller Welt erfahren kann (das soll jetzt keine Schleichwerbung sein, du darfst den Link auch gerne entfernen; ich bin begeisterte Katalog-Blätterin, auch wenn ich noch nie etwas bestellt habe). Man kann den Katalog kostenlos runterladen oder einfach auf der Homepage stöbern.
http://www.kraeuter-und-duftpflanzen.de

16. Jakobo - März 19, 2012, 21:42

„Die sind ja so lecker. Kartoffeln und Süßkartoffeln in Viertel geschnitten, mit Meersalz, Olivenöl und ein paar Kräutern in den Ofen geschmissen – da reißen sich bei uns alle drum.“

puh.. ihc reisse mich da auch drum.. vor allem noch mit einem ofenfleisch dazu…. wow….

eine andere frage… wenn ynetnews schreibt:
„The prices of smuggled goods, said Ibrahim „skyrocketed“ in the past years, allowing him to earn up to $100,000 a day. His workers were paid $100 a day. “

Meinen die us dollar??

J

17. esther - März 19, 2012, 23:33

Du hast mit deinem Mädel wirklich alles richtig gemacht! Ich beobachte ein gleiches Phänomen derzeit mit der Tochter von Freunden!

18. Yael - März 20, 2012, 2:19

Tertia wird ihren Weg machen.


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