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Über Demographie und Opferzahlen Februar 17, 2007, 1:08

Posted by Lila in Land und Leute.
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Ein interessanter Artikel von Gunnar Heinsohn in der Welt. Leider werden die, die ihn lesen müßten, ihn nicht lesen, sondern nach wie vor glauben, daß Israel die meisten toten Araber auf der Kappe hat. Haben wir nicht. Das können die ohne uns viel besser.

Weil man in Gaza bisher sein Heil von der Vernichtung Israels erhofft, sind dort vergleichsweise wenige Opfer zu beklagen. Das liegt daran, dass eine Seite des Konflikts nicht wahllos tötet, sondern nach Angriffen der Gegenseite meist gezielt zurückschlägt. Bei rein arabischen Kämpfen liegen die Opferzahlen so viel höher, weil beide Seiten versuchen, ein Maximum an Gegnern auszuschalten. Gaza kommt diesem Zustand näher. Je schwerer es wird, Juden anzugreifen, desto deutlicher wird, dass nicht sie das Hauptproblem der Palästinenser sind, sondern ihre zornigen Jünglinge. Noch vor der Vollendung des israelischen Abzugs aus Gaza stiegen dort die einheimischen Tötungen. Bereits für das Jahr 2005 registrierte die Palestinian Human Rights Monitoring Group mehr Tote bei Bandenschießereien und Fraktionskämpfen als beim Krieg gegen Israel.

Die Gefechte zwischen Hamas und Fatah forderten seit Dezember 2006 über 130 Tote. Beide Seiten werfen sich gegenseitig schwere Massaker vor. Die Verletzten machen ein Vielfaches der Toten aus. 18- bis 20-Jährige schießen sich gegenseitig in die Beine, um ihre eigene Marschüberlegenheit zu steigern. Da sie dabei Masken tragen, schießen längst auch Brüder auf Brüder. Viele dieser Beinverletzten finden Hilfe in israelischen Kliniken und kommen nicht umhin, dort die Hintergründe ihrer Verkrüppelung offenzulegen.

Traurige Zustände. Die meisten Araber werden von Arabern umgebracht, nicht von Israelis.  Das haben aber bisher nicht viele Menschen zur Kenntnis genommen. Es kann ja einfach nicht sein.

Und wieso trotzdem weniger Israelis ums Leben kommen als Araber? Weil die israelischen Sicherheitskräfte alles tun, um zivile Opfer gering zu halten. Weil wir unsere Kinder nicht als Steinschleudern und menschliche Schutzschilde mißbrauchen. Weil wir unsere Armeebasen, Abschußrampen und Waffenmagazine nicht in Hinterhöfen oder Wohnsiedlungen unterbringen. Weil wir Bunker und Schutzräume und horribile dictu Schutzzäune bauen.
Wenn man sich die demographischen Verhältnisse ansehen, haben wir aber trotzdem keine Chance.

Aber die 15- bis 29-jährigen Krieger, die jetzt um die Macht in Gaza kämpfen, rekrutieren sich aus einer Generation von 190.000 Mann – mehr als zehnmal so viele wie die Stammväter. Gewiss müssen die zwischendurch Atem holen und ihre Wunden verbinden. Wer solche Pausen jedoch als ersten Schritt zum Frieden deutet, vergisst die 350 000 Knaben des Gazastreifens. Die ältesten von ihnen werden gerade 15. Da sie 20-mal so stark sind wie die Abbas-Generation, können sie ganz gelassen auf ihre Stunde warten. In Deutschland folgen auf 100 Männer im Alter von 40 bis 44 Jahren nur noch 50 Knaben im Alter von null bis vier, im Gazastreifen sind es 464.

Da wir ja jeden Abend in den Nachrichten sehen, wie diese Jugend indoktriniert und sozialisiert wird,  kann man sich den Fortgang denken.  Sie tut mir sehr leid, diese Generation, die von gewissenlosen Anführern manipuliert und um ihre Zukunft betrogen ist – aber wir werden uns trotzdem wehren müssen.

Kommentare»

1. Heidi - Februar 18, 2007, 19:27

Warum funktioniert das nur nicht?

Die große Zahl der jungen Männer auf palästinensischer Seite ist allein wohl noch nicht ein Problem. Gunnar Heinsohn nennt sie ja ‚überzählige‘ junge Männer. Ich habe das so verstanden, dass sie deswegen überzählig sind, weil sie als 2. 3. 4. … Söhne keine Aussicht auf berufliches Fortkommen und irgendeine soziale Anerkennung haben. Sie greifen zu Terror und Gewalt gegen Andersgläubige und Israel, weil sie dafür in ihrer Gesellschaft zu Helden werden.Politische Führer nutzen sie für ihre Ziele aus, Islamisten liefern ihnen auch noch eine religiöse Begründung für ihren Terror und versprechen Lohn im Jenseits.
Wie würde sich die Gewaltbereitschaft junger Palästinenser entwickeln, wenn für sie wirtschaftlicher Aufstieg möglich wäre?
Fänden die Hassprediger noch Gehör, wenn die jungen Leute eigene Ziele hätten, sei es ein Studium, eine eigene Familie oder etwa ‚Häuslebauen‘? Warum ist die wirtschaftliche Entwickung in den palästinensischen Gebieten so zäh und langsam oder gar nicht vorhanden? Mit steigendem Wohlstand sinkt im allgemeinen die Zahl der Kinder pro Familie ( z. B. auch in Algerien oder Marokko). Welche Familie schickt schon den einzigen Sohn in den Krieg oder zu einem Terroranschlag?
Ich glaube, man hat immer schon darauf gehofft und gewartet, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung in den palästinensischen Gebieten die Probleme mildern oder beseitigen könnte. Warum funktioniert das nur nicht?
Das ist wohl eine sehr schwierige Frage, oder?
Ob es da Antworten gibt?
Heidi

2. Lila - Februar 18, 2007, 19:43

Ich weiss es auch nicht. Wenn man zu zynischen Erklärungen neigt, könnte man fast annehmen, daß die palästinensische Führung das Volk arm hält, um leicht weitere Kandidaten für Terror und Kampf zu rekrutieren.

Die Theorie der „überflüssigen“ jungen Männer, die weder Perspektive noch eine sinnvolle gesellschaftliche Funktion haben, ist in anderen Gesellschaften aber ebenso gegeben, so gibt es eine ähnliche Erklärung für das Umsichgreifen von Gewalt und Rechtsextremismus in manchen ostdeutschen Gegenden, in denen laut Studie junge Frauen abwandern und die Männer in Männerbünde flüchten. Weiß nicht, ob das stimmt. Aber die Dynamik scheint auch zu funktionieren, ohne daß sie angekurbelt wird.

Ich weiß aber eine Lösung: Bildung für Frauen. Nicht nur, weil gebildete Frauen weniger Kinder kriegen – und die weniger Kinder eine bessere Chance im Leben haben. Gebildete Frauen bilden in jeder Gesellschaft einen Dreh- und Angelpunkt für wirtschaftlichen Fortrschritt, Optimismus und Pragmatismus. Kleinkredite an Frauen, Stipendien für junge Frauen, Programme, die die Selbständigmachung von Frauen unterstützen – das ist ein Weg, auf die Dauer stabilere Verhältnisse zu schaffen. Gebildete Frauen möchten Bildung für ihre Kinder.

Natürlich gibt es genügend Gegenbeispiele – die Terroristin des Restaurants in Haifa war Jurastudentin. Aber grundsätzlich stimmt es, dass gebildete Frauen einen Anker des Pragmatismus bilden. Weswegen auch Entwicklungshilfe heute gern an Frauenprojekte gezahlt wird.

Ich habe übrigens früher auch geglaubt, daß es die Armut ist, die Perspektivlosigkeit, die die Palästinenser zum Terror treibt. Ich bin mir heute nicht mehr so sicher.

Aber eines weiß ich genau: wenn die Leute in Europa und den USA, die meinen, sie sind „für“ die Palästinenser, glauben, mit aktiver Unterstützung für Terrororganisationen aller Arten, helfen sie den Palästinensern – dann irren sie sich. Wer den Palästinensern helfen wil, der sympathisiere nicht mit dem Terror, sondern mit den Bauern, Handwerkern, Akademikern, die manchmal schüchtern wagen, ihre Stimme gegen die Terroristen zu erheben – und denen das niemand dankt.

Statt die Qassam-Teams zu verteidigen oder zu ignorieren, kann man sie doch mal unter dem Gesichtspunkt sehen, daß sie Hunderten von Bauern die Erde wegnehmen, daß sie die Lebensbedingungen ihres Volks mittelbar und unmittelbar verschlechtern! Aber wenn „Pro-Palästina“-Aktivisten sprechen und handeln, dann ist der Feind immer Israel. Daß den Palästinensern auch von anderer Seite brutal an den Karren gemacht wird, das fällt dann nicht auf. Man braucht nicht zu differenzieren.

Das ist schade.Ich sag das schon seit Jahren, aber auf mich hört ja niemand 😉

3. willow - Februar 18, 2007, 19:47

Nun, es gibt „böse“ Menschen, die sagen „warum sollen sich die Palästinenser in den besetzten Gebieten anstrengen – die EU & die UN ernähren sie doch zuverlässig und versorgen sie auch mit allem Notwendigen“. Als Beispiel werden dann gerne die HighTech-Gewächshäuser genann, den Israeli vor dem Abzug von der Weltgemeinschaft abgekauft, von den Bewohnern des Gaza sofort zerstört und heute zur Ausbildung von Kämpfern genutzt… ziemlich traurig.

Noch trauriger ist der Männerüberschuß – der „erfolgreiche“ Moslem-Mann darf sich auch heute noch mehrere Frauen leisten, für die leer ausgegangenen bleiben Frustration oder heiliger Krieg, um wenigstens ins Paradies zu gelangen und wenigstens dort glücklich zu werden… eine der häufiger verwendeten Parolen der Militanten: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod – deshalb werden wir siegen!“

4. Lila - Februar 18, 2007, 19:56

Ja, diese Gewächshäuser meinte ich auch, als ich die Bauern erwähnte. Denen machen diese Kerle mit ihren Abschußrampen wirklich die Lebensgrundlage kaputt. Wen kümmert es? Im Zweifelsfall ist eben Israel daran schuld, daß die Palästinenser hungern.

Dan Shiftan, den ich hier schon öfter zitiert habe,
sagt dazu das folgende:

Bei den Demonstrationen in Gaza werden Unmengen von Munition in die Luft verschossen, mindestens zehntausend Kugeln. Jede Kugel kostet so viel wie vier Kisten Tomaten. Das heißt, sie verschießen bei einer Demonstration den Gegenwert von 4o.ooo Kisten Tomaten. Am nächsten Tag sagen sie: „Wir haben Hunger!“ und die Europäer kommen und sagen: „Wie können wir ihnen helfen?“ Die UNO hat zwei Flüchtlings-Hilfswerke, eines für alle Flüchtlinge, eines nur für die Palästinenser. Das erste versucht, den Flüchtlingen zu helfen, das andere sorgt dafür, dass sie Flüchtlinge bleiben, inzwischen in der dritten und vierten Generation.

Es läßt sich nicht abstreiten – Waffen und Munition haben sie en masse, auch teurere Sachen wie Grads.

5. Heidi - Februar 19, 2007, 11:20

Ja, Bildung für Frauen ist sicher eine ganz wichtige Sache. Das erwähnte ja neulich auch ein Bericht arabischer Wissenschaftler zur Lage der arabischen Länder. (Frauenpower) Allerdings wird das ein elend langwieriger Prozess sein. Bei den Palästinensern dürfte der doch längst begonnen haben, nicht wahr? Wir haben das Jahr 2007.
Man muss Geduld haben, in Deutschland wird Frauenbildung auch erst seit etwa 60 Jahren ernst genommen.Erst heute kann man wohl von Gleichberechtigung auf dem Bildungssektor sprechen.

6. Lila - Februar 19, 2007, 12:00

Ganz richtig, wir sollten uns davor hueten, so zu tun, als sei das „bei uns“ selbstverstaendlich.

Nichts ermutigt mich mehr, wenn ich an der Lage verzweifeln will, als der Anblick arabischer junger Frauen in der Uni-Bibliothek, die mit Eifer und Ehrgeiz dicke Folianten schleppen, gar nicht wenige davon mit Hilfe Unterstuetzung durch spezielle Stipendien. Vielleicht tun wir damit doch das Unsere, das Bild der arabischen Frau langsam zu bereichern, zu veraendern…

7. beer7 - Februar 20, 2007, 13:16

Bei den Palaestinenser hat die Emanzipation der Frau laengst begonnen. Nur geht sie in dieselbe Richtung wie die gesamte, pal. Gesellschaft: fortschreitende Islamisierung und Militanz. Die Anzahl der Hochschulstudentinnen ist beeindruckend, aber sie lernen in der PA vor allem eine voellig politisierte und verzerrte Sicht auf ihre Religion und auf die Welt. Hohe Kleriker haben entschieden, dass auch Frauen Selbstmordattentate ausfuehren duerfen…

8. Kurt Unger - Februar 27, 2007, 4:22

Uebertriebene Religion im Alltag ist immer schlecht, egal ob es islamische, juedische oder sonst eine andere ist.

Wenn es in Israel immer noch Busse gibt, in denen Frauen u. Kinder hinten sich hereinquetschen muessen, um die orthodoxen Juden ungestoert vorne beten lassen zu koennen, zeigt dies, dass diese Leutchen immer noch nicht im 21 Jh angekommen sind.

Noch eine Anmerkung, der Krieg Olmerts gegen Libanon war ein unverantwortlicher, unverzeihlicher Zerstoerungskrieg ohne jede Balance gegenueber den Stoerungen die libanesiche Terroristen in Israel anrichteten. Der Krieg hat entgueltig alle Moeglichkeiten fuer friedliche Beziehungen in NO zerstoert, die Hinterlassenschaft Olmerts ca. 1 Mill. unexplodierter Streubomben in Suedlibanon zeugt von den ruecksichtslosen, menschenverachteten Kriegsmethoden des Staates Israel.

Er gehoert genauso, wie sein Kollege Bush vor ein intern. Kriegsverbrechergericht, da sie mehr Terroristen, mehr intern. Terror, mit ihren Aktionen hervorbrachten, als vor den jeweiligen Kriegsbeginn.

9. beer7 - Februar 27, 2007, 9:20

Kurt Unger,

es gibt in Israel nicht „immer noch“ solche Busse, sondern es gibt ausschliesslich in Jerusalem seit juengerer Zeit solche Busse in ultraorthodoxen Vierteln. Bekaempft wird dieser Trend aber gerade durch die orthodoxen Frauen.

Aehnlich schraeg sind Deine Informationen zum letzten Libanonkrieg. Lass‘ mich raten, wo Du Dich informierst: „Electronic Intifada“?

10. willow - Februar 27, 2007, 12:41

Es ist wieder dieses (auch in linken Kreisen als chic geltende) „wenn der Jude sich wehrt, dann muß er bestraft werden!“

Man kann das im Moment (Waffenstillstand!) wieder schön beobachten: Solange die Araber täglich und regelmäßig aus dem Gaza ihre Raketen abfeuern (und Israel nicht reagiert) regt sich kein Journalist oder auch Politiker auf (von den rechten und linken Antisemiten ganz zu schweigen). Sollte es Israel aber wagen, einen Raketenabschuß durch einen Angriff auf die Terroristen zu beantworten – dann geht das Geschrei los: „Israel hat den Waffenstillstand gebrochen!“ „Die Reaktion ist unangemessen!“ usw.usw.

Oder der Libanon: Mit Hilfe der UN-„Friedenstruppen“ ist es gelungen, die Hezbollah wieder aufzurüsten, dank der UN-Hilfe sind sie besser bewaffnet als jemals zuvor. Wo bleibt da die öffentliche Empörung in der westlichen Welt? Aber wehe wehe die Israeli versuchen herauszufinden, wo überall unter dem Schutz der UN neue Stützpunkte und Abschußrampen entstanden sind… da muß der Kommandeur natürlich mit dem Abschuß der Aufklärungsflugzeuge drohen, denn im Gegensatz zur Wiederbewaffnung der Hisbollah ist das natürlich ein ernstzunehmender Verstoß gegen die Abmachungen. Schön objektiv!

11. liberalinaustria - Februar 27, 2007, 13:22

Noch eine Anmerkung, der Krieg Olmerts gegen Libanon war ein unverantwortlicher, unverzeihlicher Zerstoerungskrieg ohne jede Balance gegenueber den Stoerungen die libanesiche Terroristen in Israel anrichteten. Der Krieg hat entgueltig alle Moeglichkeiten fuer friedliche Beziehungen in NO zerstoert, die Hinterlassenschaft Olmerts ca. 1 Mill. unexplodierter Streubomben in Suedlibanon zeugt von den ruecksichtslosen, menschenverachteten Kriegsmethoden des Staates Israel.

Kurze Gegenfrage: Hätte sich Israel einfach vom Raketenhagel der Hisbollah vom Libanon aus zerbomben lassen sollen?

12. Nachgeholt « Letters from Rungholt - März 3, 2007, 21:54

[…] Beitrag war der über Demographie und Opferzahlen, und er bot traurige, aber unbestreitbare Tatsachen. Die meisten toten Araber gehen, im Gegensatz […]

13. Piet - März 10, 2007, 1:49

> Und wieso trotzdem weniger Israelis ums Leben kommen
> als Araber? Weil die israelischen Sicherheitskräfte alles tun,
> um zivile Opfer gering zu halten. Weil wir unsere Kinder
> nicht als Steinschleudern und menschliche Schutzschilde
> mißbrauchen.

Du hattest das schon öfters erwähnt, und wie gerne hätte ich es geglaubt. Eine Armee, die sich ethisch integer verhält, dem Gegner ethisch überlegen. Was für mich übrigens bedeutet, alte und lieb gewordene Überzeugungen (und damit einen guten Teil dessen, was meine Person ausmacht) in Frage zu stellen.

Eben lese ich dann in der Zeitung, dass es sich möglicherweise nicht so verhält, wie du es oben festhältst, sondern dass israelische Soldaten Kinder als Schutzschilde missbrauchen: „… Nach dem, was das Mädchen [die elfjährige Tochter einer von Israelischen Soldaten befragten Familie; P.] und andere Augenzeugen schilderten, hat sich an besagtem Tag, dem vorletzten der „heißen Winteraktion“, folgendes zugetragen: Schon am Morgen waren etwa 20 Soldaten in das Haus der Dadusch-Familie in der Altstadt von Nablus, eingedrungen. … Es war gegen 20 Uhr, als die Uniformierten ihr bedeuteten: „Du kommst mit uns.“ Sie musste voran gehen, die bewaffneten Israelis im Rücken. Nach dem ersten Mal kehrten sie um, aber dann nahmen die Soldaten das Kind noch einmal mit. Diesmal musste es nach eigener Aussage die Tür öffnen und vor den Soldaten eintreten. Es war stockdunkel. In die Küche wurde das Mädchen auf Geheiß der Soldaten vorgeschickt. „Ich fürchtete, sie würden mich töten oder ins Gefängnis werfen“, zitiert der B’Tselem-Bericht Dschihan. Noch nachdem sie längst daheim war, ließ sie die Angst nicht los, „die Soldaten würden wieder kommen und mich holen“.
Das Procedere veranlasste B’Tselem, nicht nur eine militärische, sondern auch eine polizeiliche Untersuchung zu fordern. Die hat die Militärführung, wie Agenturen berichten, nun auch angekündigt. Internationales Recht sei „anscheinend gleich mehrfach gebrochen worden“, sagte B’Tselem-Sprecherin Sarit Michaeli. … Beklagt wird allerdings nicht zum ersten Mal, dass sich im Militäralltag eine Grauzone etabliert hat. Trotz eindeutigen Verbots der Obersten Richter in Jerusalem bedienten sich Soldaten in heiklen Situationen mitunter Palästinensern. „Nachbarschaftspraxis“ heißt das im Armeejargon. So stießen laut dem B’Tselem-Bericht Soldaten den 15-jährigen Amid aus Nablus mit Gewehrläufen bei der Durchsuchung von gleich drei Häusern vor sich her. Wie riskant das Vorgehen für den wehrlosen Jungen gewesen sein muss, illustrierten die scharfen Schüsse, die einer der Soldaten in einen leeren Raum gefeuert habe.“

Vielleicht kann ich die Situation in Nablus von hier aus nicht gut genug beurteilen. Vielleicht war der 15-Jährige einer der Steinwerfer, vielleicht war die Geschichte mit dem elfjährigen Mädchen ein Einzelfall von Soldaten, die Palästinensern zeigen wollten, wie Schutzschilde auch aussehen können, ich weiß es nicht. Aber möglicherweise ist die Situation auch nicht ganz so einseitig, Palästinenser nicht nur Angreifer und Provokateure, während Israelische Soldaten nur verteidigen; vielleicht sind die im Artikel geschilderten Provokationen gegenüber Palästinensischen Familien (so sie sich als wahr herausstellen sollten) geeignet, An- und Übergriffe radikalisierter Palästinenser zu provozieren oder bei anderen überhaupt erst zur Radikalisierung beizutragen.

Mich hat das Lesen dieses Artikels sehr, sehr traurig gemacht.

_____
(willow, du vertrittst ernsthaft die Meinung, die UNO habe die Hisbollah wiederbewaffnet?! Unbegreiflich…)

14. beer7 - März 10, 2007, 18:41

Piet,

mir faellt auf, dass der Geschichte von B’Tselem nicht nur auf der Stelle zu Glauben bereit bist, sondern auch sofort davon ausgehst, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass dies typisches Vorgehen der IDF darstellt.

Eigentlich sollte man sich klar machen, dass B’Tselem keinen zuverlaessigen Ruf hat, dass glatte Luegen von pal. Seite die Regel und nicht die Ausnahme sind. Im Urbrigen sollte man auch wissen, dass der Oberste Gerichtshof von Israel schon vor Jahren entschieden hat, dass das sog. „Nachbar-Verfahren“ illegal ist und nicht angewandt werden darf. Soll heissen, isr. Soldaten duerfen keinen pal. Nachbarn auffordern, er solle an eine Tuer klopfen und die Bewohner bitten herauszukommen. Das wurde eine Zeitlang so gehandhabt, nicht weil die Soldaten die Nachbarn als menschliche Schutzschilde missbrauchen wollten, sondern weil man sich davon versprach, dass die Hausbewohner so weniger unter Stress gesetzt wuerden. Der Oberste Gerichtshof entschied jedoch, dass das Verfahren sei illegal, weil es den Nachbarn gegenueber bewaffneten Soldaten schwer fallen koennte, den Dienst zu verweigern. Noetigung, auch wenn sie nicht explizit, sondern nur implizit stattfindet, ist aber verboten.

Im geschilderten Fall, wenn er denn wahr sein sollte, haetten die Soldaten sich eindeutig illegal nach isr. Recht verhalten und wenn B’Tselem Belege beibringen kann, ist davon auszugehen, dass sie vor ein Militaergericht kommen.

15. willow - März 10, 2007, 20:06

Hallo Piet, selbst als Leser der FR müßte dir klar sein, daß der Einsatz menschlicher Schutzschilde seitens der Palästinenser geläufige Routine ist. Hat die FR nicht auch gejubelt, als Terroristen aus einer Moschee entkommen konnten, nachdem sich um die Moschee arabische Frauen versammelt haben? Und das ist kein Einzelfall, Terroristen suche gerne das Bad in der Menge und wohnen auch bevorzugt in großen Wohnanlagen mit sehr vielen Bewohnern… könntest du alles wissen.

Ich habe allerdings noch nie davon gehört, daß palästinensische Kämpfer jemals wegen der Benutzung menschlicher Schutzschilde vor Gericht gestellt wurden…. Im Gegensatz dazu gehe ich davon aus, daß es in Israel über den geschilderten Fall eine gründliche Untersuchung geben wird. Und wie selbst im FR-Beitrag erwähnt wird, kann nicht von systematischem und regelmäßigem Verhalten gesprochen werden – wenn, ja wenn an den Vorwürfen ein Fünkchen Wahrheit ist, dann werden die Verantwortlichen auch bestraft.

Aber auch wenn sich herausstellt, daß die Vorwürfe haltlos sind, noch in Jahrzehnten wird dieser Vorwurf von „Kritikern Israels“ herangezogen werden.

Zur Hisbollah…mit wenig Mühe wirst du Informationen finden, die besagen, daß die Hisbollah heute wesentlich besser bewaffnet ist als vor dem Libanonkrieg. Auch ihre Stellungen, Bunker, Abschußeinrichtungen sind in besserem Zusatand als jemals zuvor. Merkwürdig, nicht? Dabei sind doch in dem fraglichen Gebiet UN-Friedenstruppen stationiert! Aber deren Kommandant hat ganz öffentlich erklärt, daß er es nicht als seine Aufgabe ansieht, Hisbollah zu entwaffnen – und daß seine Spoldaten pünklich Feierabend machen. Auch über aktive Hilfe durch einzelne UN-Kontingente wurde berichtet…

16. Lila - März 10, 2007, 21:39

Wie gut, daß Ruth und Willow geantwortet haben – inzwischen war Piets Kommentar schon so weit runtergerutscht, daß ich ihn am Ende gar nicht gesehen hätte!

Als ich die Geschichte in Haaretz las, habe ich sie im Bookmarks-Folder abgelegt, um darüber zu schreiben. Es kommen ja immer wieder Vorfälle vor (wobei hier noch nicht klar ist, was wirklcih vorgefallen ist – aber nehmen wir einfach mal an, die Geschichte stimmt), die zeigen, wie problematisch es ist, über Jahre hinweg in einem schwelenden Konflikt zu leben.

Wir schicken die Soldaten in eine eigentlich unmögliche Situation, die auch vielen Bürgern mißfällt, aus dem Gefühl des „ein brera“, wir haben keine Wahl – bis wir nicht sicher sein können, daß aus geräumten Gebieten keine weitere Bedrohung auf uns zukommt, können wir beim besten Willen nicht räumen – und ehrlich, eine dritte Front halten wir nicht aus, dann sind wir kaputt.

Ich habe schon öfter, wie Du Dich erinnern wirst, Piet, darüber geschrieben, wie gespalten unsere Gefühle sind, wenn wir Kinder zur Armee schicken – und zwar nicht nur, weil ihnen was passieren kann, sondern auch, weil sie dort sehr wahrscheinlich Dinge tun und sehen müssen, die mit ihrer Erziehung nicht zu vereinbaren sind.

Denn, wie ich ebenfalls geschrieben habe, eine humane Armee ist ein Oxymoron. Eine Armee ist dazu da, zu kämpfen – ob ihre Mitglieder das wollen oder nicht. Jede Waffe ist dazu gebaut, jemanden zu töten oder verletzen. Wie man es wendet und dreht, eine Armee ist kein Trupp von Sozialarbeitern.

Die israelische Armee, da sie sich als „ein brera“-Armee versteht, versucht nach Kräften, dieses moralische Dilemma zu entschärfen. Der ethische Code der IDF wird allen Rekruten eingeimpft – ich frage jeden Soldaten, den ich treffe, ob das wirklich so ist oder nur behauptet wird. Doch doch, den lernen sie und sie wissen, daß sie sich nach bestimmten Regeln verhalten müssen.

Aber das garantiert noch lange nicht, daß das auch alle tun. Steck Leute in Uniform, und einige davon werden das charakterlich nicht aushalten. Sie werden nicht differenzieren können, nicht begreifen, daß eine Uniform kein Freibrief ist, sondern eine Verpflichtung. Dann kommt es zu häßlichen Szenen wie der in Jerusalem, als Batya Gur eingriff, weil zwei schnoddrige junge Soldatinnen einen alten Mann schikanierten – wohlgemerkt, in Israel kann man darauf rechnen, daß sich Passanten einmischen, und wenn es die Frauen von Machsom-Watch sind (wo ich auch welche von kenne).

Außerdem gibt es die israelischen Medien, die jede Pflichtverletzung der Armee scharf und mit großem Getöse melden, es gibt BeTselem, es gibt jede Menge Organisationen von jüdischen Israelis, die sich für Araber oder mit ihnen gemeinsam engagieren – Adalah und Taayush fallen mir gerade ein, vom linken Rand, dann Shovrim Shtika, Peace Now — aber auch Mainstream-Institutionen wie Givat Chaviva und die Uni Haifa mit dem Jüdisch-Arabischen Zentrum und Bet ha Gefen – Du wirst auch heute noch gar nicht wenige Israelis finden, die sich dafür einsetzen, daß dieser elende Konflikt in halbwegs zivilisierten Grenzen abläuft.

Ich erinnere daran, daß auf der palästinensischen Seite keine einzige Organisation oder Initiative für israelische Opfer von Terror kämpft. Ganz so unmoralisch ist also die israelische Gesellschaft nicht, auch wenn es so aussieht.

Des weiteren möchte ich daran erinnern, daß keiner von uns weiß, was Angehörige anderer Streitkräfte so treiben. In Afghanistan, im Kongo, wo deutsche Soldaten Kindersoldaten gegenüberstehen, in allen möglichen Ecken und Winkeln der Welt wird gekämpft. Du kannst davon ausgehen, daß dort Menschenrechtsverletzungen aller Art an der Tagesordnung sind – und dort kommt kein BeTselem hin, kein Journalist und kein Gerichtshof.

Glaub nicht, daß ich uns mit Verweis auf andere bequem entlasten will – jeder ist für sich verantwortlich, nicht für andere. Ich sage auch den Kindern immer, und wenn alle anderen X oder Y tun, bedeutet das noch lange nicht, daß wir uns das auch erlauben. Recht ist Recht und muß Recht bleiben.

Aber wenn Du mich fragst, spricht es eher FÜR das moralische Profil der israelischen Gesellschaft, daß „selbst“ eine Pflichtverletzung, bei der letzendlich keine Todesopfer zu beklagen sind (das meine ich nicht zynisch, wie es klingt – sondern aus der bitteren Erfahrung heraus, daß manchmal nur nach Todesfällen sich etwas ändert – und oft genug selbst dann nicht!) – daß also selbst so ein Vorfall, der bei anderen Armeen einfach so übergangen würde, die israelischen Institutionen funktionieren. Israelis beobachten und melden es, israelische Zeitungen berichten darüber, israelische Richter werden sich der Sache annehmen, wenn sie denn stimmt.

Es ist traurig, daß so etwas vorkommt, und wenn die gesamte 18jährige Bevölkerung, aus der sich Soldaten nun mal rekrutieren, aus empathischen, selbstlosen, nachdenklichen und menschlich reifen Edelmännern und -frauen bestünde, dann käme sowas nie vor. Aber trotz Assa Kascher, trotz ethischem Code und lebhafter öffentlicher Debatte über diese Fälle kommen sie vor.

Glaub mir oder nicht – aber wenn die deutschen Soldaten von einem deutschen BeTselem begleitet würden und die deutschen Zeitungen mit Neuigkeiten aus den Kampfgebieten, in denen deutsche Soldaten operieren, öffnen würden, hättest Du auch regelmäßig solche Neuigkeiten auf dem Tisch, von denen Dir schlecht wird, weil Du nicht willst, daß in der Uniform, deren Träger Dein Leben schützen, solche Dinge getan werden. Israelische Soldaten haben schon alles mögliche gemacht – und sind dafür in den Knast gegangen, haben ihren Rang verloren und sind von den Medien erbarmungslos bis in ihre privatesten Bereiche verfolgt worden. Nicht in jedem Falle stimmten dine Anschuldigungen.

Ich habe neulich eine Sendung gesehen über Todesfälle in der Armee, wo durch uneinsichtige, brutale Vorgesetzte junge Rekruten ums Leben kamen. Einer mußte schwerkrank an Übungen teilnehmen, einem anderen glaubte der Commander die Krankheit nicht, ein anderer nahm an riskanten, verbotenen „Mutproben“ teil, von denen alle wußten, die aber niemand verhinderte. Wenn Du das siehst, dann graut Dir. Du weißt, das sind nur wenige schwarze Schafe, diese Menschen, die mit der ihnen anvertrauten Verantwortung nicht umgehen können – aber Du weißt, wenn sie das den eigenen Untergebenen antun können, wie verhalten sie sich dann, wenn sie Menschen gegenüberstehen, die in ihrem Weltbild nur Feinde sind, nur böse?

Es gibt Menschen, die unter Streß die Nerven verlieren. Es gibt Menschen, die glauben, sie müssen sich an keine Regeln halten, die Regeln sind für andere. Es gibt Menschen, die können mit anderen nicht mitfühlen. Diese Menschen gibt es überall – es gibt auch solche Lehrer, Ärzte, Eltern. Und auch bei der Armee gibt es solche Menschen. Man muß die Armee so organisieren, daß diese Menschen so wenig Schaden wie möglich anrichten.

IDF versucht das – durch den Code, durch sorgfältige Auswahl. Trotzdem ist ein Mann wie Itzik Mordechai, der reihenweise Frauen belästigte und vergewaltigte, ganz nach oben gekommen – trotzdem geschehen immer wieder Dinge, die nicht vorkommen sollten.

Ganz egal, ob diese Geschichte nun stimmt oder nicht – sie könnte wahr sein, und das ist schlimm genug. Andererseits tröstet es mich, daß unsere Gesellschaft eben nicht sagt, „wo gehobelt wird, fallen Späne“, sondern diesen Geschichten nachgeht. Mir fällt gerade kein anderes Land ein, wo die eigene Selbstkontrolle so gut funktioniert.

Ich muß ja wohl auch nicht erwähnen, wie heuchlerisch es ist, wenn dann andere in dasselbe Horn tuten, die ihre eigenen Streitkräfte nicht denselben Kritierien unterwerfen. Dabei fallen mir die Briten ein, die einen israelischen Offizier wegen Menschenrechtsverletzungen festnehmen wollten, als der mit seinem kranken Sohn nach London fliegen wollte – er blieb am Ende im Flugzeug und kehrte nach israel zurück. Und woher wissen wir, was britische Offiziere im Irak machen? Oder anderswo?

Wenn diese Kriterien für uns gelten, dann gelten sie auch für amerikanische, britische, französische Soldaten, für die der UN, für alle anderen auch. Libanesische, syrische, ägyptische…. für alle. Aber Du weißt und ich weiß es auch, daß dem nicht so ist. Doch was niemand nicht weiß, macht niemanden heiß. Über uns weiß man eben viel, wofür wir auch selbst sorgen. Hätte Haaretz diese Geschichte nicht unterdrücken können? Hat sie aber nicht.

Bis wir von niemandem mehr bedroht oder beschossen werden, brauchen wir eine Armee. Aber die Notwendigkeit, die eigenen, ausdrücklich friedlich erzogenen Kinder in die Armee zu schicken, ist für die Mehrzahl der Israelis einer der schwierigsten Aspekte unserer Situation. Denn im Gegensatz dazu, was man über Israelis glaubt, sind die meisten absolut friedfertige Menschen. Überleg Dir allein, wieviele Namen mit Shalom es gibt – Shalom, Shlomo, Shulamit, Shlomit. Man grüßt mit Shalom. Shalom ist der große Traum. Das utopische Ziel. Die Gebete und Lieder handeln vom Frieden. Es ist geradezu eine Obsession. Aber bis wir den Frieden erleben, leben wir im Kampf.

Das macht auch mich traurig.

17. StefanHH - März 10, 2007, 23:11

Ruth, willow und Lila haben ja eigentlich alles gesagt. Eins, Piet, möchte ich noch hinzufügen: An den Reaktionen auf diesen Gewaltakt der IDF kann man geradezu lehrbuchmäßig die Asymmetrie des Nahost-Konflikts und der Reaktionen aufzeigen.

Israel hält sich als Staat, der den westlichen Idealen verpflichtet ist, an bestimmte grundlegende Spielregeln wie z.B. Demokratie, Gewaltenteilung, Menschenrechte (insbesondere Pressefreiheit). Israels Gegner sehen das sehr viel pragmatischer.

Merkwürdig ist jetzt: Selbst wenn wir Israel mit voller Berechtigung nachsagen können, es versage oftmals angesichts dieser Spielregeln, seine Gegner indes achten diese Spielregeln nicht mal und wir fordern von ihnen auch nicht mal, diese Spielregeln zu beachten. Israel darf keinen Fehler machen, ohne im Westen an den Pranger gestellt zu werden. Mehr noch, jeder Fehler wird von bestimmten Personen als Bestätigung aufgefasst, dass Israel schlimmer als seine Gegner ist und Schuld an dem Konflikt/der Eskalation ist.

Die IDF darf Palästinenser in deren Gebieten nicht als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Verstöße dagegen werden von der israelischen Presse berichtet, führen zu den nötigen Verfahren, die bei festgestelltem Verstoß diesen auch ahnden. Trotzdem wird Israel an den Pranger gestellt werden: Daraus, dass ein Paar Soldaten gegen die verbindlichen Regeln verstoßen haben, wird gleich die Schlechtigkeit der gesamten IDF begründet. Wenn allerdings die Gegner Israels menschliche Schutzschilde einsetzen, gibt es keine Institutionen, die dieses verbieten und Verstöße gegen das Verbot verfolgen und wir stellen die Gegner auch nicht an den Pranger. Das sind dann nur verzweifelte Freiheitskämpfer.

Also, ich finde dieses Hantieren mit doppelten Standards peinlich. Und ich glaube nicht mal, dass es zwingend Ausdruck von Antiisraelismus oder Antisemitismus ist. Denn diese Herabwürdigung trifft auch das deutsche Militär (Beispiel sei nur die Schädelfoto-Affäre), das amerikanische Militär, das britische Militär etc, wann immer sie ihr tödliches Handwerk verrichten müssen. Ich vermute, dass hauptsächlich aus dem linken Spektrum im Westen alles Militärische aus blindem Pazifismus abgelehnt wird.

Natürlich haben diese Linken keine Antwort auf die Frage, wie man einem Gegner entgegen treten soll, der nur an der Vernichtung des Anderen interessiert ist. Z.B habe ich über das antiisraelische „mein-parteibuch.com“ heute einen Aufruf Friedensbewegter entdeckt: http://www.truppenabzug-jetzt.de/ oder http://www.0815-network.de/fiw/aufruf/index.php. Möge mir jemand von diesen Realitätsverweigerern mal erklären, was mit allen Afghanen (insbesondere den Frauen) wird, wenn die Bundeswehr/NATO Afghanistan verlässt und die Taliban zurückkehren. Wer so kaltschnäuzig ein ganzes Land seinem dann von Fundamentalisten geprägten Schicksal überlassen will, von dem ist natürlich kein Verständnis für Israels Bemühungen um bloße Selbstverteidigung zu erwarten.

18. StefanHH - März 10, 2007, 23:14

Sorry, der zweite Link lautet korrekt.
http://www.0815-network.de/fiw/aufruf/index.php

19. grenzgaenge - März 10, 2007, 23:22

danke, besonders an stefanhh, du sprichst mir aus dem herzen, besonders was die analyse der linken angeht …..

gute woche euch allen !

grenzgaenger

20. Piet - März 11, 2007, 19:58

> Merkwürdig ist jetzt: Selbst wenn wir Israel mit voller
> Berechtigung nachsagen können, es versage oftmals
> angesichts dieser Spielregeln, seine Gegner indes achten
> diese Spielregeln nicht mal und wir fordern von ihnen auch
> nicht mal, diese Spielregeln zu beachten. Israel darf keinen
> Fehler machen, ohne im Westen an den Pranger gestellt zu
> werden. (Stephan)

Nicht an den Pranger, aber natürlich wird scharf kritisiert. Scharf, weil es hier ja nicht um irgend ein Kasperltheater geht. Es ist aus meiner Sicht übrigens auch kein Hantieren mit zweierlei Maß, im Gegenteil: Ich habe ein Maß, welches ich anlege; von dem, der die Einhaltung bestimmter Standards einfordert, erwarte ich selbstverständlich (!), dass er sie selber befolgt, auch und gerade in der Durchsetzung oder Verfolgung dieser Ziele. Alles andere wäre doch widersinnig.

> mir faellt auf, dass der Geschichte von B’Tselem nicht nur
> auf der Stelle zu Glauben bereit bist, sondern auch sofort
> davon ausgehst, dass es sich nicht um einen Einzelfall
> handelt, sondern dass dies typisches Vorgehen der IDF
> darstellt. (beer)

Wo hast du das denn her? Wo steht das?

Was du aus meinen Zeilen herauslesen kannst, ist mein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber jeglichem Militär! US genauso wie Dt (selbstverständlich wird es Meldungen geben, gegen die die „Schädelmeldungen“ harmlos waren! Ich lehne die jetzt bzgl. Afghanistan getroffenen Entscheidungen, genauer den ganzen Einsatz dort auch komplett ab, aber das ist ein anderes Thema!), Il genauso wie Pal.. Denn wie Lila (danke für deinen guten Kommentar!) schon sagte (und da stimme ich 100%ig mit ihr überein): Macht (Waffengewalt ist nichts anderes) korrumpiert (sie sagte es anders: Man muss charakterlich sehr gefestigt sein…). Daher glaube ich (in diesem Falle B’Tselem) noch lange nicht alles, nehme aber vieles als möglich (bzw. wahrscheinlich; s.o.: Macht korrumpiert) an.

Wenn ich das so schreibe, geht es mir mitnichten um das Anprangern Israels (obwohl ich weiß, dass Kritikern das immer wieder an den Hals geworfen wird, ist hier in D ja nicht anders). Mir geht es um eine Perspektive, von der ich hier (also auf dieser Seite) sehr sehr selten lese. Nämlich ein wenig mehr in den Blick zu rücken, dass die Dinge (aus meiner Sicht) nicht ganz so einfach, nicht ganz so eindeutig und einseitig sein könnten, wie ich sie hier (vor allem in den Kommentaren) häufig dargestellt sehe.

Aber ja, auch für meinen Opa war ich, war jeder Pazifist ein roter Fahnenschwinger, jeder Kriegsdienstverweigerer ein Drückeberger. Auch wenn das schon ein knappes Vierteljahrhundert zurückliegt – ich kann auch heute noch gut mit Vorurteilen leben. 😉

21. Lila - März 11, 2007, 20:11

Lieber Piet, ich glaube nicht, daß in diesem Fall Israel an den Pranger gestellt wurde – die Geschichte ist vermutlich nur in Israel bis in die Medien gelangt. Es ist gut, daß Du sie aufgegriffen hast – ich kriege nicht immer alles auf die Reihe, manchmal ist die Welt auch zu traurig dafür.

Wir haben leider die bittere Erfahrung gemacht, bei Geschichten mit großem medialem Widerhall, daß hinterher die Wahrheit nur kleingedruckt geschrieben wird – Beispiel „Massaker von Jenin“. Obwohl es kein Massaker gab, war diese Mär lange genug in den Medien präsent, um eine gespenstische Art der Realität zu erhalten. Das ist wie im privaten Leben – wenn der Ruf erst ruiniert ist, ist es auch nicht mehr wichtig, ob die zugrundeliegende Geschichte stimmte. Und unser Ruf ist leider ruiniert.

Was teils auf unbestreitbaren Fakten von Fehlverhalten unsererseits beruht,
teilweise auf Verhalten in Zwangslagen, in denen wir nur Fehler machen konnten,
teils auf Anlegung extrastrenger Maßstäbe an uns und
teilweise auf übler Verleumdung, die einfach geglaubt wurde.

Wie Du den Kuchen jeweils teilst, ist Ansichtssache. Aber die Erfahrung, daß egal wie unser Ruf meist leidet, hat uns etwas dünnhäutig in der Richtung gemacht.

Ich werde versuchen, der Geschichte auf den Fersen zu bleiben. Leider ist das oft sehr schwierig. Ich wollte ja auch die Geschichte des Mädchens verfolgen, wo unklar war, ob sie von einem Stein oder einer Granate am Kopf getroffen wurde – aber da hab ich nichts mehr zu gefunden.

Was den Pazifismus angeht: den muß man sich leisten können. Hätte Israel die Waffen nieder! befolgt, gäbe es kein Israel mehr. Das ist wohl unbestreitbar. Aber Du wirst, wie ich betont habe, in der Mentalität der Menschen hier eine Sehnsucht nach Frieden finden, die keiner Pazifistendemo an Leidenschaft nachsteht. Eher im Gegenteil: wenn manche Pazifistendemo vor unterschwelligem Haß gegen Gegner zittert, so wirst Du in vielen uniformtragenden Israelis eine Bereitschaft zum Frieden finden, die Du nicht erwartest.

22. grenzgaenger - März 11, 2007, 20:28

nun gut, man kann natuerlich richtig gutmenschlich und pazifistisch ein land wie afghanistan den islamisten ausliefern, nur die weisse flagge nicht vergessen, und sich dann in seiner gutmenschlichkeit suhlen. natuerlich sind die islamisten in afghanistan und anderswo im gegensatz zu den boesen westlichen soldaten die absoluten humanisten, sie koennen es halt nur nicht so zeigen. mich erinnert das an ein wunderbares buch von henryk broder „hurra, wir kapitulieren“. broder bringt die sache mal wieder auf den punkt. irgendwie bin ich zunehmend froh das deutschland wenigstens etwas positives zustande gebracht hat: sich selbst von rot/gruen zu erloesen. frau merkel ist mir da um einiges symphatischer ….

23. Lila - März 11, 2007, 20:38

Grenzgänger, ich glaube nicht, daß Piet das gemeint hat. Er macht es sich nicht so einfach. Ich glaube nicht, daß Piet Kapitulation vor einem Feind, der einen vernichten will, fordern würde. Aber er würde fordern, daß wir nachdenken, bevor wir uns wehren.

Und wir machen uns ja auch in Israel Gedanken, wie weit wir in der Verteidigung gehen dürfen. Assa Kashers Code ist ein Beispiel dafür. Es sind verschiedene Stufen auf einer Skala der Abwägung, kein schwarzweißer Kontrast. „Hurra wir hauen drauf“ wäre ebenso wenig mein Geschmack „Hurra wir kapitulieren“…

24. willow - März 11, 2007, 20:43

Nun Lila, es stand in allen Zeitungen und wird seine Wirkung nicht verfehlen…

http://www.welt.de/politik/article753103/Soldaten_versteckten_sich_hinter_einem_Kind.html
http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/armee_aid_50094.html
http://www.ksta.de/html/artikel/1173175220803.shtml

…und für mich ist es schon „doppelte Maßstäbe“ wenn erwiesene Menschenrechtsverletzungen der „anderen Seite“ verdrängt werden und unbewiesene Anschuldigungen gegen Israel allgegenwärtig sind.

25. grenzgaenger - März 11, 2007, 20:48

lila, m. E. ist die frage ist WIE LANGE wir noch zeit haben nachzudenken …. ist meine ganz private meinung, sorry ! wenn nachdenken bedeutet lieber nichts zu tun, nur weil die moeglichkeit besteht das sich ein entschluss als falsch erweisen koennte, finde ich das nicht sehr erstrebenswert …. und du hast recht, man macht sich in israel viele gedanken darueber wie weit verteidigung gehen darf. aber was ist die alternative zur verteidigung ?

26. Lila - März 11, 2007, 21:08

Willow: na wie gut, daß ich keine Zeit zur gründlicheren Presseschau hatte. Wenn ich daran zurückdenke, wie sich vor kurzem noch die Palästinenser zu Dutzenden gegenseitig abgeschlachtet haben, ohne daß das den Weg in die deutschen Zeitungen fand… dann hat man vermutlich guten Grund, die deutschen Medien für wunderbar ausgewogen zu halten. Sie gönnen Israelis und Palästinensern in der Tat dieselbe Aufmerksamkeit: Palästinensern nur, wenn sie Opfer der Israelis sind. Und Israelis nur, wenn sie die bösen Täter sind. Da ist die Welt noch in Ordnung.

Oh nein, ich will Deine Links nicht mal nachlesen, es ist einfach zu ungerecht und mir wird davon schlecht.

Und Grenzgänger: ich glaube, niemand kann uns Untätigkeit vorwerfen… Aber zum Beispiel verstehe ich nicht, wieso unsere Regierung jetzt, wo wir seit fast einem halben Jahr täglich im Rahmen eines „Waffenstillstands“ mit Raketen beschossen werden, allesamt auf Zivilisten zielend! – wieso die Regierung jetzt keinen größeren Lärm macht. Wir müssen uns bei jedem internationalen Gremium der Welt beschweren.

Auch die drei Soldaten sind noch nicht zurückgekehrt. Wir haben einem Waffenstillstand im August zugestimmt, weil uns versprochen wurde, daß die Hisballah entwaffnet würde. Alles nicht eingetreten… und alles schlechte Omen für die nächste Runde.

Zur Verteidigung haben wir keine Alternative, nein.

27. Lila - März 11, 2007, 21:15

Hab es natürlich doch gelesen. Pfui Teufel, was für Heuchler. Über das zitternde Mädchen einer unbewiesenen Geschichte, noch dazu von friedensbewegten Israelis recherchiert!, vergießen sie Krokodilstränen. Weder die Zivilisten in Sderot noch die Opfer der Schießereien im Gazastreifen waren ihnen auch nur eine Zeile wert.

Oh Mann, das sind die tollen deutschen Medien. Zum Kotzen. Wer sich nicht mehr erinnert, was im Januar los war, kann ja bei mir nachlesen.

Offene Fragen

Aber noch ein Wort: ich habe auf Piet nicht allergisch reagiert, weil er diesen heuchlerischen Ton eben NICHT angeschlagen hat. Und das ist genau, für alle, die immer wieder fragen, ob man denn überhaupt Kritik an Israel… ohne sofort….. – also für die ist das ein Lehrbeispiel. Man kann alles sagen und fragen. Aber es ist immer eine Sache des Tons.

28. grenzgaenger - März 11, 2007, 21:36

lila, wir stimmen ja im grundsatz ueberein, nur wird sich kein internationales gremium, schon gar nicht die uno, fuer eine beschwerde israels interessieren, ich weiss der vergleich ist streitsam, genau so wenig wie man sich fuer die rettung der juden in der ns zeit interessiert hat …. ich weiss, zur zeit bin ich wieder schrecklich pessemistisch, werde jetzt das abendgebet nachholen, vielleicht bin ich dann weniger pessemistisch drauf ….

29. Piet - März 11, 2007, 23:13

Nun, weder Focus, noch Welt gehören zu den Zeitungen, die ich lese – ich werde das auch nicht ändern. Es gibt ja auch ernstzunehmende Zeitungen, was leider nicht selbstverständlich vor schlecht recherchierten Artikeln schützt.

Ich hatte versucht, den FR-Artikel mit aller Vorsicht aufzunehmen, zumal der Artikel selbst ja voller Konjunktive steckt. Wenn du, liebe Lila, das verfolgen könntest, fände ich das recht hilfreich.

In der Tat kann ich nur schwer nachvollziehen, warum nicht stärker auf den andauernden Raketenbeschuss aufmerksam gemacht wird; Vielleicht aus Rücksicht auf innerpalästinensische Angelegenheiten (nennt man wohl Diplomatie)? Ich weiß es nicht… Bei Gesprächspartnern nehme ich zumindest oft den erstaunten Gesichtsausdruck wahr, weil das eben nicht in ihrem Fokus liegt.

Natürlich bin ich nicht für Wehrlosigkeit, natürlich halte ich Verteidigung für ein legitimes Recht, in bestimmten Fällen für eine Pflicht. Wie auch immer, ist es eine Frage der Verhältnismäßigkeit und der eingesetztes Mittel. Hingegen bin ich nicht der Ansicht, dass man sich Pazifismus leisten können muss, der ja (möglicherweise mit Ausnahme eines Gesinnungspazifismus) eine grundpersönliche Entscheidung ist, mit dem Wissen übrigens, sich weder von Schuld, noch von Dilemmata-Situationen „freikaufen“ zu können. Es ist absolut keine leichte Entscheidung, deren persönlicher Preis, je nach dem, sehr hoch sein kann, unabhängig von der gefällten Entscheidung.

Übrigens, und nur für den Fall, dass das von irgendwem als eine typisch Europäische, ja Deutsche Sichtweise gewertet wird (was es ja ist!), also eine vernachlässigbare, weil ja so weit weg: Hier bekommen wir oft das Gegenteil vorgehalten, Dtl. möge doch nicht so viel Nabelschau betreiben; mal etwas Abstand, und wer mal länger in den Staaten gelebt hätte… Mit den Perspektiven ist das eben immer so’ne Sache. Ich glaube nicht, dass es um ein entweder/oder geht, um ein richtig oder falsch. Es gibt diese verschiedenen Perspektiven, alle aus ihrer Umgebung heraus deut- und erklärbar. Man mag sie nachvollziehen können oder auch nicht; wenn es der eine oder die andere als eine Bereicherung empfindet, ist das ja schon gut. 😉

30. willow - März 12, 2007, 15:09

Das mit dem Pazifismus iss so eine Sache… Gandhi hat damit ja in Indien gegen die Briten ziemlich viel Erfolg. Ob es allerdings wirklich etwas gebracht hätte, wenn die von Hitlerdeutschland angegriffenen Länder und Völker seinem ratschlag gefolgt wären, die Nazis nicht mit Waffen sondern durch Pazifismus zu besiegen… ich weiß nicht.

Pazifismus, ziviler Ungehorsam etc. funktionieren doch eigentlich nur, wenn sich die Gegenseite „an die Spielregeln hält“. Gegen Nazis, kommunistische Diktaturen – oder eben den islamischen Terror scheinen sie dagegen nicht so gut zu funktionieren.

31. StefanHH - März 12, 2007, 18:17

@ Piet

In Beitrag 20 schreibst du: „Nicht an den Pranger, aber natürlich wird scharf kritisiert. Scharf, weil es hier ja nicht um irgend ein Kasperltheater geht. Es ist aus meiner Sicht übrigens auch kein Hantieren mit zweierlei Maß, im Gegenteil: Ich habe ein Maß, welches ich anlege; von dem, der die Einhaltung bestimmter Standards einfordert, erwarte ich selbstverständlich (!), dass er sie selber befolgt, auch und gerade in der Durchsetzung oder Verfolgung dieser Ziele. Alles andere wäre doch widersinnig.“

Für mich liegt das Messen mit zweierlei Maßstäben darin, dass wir in Deutschland / Europa immer behaupten, bestimmte Standards wären allgemeingültig (Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit). Unsere Politker versuchen beim außenpolitischen Handeln ansatzweise immer, diesen Standards Geltung zu verschaffen. Kritischer Dialog, Menschenrechtsdialog, etc im Hinblick auf die Beziehungen zu China oder dem Iran sind oder waren die Stichworte. Nun gibt es aber einige Regionen, bei denen wir irgendwie darauf verzichten, die Beachtung dieser Standards anzumahnen. Putins Russland, Darfur oder eben die Palästinenser sind die besten Beispiele.

Wenn Israel, dass unsere Standards teilt, diese verfehlt, ist jede scharfe Kritik absolut berechtigt. In solchen Fällen ist auch das Anprangern von Fehlern aus meiner Sicht völlig berechtigt. Der israelische Einsatz von Streubomben ist ein Beispiel. Auch wenn die Umstände, warum es zu diesem Einsatz kam, noch nicht ganz klar zu sein scheinen, und auch, wenn Deutschland selbst solche Waffen hat und herstellt, es ist eben dieser Einsatz, der kritisiert/angeprangert werden darf und auch muss. Nur bei den Fehlern, die von Israels Gegner ausgehen, sind wir ungleich nachsichtiger. Und da reicht es mir als Erklärung eben nicht aus, dass man sagt, die Gegner Israels beabsichtigen ja ohnehin nicht, diese Standards einzuhalten. Wer für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintritt, müsste doch ganz besonders jene Personen und Gruppierungen kritisieren, die pausenlos zeigen, dass sie daran kein Interesse haben und dass sie die Vernichtung Israels wollen und dass sie Waffenstillstände nicht als Vorbereitung für den Frieden sehen.

32. Piet - März 12, 2007, 21:42

@ willow:
„Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die linke hin“ war beileibe kein passives Hinnehmen von Gewalt. Jesus ging ungeheuer überlegt vor, aktiv, in einem durch Verfolgung und Gewalt geprägtem Umfeld. Nun will ich das nicht notwendigerweise als einzig politische Maxime hochhalten, zumal der irdische Jesus letztlich mit seinem Leben bezahlte (wie auch Gandhi). Wobei Jesus ja nicht wegen seiner pazifistischen Grundhaltung starb, denn das ist eine religiöse Komponente: Der Mensch ist nicht allmächtig!).

Für mich ist Kriegsdienstverweigerung zunächst eine persönliche (Gewissens-) Entscheidung, aus der ich dann politische Folgerungen ableite. Möglicherweise führen ja verschiedene Wege auf verschiedenen Ebenen zum Ziel. Ich glaube aber nach wie vor, dass der sanfte, verstehende, akzeptierende Weg der kraftvollere ist.

@ Stefan:
Ich glaube, wir sind da letztlich einer Meinung: Ich verurteile die Gewalt seitens der Palästinenser nicht ein Stück weniger! Ich denke aber, dass man zwischen den Zeilen lesen muss und mit Diplomatie an der einen oder anderen Stelle vielleicht weiterkommt. Also: Heute lese ich über die Reaktion der Hamas auf die Äußerungen Al-Sawahiris. Könnte man entsetzt drüber sein, weil keine klaren Äußerungen zur Anerkennung Israels enthalten sind. Andererseits verteidigt die Hamas den geschlossenen Kompromiss gegen die Äußerungen Al-Sawahiris! (Ich weiß, ist seeehr strittig). Letztlich muss eine wie auch immer geartete Palästinensische Regierung eine sehr große Klammer schließen, und da ist mir eine, die sich möglicherweise von Iran und Syrien wegbewegt (wobei noch interessant ist, wohin die sich denn – jenseits von Ahmadinedschad – bewegen) lieber als umgekehrt. Wenn dem denn so ist. Oder: Jugendliche steinewerfende Palästinenser. Sie sehen Israel als den verbündeten der USA, die im Irak einen völkerrechtswidrigen Krieg führen, sie sehen das Elend, in dem sie leben (die unsäglichen Worte der katholischen Bischöfe sagen ja auch darüber etwas aus), u.s.w., die von klein auf indoktriniert wurden und für „ihre Sache“ einzustehen glauben. Kann man an sie die gleiche Messlatte anlegen wie an Israelische Soldaten, die es besser wissen müssten?

Verstehst du, ich will das gar nicht als fixe Aussage stehen lassen. Sondern Fragen stellen, die vielleicht geeignet sein könnten, weiterreichende Antworten, also gangbare Wege zu finden (bestimmt werden ähnliche Überlegungen auch in Israel angestellt). Damit stelle ich weder das Existenzrecht Israels, noch meine Sympathie für dieses kleine Land in Frage. Ich gucke nur anders darauf. Wenn andere das als Schwäche interpretieren, sollen sie sich dabei nur nicht täuschen!

33. Piet - März 12, 2007, 21:49

@ Stefan (kleiner Nachtrag):
Kannst du dich erinnern, wie groß die Aufregung war, als Putin in Hamburg die Ehrendoktorwürde verliehen bekommen sollte? Übrigens von den Wirtschaftswissenschaftlern, weil das als am „relativ unverfänglichsten“ galt. Es gab Unterschriftensammlungen unter den Professoren der gesamten Uni (auch seitens einige Wirtschafts-Profs!), öffentliche Proteste, etc. Er hat sie bis heute nicht bekommen, trotz „diplomatischen“ Einsatzes mancher Persönlichkeiten für ihn. Immerhin, es ging um viel: Wirtschaftliche Beziehungen nämlich, wie wir alle wissen. 😉

34. willow - März 12, 2007, 22:35

Ja Piet, nur vergisst du dabei, daß die Palästinenser ihren Ganzjahreskarneval nur Dank der EU-Gelder (die heftiger als je zuvor sprudeln, Verdopplung seit der Hamas-Wahl…) veranstalten können. Gäbe es da nicht evtl. doch die Möglichkeit, Zahlungen zumindest ansatzweise an bestimmte Bedingungen zu knüpfen?

35. Piet - März 13, 2007, 0:22

Na ist das nicht bequem, wenn man keine Fragen mehr stellen muss, weil man den Schuldigen (na klar, die UNO!) ja schon kennt?

Aus Perspektive der Hardliner kann man natürlich sämtliche Zahlungen (also auch die an humanitäre Einrichtungen, da die das Geld ohnehin nur zweckentfremden) komplett einstellen, dann den Bürgerkrieg in Ruhe abwarten, bis sich das „Problem“ erledigt hat… 😐

Meinst du ernsthaft, dass einkommenslose Familien und nicht bezahlte Sicherheitskräfte auf Dauer zur Stabilisierung der Region (und damit Israels) beitragen? Aber ich vergaß: Europa als Feind Israels hat die Terroristen ja wiederbewaffnet und schaut jetzt mit einer Mischung aus Sensationslust und klammheimlicher Schadenfreude zu. *räusper* Zur Tarnung nimmt es sogar Terrorwarnungen hin – muss ja alles echt aussehen…

36. beer7 - März 13, 2007, 2:01

Piet,

und Du meinst im Ernst, dass den Palaestinensern aus ihrer Misere geholfen werden kann, wenn man ihnen noch mehr Geld hinterherschmeisst, nachdem sie ohnehin zu den am meisten subventionierten Bevoelkerungen der Welt gehoeren?

Der designierte Finanzminister Said Fayyad sagt jetzt schon, dass es ueberhaupt keine Mechanismen gibt, den Geldfluss zu kontrollieren, dass Geld einfach verschwindet, s. http://elderofziyon.blogspot.com/2007/03/on-money-and-responsibility.html

„unbezahlte Sicherheitskraefte“ haben so ihre Methoden, sich Geld und Geldeswert zu beschaffen – bewaffnetes Bandentum nannte man das frueher mal. Um die wuerde ich mir weniger Sorgen machen.

Un den „einkommenslosen Familien“ geht es laut pal. Agentur Ma’an heute schlechter, obwohl die internationalen Zahlungen 2006 anstiegen als zuvor. http://maannews.net/en/index.php?opr=ShowDetails&ID=19535
Unkontrollierte, weil unkontrollierbare Zahlungen scheinen irgendwie nur die Korruption zu foerdern. Wer haette denn an so etwas denken koennen?!

Bevor ich mich spaet nachts auf das Psychologisieren der Europaeer verlege, fordere ich Dich in bester Therapeutenmanier doch auf, lieber selbst mal zu assoziieren, welche Motive und Emotionen Dich denn so zu Deiner Einschaetzung bewegen?

37. Lila - März 13, 2007, 7:03

Lieber Piet, lies Dir mal Burstons ironisch geschriebenen Artikel von gestern durch und mach Dir die Mühe, die Insitutionen, die er nennt, nachzuprüfen.You might be in for a surprise.
http://www.haaretz.com/hasen/spages/836274.html
Die UN ist keineswegs identisch mit ihren Absichtserklärungen, sondern diskriminiert Israel systematisch und konsistent. Sachliche Gründe sind dafür nicht zu finden.
http://www.ifamericansknew.org/stats/un.html
http://www.nysun.com/article/35412
http://www.adl.org/Israel/un_israel.asp
http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/6390755.stm

Das liegt daran, daß bestimmte Länder in der UN diese dazu nutzen, ihre Politik gegen Israel durchzusetzen. Israels Status in der UN ist niedrig aufgrund der Weigerung unserer Nachbarn, uns normalen Status in der regionalen Gruppe zuzugestehen.
http://christianactionforisrael.org/un/status.html

Unser Imageproblem haben wir zu einem großen Teil dieser Institution zu verdanken, auch wenn deutsche Beobachter dazu neigen, diese These empört von sich zu weisen, da sie glauben, die edlen Beweggründe der Gründung der UN und ihre reale Existenz seien deckungsgleich. Dem ist keineswegs so, und unser Mißtrauen ist in einer langen, langen Reihe geradezu skandalöser Behandlung durch die UN begründet.

(Ich erinnere nur an das Zurückhalten von Filmmaterial durch die UN, das den Tod der drei entführten Soldaten von Har Dov gezeigt hätte – während Nasrallah uns drei Jahre lang an der Nase führen konnte und enorm viele Gefangene freipreßte für unsere Hoffnungen….)

Dein spöttischer Ton, was die humanitären Einrichtungen angeht, ist ebenfalls unangebracht. Prüf doch einfach mal nach, wohin Dein Steuergeld geht. In der ZEIT stand mal ein ausführlicher Bericht.
http://www.hagalil.com/archiv/2004/06/eu-geld.htm
Herrje, ich finde gerade nichts Aktuelleres, aber Du kannst ja mal selbst nachrecherchieren. Guck Dir allein mal an, wie es in den palästinensischen Städten aussieht, und rechne nach, wie viel Gelder dort hin fließen. Irgendwo muß das Geld doch bleiben, oder? Und Waffen haben sie, auch wenn sie nichts anderes haben. Sie ballern bei jeder Demo in die Luft, als wären die Kugeln umsonst. Das sind sie aber nicht. Jemand bezahlt dafür – und der Jemand heißt Piet. Und auch Lila.

Und kannst Du mir ernsthaft sagen, daß Europas Rolle in der Beendigung des Libanonkriegs dazu angetan war, Israels Sicherheit zu garantieren? Europäer hindern Israel mit Androhung von Waffengewalt daran, die Aufrüstung der Hisbollah zu verhindern. Ist Dir noch nicht aufgefallen, daß sie eher Israel als die Hisbollah als Gegner sahen, als sie in den Libanon kamen? Jetzt beschweren sie sich, daß ihr Mandat nicht robust genug ist, um die Hisbollah ernsthaft unter Kontrolle zu bekommen. Aber das muß Dir doch bekannt sein.
http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/libanon_nid_44931.html

38. beer7 - März 13, 2007, 12:28

Ich habe gestern schon mehrfach probiert, hier zu antworten, mal schauen, ob es jetzt geht

Piet, meinst Du ernsthaft, dass den Palaestinensern geholfen wird, wenn dem vielen Geld, das sie schon bekommen haben, noch weiteres hinterhergeworfen wird?

Salam Fayyad, der designierte Finanzminister der neuen Einheitsregierung (er hatte das Amt auch gegen Ende der Aera Arafat kurz inne) und ehemaliger World Banker, sagt deutlich, dass es ueberhaupt keine Kontrollmechanismen mehr gibt, um die Verwendung der Gelder zu ueberpruefen. siehe hier http://elderofziyon.blogspot.com/2007/03/on-money-and-responsibility.html

Seit die Hamas gewaehlt wurde, haben die Palaestinenser nicht weniger, sondern mehr internationale Finanzhilfe erhalten, der Loewenanteil aus der EU, trotzdem werden die pal. Armen aermer, siehe http://maannews.net/en/index.php?opr=ShowDetails&ID=19535

Unkontrollierte, weil unkontrolliebare Geldfluesse haben die leidige Tendenz, Korruption zu foerdern. Wer haette das gedacht?

Um die „unbezahlten Sicherheitskraefte“ wuerde ich mir uebrigens weniger Sorgen machen. Die haben so ihre Methoden, an Geld und Geldeswert zu kommen. Bewaffnetes Bandentum nannte das mal frueher. Eine aehnliche Situation wie heute in der PA duerfte in Gebiet des heutigen Deutschland im und im Anschluss an den 30jaehrigen Krieg geherrscht haben…

39. Internationale Finanzhilfe fuer die PA « Blick auf die Welt - von Beer Sheva aus - März 13, 2007, 13:00

[…] In Lilas Blog “Letters from Rungholt” versuche ich seit gestern nacht, Piet auf einen Kommentar zu antworten. Aber anscheinend hat Lila (oder WordPress) die maximale Anzahl von Kommentaren […]

40. StefanHH - März 13, 2007, 14:33

Also nur ganz kurz, da ich gerade keine Zeit für eine ausführlichere Antwort habe.

Dass die EU-Gelder teilweise nicht den geplanten Zweck erreichten, den Frieden und dieAussöhnung im Nahen Osten zu fördern, kann man hier nachlesen (aus dem Jahr 2002).

http://www.zeit.de/archiv/2002/24/200224_arafat_haupttext.xml

Soweit ich das jetzt erinnere, wird seitens der EU versucht, das Verschwinden der Gelder in den Griff zu kriegen z.B. durch Direktzahlungen an die Mitarbeiter der PA. Einen Link habe ich aber jetzt dazu nicht. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Korruption eine Erblast der Arafat-Zeit ist und von Seiten gemäßigter palästinensicher Politiker durchaus versucht wird, die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder sicherzustellen.

Ich glaube, dass keiner ein Interesse daran hat, die Palästinenser finanziell „auszuhungern“. Das ist übrigens auch nichts, was die Politik Israels beabsichtigt.

41. willow - März 13, 2007, 17:06

Die Palästinenser sind pro Kopf die größten Empfänger ausländischer Hilfe weltweit. Da ist es kaum erwähnenswert (oder hast du in den letzten Tagen darüber in den Zeitungen gelesen?) wenn mal eben so 100 Millionen Dollar „verschwinden“… und im Rahmen des Dialoges ist es natürlich unmöglich, auch nur selbstverständliche Forderungen ganz leise anzumahnen.

In einer Presseerklärung der Uno etwa hieß es vor wenigen Tagen: „Die Unterstützung der Palästinenser belief sich im letzten Jahr – nicht mitgerechnet die Zuwendungen an die Palästinensische Autonomiebehörde oder die Hamas seitens regionaler Geldgeber – auf 1,2 Milliarden Dollar, was einer Steigerung von etwa 10 Prozent gegenüber 2005 entspricht.“ Die meisten Zahlungen seien dabei an der palästinensischen Regierung vorbei geflossen, wurde versichert. Die humanitäre Hilfe in Form von Nahrungsmittel- und Arbeitsprogrammen habe sich seit 2004 sogar verdoppelt.

Zyniker sagen, wir füttern sie so gut, daß sie sich ganz auf ihren Kampf -gegen die verhaßten Juden aber auch gegen die politischen Feinde aus den eigenen Reihen- konzentrieren können.

42. Lila - März 14, 2007, 10:19

Liebe Ruth, nicht nur Deine, sondern auch mein eigener Kommentar ist im virtuellen Limbo verschwunden – und ist raetselhafterweise jetzt erst aufgetaucht, im Spamfolder. Ich habe sie befreit… aber frage mich immer noch, wo sie 24 Stunden lang waren!

43. grenzgaenger - März 14, 2007, 17:14

@willow (kommentar 41): ich wuerde das nicht als zynismus bezeichnen, sondern als realismus. die frage ist ob die wirkung erwuenscht oder unerwuenscht ist. ich befuerchte das erste !

grenzgaenger

„Zyniker sagen, wir füttern sie so gut, daß sie sich ganz auf ihren Kampf -gegen die verhaßten Juden aber auch gegen die politischen Feinde aus den eigenen Reihen- konzentrieren können.“

44. Heinsohn und zornige junge Männer « Letters from Rungholt - Januar 26, 2008, 0:23

[…] Presseschau. trackback Lang und lesenswert: Manfred über Heinsohn, den ich ja auch schon mal verlinkt habe. Und wer noch Kraft zum Lesen hat: eine Buchbesprechung in der JPost, ein Forscher namens […]


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